Johnny & Co. rocken die Konzertfabrik
Hardline und die Schweiz – das harmoniert einfach. Jedes Mal, wenn die melodiösen Rocker aus den Vereinigten Staaten hierzulande eine Show spielen, ist diese eine wahrlich mitreissende Angelegenheit. Ob die Künstler am Samstagabend in Pratteln erneut abgeliefert haben, verrät euch der Inhalt der nachfolgenden Review.
Nach dem gestrigen Aufeinandertreffen mit tAKiDA und The Wild! (siehe Review) steht für mich am darauffolgenden Tag direkt der nächste Abstecher ins Z7 auf dem Plan. Ausgeruht und bestens gelaunt stolziere ich um 18.30 Uhr in Richtung der Lokalität. Ein bisschen Nervosität geistert ebenfalls herum. Nein, keine Angst, ihr werdet meine Wenigkeit nicht auf der Bühne sehen. Der Grund für mein Nervenflattern ist im Sport-Dossier zu finden. Mein Heimatverein – der FC Winterthur – könnte nämlich in den kommenden Stunden tatsächlich noch den Aufstieg in die Super League realisieren. Aufgrund dessen werde ich wohl ständig zwischen den gitarrenlastigen Live-Performances und dem gelegentlichen Blick auf die Fussball-App hin- und hergerissen sein. Ach, das wird schon irgendwie schiefgehen.
Glücklicherweise beginnt das emotionale Nachjagen des runden Leders erst später. Somit gilt meine volle Aufmerksamkeit vorerst einzig und allein der Musik (und vielleicht Sina und ihren Kolleginnen an der Zapfhahn-Front). In Sachen Publikumsaufmarsch zeichnet sich bisher leider ein ähnliches Bild wie gestern ab. Wo stecken bloss die ganzen Leute? Bevorzugen wirklich so viele einen gemütlichen Grillabend im heimischen Garten? Oder ist das Konzertangebot mittlerweile wieder zu gross geworden? Devils Rage in der Met-Bar hätten mich beispielsweise auch gereizt, aber da meine letzte Begegnung mit Hardline klar länger zurückliegt, fiel meine Entscheidung auf den Besuch des Z7.
Air-Change
Der erste der drei Support-Acts stammt aus Bern und setzt hundertprozentig auf die rockige Schiene. Das Trio, bestehend aus Tom (Gitarre/Gesang), Reto (Drums) und Urs (Bass), entlockt seinen Instrumenten kernige Klänge. Das sind eben richtig «urchige» Typen! Die Gelegenheit in dieser legendären Halle spielen zu dürfen, ist für sie zweifelsohne ein fantastisches Ereignis. Frontmann Tom könnte die Location möglicherweise bereits kennen. Schliesslich ist der Tausendsassa unter anderem auch als Mischer oder Klampfen-Techniker unterwegs. In diesen Funktionen war er schon für Kapellen wie Shakra oder Axel Rudi Pell tätig. Solche Persönlichkeiten braucht die Szene, denn sie leben und atmen Musik effektiv von A bis Z.
Es flitzen momentan auffallend viele Kinder durch die Gegend. Da scheinen gewisse Eltern wohl Wert auf eine korrekte, musikalische Erziehung ihrer Sprösslinge zu legen. Dazu ist also nicht immer zwingend eine Heavysaurus-Show von Nöten. Songs der Marke «Heroes Of The Road» sind fraglos hörenswert. Im Gegensatz zu den Musikvideos klingt Toms Englisch im Live-Gewand deutlich besser und ist definitiv nicht allzu intensiv von einem helvetischen Akzent durchtränkt. Soundtechnisch weist das Dargebotene stellenweise gewisse Parallelen zu Krokus auf. Fazit: Ein sauberer Start in den Abend.
Xtasy
Danach wechseln wir auf das internationale Pflaster und landen zuerst beim spanischen Vertreter aus der Provinz Navarra. Metalinside-Kamerad Sandro hat zum aktuellen Eisen «Eye Of The Storm» übrigens eine ausführliche Analyse abgeliefert (siehe Review). Ich möchte mich allerdings nicht von Spoilern ablenken lassen und führe mir den Auftritt lieber unvoreingenommen zu Gemüte.
