Amon Amarth – The Great Heathen Army (Cover Artwork)
Fr, 5. August 2022

Amon Amarth – The Great Heathen Army

Melodic Death Metal
04.08.2022
Amon Amarth – The Great Heathen Army (Cover Artwork)

Saxon vs. Vikings

Ein neues Langeisen von Amon Amarth ist eine von den Göttern vorgegebene Naturgewalt. Man wagt sich kaum die zu kritisieren, denn wer will sich schon mit Odin, Thor & Co. anlegen? Doch gibt es überhaupt was zu kritisieren? Lest und erfährt, was sich ein Menschlein erlaubt zu berichten.

Viking Metal – echt jetzt?

«Von Pol zu Pol und über alle Weltmeere hinaus sind Amon Amarth die unbestrittenen Könige des Viking Heavy Metal.» (sic!) – aus der Pressemitteilung für die neue Scheibe. Darf man jetzt bei Amon Amarth von Viking Metal sprechen? Bisher hat Johan Hegg – Ober-Wikinger von Amon Amarth – immer sehr genervt reagiert, wenn man ihren einzigartigen Sound als Viking Metal bezeichnete. Ich hab ihn diesbezüglich auch mal ein bisschen aus der Reserve gelockt (siehe Interview).

Nun, inzwischen würde ich Amon Amarth auch nicht mehr als Viking Metal bezeichnen, aber da scheint man eine Kehrtwende in Schweden vollzogen zu haben. Doch eigentlich auch egal, wie die Genre-Bezeichnung schlussendlich ist, es muss sich ja einfach gut anhören. Und das tut es ja gewohnt immer auf sehr hohem Niveau. So stelle ich mir die Berieselung in Walhalla mit zig Jungfrauen (also eigentlich müssen sie keine Jungfrauen sein, gut aussehen reicht) und feines Bier in Strömen vor.

Ironischerweise aber sieht man im Video zur ersten Single Auskopplung – «Get In The Ring» – gefühlt zum ersten Mal keine Wikinger. Man scheint sich in mehrerer Hinsicht von den Fesseln der Vergangenheit gelöst zu haben. Denn auch das Cover ist eher ungewohnt. Zum ersten Mal ist die Band selbst darauf abgebildet – gut, immerhin in bester Wikinger-Kluft und als Anführer der heidnischen Armee.

Wo bleibt der Hammer?

Man kann es drehen wie es will, der absolute Thors Hammer fehlt auf „The Great Heathen Army“. Der Hammer der mitten in die Fresse knallt, wie man es eigentlich von den Vorgängeralben gewohnt ist. Ein „Deceiver Of The Gods“. Da weiss man grad, ein Hammer kommt geflogen auf die all die jetzt grad nicht am Headbangen sind. In die gleiche Schublade hauen weitere Opener wie „First Kill“, „War Of The Gods“, „Death In Fire“ oder das unerreichte Donnerwerk „Twilight Of The Thunder God“. Klar, «Get In The Ring» würde sich auf jedem Album einer jeden anderen Band als der Mitten-in-die-Fresse-Rein-Song machen. Aber wer schon Weltrekorde übersprungen hat, wird halt immer wieder an dieser Flughöhe gemessen. Drum, vorab, alles was jetzt kommt, ist jammern auf verdammt hohem Niveau.

Ich hab mir das Album jetzt sicher schon zehn Mal durchgehört und so richtig hängenbleiben will mir keiner der neun neuen Lieder. So, damit riskiere ich jetzt wohl in Walhalla alkoholfreies Bier und Jungfrauen ohne Zähne. «Get In The Ring» hat ein sehr geiles Windmühlen-Riff wie es eben nur Amon Amarth schreiben kann. Das Trademark Siegel ist da sicher erreicht.

Auf der Suche nach Fafners Gold

OK, man entdeckt mit der Zeit schon das eine oder andere Goldstücken. Wie eben das Riff von «Get In The Ring» oder das Solo bei «Find A Way Or Make One» – wer denkt da auch eines der grössten Soli der Musikgeschichte? Genau, «Hotel California» von den Eagles. Oder auch den einen oder anderen Sprechgesang («The Great Heathen Army», «The Serpent’s Trail», «Heidrun») welches die Dramaturgie des Albums verstärkt, eine schon fast fröhliche Hüpfnummer («Heidrun»), Mitsing-Refrains («The Great Heathen Army», «Heidrun» – da erinnert das «Who’s the goat?» fast ein bisschen an «who the fuck is Alice …» … und ja, Leute, man hört da auch ein «Mähhh») die Live sicher funktionieren, wenn auch nicht grad im Stile eines «Pursuit Of The Vikings» oder «Raise Your Horns».

