Metal is a Roller Coaster… öhm… Riesenrad!
Nach zwei langen Jahren ohne Open Air-Feeling hielten Ende August nun endlich wieder rockige Klänge Einzug in die Kleinstadt an der Aare. Eine Gelegenheit, die ich mir nicht entgehen liess, waren doch so einige interessante Acts am Riverside Open Air 2022 am Start.
Sandro: Wobei sich das diesjährige Teilnehmerfeld erst nach und nach offenbarte, und man auf die Bekanntgabe des Sonntag-Headliners Sabaton gar bis zum Out In The Green – Frauenfeld Rocks warten musste. Dennoch ist es wirklich erstaunlich, welch hochkarätiges Feld die Macher rund um das Festival an der Aare dieses Jahr rekrutieren konnte. Erfreulicherweise wurde das Line-Up im Vergleich zum Vorjahr… ähm, also 2019… kräftig aufgestockt, so dass über alle drei Tage hinweg satte 15 Bands aufspielen durften (beim letzten Happening waren es noch deren 10). Ich meine: Helloween, Sabaton, Status Quo, The BossHoss, sowie diverse weitere Topacts in sehr familiärer Atmosphäre muss man erst einmal serviert bekommen. Also auf nach Aarburg!
Riverside Open Air Aarburg Tag 1 – Freitag, 26.08.2022
Kaum aus dem Auto ausgestiegen, dröhnen mir auf meinem Weg in Richtung Festgelände auch bereits die ersten Sabaton-Hymnen in die Gehörgänge. Keine Frage, welche Band bei den Bewohnern des Campers, den ich gerade passiere, besonders angesagt ist (zumal sich dieses Szenario an den beiden nachfolgenden Tagen eins-zu-eins wiederholen wird). Danach heisst es bei der Kasse das Ticket gegen ein Armbändchen zu tauschen – und in die farbenfrohe Nostalgie von Rockabilly und Oldtimern einzutauchen. Jep, richtig gelesen! Nebst der wuchtigen Heavy-Beschallung findet hier nämlich jeweils zeitgleich das Oldtimer-Treffen Route 66 statt, welches mit viel Charme, diversen Verpflegungsständen, rockig rollender Live-Musik sowie einem PinUp Contest ein tolles Alternativprogramm bietet, wenn einem der Sound verzerrter E-Gitarren für einmal etwas zu viel werden sollte – oder man einfach in eine etwas andere, noch heile Welt eintauchen möchte. Kuttenträger inmitten von Rockabilly Röcken? Hier keine Seltenheit!
Mich zieht es aber erst einmal weiter in Richtung des Festivalgeländes, welches dank des schon von weitem sichtbaren Riesenrads problemlos zu lokalisieren ist. Ferris Wheel statt Roller Coaster – auch das ist auch Riverside!
Worry Blast
Den Auftakt zum dreitägigen wilden Treiben machen die aus dem Wallis stammenden Worry Blast. Wie so oft ist der Publikumsandrang zu so früher Stunde leider noch sehr überschaubar, was das Quartett aber nicht davon abhält, mit ihrem druckvollen, kernigen Heavy Rock munter drauflos zu wummern! Irgendwie erinnert mich diese Truppe vom Sound her an eine freie Interpretation von AC/DC, was durch die typischen Angus Young Moves von Saitenmann Allan Claret noch zusätzlich unterstrichen wird.
Worry Blast liefern denn auch genau das, was man von einem Opener erwarten darf: Vollgas voraus, ohne grosses Gelaber, einfach Metal pur! Dies scheint auch den zunächst noch eher verhaltenen Early Birds hier auf dem Gelände aufzufallen, füllen sich die vordersten Reihen doch nach den ersten zwei, drei Songs merklich. Ein wirklich sackstarker Auftritt dieser 2010 gegründeten Combo, welcher nach rund 25 Minuten zu Ende geht! Sehr gerne mal wieder!
Ein grosses Kompliment auch bereits von meiner Seite an die Leute hinter dem Mischpult, welche über alle drei Festivaltage hinweg einen tollen Job machen und für erstklassigen Sound sorgen! Danke!
