Wenn Träume wahr werden…
Zwar liegt das Erscheinen des vierten Studiowerkes von Deep Sun schon einige Tag-Nacht-Zyklen zurück, doch ist „Dreamland: Behind The Shades“ ein Werk, das auch im Nachgang noch alleweil interessant genug ist, um bei der aus dem Aargau stammenden Symphonic Metal – Formation die eine oder andere Frage zu platzieren!
Wieso lehnte man sich mit der aktuellen Scheibe so weit in die symphonische Ecke hinüber? Was hat es mit den wiederkehrend deutschsprachigen Songtiteln auf sich? Hätte es die Hammerballade „In Silence“ ohne demokratische Prozesse nie gegeben? Und wie passen „Mitternachtstanz“ und gemeinsames Kochen (und ein Gläschen Wein) zusammen?
Debora (Gesang), Tobias (Drums), Tom (Keyboard) und Angelo (Bass) standen uns nicht nur zu den eben genannten Themen schriftlich Rede und Antwort.
Metalinside (Sandro): Zuallererst ganz herzlichen Dank, dass ihr euch die Zeit für dieses Interview nehmt! Wenn ihr jemandem, der die Band noch gar nicht kennt, Deep Sun vorstellen müsstet – wie würdet ihr dies tun?
Tobias: Deep Sun ist eine Symphonic Metalband aus der Schweiz. Vier Adjektive reichen, um die Band zu beschreiben: powervoll, melodiös, professionell, bombastisch. Dass man Deep Sun kennen oder kennen lernen sollte, zeigt die Tatsache, dass sie mit dem aktuellen Album „Dreamland – Behind the Shades“ den 4. Platz in den Schweizer Albumcharts erreichen konnte.
Tom: Melodiöser, symphonischer Metal mit ordentlich Power und gespickt mit ganz viel Spielfreude.
MI: Eure Chance zum Self-Marketing *g*: Wieso sollte jemand zu „Dreamland: Behind The Shades“ greifen?
Tom: Ich weiss, jede Band sagt über ihr aktuellstes Album, dass es ihr bisher bestes ist. Aber in diesem Fall ist es auch so 😉. Auch hier haben wir kompositorisch wieder massiv dazugelernt. Ausserdem ist die komplette Produktion nochmals eine Spur professioneller als bei den vorhergehenden Scheiben. Die Platte ist um einiges symphonischer und deshalb für jeden Symphonic Metal Fan ein absolutes Must-Have.
Angelo: Dieses Album mit genialem „Swiss Symphonic Metal“ ist es einfach wert, gegriffen zu werden. Der Content auf dem Werk ist absolut hörenswert und jeder Song kompositorisch interessant, so dass es viel Spass macht ihn zu hören.
Tobias: Und fragt die 30’000 Personen, die das Album auf Spotify bereits gestreamt haben. Die sind die beste Werbung für Deep Sun.
MI: Wie verlief das Songwriting zu „Dreamland: Behind The Shades“, auch im Vergleich zu früheren Scheiben?
Debora: Wir entwickelten uns im Laufe der Jahre und unserer Bandgeschichte nicht nur persönlich und künstlerisch, sondern auch in technischer Hinsicht weiter. Und so war die ganze Pre-Production auf einem qualitativ höheren und auch schnelleren Level. Wir haben alle auf Cubase umgestellt, so dass erste Songideen und -fragmente bei sich zu Hause aufgenommen und anschliessend allen anderen zur Verfügung gestellt werden konnten. Jeder hatte so die Möglichkeit, mit seinem Instrument seinen Input zu geben und wenn es für alle gepasst hat, haben wir es im Bandraum gemeinsam zu einem grossen Ganzen zusammengesetzt und geschaut, wie es im Zusammenspiel wirkt. Wenn dies dann auch für alle stimmte, haben wir es unserem Produzenten, Frank Pitters, ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Tom: Frank hat dann seine Ideen den Songs hinzufügt und wir anschliessend wieder unsere Inputs gegeben. So ging das hin und her, bis es schlussendlich das war, was ihr jetzt auf dem Album hören könnt.
