Duttis Komplex-Comeback
Der Titel macht freilich keinen Hehl daraus, am Freitagabend war ich nach Ewigkeiten wieder einmal in der Zürcher Location, welche in Sachen Soundqualität oftmals einen miserablen Ruf geniesst, zu Gast. Vielleicht konnten mich die Komplex 457-Techniker ja bei diesem Versuch überzeugen – wer weiss? Am Band-Programm gab’s jedenfalls nix zu rütteln: Gojira, Alien Weaponry und Employed To Serve zeigten allesamt ansprechende Leistungen.
Lasset uns das Wochenende gemeinsam mit lauter, verzerrter Gitarrenmusik einläuten. Um diese Aufforderung umsetzen zu können, muss eine Pilgerreise ins Stadtquartier Altstetten in Angriff genommen werden. Bereits am Bahnhof wird mir bewusst, dass ich schon seit geraumer Zeit nicht mehr in dieser Gegend unterwegs gewesen bin. Die Baustelle ist verschwunden und die Unterführung sieht fraglos erneuert aus. Auch während des Marsches zum heutigen Ziel tauchen unterwegs kaum Hindernisse auf. Vieles steht völlig im Zeichen der Veränderung und Modernisierung. Ob Verbesserungen dieser Art ebenfalls bis zur Technikanlage des Komplex 457 durchgedrungen sind? Meine Ohren würden dies ohne Zweifel hundertprozentig begrüssen. Bedauerlicherweise ist die Abmischung in diesem Laden stets eine Art russisches Roulette. Mal schauen, wie die Gewinn- respektive Überlebenschancen heute aussehen. Letztmals war ich übrigens Anfang Februar 2020 bei Steel Panther und den Wayward Sons innerhalb dieser Mauern zu Gast (mein innerer «Tüpflischisser» musste das jetzt natürlich unbedingt nachschlagen und herausfinden).
Veranstalter Good News konnte schon einige Wochen im Voraus den «Sold Out»-Status für diesen Event vermelden. Das sei allen Parteien zurecht gegönnt. Mittlerweile bevorzuge ich zwar tendenziell eher Gigs im familiären, «untergrundigen» Rahmen, aber für gewisse Gruppen nimmt man auch Besuche der grösseren Hallen in Kauf. Der heutige Headliner ist mir sowieso noch nie auf kleinen Bühnen begegnet. Ehrlich gesagt waren es häufig irgendwelche Festival-Darbietungen, die ich allerdings jeweils bloss flüchtig im Vorbeigehen beobachtet habe. Höchste Eisenbahn, dass Gojira endlich ein bisschen mehr Aufmerksamkeit von meiner Wenigkeit erhalten. Ich bin gespannt, wie viele Wal-Beschützer, Sea Sheperd-Sympathisanten und sonstige Veganer-Hipster in der Lokalität umherschwirren werden. Die lyrischen Ergüsse der Franzosen ziehen nämlich regelmässig solche Geschöpfe an. Vielleicht sollte man diesen Leuten als Kontrast ein paar Týr-Unterstützer und Färinger auf den Hals hetzen (ach, das war jetzt fies von mir – ich weiss). Verschieben wir das Sprücheklopfen auf später und erfreuen uns lieber zusammen (ungeachtet verschiedener Interessen) an den unmittelbar bevorstehenden Shows.
Employed To Serve
Der Name der ersten Truppe passt -zumindest meines Erachtens – wie die Faust aufs Auge. Sind wir nicht alle angestellt, um uns selbst – oder wahlweise einer höheren Sache – zu dienen? Das mag ein direkter Vorgesetzter oder sonst auch gleich eine ganze Firma sein. Nicht alle haben das Privileg, dass sie ihr eigener Chef sind. Der gängige «Teufelskreis» ist sowieso bekannt: Zum Leben benötigen wir Zaster und um diesen zu verdienen, müssen wir arbeiten gehen. Die erworbenen Moneten werden anschliessend wegen diverser Kostenpunkte wieder verpulvert. Dies führt automatisch zum Bedarf an weiteren Cash-Mitteln und somit enden wir wiederum an unserem Arbeitsplatz. Jetzt bin ich aber komplett abgedriftet und habe mich in einem Netz aus wirtschaftlichen und philosophischen Elementen verfangen. Überlassen wir das weitere Herumkrabbeln lieber einem Profi wie Spiderman. Mein Fokus sollte schliesslich auf der Musik liegen.
Metalcore? Post-Hardcore? Modern Metal? Groove Metal? Employed To Serve können nur schwer in eine Schublade hineingezwängt werden. In ihren Stücken sind Spuren aller zuvor aufgezählten Stilrichtungen enthalten. Angeführt wird das britische Quintett von Schreihals-Lady Justine Jones – ein stimmliches Kraftpaket! Ihre Kollegen Nathan Pryor (Bass) und David Porter (Gitarre) könnten derweil glatt als Zwillingsbrüder durchgehen. Die Ähnlichkeit ist äusserst frappant. Vor der Bühne lassen die ersten Moshpits nicht sonderlich lange auf sich warten. Die für Komplex-Verhältnisse wirklich gute Soundqualität leistet garantiert ihren Beitrag dazu. Bleibt zu hoffen, dass fortan immer auf diesem Niveau agiert wird. Ich bin in Tat und Wahrheit positiv überrascht. Die Engländer dürfen mir gerne wieder einmal mit ihrem fulminanten Krach in den Allerwertesten treten!
