Ein würdiger Headliner für den Newcomer
Nach zwei Jahren ohne Open-Air-Show oder Festivals kann der Sommer 2022 endlich wieder ein grosses Programm bieten, bei dem beinahe sämtliche Künstler fast aller Musikrichtungen durch Europa touren. Auch Metallica nutzen die Chance, um für eine kurze Festivalreihe auf den alten Kontinent zurückzukehren, so wie sie es im Sommer oft tun – u.a. zum Download Germany.
Dreizehn Jahre nach ihrem ersten Auftritt kehrt die Band für die erste Ausgabe des Download Germany nach Hockenheim zurück. Für alle, die in den letzten 21 Jahren auf dem Mond gelebt haben: das Download Festival ersetzt das mythische Monsters of Rock auf der Pferderennbahn von Donington in England, ein Festival, das in den 80er Jahren wohl der populärste Hardrock- und Metal-Event in Europa war.
Nach Ablegern in Frankreich und Australien beschlossen die Organisatoren, das Festival auch in einem der grössten europäischen Märkte – nämlich Deutschland – zu veranstalten und haben Metallica als Headliner engagiert. Wie bereits erwähnt, wurde als Veranstaltungsort der Hockenheimring gewählt, eine weitere legendäre Rennstrecke in Europa, die dafür bekannt ist, mehrere Mega-Events mit bis zu 100’000 Zuschauern beherbergt zu haben.
Das Line-up ist zwar nicht so hochkarätig wie bei anderen Festivals wie dem Hellfest, Grasspop oder dem britischen Pendant des Download Festivals, aber interessant genug für uns, um unsere Nachbarn zu besuchen.
Frank Carter & the Rattlesnakes
Wegen diverser Staus auf der Autobahn verpassen wir den Auftakt mit Ghostkid komplett und kommen gerade noch rechtzeitig, um Frank Carter & the Rattlesnakes ihr Set zu Ende spielen zu sehen. Obwohl die Atmosphäre in der Arena aufgrund der heissen Temperaturen noch sehr entspannt ist, bieten die Rattlesnakes ein kraftvolles und energiegeladenes Set voller Punk-Rock-Melodien.
Holding Absence
Dank der gigantischen Zwillingsbühne können Holding Absence nur 10 Minuten später mit ihrem Set beginnen. Verdammt, nicht einmal Zeit, um ein Bier zu trinken! Ich muss zugeben, dass ich noch nie von der Band aus Wales gehört hatte und ihr alternativer Rock beeindruckt mich bei dieser Gelegenheit nicht sonderlich, obwohl sie die Bühne mit Erfahrung bespielen. Ich würde ihnen jedoch eine Chance in einem intimeren Rahmen geben, wo ihre Musik vielleicht besser zur Geltung kommt.
Behemoth
Jedes Mal, wenn ich Behemoth bei Tageslicht auf einem Festival sehe, muss ich den Kopf schütteln. Obwohl die vier polnischen Black-Metaller einen brutalen Sound haben, der für sich genommen schon mehr als genug ist, haben sie normalerweise eine tolle Lichtshow und setzen Pyros für ihre Show ein. Doch der charismatische Nergal und seine Gefolgsleute lassen sich von der Situation weder beeindrucken noch einschüchtern und überziehen die Menge mit 50 intensiven Minuten hochtechnischen Black Metals, der ihre gesamte Karriere abdeckt.
Enter Shikari
Auf den ersten Blick wollen Enter Shikari nicht so recht in dieses Programm passen und ihr Post-Hardcore mit tonnenweise Samples und elektronischen Beats hätte für den eher konservativen Teil des Publikums, der sich für Sabaton oder Metallica interessierte, unverdaulich sein können, aber die Band zeigt, warum sie bei einem Kerrang Music Award als beste britische Live-Band nominiert war. Sie bietet eine sehr energiegeladene und kraftvolle Show, bei der Sänger Rou Reynolds die Menge aufgrund seiner Erfahrung zu unterhalten weiss.
