Metalinside.ch - Xtasy - Wisa-Bar Lenzburg 2022 - Foto Sandro
Sa, 28. Mai 2022

Xtasy, Human Zoo

Wisa Bar (Lenzburg, CH)
14.06.2022

An Abenden wie diesen…

Kleine Lokalitäten haben diesen ganz eigenen, speziellen Charme. Wie etwa die Wisa Bar in Lenzburg, welche am 28. Mai 2022 bei herrlichem Frühsommerwetter zum Stelldichein mit zwei zumindest hierzulande allenfalls mässig bekannten Kapellen lädt: Human Zoo und Xtasy. Und da das Ganze als Co-Headlinershow angesetzt ist, kommt das recht zahlreich erschienene Publikum in den Genuss von rund drei Stunden gut gemachter Live-Musik.

Die Met Bar dürfte vielen ein Begriff sein – im Gegensatz zur Wisa Bar, auch wenn diese nur einen gefühlten Steinwurf davon entfernt liegt. Derweilen Kollege Dutti in erstgenanntem Konzertsaal den Klängen von Koenix und Varda frönt (und auf dem Weg dorthin vom nahe stattfindenden, etwas früher initiierten Spektakel beschallt wird), zieht es meine Wenigkeit noch zwei Abzweigungen weiter, hinein in ein typisches Industriequartier. Anders als von mir erwartet, soll der heutige Doppelauftritt aber nicht drinnen in der eigentlichen Bar, sondern draussen unter freiem Himmel, beziehungsweise durch eine Zeltkonstruktion vor der Witterung geschützt, über die Bühne gehen. Lenzburg als Epizentrum der Helvetischen Metalszene 🙂

Bereits zwei Stunden vor dem eigentlichen Startschuss haben sich einige unentwegte Konzertgänger eingefunden, gönnen sich das eine oder andere Bier und verfolgen den Soundcheck der schwäbischen Human Zoo auf der eher klein dimensionierten Stage mit. Xtasy, die – wenn man aufgrund der Running Order so will – Headliner des Tages, haben diese Übung bereits hinter sich gebracht und geniessen nun im mit Tischen und Bänken ausstaffierten Aussenbereich den milden Abend. Zufriedene, entspannte Gesichter allenthalben – etwas, das man in den letzten zwei Jahren wahrlich viel zu selten gesehen hat.

Human Zoo

Um 19:15 Uhr wird mit knapp einer Viertelstunde Verzögerung auf die Marschtabelle in dieses als sehr familiär einzustufende Happening gestartet. Aktuell bevölkern rund 70 – 80 Fans den Ort des Geschehens. Human Zoo geben von Anfang an gehörig Gas, so dass der Funke schon mal zu zünden, zumindest zu Beginn jedoch noch nicht vollends überzuspringen vermag. Man merkt dem deutschen Sextett die über die Jahre hinweg gesammelte Erfahrung vortrefflich an, alles wirkt locker und eingespielt, die etwas beengenden Platzverhältnisse mindern die an den Tag gelegte Spielfreude in keiner Weise.

Die Truppe bezeichnet sich ja selbst nicht ganz zu Unrecht als Hard Rock-Band der etwas anderen Art, welcher das Saxophon – gespielt vom anno 2005 via Subway zur Combo gestossenen Boris Matakovic – eine Art Alleinstellungsmerkmal verleiht. Wer heute Abend zugegen ist, kann dieser Selbsteinschätzung nur beipflichten. Denn schliesslich sind es gerade die vom besagten Blasinstrument unterlegten Songs, welche auf CD und speziell auch live dieses gewisse Etwas aufweisen. Lustigerweise verlässt Boris hin und wieder – oder genauer gesagt dann, wenn sein Einsatz nicht gefordert ist – die Bühne. Vermutlich um seinen Kumpanen ein wenig mehr Luft zum Performen zu geben.

Spätestens bei der wirklich hammermässigen Coverversion von Billy Idols ‚Rebel Yell‘, bei welcher Keyboarder Zarko Mestrovic mit einer kleinen Tanzeinlage glänzt, haben die Jungs das Publikum dann vollends im Sack. Zwar bilden sich keine Mosh Pits (Scherz am Rande), doch der eine oder andere lässt es sich nicht nehmen, im knapp bemessenen Raum zwischen Bankgarnituren und der Bühne munter abzufeiern. Und dass die Schwaben vor dem Ende des regulären Sets – es folgen noch drei Zugaben – in den Song ‚Love Train‘ die unvergessliche Steam-Hymne ‚Na Na Hey Hey Kiss Him Goodbye‘ aus dem Jahr 1969 als Mitsingteil einflechten, hat einfach Charme.