Angelo: Ich persönlich bin stolz auf diese Entwicklung, die Debbie beschrieben hat. Diesen Weg gegangen zu sein, war für uns ein sehr grosser Schritt nach vorne. Die Assimilierung aller Bandmitglieder auf ein einheitliches Recording-Tool hat uns beim gesamten Prozess extrem unterstützt.
MI: Wenn ihr zurückblickt: Hat euch Corona bei der Entstehung von „Dreamland: Behind The Shades“ in die Suppe gespuckt? Oder konntet ihr die Zeit allenfalls sogar besser nutzen?
Debora: Nach dem Ärger über alle abgesagten oder verschobenen Konzerte kam uns die Zwangspause eigentlich gerade gelegen, um den Gitarristenwechsel wie auch das Songwriting für die neue Scheibe voranzutreiben. Und so hatten wir eigentlich mehr Zeit für die ganze Albumproduktion.
Angelo: Diese Zeit war eine spannende Entwicklung, auch gerade in Bezug auf Social-Media. Man kam auf den Geschmack, wieviel da noch mehr geht.
MI: Inwiefern hat der Wechsel von Pascal Töngi zu Stephan Riner an der Gitarre den Sound von Deep Sun beeinflusst?
Tobias: Ein Line-up-Wechsel ist natürlich immer mit einem grossen Aufwand verbunden. Vor allem, wenn man zuvor über 10 Jahre lang in derselben Besetzung musiziert hat, und man dann innert wenigen Wochen eine passende Person finden und konzerttauglich machen muss. Zumal wir bereits im Frühling 2021 mitten in der Vorproduktion von „Dreamland – Behind the Shades“ standen und auch diese 10 Songs noch eingepaukt werden mussten.
Steph hat diese Aufgabe aber äusserst gut gelöst und war bereits im Oktober 2021 ready für Konzerte und Studioaufnahmen. Leider hat er uns aber im Sommer 2022 aus persönlichen Gründen bereits wieder verlassen, und so standen wir wieder am gleichen Punkt wie zirka anderthalb Jahre zuvor. Doch dieses Mal hatten wir für den Wechsel mehr Zeit: Steph blieb bei uns, bis wir Erik Dummermuth engagieren konnten. Und Erik ist ein grosser Glückstreffer für Deep Sun. Er passt zur Band wie die Faust aufs Auge. Sein Spiel komplettiert den Sound von Deep Sun, wir können heute mit Fug und Recht behaupten, dass wir endlich den Metal-Gitarristen haben, der uns auch mit schnellen Gitarren-Solis zu überzeugen vermag. Zudem haben nun auch wieder mehr als die Hälfte der Bandmitglieder lange Haare.
Man kann sagen, dass wir das Kapitel „Gitarre“ innert einem Jahr noch einmal aufpolieren konnten, und wenn man noch weiter zurückschaut, haben wir jetzt endlich ein Metal-würdiges Gitarren-Register.
MI: Mit eurem aktuellen Streich habt ihr euch ziemlich deutlich in die Symphonic Metal-Ecke gestellt (was sich wohl auch im angepassten Band Logo widerspiegeln dürfte). War dies ein bewusster Entscheid, den ihr bereits nach „Das Erbe der Welt“ ins Auge gefasst hattet, oder hat sich das während der Arbeiten zu „Dreamland“ einfach so ergeben?
Debora: Was sich mit den Inputs von Produzent Frank Pitters in der Pre-Production angedeutet hat, wurde dann während den Studioaufnahmen immer klarer: „Dreamland – Behind the Shades“ ist Symphonic Metal pur! Wir wurden uns auch unseren Stärken bewusst: nämlich der Gesang und die epischen und orchestralen Keysounds. Warum also nicht einfach das machen, was ganz natürlich und organisch ist, nämlich Symphonic Metal. Und so haben wir auch unseren ganzen Auftritt inklusive des Logos neu überdacht. Zusammen mit Stefan Heilemann, welcher seit dem Album „Race against Time“ für unser Artwork verantwortlich ist, haben wir dann den neuen Schriftzug ausgearbeitet. Diese klare Entscheidung fühlte sich für uns alle extrem stimmig an.