Kissin‘ Dynamite
Nicht wenige dürften bei der Durchsicht der Running Order überrascht die Augenbrauen hochgezogen haben, als sie sahen, wie früh die Musiker rund um Frontmann Hannes Braun heute am Start sind. (Anm. Kaufi: Oh ja!) Viertel vor sechs ist in der Regel ja ein Slot, in dem sich aufstrebende Nachwuchskünstler einer nach und nach eintrudelnden Zuhörerschaft präsentieren, nicht aber unbedingt eine Band vom Kaliber à la Kissin‘ Dynamite. Jänu, man kann dem Ganzen aber durchaus auch etwas Positives abgewinnen, ziehen die Schwaben doch zu noch früher Stunde ziemlich viele Konzertgänger an, welche sich sonst wohl erst später auf den Weg nach Aarburg gemacht hätten. Und: Sie entgehen so dem später einsetzenden Regen!
Ungeachtet der Umstände ziehen die fünf Herren wie eigentlich nicht anders erwartet ihr Ding von der ersten Minute voll durch, und spätestens bei Track Nummer 2, „Somebody’s Gotta Do It“, frisst ihnen das Publikum aus der Hand. Ob mit Robe und Thron wie bei „I Will Be King“ oder einem wilden Hüpffest zu „Only The Dead“, die Jungs haben einfach jede Menge Spass, der sich eins-zu-eins auf die Leute vor der Bühne überträgt. Einziger Wehmutstropfen: Nach 9 Songs und 45 Minuten ist bereits wieder Schluss. Wohl das Los des frühen Auftritts.
Nachtrag: Etwas später höre ich Backstage den Tourmanager der Deutschen erwähnen, dass man bald weitermüsse, da am Wochenende ein Auftritt im ZDF Fernsehgarten anstehe (wo sie „Only The Dead“ von ihrem letzten Longplayer „Not The End Of The Road“ zum Besten geben werden). Es kann also sein, dass der arg frühe Auftritt auch eine termintechnische Ursache hatte.
Kaufi: Meine bessere Hälfte Nicky und ich sind heute extra und nur wegen der Schwaben nach Aarburg gepilgert. Dass es sich gelohnt hat, muss man kaum erwähnen! Sandro hat es bereits erwähnt – Kissin‘ Dynamite legen eine Show hin, die sich gewaschen hat! Rundherum nur zufriedene Leute, die allesamt gerne noch deutlich mehr vertragen hätten… Und es gab einige Leute, auch in meinem Kollegenkreis, die meinten, dass bis zu den Headlinern am Sonntag keine andere Band an diese Performance herankommen wird… Von meiner Seite her gibt es da jedenfalls keinen Widerspruch! Und so warten wir sehnsüchtig auf eine hoffentlich baldige Headliner Show von Hannes & Co…
Setlist Kissin‘ Dynamite
- I’ve Got The Fire
- Somebody’s Gotta Do It
- Love Me, Hate Me
- Only The Dead
- Sex Is War
- I Will Be King
- Not The End Of The Road
- You’re Not Alone
- Flying Colours
Nic Cester
Sandro: Den Beginn des Auftritts von Nic Cester verpasse ich, da zeitgleich mein Interview mit Jennifer und Chris von Beyond The Black (zum Interview) über ihre neuen Songs, Unterstützung durch Songwriter sowie aktuelle Probleme beim Touren ansteht.
Als ich danach aufs Festivalgelände zurückkehre, präsentiert sich mir ein etwas skurriler Anblick. Wo vorher – sprich bei Kissin‘ Dynamite – noch der Bär rockte und die Leute eng an eng vor der Bühne feierten, ist es nun wieder bedeutend ruhiger geworden. Wie ich später höre, sei der Auftakt ganz passabel gewesen, die Stimmung danach aber wie in sich zusammengesackt; dieses magische Band zwischen Künstler und Publikum irgendwie zerrissen.
Vielleicht liegt es an den eher langsamen, ins soulig-psychedelische abdriftenden Liedern des ehemaligen Frontmannes der australischen Rockband Jet, welcher kurzfristig als Ersatz für die ausgefallenen Wolfmother einspringen durfte. Wie auch immer, der Funke will nicht wirklich überspringen – oder wird vom nun einsetzenden Regen einfach auch erstickt. Irgendwie passend zur Stimmung halt. Also zurück zum Auto, um lange Hosen und Regejacke zu montieren.