Songtechnisch bieten Human Zoo einen ausgewogenen Mix querbeet über ihre vier bisher erschienenen Studioalben. Dass dabei ihr aktueller Silberling ‚My Own God‘ (2016) leicht über-, dessen direkter Vorgänger ‚Eyes of the Stranger‘ dagegen etwas untervertreten ist, wundert kaum. Ob sich der Bandname, wie mancherorts zu lesen ist, vom gleichlautenden Gotthard-Eisen ableitet, sei mal dahingestellt. Doch irgendwie liesse sich das Dargebotene wohl auch ganz gut als Gotthard mit Sax-Attitude vermarkten, ohne gleich einen Shitstorm heraufzubeschwören. Was ebenfalls auffällt, ist die wirklich gute Soundqualität, welche trotz eines eher bescheiden anmutenden Mischpultes erfreulich dynamisch rüberkommt. Und ungeachtet der massig abgefeuerten Dezibel (man erinnert sich an Duttis Fernerfahrung ganz zu Beginn) flutschen die Schallwellen sauber und klar in die anwesenden Ohren.

Während die restlichen Musiker ihr Ding abgeklärt, seriös und eher unauffällig in Shirt und Jeans gekleidet durchziehen, fällt Sänger Thomas Seeburger irgendwie der Nimbus des Paradiesvogels zu. In seinem gelbflammenden Lederkombi sticht der extrovertierte Fronter, der mich betreffend Stage Acting hin und wieder an den guten alten Bruce Dickinson erinnert, klar heraus. Dass er im Verlaufe des Auftritts allerdings beinahe eine Flasche hochprozentigen ‚Captain Morgen‘ kippt, finde ich dann doch etwas zu viel des Guten. Aber jedem das Seine.

Alles in allem liefern Human Zoo genau das ab, was ich mir von ihnen erhofft hatte: geradlinigen, dank der vielen Saxophon-Einlagen nicht alltäglichen Hard Rock. Tadellose Tonkunst, zu der man an diesem herrlichen Abend wunderschön abhängen und mitfeiern kann. Zwar ist der Auftritt nicht zuletzt wegen der fehlenden Lichtunterstützung kein visueller Hingucker, aber der Boden für den zweiten Act des Abends ist schon mal bestellt!

Xtasy

Deutlich – im wahrsten Sinne des Wortes und für einmal positiv behaftet – nüchterner gehen dann ab 21:15 Uhr Xtasy zu Werke. Zwar sind sie rein von der Reihenfolge her als Headliner anzusehen, doch ist Papier bekanntlich geduldig. Und ob sie die unterdessen auf vielleicht 130 Personen angewachsene Metalgemeinde ebenso zu begeistern vermögen, muss sich erst noch zeigen.

Bevor wir uns aber dem Lenzburger Auftritt der aus der spanischen Provinz Navarra stammenden Band zuwenden, sei mir ein kurzer Seitenblick auf ihre unlängst veröffentliche, fast ausschliesslich neu in Spanisch vertonte 6-Track-EP ‚Fuerza Interior‘ gestattet. In meiner ursprünglichen Review zu ‚Eye Of The Storm‘ hatte ich ja primär die etwas blasse, wenig druckvolle Produktion der Scheibe bemängelt. Ein Punkt, der meiner Meinung nach mit der aktuellen Kurzrille mehrheitlich ausgemerzt werden konnte. Und bekannte Lieder in einer anderen Sprache zu hören, ist irgendwie halt immer speziell! Dafür klingen einige Songs (‚Perfectos Desconocidos‘, ‚Vivir, Morir‘, sowie das nach wie vor in Englisch gesungene, nun aber in ein akustisches Kleid verpackte ‚Crashing Down‚) aufgrund ihrer in den Refrains mit viel Hall hinterlegten Passagen nun etwas… naja, süsslich – too much Blingbling irgendwie. Zumindest für meinen Geschmack. So ist ‚Fuerza Interior‘ denn ein spannendes, absolut hörenswertes Experiment, das aber nicht unbedingt die künftige Marschrichtung in Sachen Songwriting vorgeben dürfte (wild guess meinerseits). Während des Gigs ist von dieser leicht zuckrigen Glassur allerdings nichts zu hören.

Doch zurück zur Darbietung in Lenzburg. Derweilen die männlichen Protagonisten noch auf die Frontlady warten, erklingen als Intro schon mal die wohlbekannten Klänge der Orffschen Carmina Burana – ein gerade in Metalkreisen beliebter, stets passenden Einstieg. Und als man mit ‚Perfect Strangers‘ die Bühne zum rund 80-minütigen Feuerwerk entert, wird zudem schnell klar, dass das südländische Quintett nichts anbrennen lassen möchte. Zu kontrolliert und professionell wirkt das Ganze. Allerdings hallen mir dabei auch irgendwie die Worte von Kollege Dutti nach, welcher die Performance der Truppe vor Wochenfrist im legendären Z7 (damals als Supporting-Act für Hardline) begutachten durfte. Seiner Verdikt: Geräumige Arbeitsflächen seien für die Iberer zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht noch etwas zu gross dimensioniert. Hier und jetzt passt jedoch soweit alles zusammen und tut dem fulminanten Auftritt keinen Abbruch!