Trotzdem darf man von unseren Songs nach wie vor die bekannte Abwechslung erwarten, wie man es bisher kannte. Der einzige Unterschied wird sein, dass die Tracks in ihrer Produktion im Symphonic Metal-Kleid erscheinen anstatt einer Rockproduktion.
MI: Euer Produzent Frank Pitter stammt aus Österreich und hat u.a. ja auch mit Visions Of Atlantis zusammengearbeitet. Wie viel Einfluss nimmt er auf den Sound von Deep Sun? Und wie gestaltet sich generell die Zusammenarbeit mit ihm (auch in Bezug auf die nicht zu unterschätzende räumliche Distanz)?
Debora: Dank Skype war die Distanz kein Problem. Und nachdem wir uns im Vorfeld oft online getroffen haben, war es dann bei den Studioaufnahmen bei ihm fast wie ein „nach Hause kommen“. Frank war es denn aber auch, der in unseren Songs eben unsere vorher genannten Stärken erkannte und gekonnt hervorhob. Er hat quasi unsere Songs auf ein next higher Level gehievt!
Ich muss dazu noch sagen, dass Frank ein super cooler Typ und echt in jeder Situation die Gelassenheit in Person ist. Diese Eigenschaft war vor allem für mich als Perfektionistin, die es stets noch besser machen wollte, wertvoll. Er konnte sehr gut einschätzen, wann es dann auch mal gut war 🙂
Angelo: Die gesamte Zusammenarbeit mit Frank ist für uns alle ein Meilenstein. In musikalischer, kompositorischer und auch zwischenmenschlicher Beziehung. Er hat uns trotz der Distanz stets eine konstruktive und produktive Balance geben können, und das schätze ich sehr. Auch zum jetzigen Zeitpunkt besteht immer noch eine Zusammenarbeit in allen Belangen rund um unsere Musik.
MI: „Dreamland“ ist bereits seit bald vier Monaten auf dem Markt. Gibt es rückblickend – vielleicht auch basierend auf Reviews oder Feedback von Fans – Dinge, die ihr im Nachhinein anders gemacht hättet? Wo ihr das Gefühl habt, da wäre eventuell noch mehr möglich gewesen?
Tobias: Das klingt jetzt vielleicht etwas abgedroschen, aber die Reviews und die Feedbacks sind bisher so positiv, dass wir uns eher überlegen müssen, wie wir das mit dem nächsten Album noch toppen können… Klar, ein Album-Review ist natürlich immer auch eine sehr subjektive Sache. Der/die Journalist*in bringt da ja auch eine persönliche Meinung mit hinein, und die Geschmäcker sind zum Glück verschieden. Aber selbst mit diesem Hintergrund waren die Rückmeldungen unglaublich gut. Und wenn man liest, dass unser Sound nichts Neues ist, sondern dem Nigthwish-Sound von früher ähnelt, kommt das als Schweizer-Metal-Band einer Krönung gleich.
Tom: Als Songwriter findet man eigentlich immer etwas, was man im Nachhinein anders machen würde. Aber jetzt bin ich absolut zufrieden mit unserem Endprodukt. Die durchwegs positiven Kritiken der Fans und Medien zeigen uns ebenfalls, dass wir wohl etwas richtig gemacht haben 🙂
MI: „Dreamland: Behind The Shades“ ist streng genommen kein Konzeptalbum (wie es zum Beispiel „Operation: Mindcrime“ von Queensryche war), und doch dreht sich Vieles um die Thematik der Träume (wie es früher bereits bei „Race Against Time“ bezüglich der Zeit respektive auf „Das Erbe der Welt“ im Zusammenhang mit KI der Fall war). Wer ist hier primär der „Ideengeber“, und wieviel steuern die einzelnen Bandmitglieder inhaltlich bei?