Bei «Dawn Of Norsemen» growlt Johan nach einem Break nach rund 2/3 des Songs so tief und mit solcher Inbrunst, dass einen richtig Tschuderet. Hühnerhautmoment durch ein Growling? Ja, das gibt es – mit Johan Hegg.

Füller? Nicht wirklich und wenn dann «Oden Owns You All». Das Album ist mit 43 Minuten auch entsprechend kurzgehalten und so wurden weitere Füller wohl von Anfang den Wölfen zum Frass vorgeworfen.

Um was geht’s eigentlich? Konzeptalbum?

Als die Welt Anfang 2020 zum Stillstand kam, befanden sich Amon Amarth gerade auf ihrer Welttournee zu «Berserker» (2019). Enttäuscht, aber dennoch voller Tatendrang, beschloss die Band, einen neuen kreativen Weg einzuschlagen:

«Wie waren gerade in Südamerika, als die verdammte Pandemie ausbrach, also mussten wir die letzten paar Shows absagen und nach Hause fahren”, erinnert sich Johan Hegg. «Zuerst dachten wir, wir würden einfach abwarten und vielleicht ein paar Touren buchen, aber schon bald wurde uns klar, dass es eine lange Pause werden würde. Als fast ein Jahr vergangen war, dachten wir uns, scheiss drauf, es hat keinen Sinn, mit einem alten Album wieder auf Tour zu gehen, also beginnen wir einfach, an neuem Material zu arbeiten. Und genau das haben wir getan.»

Gemäss Johan Hegg: «In «The Great Heathen Army» geht es um die Ankunft der einfallenden Wikingerflotte in England im Jahr 865 n. Chr. Die Wikinger hatten England schon seit langem angegriffen, aber dieses Heer war anders. Es war eine Invasionsarmee, die gegen die Briten tödlich erfolgreich war. Das ist ein gewaltiges historisches Ereignis. Es ist faszinierend. Irgendwie gewannen die Engländer jedoch und besiegten das heidnische Heer, also ist alles möglich!»

In der Pressemitteilung spricht man vom Zwölften als dem «bisher wohl besten Album». Ich würde jetzt mal all meine zahnlosen Jungfrauen drauf verwetten, dass diese Meinung die wenigsten Fans teilen werden.

Hegg ist da nicht ganz so offensiv, aber das jüngste Baby ist doch zumindest bei Geburt schon immer das am meisten Geliebte. Man muss es da ja auch noch mehr beschützen, als die die schon Älter sind und sich im Markt schon etabliert haben: «Wir hatten schon immer die Einstellung, uns selbst zu übertreffen und ein stärkeres Album als das vorherige zu schreiben», erklärt Hegg.«Wir versuchen, mit jedem Album etwas Besonderes zu erschaffen. Ich denke, dass dies Song für Song eines der stärksten Alben ist, die wir je gemacht haben. Es war wirklich schwierig, sich auf die Singles für die Videos zu einigen, weil jeder eine unterschiedliche Meinung hatte. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen!»

Man könnte es auch so sehen, dass es keine Übersongs hat, die sofort rausstechen und sie sich darum nicht so einfach einigen konnten. Es kam aber auch ein Zeichen dafür sein, dass das Album sehr divers ist. Und da bin ich mit den starken Mannen einig. Und «Berseker» zu übertreffen, war jetzt auch leichter, als wenn dies der Nachfolger von «Jomsviking» oder «Twilight Of The Thunder God» wäre.

«The Great Heathen Army‘ ist kein Konzeptalbum wie ‚Jomsviking‘, aber ich lasse mich von einigen der gleichen historischen Elemente inspirieren», sagt Hegg. «Es gab auch einige wirklich coole und andersartige Ideen, die ich erforschen wollte, und die kamen vor allem von meiner Frau Maria, die sich mit den eher esoterischen Aspekten des Lebensstils und der Kultur der Wikinger beschäftigt hat. Musikalisch würde ich sagen, dass es ein paar Überraschungen gibt, ein bisschen Neuland für Amon Amarth. Insgesamt ist es eines unserer härteren Alben. Es gibt einige düstere und schwere Songs, die wirklich kraftvoll und direkt sind, aber wir haben natürlich auch einige typische Amon Amarth-Songs darauf – und ein paar Überraschungen. Es ist ein wirklich gut ausbalanciertes Album.»

Damit bin ich mit ihm absolut einig. Es ist definitiv ein gut ausbalanciertes Album, wie ein Wikingerschiff, das gemacht wurde, um auch die stürmischste See und wildeste Schlacht zu überstehen. Das tut «The Great Heathen Army». Es übersteht jeden Angriff; ob dieser nun von der Melodic Death Metal- oder der Viking Metal-Ecke kommt. Die Messlatte bleibt für die meisten unerreichbar. So bleibt Amon Amarth auch mit einem für ihre Verhältnisse durchschnittlichen Album auf dem Thron. Die Wikinger werden von dort noch lange regieren.