Five Finger Death Punch
Mit Five Finger Death Punch wird die Messlatte noch einmal deutlich höher gelegt. Die fünf Musiker aus Las Vegas haben auch in Europa den Status einer Arena-Band erreicht und können in Deutschland auf eine riesige Fangemeinde zählen, die den vorderen Teil der Stage 1 füllt. Da das Konzert grösstenteils bei Tageslicht sattfindet, bietet die Band eine recht nüchterne Show mit Ausnahme von ein paar Flammen hier und da. Sie lassen die Musik für sich sprechen und spielen eine Reihe ihrer grossen Hits, von „Wash it All Away“ bis „Lift Me Up“, die Powerballade „The Bleeding“ oder das Cover „Bad Company“. Die Nüchternheit tut Ivan Moody gut, und der Sänger sieht gut aus und ist gut gelaunt, redet und scherzt mit dem Publikum und hat Spass auf der Bühne. Schade nur, dass der Sound im vorderen Bereich ziemlich schlecht ist und die Gesangslinien kaum zu hören sind.
Sabaton
Die Schweden Sabaton haben die schwierige Aufgabe, den Gig von Five Finger Death Punch zu toppen, und der einsetzende Regen hätte ihr Konzert ruinieren können, aber die Band bietet wie immer eine sehr hochwertige und bombastische Show, einschliesslich des riesigen Panzers, der als Drumriser verwendet wurde. Man muss ihre Musik nicht mögen, aber zweifelsohne schaffen sie es, eine grossartige Atmosphäre zu schaffen, auch dank der vielen Mitsinglieder wie das bekannte „Primo Victoria“ oder „Great War“ in ihrer Setliste. Auch heute zeigten sie wieder, dass sie in Deutschland eine starke und treue Fangemeinde haben, die jeden einzelnen Song mitsingt und die Show trotz des Regens geniesst.
Metallica
Kurz bevor der Headliner des Festivals die Bühne betritt, hört der Regen auf, was bereits ein gutes Zeichen ist. Die ersten Töne von AC/DCs „It’s a long way to the top (if you wanna Rock ’n‘ Roll)“ kündigen an, dass das Konzert bald beginnen wird, und die ganze Menge singt und klatscht bereits, bis das übliche Intro „The good, the bad, the ugly“ begleitet von Filmausschnitten, die auf die riesigen Leinwände projiziert werden, die Band auf der Bühne vorstellt.
Lars‘ Schlagzeug erhebt sich aus dem Boden an der Spitze des Snakepits (die dreieckigen Laufstege vor der Bühne) und die Band beginnt überraschenderweise mit dem harten „Whiplash“, das von dort aus gespielt wird. Dies ist der Beginn einer ungewöhnlichen Setlist (oder zumindest nicht der Standard-Festival-Setlist, die wir schon hunderte Male gehört haben). „Enter Sandman“ als drittes Stück ist eine erstaunliche Wahl, da ihr berühmtester Song seit Ewigkeiten ihre regulären Sets abschliesst.
Die Band scheint in guter Form und Stimmung zu sein. Die lange Pause und Reha haben sich positiv auf James Hetfield ausgewirkt, der viel besser aussieht als auf der letzten Tour.
Im Set wechseln sich ältere und neuere Hits ab, mit einigen selten gespielten Überraschungen wie „Trapped Under Ice“, „Dirty Window“ von St. Anger oder „Damaged Inc.“ während der Zugaben.
Das Fanzit – Download Germany 2022
Nach den Bomben und dem Feuer von „One“ beendet „Master of Puppets“ das Konzert, bei dem die 65’000 Menschen trotz des langen Tages in der Sonne (und im Regen) immer noch mitsingen. Eine recht ungewöhnliche Wahl, um das Konzert zu beenden, aber das scheint niemanden zu stören, und alle bejubeln die Band, als sie die Menge begrüsst und Plektren und Schlagzeugstöcke verteilt. Das war sicherlich ein würdiger Headliner für den Newcomer Download Germany unter den grossen europäischen Festivals. Mal sehen, was die Organisatoren uns nächstes Jahr bieten werden.
Autor: Andy Gaggioli
Übersetzung: Raphi