Debora: Genau, unsere Alben sind bewusst keine Konzeptalben im eigentlichen Sinne, aber sie haben einen roten Faden, eine grobe Thematik als Grundgerüst, und darauf und drumherum bauen wir die Songs und Lyrics auf. Die Texte wie auch die Ideen zu den Oberthematiken stammen jeweils von mir. Ich kann da gar nicht anders, ich liebe es, mich lyrisch in Songs auszudrücken – so habe ich denn auch schon fast wieder alles Textmaterial für ein nächstes Album zusammen 😉
Die Songs stammen dann aber entweder von Tom oder Angelo. Und entweder lasse ich mich dann von ihren Songsounds für einen Text inspirieren oder sie nehmen einen Text und lassen sich vom Inhalt animieren.
MI: Folgefrage: Wie stark beschäftigt ihr euch im Vorfeld mit diesen Themen? Basiert das alles quasi auf eigenen Erfahrungen, oder lest (oder was auch immer) ihr euch noch speziell ein?
Debora: Ich kann sagen, dass aus lyrischer Sicht von allem etwas in meine Texte hinein fliesst. Das können persönliche Erfahrungen, Ansichten, Meinungen oder aber auch Beobachtungen sein, oder einfach auch mal ein Fantasytext. Mir geht immer viel durch den Kopf und vieles davon schreibe ich dann auf. Oftmals höre ich aber auch, was der Song mir sagen und wie er sich ausdrücken möchte, und dann folge ich seinem Weg.
Angelo: Die Beschäftigung mit Themen ist ein sehr geistiger Akt. Musik geschieht im Geiste und im Herzen. Wie bei vielen Menschen auch, lösen Gedanken zu bestimmten Themen Emotionen, Bilder vor dem geistigen Auge, Farbwelten, Klangwelten u.v.m. aus. Für mich sind das die Verbindungen, Knotenpunkte, die offenden Türen in die Anderswelt für meine Kompositionen und Instrumentierungen. Wenn Tom neue Songs einbringt, wenn Debbie neue Texte vorstellt, so sind das für mich geistig unbezahlbare Geschenke.
MI: Der Titeltrack „Behind The Shades“ ist von seiner Machart, seinem Aufbau her ein sehr spezieller Song, der so gar nicht den üblichen Strukturen wie Strophe, Bridge, Refrain folgen will. Was ist das Konzept dahinter, beziehungsweise wie seid ihr auf die Idee gekommen, so etwas eher Untypisches zu schreiben?
Debora: Tom und ich sind beide grosse Fans des Christopher Nolan Films „Inception“, und schon immer wollten wir einmal einen an dieser „Dream within a dream“-Filmstruktur angelehnten Song schreiben, also ein Song-in-einem-Song-in-einem-Song. „Behind the Shades“ hat genau diese Verschachtelung, was Tom mit dem Songwriting eindrücklich gelungen ist. In diesem Lied gibt es keine Wiederholungen von Parts, man steigt immer mehr in den Song, bzw. die Traumwelt hinein und am Ende gibt es die harmonische Umkehrung der vorangegangenen Tonarten, um wieder aus dem Song, aus dem Traum, herauszukommen.
Tom: Für mich als Songwriter besteht der Song aus vier Teilen, wobei die Melodien in diesen Parts Abwandlungen der Melodien im Prolog (Intro des Albums) sind. Zum Schluss, quasi als Outro, werden dann diese Melodien in umgekehrter Reihenfolge gespielt (analog zum Aufwachen aus den verschiedenen Traumebenen in Inception). Ursprünglich war noch die Idee, dass jedes Instrument eine andere Traumebene repräsentiert. Aber das hätte sich dann wohl zu sehr nach Free-Jazz angehört 😉
MI: Wie wichtig sind euch Balladen? Ich meine, „In Silence“ sorgt ja für echte Hühnerhaut-Momente!
Tobias: Ich denke, wenn man eine Sängerin von Debbies Format hat, gehört eine Ballade einfach zum Pflichtprogramm!
Debora: „In Silence“ ist ebenfalls aus einem gemeinsamen Gedankenkonstrukt von Tom und mir entstanden. Wir wollten eine Art meditative Metalballade komponieren. Wir sind dann mit den bereits bestehenden Lyrics zusammen ans Klavier gesessen und haben den Song ausgearbeitet.