Xtasy wandeln auf den Spuren von Battle Beast und Amaranthe. Irgendwie stecken sie aber trotzdem noch mitten in der Findungsphase. Luft nach oben ist diskussionslos vorhanden (wobei die Protagonisten auf diesem soliden Grundstein sicherlich etwas aufbauen können). Dann landet man vielleicht eines Tages auf derselben Stufe wie die zuvor erwähnten Gruppen. Ausserdem sollten sie unbedingt über die Verpflichtung eines Keyboarders nachdenken. Es ist nämlich schade, wenn das Tastengeklimpere ausschliesslich ab Band abgespult werden muss. Passend zum – klischeehaft – hitzigen Temperament der Südländer scheint das Quintett des Weiteren ein Flair für feurige Songs zu haben (diesbezüglich seien exemplarisch «Play With Fire» und «Into The Fire» genannt). Basser Johnny Kerchief macht in Sachen Outfit den Jimi Hendrix und ist auch wegen seiner Bewegungsfreude eindeutig der Aktivposten der Truppe.
SEVI
Um 20.40 Uhr geht die nächste, von einem Mädel angeführte Equipe ins Rennen. Obwohl beim Soundcheck Ungereimtheiten auszumachen waren, sind diese bei der anschliessenden Live-Performance wie weggeblasen. Alles klingt lupenrein und sauber. Vom Niveau her ist das im Vergleich mit Xtasy freilich nochmals ein völlig anderes Kaliber. Frontmädel Svetlana Bliznakova, deren Spitzname gleichzeitig Pate für den Bandnamen steht, verfügt über ein imposantes Stimmorgan, welches umgehend einige Z7-Besucher aufhorchen lässt. Der groovige Alternative Rock der Bulgaren kommt offensichtlich hervorragend an. Die durchwegs positive Resonanz spricht diesbezüglich Bände. Bleibt zu hoffen, dass auf dieses erste Gastspiel in der Schweiz noch zahlreiche weitere folgen werden!
Für überschwänglichen Applaus sorgt etwas später die Ankündigung eines besonderen Gastes, der gemeinsam mit dem Quartett eine spezielle Nummer präsentieren soll. Aufmerksame Gäste haben ihn natürlich bereits am Bühnenrand entdeckt; es ist kein Geringerer als Johnny Gioeli höchstpersönlich. Gewohnt freudig strahlend schnappt er sich ein zweites Mikro und erklärt zuerst, dass die Entdeckung von SEVI sozusagen auf seine Kappe gehe. Im Anschluss folgt ein hammermässiges Duett, bei welchem beide Protagonisten aus der Gesangsabteilung echte Emotionen zeigen. Der von Johnny geschrieben «Song Of Hope» verfehlt seine Wirkung somit keinesfalls. Und jetzt bitte kurz verschnaufen, ehe dann der Headliner im Einsatz steht.
Hardline
Wie geht’s eigentlich «meinem» FCW? Fantastisch! Kriens wird gnadenlos vom Platz geballert und der härteste Konkurrent – Grüsse gehen nach Aarau – liegt gegen Vaduz im Hintertreffen. Wird der Aufstieg in die Super League wirklich auf den letzten Drücker Realität? Meine Nerven liegen blank! Aber der Sportreporter hat nun rasch Sendepause, denn es wartet ebenfalls noch eine Ladung Musik, die beurteilt werden möchte.