Bei der Songauswahl konzentriert man sich erwartungsgemäss auf den aktuellen Longplayer ‚Eye Of The Storm‘, der im heutigen Set gleich mit sämtlichen Songs vertreten ist. Nicht unbedingt üblich, zeigt die Auswahl aber doch die songwriterische Lernkurve auf, welche Xtasy über die bis anhin drei Alben hinweg vollzogen hat. Etwas schade hingegen finde ich, dass man nicht das Experiment wagt, zumindest ein Lied auf Spanisch zu performen. So hält von der EP denn einzig die Akustikversion von ‚Crashing Down‘ Einzug in die Setlist, bei welcher Silvia Idoate Unterstützung von Carles Salse an der Gitarre erhält – und Abel Sequera vom Bühnenrand her aus voller Kehle mitsingt. Wie sagte Mastermind Jorge Olloqui doch noch kurz zuvor? ‚He’s the drummer, he is crazy!‘ – kann man nur unterschreiben! Überhaupt ist der Schiessbudenbetreiber, der mit seinen Grimassen Würze in den sonst sehr kontrolliert wirkenden Auftritt einbringt, ein echter Aktivposten – genau wie Johnny Kerchief am Bass. Gesanglich wie auch tontechnisch gibt es ohnehin nichts zu bemängeln. Und selbst kleinere Probleme mit dem Equipment, welche Jorge während der zweiten Ballade des Abends („Welcome To My World“) zu ein bisschen Bastelspass nötigen, steckt man mit stoischer Gelassenheit weg.

Mit drei Zugaben, bei denen die Band nochmals so richtig aufs Gaspedal tritt, geht ein energiegeladener, temperamentvoller Gig zu Ende. Vergleicht man den sehr respektablen Publikumsaufmarsch mit den Gigs an den Tagen zuvor, so bildet Lenzburg einen absolut würdigen Abschluss dieser Mini-Tour durch Deutschland, Belgien sowie die Schweiz. Und um auf die einleitende Frage zurückzukommen: Ja, alles in allem werden Xtasy ihrer Headlinerrolle absolut gerecht, was auch mit etwas zusätzlichem Stage Equipment, leuchtenden Aufbauten und Rollups untermalt wird.

Bei der Zufahrt zur Location lodert unterdessen ein schmuckes, zur Szenerie passenden Feuer vor sich hin. Klein, aber fein ist heute ein Prädikat, das auf die Wisa Bar – beziehungsweise den gesamten Abend – vollumfänglich zutrifft.

Das Fanzit Xtasy, Human Zoo

So geht denn ein durchs Band weg angenehmer, unterhaltsamer Vorsommerabend zu Ende, bei dem das zahlreich erschienene Publikum von zwei äusserst spielfreudigen Kapellen bestens unterhalten wurde. Allenfalls könnte man bemängeln, dass die je rund 80 Minuten Spielzeit etwas kurz bemessen waren, aber von der Preis-Leistung-Seite her betrachtet – der Eintritt kostete 20 Franken, die Ausgaben für Speis und Trank lagen im absolut grünen Bereich – kann man auch hier nicht meckern!

Xtasy werden ihre „Eye Of The Storm“-Tour im Spätherbst fortsetzen, wobei sie in der Schweiz gleich noch zwei Mal Halt machen werden (am 29.10. in Landquart sowie am 31.10. in Oberriet). Wenn sich’s einrichten lässt, werde ich mich gerne nochmals ins Auge des Sturms begeben.

Setlist – Human Zoo

  1. Raise Your Hands
  2. One Direction
  3. The Answer
  4. Like A Bitch
  5. Communicate
  6. Creatures Of The Night
  7. A Day To Remember
  8. My Own Illusion
  9. Rock Your Town
  10. Rebell Yell (Billy Idol Cover)
  11. Taste Like Sugar
  12. Crowd’s On Fire
  13. Love Train
  14. In The Rain*
  15. Gimme Your Love*
  16. Over The Horizon*

* Zugabe

Setlist – Xtasy

  1. Intro (Carmina Burana)
  2. Perfect Strangers
  3. Nowhere To Run
  4. Revolution
  5. Said And Done
  6. Flesh And Blood
  7. Silent Heroes
  8. Under The Gun
  9. Crashing Down (Acoustic)
  10. Guitar Solo
  11. The Clock
  12. Drum Solo
  13. Welcome To My World
  14. Play With Fire
  15. The War
  16. Into The Fire*
  17. Eye Of The Storm*
  18. Die Young*

* Zugabe

Fotos Xtasy, Human Zoo – Wisa-Bar 2022 (Sandro)


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14.06.2022
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