Tom: Eigentlich wollte ich zuerst gar keine Ballade machen, da ich das Gefühl hatte, schon alles erzählt zu haben. Ich wurde dann aber in der Band zahlenmässig doch deutlich überstimmt. Gott sei Dank muss man im Nachhinein sagen. Debbie hatte dann eine Idee für einen meditativen Song und gab mir einige Stichworte, was der Song denn ausdrücken sollte. Wir nannten es immer unseren „Experimental-Song“, da ich auf jeden Fall keine klassische Ballade mit Piano mehr machen wollte. Daher gingen wir etwas mehr „open minded“ an die Sache heran, was bei einer Traumthematik ja absolut passend ist.
MI: Wie seid ihr auf die Idee gekommen, eine Oud in euren Sound mit einzubauen? Und welche weiteren Instrumente würden eurer Ansicht nach noch ins Klanggefüge von Deep Sun passen?
Angelo: Die Idee stammte von mir und man schenkte mir das Vertrauen, dass es gut kommen könnte… Die Oud ist ein Instrument, welches in unserem Okzident eher untypisch ist und doch immer ein wenig Platz für das interessierte Ohr findet. Mir war es persönlich wichtig, diesem Instrument einmal den Platz schaffen zu dürfen, in einem Album eingebaut werden zu können. Ein weiteres Instrument, die Bodhran, fand neben der Oud im Song „Mitternachtstanz“ einen Platz im Intro. Ehrlich gesagt denke ich, dass es ganz auf den Song ankommt, um Entscheidungen zu treffen, wer oder was noch ins Klanggefüge passen könnte. Ist nicht immer einfach…
Debora: Grundsätzlich passen alle Instrumente zueinander, wenn es der Song zulässt. Und somit lassen wir uns einfach überraschen, ob und was für neue Instrumente bei weiteren Songs noch dazukommen wollen.
MI: Mit „Mitternachtstanz“ habt ihr wieder einen deutschsprachigen Track am Start (der mich aus unerklärlichen Gründen irgendwie an eine Mischung aus Folk Metal und Powerwolf (Glaubenskraft) erinnert). Darf dies unterdessen als eine Art Markenzeichen von euch gewertet werden? Und empfindet ihr es einfacher oder schwieriger, einen Song in Deutsch zu schreiben?
Debora: Ob es ein Markenzeichen ist, dürfen die Fans entscheiden. Und cool, dass du an Powerwolf erinnert wirst – meine absolute Lieblingsband! Manche Songs rufen sprichwörtlich nach einem deutschen Text. Gerade bei „Mitternachtstanz“ und bei „Das Erbe der Welt“ existieren die Lyrics auch in Englisch. Aber beim Zusammenspielen und -Singen waren wir uns alle einig, dass diese Lieder sich deutsch mitteilen möchten. Man kann also sagen, der Song entscheidet selbst 😉
Um dann das, was ich im Lied ausdrücken möchte, möglichst stimmig und rund in die Vocalparts zu bringen, ist sowohl in Englisch wie auch in Deutsch anspruchsvoll. Egal in welcher Sprache, manchmal geht’s einfacher und manchmal harzt es.
Bei „Mitternachtstanz“ zum Beispiel wollte die 2. Strophe einfach nicht überzeugen, und so spielte ich lange mit Textpassagen umher. Am Schluss haben Tobias und ich sie beim gemeinsamen Kochen (und einem Gläschen Wein) finalisiert.
MI: Bei der Festival Review zu eurem Gig bei den Z7 Wild Dayz wurde euer Auftritt nicht unbedingt überschwänglich kommentiert. Wie habt ihr diesen Auftritt selbst erlebt?
Tobias: Nun, die „Musikpolizei“ ist ja an jedem Konzert präsent. Das Review stammt zudem aus eurer Feder, vielleicht können wir zumindest dich überzeugen. Für uns ist ein Konzert im Z7 jeweils eine unglaubliche Möglichkeit quasi vor der Haustüre und einem grossen Publikum zu spielen. Die Crew dort macht einen super Job und ich schätze ihren Einsatz und ihren sehr symphytischen Umgang auch mit kleinen Bands wie Deep Sun. Der Opener eines Festivals ist natürlich auch dafür da, damit die Toningenieure den Sound für den ganzen Abend einstellen können, und das nehmen wir gerne jedes Mal für einen Auftritt in den göttlichen Hallen des Z7 in Pratteln in Kauf.