Vorgetragen wird diese von der Italo-Ami-Kapelle Hardline. Sie ist – etwas fies formuliert – ein wichtiges Mitglied der «Frontiers Music Srl-Mafia». Im melodiösen Hard Rock- respektive AOR-Bereich knöpft ihnen wahrlich niemand so schnell den Schneid ab. Zudem haben sie da diesen Wahnsinnigen in ihren Reihen. Genau. Der Typ, welcher vorhin schon einmal bei SEVI sein Stimmorgan aufgewärmt hat. Das fleischgewordene Duracell-Häschen, welches problemlos einen Spurt nach dem anderen hinlegt und dabei nie von der Tonleiter herunterplumpst (ob Friedemann überhaupt einen brauchbaren Schnappschuss hinbekommen wird?). Andere müssten längstens ein Sauerstoffzelt aufsuchen, aber nicht so Johnny Gioeli. Ein unfassbares Phänomen. Schlichtweg einer der charismatischsten Gesangsgötter, die zurzeit auf unserer blauen Erdkugel herumwandern! Das passiert also, wenn man italienische Gene und US-amerikanischen Emotionsüberschuss vermischt. Im Fall dieses Kollegen ist das gewagte Experiment ohne Zweifel geglückt. Erleichtert küsst er den Bühnenboden und lobt danach die Z7-Crew. Eine dreijährige Absenz sei einfach viel zu lang…
Das musikalische Material wird in eine abwechslungsreiche Setliste verpackt. Es gibt rasante Angelegenheiten («Where Will We Go From Here»), knackige Geschichten («Life’s A Bitch») und berührende Sequenzen (ein Medley, welches unter anderem aus «Take You Home» und «Page Of Your Life» besteht). Schiessbuden-Chef Marco Di Salvia ist sowieso eine unaufhaltsame Naturgewalt. Absolut nachvollziehbar, dass er als «The Italian Stallion» bezeichnet wird. An der Gitarre agiert derweil mit Andrea Seveso ein neues Gesicht. Der Axtmann wirkt jedoch bestens in die Hardline-Familie integriert. Wundert mich bei dieser herzlichen Truppe ehrlich gesagt nicht. Die Bandvorstellung selbst ist grosses Kino! Da müssen die anwesenden Lachmuskeln Überstunden leisten.
YES!!! Inzwischen ist die erlösende Nachricht aus der Sportwelt bei mir eingetrudelt: Der FC Winterthur hat’s gepackt und steigt auf! Unglaublich! Jetzt ist mein inneres Feierbiest definitiv hellwach. Ab zur Bar und einen Siegestrunk abholen. Die Stimmbänder müssen dringend geölt werden. Einerseits für die restlichen Stücke von Hardline und anderseits für die späteren Meisterfeierlichkeiten in der Heimat. Den Schlusspunkt setzen die Künstler mit dem gelungenen «Hot Cherie». Das Ende eines rundum zufriedenstellenden Samstagabends.
Das Fanzit – Hardline, SEVI, Xtasy, Air-Change
Der Publikumsaufmarsch war enttäuschend. Aber alle Anwesenden sind ungeachtet dessen in den Genuss von ausgezeichneter Unterhaltung gekommen. Hardline und SEVI waren die grossen Gewinner der heutigen Session. Ich kann das nächste Aufeinandertreffen mit diesen beiden grossartigen Bands kaum erwarten. Aber jetzt muss ich schleunigst zurück nach Winterthur. Metalinside-Kollege Friedemann nimmt mich netterweise gleich mit. Vielen Dank dafür! Es darf gefeiert werden!
Setliste – Xtasy
- Intro
- Perfect Strangers
- Nowhere To Run
- Play With Fire
- The War
- Into The Fire
- Eye Of The Storm
- Die Young
Setliste – SEVI
- Don’t Hesitate
- Follow Me
- Am I Alive?
- Never Again
- Screw You, Honey
- On My Own
- The Art Of War
- One Time Thing
- To Hell And Back
- The Battle Never Ends
- Song Of Hope (mit Johnny Gioeli von Hardline)
Setliste – Hardline
- Fuel To The Fire
- Surrender
- Everything
- Waiting For Your Fall
- Takin‘ Me Down
- Dr. Love
- Medley: Who Wants To Live Forever / In This Moment / Take You Home / Page Of Your Life
- In The Hands Of Time
- Where Will We Go From Here
- Life’s A Bitch
- Fever Dreams
- Rhythm From A Red Car
- Hot Cherie*
*Zugabe