The BossHoss
Nach einem kurzen Abstecher zu den reichlich vorhandenen Verpflegungsmöglichkeiten stürze ich mich pünktlich zu den ersten Klängen der Berliner The BossHoss ins Getümmel. Wobei dieser Ausdruck durchaus ernst gemeint ist! Waren bisher allenfalls die Reihen vor der Bühne gut gefüllt, so erstreckt sich das Gedränge nun bis zum Eingang ganz hinten auf dem Gelände. Und entsprechend stürmisch wird denn die bereits auf 2020 angekündigte Combo mit ihrer eingängigen, griffigen Mischung aus Rock und Country auch abgefeiert!
Klarer Aktivposten der Truppe ist dabei Sänger Alec „Boss Burns“ Völkel, der von Beginn weg mit Sonnenbrille und wilden Moves über die Bühne fegt und die Blicke aller auf sich zieht. Wobei auch der Rest des siebenköpfigen Ensembles munter mitzieht und die Zuschauerschaft euphorisch mittanzen lässt. Das Bühnenbild ist eher schlicht gehalten, einzig ein paar sich drehende Büffelköpfe in überdimensionierten Würfeln mögen kurzzeitig von der eigentlichen Action on stage ablenken. Speziell der neue Song im Gepäck, „Dance The Boogie“, sorgt noch für einen Schub Extralaune.
Allerdings gibt’s von meiner Seite her auch noch ein paar dezente Kritikpunkte: Die Ansagen zwischen den Songs wirken auf mich mitunter etwas zäh, speziell wenn man noch die – ja, noch längeren, aber halt auch gewitzteren – Ansagen von Avantasias Tobi in den Ohren hat. Auch sind aus „Uh Uh“ bestehende Mitsingparts sicherlich ein perfektes JeKaMi (Jeder kann mitmachen) Ding, aber halt auch etwas sehr einfach gestrickt. Handkehrum: Die Leute ziehen da begeistert mit, und das ist es, was schlussendlich zählt. Aber dass „Boss Burns“ zum Ende der eigenen Show das zugegebenermassen völlig begeisterte Publikum für die Rockabilly Stage der Route 66 abwerben will, klingt mit Blick auf die noch ausstehenden Beyond The Black vielleicht auch ein klitzeklein wenig arrogant. Ein Adjektiv, das mir auch während des 70-minütigen Auftritts ab und zu durch den Kopf ging…
Wie auch immer, The BossHoss haben Aarburg gerockt – trotz des nun doch ziemlich stark niederprasselnden Regens.
Beyond the Black
Womit wir denn auch bereits beim letzten Act des ersten Festivaltages angelangt wären: Beyond The Black! Zwar haben sich die Zuschauerreihen zu dieser nicht mehr ganz so frühen Stunde – es ist mittlerweile viertel vor Elf – schon merklich gelichtet, was einerseits dem zu The BossHoss stilistisch doch leicht divergierenden Musikstil, wohl aber auch dem nach wie vor anhaltenden Niederschlag geschuldet sein dürfte. Der guten Stimmung tut dies jedoch keinen Abbruch, und so starten die Mannheimer mit „Horizons“ in ein begeisterndes Set.
Man mag von der Band ja grundsätzlich halten was man möchte, on stage ist das Quartett (welches seit dem Abgang von Bassist Stefan anfangs 2021 durch einen Gastmusiker am Tieftöner verstärkt wird) eine Macht! Was bei der Fülle an gutem, live-tauglichem Liedgut auch nicht wirklich keine Hexerei ist!
Auch Petrus scheint an dem gerade Gezeigten Gefallen zu finden, lässt die Berieselung von Oben doch langsam nach, so dass sich Strahlefrau Jennifer Haben nun auch nach vorne auf den Catwalk wagt. Ihre stimmliche Leistung ist wie gewohnt souverän, und auch in Sachen Stage-Acting gibt es am heutigen Abend nicht das Geringste auszusetzen. Überhaupt präsentiert sich die gesamte Truppe äusserst engagiert und spielfreudig, einzig die stellenweise vom Bass stammenden Rückkopplungen vermögen den formidablen Gesamteindruck hie und da ein My zu trüben. Vor „Human“ gibt es den üblichen Wechsel ins rote Kleid samt Maske – ein dramaturgisch sehr emotionaler Moment, der denn auch entsprechend gewürdigt wird.