Angelo: Reviews sind für mich zum Grossteil absolut subjektiv und relativ aus der Sicht des Betrachters. Wenn man einmal ehrlich ist, ist der Opener irgendwie immer Kanonenfutter, egal wie gut oder schlecht, soundtechnisch, oder auch um das Publikum zu Beginn der Festivals aufzuwärmen. Ich selbst war überglücklich, einmal mehr auf dieser Bühne stehen und spielen zu dürfen. Der Sound auf der Bühne war genial und überzeugend. Dass es FOH (Front Of House) soundtechnisch nicht überschwänglich war, darauf haben wir als Band leider keinen Einfluss…
Tom: Als erste Band so früh zu spielen ist eigentlich immer relativ undankbar. Aber selbst hatten wir unglaublich Spass auf der Bühne und ich denke, die Leute, die da waren, auch. Immerhin war die Resonanz an unserem Merch-Stand sehr positiv 🙂
MI: Als ich mir „Dreamland: Behind The Shades“ das erste Mal angehört habe, musste ich an Bands wie Epica oder Nightwish denken, was nicht zuletzt auch an Debora liegen dürfte. Ich denke, ihr seid nicht unbedingt unglücklich, eine dermassen gute Vokalistin an Bord zu haben?
Tobias: Debora ist nicht nur eine exzellente Vokalistin, sondern auch ein toller Mensch. Somit sind wir doppelt belohnt. Es ist tatsächlich so, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, in einem so kleinen Land wie der Schweiz eine Sängerin von ihrem Format zu finden. Da können wir uns wirklich sehr glücklich schätzen. Sie muss den Vergleich mit den ganz Grossen definitiv nicht scheuen. Man kann aber auch sagen, dass sie in den zwölf Jahren, in denen sie bereits bei Deep Sun ist, zusammen mit der ganzen Band stimmlich stetig gewachsen und noch besser geworden ist. Die beste Sängerin kann nichts ausrichten, wenn die Songs nicht auf sie zugeschnitten oder einfach schlecht sind. Vor allem in den letzten Jahren sind wir da sehr gereift.
Angelo: Ich kann mich an dieser Stelle den Worten von Tobias nur vollumfänglich anschliessen. Der Reifungsprozess ist eine sehr komplexe, anstrengende, zwischenmenschliche und Energie fordernde Angelegenheit. Ich denke, wenn man sich die vier Alben „Flight of the Phoenix“, „Race Against Time“, „Das Erbe der Welt“ und „Dreamland – Behind The Shades“ einmal hintereinander zu Gemüte führt, merkt man sehr prägnant, was da so alles gegangen ist. Ganzheitlich, nicht nur musikalisch!
MI: „Living The Dream“ vom aktuellen Album widerspiegelt wohl euer aktuelles Grundfeeling perfekt. Aber wie motiviert man sich, über all die Jahre hinweg fokussiert zu bleiben? Ich meine, Deep Sun gibt es ja nun schon seit über 15 Jahre (wenn zu Beginn auch nicht ganz so aktiv wie jetzt)?
Tom: Es passiert einfach immer wieder etwas Neues und Spannendes. Und mit jedem Album nimmt man automatisch schon Ideen und Inspirationen für kommende Produktionen mit. Klar, war und ist diese „Covid-Situation“ auch für uns nicht einfach und teilweise extrem demotivierend. Aber wir sind keine Menschen, die immer nur das Negative sehen. Im Gegenteil, wenn etwas mal nicht so läuft wie es soll, raffen wir uns auf und kämpfen uns durch. Eine solche Einstellung hilft in allen Lebenslagen extrem. Mittlerweile ist ja wieder etwas Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Angelo: Beim Verb „fokussieren“ muss ich innerlich schmunzeln. Ich glaube, da bin ich sowohl bei der Band wie auch privat doch eher der sehr verträumte Träumer, der in seiner eigenen Anderswelt herumwuselt. Aber genau das ist es, was es für mich so einfach macht, dann einmal fokussiert zu sein, wenn es das zwingend braucht. Ich denke, die anderen wissen, wovon ich schreibe… 😉
Debora: Wie sagt man so schön: Der Weg ist das Ziel. Und so ist das, was wir während unserer gemeinsamen und wunderschönen Bandzeit miteinander erleben dürfen, der Traum, den wir leben. Unsere gemeinsame Zeit ist unsere Motivation.