Alien Weaponry
Alien Weaponry sind eng mit der Maori-Kultur verknüpft. Passenderweise eröffnet Trommler Henry de Jong das Set mit einer motivierenden Haka-Tanzeinlage. Diese Aktion bringt ihm seitens Publikum tosenden Applaus und lautstarken Jubel ein. Kurz darauf betreten auch sein Bruder Lewis und der neue Mann am Tieftöner – Tūranga Morgan-Edmonds – die Spielwiese. Gitarrist und Basser agieren oben ohne und beweisen damit, dass sie effektiv nicht mehr die kleinen Knirpse von früher sind. Im Gegenteil – da stehen mittlerweile ein paar muskelbepackte, junge Erwachsene vor uns. Kein Vergleich mit der 2018er-Ausgabe des Summer Breeze Open Airs, an welchem ich die Formation erstmals in Aktion erleben durfte.
Seit Beginn ihrer Existenz hat man den Akteuren von Alien Weaponry eine grossartige Karriere prophezeit. Sie durften auch schon einige Erfolge feiern. Wer wäre nicht gerne als relativ frisch geründete Band mit den legendären Slayer auf Tour gegangen? Doch nun gilt es für die Neuseeländer dranzubleiben und die zahlreichen Vorschusslorbeeren zu bestätigen. Nicht, dass sie am Ende plötzlich in der Versenkung verschwinden oder als Eintagsfliegen abgestempelt werden.
Die metallischen Maori-Krieger drücken ordentlich auf die Tube und bringen die anwesenden Nackenmuskeln problemlos ins Schwitzen. Die Dampfwalze rollt! Ich sichte sogar vereinzelte Crowdsurfer. Mister Morgan-Edmonds entpuppt sich als tolle Bereicherung und verleiht dem Auftritt zusätzliche Dynamik. Dummerweise verfällt der Komplex-Saal wieder in seinen altbekannten Trott. Der Bass übersteuert teilweise ziemlich… Zuvor bei Employed To Serve hat doch alles wunderbar geklappt. Das gibt einen Makel in der abschliessenden Bewertung.
Gojira
Inzwischen macht sich der Effekt der ausverkauften Hütte bemerkbar. Es wird verflucht eng! Immerhin habe ich in der Nähe der Bar links vorne einen einigermassen schlauen Platz mit brauchbarer Sicht. Einzig ein Besucher, der ausgerechnet in der Nähe des Notausgangs seinem Mageninhalt die Freiheit schenkt, hätte nicht unbedingt sein müssen… Glücklicherweise sind die hauseigenen Reinigungskräfte rasch zur Stelle. Malheur behoben. Weiter geht’s!
Mittels Countdown auf einer Leinwand baut der Headliner in routinierter Manier Spannung auf. Als Gojira schliesslich schnörkellos mit einem populären neuen Hit namens «Born For One Thing» loslegen, sind die Fans nicht mehr zu bremsen. Ekstase ahoi! Plötzlich schiessen imposante Rauchfontänen in die Höhe (ach, deshalb sind keine Knipser im Fotograben zu finden). Jep, das Quartett hat gleich mehrere Show-Elemente mit nach Zürich gebracht. Da wird einem für sein Geld definitiv etwas geboten. Chapeau! Ausserdem können praktisch durchgehend geniale Licht-Sequenzen beobachtet werden, welche die Darbietung ideal ergänzen.
Keine Ahnung, wie viele Liter Kaffee oder Energy Drinks dem Körper von Bassist Jean-Michel Labadie kurz vor dem Gig eingeflösst worden sind, aber der Kerl wirbelt einfach ununterbrochen umher. Die beste Sicht auf das Geschehen hat eindeutig Drummer Mario Duplantier auf seinem Podest. Während seines Solos hält er frech ein grosses Schild mit der Aufschrift «Lauter Verdammte Scheisse!» in die Luft (die wichtigsten deutschen Wörter scheinen ihm offensichtlich geläufig zu sein). Sein älterer Bruder Joe (optisch ein Franzose aus dem Bilderbuch) ist für den Gesang und das Gitarrenspiel verantwortlich. Sein Mikrofon dürfte ungeniert lauter sein. Leider sorgt die Technikabteilung in diesem Bereich erst im finalen Auftrittsdrittel für eine Verbesserung.
Die Setliste ist unglaublich stark und strotz nur so vor mitreissenden, knackigen Hymnen. Da wären beispielsweise das Pantera-mässige Groove-Biest «Stranded», der Meeressäuger-Gruss «Flying Whales», das epische «Silvera» oder das unzähmbare «L’Enfant Sauvage». Lupenreine Leistung aus der Chef-Etage! Bei «The Chant» (nomen est omen) liefern die Zuschauer mittels inbrünstigem Mitsingen den gewünschten Rückhalt. Hühnerhaut pur! Am Ende dieses Stücks folgt obendrein ein Konfettiregen. Als Schlussbouquet entscheidet man sich für das vom aktuellen Album «Fortitude» stammende «Amazonia». Merci beaucoup, mes amis!
Das Fanzit – Gojira, Alien Weaponry, Employed To Serve
Alle Bands brachten Leistung (wenn auch mit unterschiedlicher Soundqualität). Aber gerade dank Employed To Serve hat man gesehen, dass eine gelungene Abmischung in dieser Hütte durchaus kein Ding der Unmöglichkeit ist. Das macht trotzdem irgendwie Hoffnung für künftige Komplex-Konzerte. Gojira haben gezeigt, dass sie nicht bloss ausschliesslich auf Festivalbühnen brillieren können. Vorsatz an meine Adresse: In Zukunft zwingend wieder vermehrt Liedgut von Joe, Mario, Jean-Michel und Christian hören!
Setliste – Gojira
- Born For One Thing
- Space Time
- Backbone
- Stranded
- Flying Whales
- The Cell
- Love / Remembrance
- Hold On
- Grind
- Silvera
- Another World
- L’Enfant Sauvage
- The Chant
- The Gift Of Guilt
- New Found
- Amazonia