Übrigens, Johann erwähnte auch zum ausbalancierten Sound: «Es klingt phänomenal. Andy Sneap ist grossartig. Und es war fantastisch, wieder mit ihm arbeiten zu können.» Wer jetzt ein «Andy Sneap, den kenn ich doch von irgendwo her» im Kopf hat, dem kann ich auf die Sprünge helfen. Er begleitet Judas Priest – als deren Produzent – auf deren Live-Tourneen als Ersatz für den an Parkinson erkrankten Gitarristen Glenn Tipton. Als Produzent war er nebst vielen anderen Metalgrössen wie Fear Factory, Machine Head, auch schon bei «Jomsviking» und «Deceiver Of The Gods» für Amon Amarth tätig.

Wie die Angelsachsen in Wessex den Wikingern den Arsch verklopfen

Ein Album-Highlight ist definitiv der Gastauftritt von «Saxon» in «Saxons And The Vikings». Es ist nicht nur die Stimme von Altmeister Biff Byford die raussticht, sondern seine Bandkollegen liefern auch gleich die Soli dazu. Also ein richtiger Battle – auch im Song. Und herrlich, wie Johan austeilt und Biff zurückgibt:

Johan: «We’ll have your heads.»

Biff: «You pagan scum.»

J: «You’ll soon be dead.»

B: «We’ll smash thy sculls.»

J: «The wolves will tear your flesh.»

B: «Your skin will soon be threshed.»

J: «You sons of whores.»

B: «Satan’s spawn.»

J: «Come get some more.»

B: «You spineless dogs.»

J: «The rooks will take your eyes.»

J & B: «We’re all about to die.»

B: «Miscreants.

J: «Veslingur.»

B: «You Godless ones.»

J: «Nithingur.»

B: «We’ll drench this field in blood.»

J: «We’ll send you to your God.»

B: «Bitches‘ brood.»

J: «Arka.»

B: «We’ll run you through.»

J: «Bakrauf.»

J & B: We’ll break your legs like twigs. And gut you all like pig»

Einfach köstlich. Man stellt sich die beiden im Studio vor, wie sie sich gegenseitig runtersingen und sich wohl vor Lachen nicht halten können, wenn sie sich die Schimpfwörter mit dem Zweihänder um den Kopf hauen. Definitiv eines oder wenn nicht gar das Album-Highlight. Wer schon immer wissen wollte, wie sich Biffs Gesang mit Melodic Death Metal anhört, der bekommt hier geliefert.

Das Fanzit – The Great Heathen Army

Dutti hat beim Fanzit zum Vorgänger-Album «Berserker» geschrieben: «With Oden On Our Side» (2006), «Twilight Of The Thunder God» (2008) und «Jomsviking» (2016) – aus meiner Sicht müssen sich künftige Amon Amarth-Werke mit exakt diesen drei Scheiben messen, denn diese sind momentan zweifelsohne die besten Erzeugnisse der Schweden. Schafft es der Berserker nun ebenfalls aufs Podest? Nein, Album Nummer elf ist definitiv kein absoluter Karriere-Höhepunkt der Melodic Death Metaller. Allerdings sind wir aber auch weit von einem Totalausfall entfernt.» (siehe ganze Review).

Nun, ich könnte das mehr oder weniger übernehmen. The Great Heathen Army ist ein starkes Album weil es von Amon Amarth kommt. Wäre es von einer noch jüngeren Band, dann würde ich hier wohl glatt ein 8.5 oder gar 9 vergeben. Da der Absender jedoch Amon Amarth ist, misst man es eben mit deren Meisterwerken und wenn man es mit diesen vergleicht, vergeb ich wie damals Dutti für Berserker eine immer noch gute 7.5.

Kaufempfehlung? Unbedingt. Es ist Amon Amarth. Punkt. Es enttäuscht nicht, es hat ein paar Überraschungen, es ist divers, ohne gross zu polarisieren. Es gehört in jeden Melodic Death Vking Metal oder was auch immer Sammlung.

Anspieltipps: „Get In The Ring“, „Heidrun“, „Saxons And Vikings“

Reinhören und Boxset, Vinyl oder CD portofrei bestellen

Trackliste Amon Amarth – The Great Heathen Army

  1. Get In the Ring
  2. The Great Heathen Army
  3. Heidrun
  4. Oden Owns You All
  5. Find a Way or Make One
  6. Dawn of Norsemen
  7. Saxons And Vikings (feat. Biff Byford)
  8. Skagul Rides With Me
  9. The Serpent’s Trail

Video Amon Amarth – Get In The Ring

 


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 7.5/10



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04.08.2022
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