MI: Schauen wir etwas in die Zukunft: Wie geht es mit Deep Sun nun weiter? Ihr habt ja noch einige Auftritte in eurem Konzertkalender stehen – und dann? Gibt es eventuell bereits erste Pläne für ein Nachfolgealbum, und könnt ihr bereits abschätzen, wohin sich der Sound von Deep Sun entwickeln wird?
Tobias: Die nahe Zukunft von Deep Sun ist für mich als Manager der Band seit Monaten einer meiner grössten Zeitfresser. Es gilt nun die Konzerte fürs 2023 zu planen, zu organisieren und auch die administrativen Berge zu bewältigen. Ich kann aber hier an dieser Stelle bereits mal „anteasern“, dass Deep Sun ein unglaubliches 2023 bevorsteht! Wir sind bis auf wenige Termine im Sommer und Herbst 2023 vollständig ausgebucht. Das heisst, 20 Konzerte sind bereits fix, darunter werden auch zwei Europatourneen sein. Überhaupt ist es das erste Mal, dass Deep Sun in einem Jahr öfter im Ausland als in der Schweiz live auf der Bühne zu sehen sein wird. Und klar werden wir bereits bald wieder mit dem Songwriting für ein weiteres Album beginnen.
Tom: Von meiner Seite sind bereits ein, zwei Ideen für kommende Schandtaten vorhanden. Angelo hat ebenfalls schon Songideen und auch Debbie hat bereits eine Handvoll Texte in petto. Es geht also bald wieder los – nebst all den kommenden Konzerten 🙂
MI: Stichwort Konzerte: Gibt es eine Band, mit der ihr unbedingt mal auf Tour gehen möchtet?
Tobias: Eine Konzerttour mit einer grossen Band wie Nightwish, Powerwolf oder auch Tarja klingt schon sehr „romantisch“, und wäre sicher ein unvergessliches Highlight in unserer Kariere. Das stimmt. Nur hier wird das Wort „unbedingt“, wie du es in der Frage erwähnst, ein entscheidender Faktor sein. Als Vorband ist man bei einer solchen Tour selbstverständlich in keiner privilegierten Lage. Sprich: separates Anreisen, Organisation der Hotels und der Umstand, dass man dann zwei bis vier Monate weg ist, was für „nebenbei noch arbeitstätige Musiker“ praktisch nicht zu bewältigen und zudem wohl auch nicht finanzierbar ist. Daher konzentrieren wir uns da eher auf die Möglichkeit, solch grosse Bands an einzelnen Konzerte in der Schweiz zu supporten. Ganz selten gibt es ja die Möglichkeit dazu.
Angelo: Ich bin da ziemlich offen, solange es genre-übergreifend zusammenpasst.
MI: Zum Abschluss: Habt ihr noch eine Message an eure Fans – in der Schweiz wie auch weltweit (die es in nicht geringer Zahl zu geben scheint!)?
Debora: Wir können uns einfach nur aus tiefem Herzen bei all unseren Fans aber auch Freunden und Familien bedanken, dass sie stets an uns glauben und uns unterstützen. Das ist so wertvoll und nicht selbstverständlich. Ohne unsere Fans und Supporter wären wir nicht da, wo wir jetzt sind. Danke euch allen da draussen!
Tom: Vielen Dank für euren unermüdlichen Support. Ihr seid die absolut Besten!
Angelo: Auch von meiner Seite her gilt allen mein herzlichster Dank, die es uns mit ihrer Unterstützung, Geduld und Vertrauen möglich gemacht haben, den Weg zu gehen, auf dem wir uns heute befinden! Vielen Dank auch an Metalinside für das Interview!
Video Deep Sun – Dreammaster
https://www.youtube.com/watch?v=oOJs_rwtRhY&t=2s