Leimentaler OpenAir - Seraina Telli - 2022
Fr, 17. Juni 2022

Leimentaler OpenAir – Seraina Telli u.m.

Bruderholzstrasse (Oberwil, CH)
07.07.2022
Leimentaler OpenAir - Seraina Telli - 2022

30° Grad heisse Feuertaufe

Manchmal ist es ganz gut, seinen Horizont zu erweitern. So machte ich mich auf an das Leimentaler OpenAir, das mit einem eher poppigen Line-up zu überzeugen versucht. Angereist bin ich für Seraina Telli, Sängerin und Frontfrau ihrer Band «Dead Venus». Einigen vielleicht auch noch als Gründungsmitglied der All-Woman-Metal-Band-Überflieger «Burning Witches» bekannt. Heute steht sie alleine mit einem Akustik-Programm auf der Bühne und präsentiert, nebst einigen Covern bekannterer Songs, erstmalig Lieder vom kommenden Solo-Album.

Die Acts, die ansonsten die Bühnen der Veranstaltung bevölkerten, sind in Ordnung, jedoch nicht mein Fall. Mit einer Ausnahme, aber dazu am Ende mehr. Aber man kann sie hören, auch dadurch, dass die Soundmischer souveräne Arbeit leisten.

Telli verwies man auf die Side-Stage, dennoch ist das Publikum sehr wohlwollend und schenkt ihr die verdiente Aufmerksamkeit. Den Zuhörern angepasst war die Setlist, die nebst Dead-Venus- und neuen Solo-Songs allgemein bekannte Poprockklassiker wie «Wonderwall» oder «Beliver» von den Imagine Dragons bereithält. Wobei selbst hier immer Seraina Telli durch die Songs durchzuhören ist. Nie spielt sie wie eine Karaoke-Maschine Poplieder uninspiriert nach.

Die Festivalbesucher honorieren es. Seraina Telli sowie Dead Venus dürfte einige neue Fans dazugewinnen. Dies zeigte sich insbesondere bei der Generation Alpha, die Zuspruch damit ausdrücken, indem sie mit Smartphone-Kameras abfilmen, was ihnen gefällt. Es war sicherlich kein falscher Entscheid von Seraina, sich auch mal einem anderen Publikum vorzustellen, einem, das dem Metal ferner, dafür umso mehr dem Pop zugewandt ist. Dies zeigte sich dann sicherlich zum Bedauern der Künstlerin auch am Merch-Stand. Metalacts dürfen den Luxus geniessen, dass physische Tonträger in der Szene noch weit verbreitet und beliebt sind – im Gegensatz zu den Besuchern des Leimentaler Open-Airs – auch wenn die meisten von ihnen, wie das bei dieser Spezies meist der Fall ist, auf Nachfrage angeben würden, «alles» zu hören.

Tellis neue Songs sind, wie man es sich bereits von ihrem Projekt Dead Venus gewohnt ist, nicht einem einheitlichen Genre zuzuordnen. Am passendsten ist daher die Bezeichnung Prog-Metal, beziehungsweise Prog-Rock, zumindest in der Akustik-Version, in der der Gesang lediglich von einer akustischen Gitarre begleitet wird. So klingen diese deutlich sanfter und Massentauglicher. Auch ruhiger, weniger düster, fast ohne Dramaturgie bezüglich der Stimmung, die Songs transportiert und meinem Empfinden nach uninteressanter klingen lässt. Ansonsten raffinierte, instrumentalisierte Dead Venus Lieder wie «Lily Of The Valley», das zudem durch das Wegfallen des Instrumentalsolos deutlich kürzer ausfiel. Seraina hatte auch nur eine knappe halbe Stunde welche sie mit einem bunten Programm, ganz im Sinne des «Bird Of Paradise», füllte.

Das Fanzit – Dead Venus live am Leimentaler OpenAir

Im klassischen Singer-Songwriter Stil verbreitete Seraina Telli, bewaffnet lediglich mit Mikrofon und Stahlseiten-Akustik-Gitarre, gute Stimmung über ein ganzes Festivalgelände hinweg und konnte, so bleibt zumindest zu hoffen, neue Leute für ihre Musik begeistern. Am Talent fehlt es sicherlich nicht. Einzig unbeholfen, eine Spur zu spontan und unvorbereitet wirkte die direkte Kommunikation mit dem Publikum, beziehungsweise die Ansagen. Die Zuschauer gaben sich aber sehr wohlwollend und verziehen auch die eine oder andere «peinliche Stille», die durch Lücken in den Ansangen zwischen den Liedern entstanden

Ob Seraina die geborene Solo-Künstlerin ist, darüber bin ich mir noch nicht ganz im Klaren. Wer das Projekt Dead Venus verfolgt, dem dürfte bewusst sein, welches Talent in Sachen Komposition in ihr steckt. Bereits veröffentlichte Songs aus der Schatztruhe aus ihrem Solo-Projekt, wie «Remember You», wecken allerdings den Wunsch nach mehr. Auch bei ihnen ist das Instrumental interessant gestaltet und ist sicherlich nicht Massenware. Zukünftig sollen diese auch, wie Telli verriet, auf der anstehenden internationalen Tour mit Band performt werden. Wer allerdings dann hinter den Instrumenten steht und sitzt, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekannt.

Bonus – Hörempfehlung: Kids In Cage

Als Überraschung und Neuentdeckung des Abends gelten für mich sicherlich «Kids In Cage». Beim Publikum war die Band aus Lichtenstein derart beliebt, dass sie nach dem Hauptact «Stress» nochmals auftreten durften.

Sonderlich anspruchsvoll ist ihre Musik nicht. Ein Teil von ihr kommt zudem vom Band, ein Umstand, der für mich normalerweise Grund genug ist, eine Band nicht mehr weiterzuverfolgen.

Sag niemals nie, wie man so schön sagt. Auch ich bin einmal über meinen Schatten gesprungen, zum Wohle der Feierlaune, denn Spass machen «Kids In Cage» allemal. Gekonnt kombinieren sie Rap und Metalcore, was sich nicht nur im Gesang, sondern auch in der Musik widerspiegelt, die nebst akustischem Schlagzeug auch Drumcomputer beinhaltet.

«Kids In Cage» soll man sicherlich mal eine Chance geben, bevor man sich entschliesst, aufgrund dieser Umstände, nie mehr etwas von ihnen hören zu wollen. 

Setliste Seraina Telli

  1. Black Horse And The Cherry Tree (KT Tunstall Cover)
  2. Fever (Little Willie John Cover)
  3. Take Care
  4. Wonderwall (Oasis Cover)
  5. Lily Of The Valley (Dead Venus)
  6. Remedy
  7. Believer (Imagine Dragons Cover)
  8. I Don’t Want To Be (Gavin DeGraw Cover)
  9. Soldier Of Fortune
  10. Me And Bobby McGee (Janis Joplin Cover)
  11. Can’t Help Falling In Love (Elvis Presley Cover)*

*Zugabe 

Line-Up Leimentaler OpenAir am Freitag in chronologischer Reihenfolge

  1. Kids of Adelaide
  2. Seraina Telli
  3. Pedestrians
  4. Kids In Cage
  5. Stress
  6. (Kids In Cage)

Wie fandet ihr das Festival?

07.07.2022
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