Erwähnenswert: Bei der Darbietung ihres erst vor Kurzem erschienenen neuen Songs „Reincarnation“ fällt der im bekannten „Horizons“-Stil gehaltene Backdrop und wird durch ein eher düsteres, dystopisch wirkendes Bühnenbild ersetzt. Wohl ein klares Signal des Aufbruchs, hin in ein neues Kapitel der Bandgeschichte.
Alles in allem ein sehr souveräner Auftritt und ein Highlight für jene, die dem kühlen Nass getrotzt haben.
Setlist Beyond The Black
- Intro (Horizons)
- Horizons
- Lost In Forever
- When Angels Fall
- Scream For Me
- Beyond The Mirror
- [Outfit Change (Rotes Kleid + Krone)]
- Human
- Heart Of The Hurricane
- Reincarnation
- Songs Of Love And Death
- Unbroken
- Intro Heaven And Hell [für Outfitchange]
- Heaven And Hell
- Wounded Healer
- In The Shadows
- Shine And Shade*
- Hallelujah*
- Outro By Jarek
Das Fanzit – Riverside Open Air Aarburg Tag 1
Auch wenn’s nicht unbedingt Kaiserwetter war, so wusste der Einstieg ins Riverside-Wochenende doch voll zu gefallen! Viele stimmungsvolle Momente (auch am Schwesterevent Route 66), feines Essen, saubere Toiletten (keine ToiToi!) – ja, man fühlt sich wirklich wohl hier in Aarburg! Und auch musikalisch wurde so einiges geboten, wobei meine persönlichen Faves klar die Auftritte von Kissin‘ Dynamite und Beyond The Black waren. Auch The BossHoss wussten zu gefallen, wobei mir ihre Performance vielleicht einen Tick zu eingespielt, wenig spontan rüberkam. Sehr positiv überrascht war ich zudem von Worry Blast, welche die Schweizer Farben sehr würdig vertreten haben (morgen gibt’s ja dann helvetisches Schaffen gleich im Viererpack). Nur bei Nic Cester war’s – naja, auf Facebook würde wohl im Beziehungsstatus ein „Es ist schwierig“ stehen. Tag eins geschafft, two to go…. Die Freude darauf ist riesig!
Riverside Open Air Aarburg Tag 2 – Samstag, 27.08.2022
Der zweite Tag beginnt etwas holprig – oder wohl eher: speziell… Nach einer kurzen Nacht – um 8 Uhr in der Frühe stand bei mir bereits eine OK-Sitzung des Ämmelauf Littau an – finde ich mich mit etwas Verspätung zur verhältnismässig früh startenden Samstagssession in Aarburg ein, und kann so gerade noch den letzten Klängen von Fire Rose (dazu gleich mehr) lauschen. Nach dem Opener des Tages gilt es erst mal, Kalorien für den langen Abend zu bunkern. Doch noch während ich mir ein Poulet süss-sauer munden lasse, erreicht mich via WhatsApp die Anfrage, ob ich allenfalls Interesse an einem Interview mit Adam And The Metal Hawks hätte.
Zweifelsohne eine spannende Affiche, auch wenn ich mir meine Fragen in der Eile etwas freestyle zusammenbasteln muss. Doch zum Glück habe ich mich im Vorfeld bereits kurz über die aus New York stammende Band schlau gemacht. Also für 16:30 Uhr einen Termin ausmachen mit der Absicht, dadurch keine der aus der Schweiz stammenden Bands zu verpassen. Und ja, das Gespräch mit den vier Amerikanern um Rampensau Adam Ezegelian wird zu einer coolen Angelegenheit (siehe Interview).
Erfreulicherweise ist auch der Rasen nach den gestrigen Niederschlägen bereits weitestgehend abgetrocknet, so dass einem ereignisreichen – und ja, auch für das Schuhwerk verträglichen – zweiten Festivaltag nichts im Wege steht!
Fire Rose
Leider verpasse ich trotz gebotener Eile die ersten Klänge der aus dem Oberbaselbiet stammenden Fire Rose, so dass ich mir nur noch die letzten zehn Minuten ihres 25-minütigen Sets zu Gemüte führen kann. Aber was ich da sehe, weiss absolut zu gefallen! Wie von Kollege Dutti in früheren Konzertbesprechungen schon mehrfach erwähnt, spielt das Quintett begeisternden Hard Rock mit einer deftigen Brise Schwermetall obendrauf, der das bereits beachtliche Völkchen vor der Bühne begeistert mitgehen lässt. (Anm. Kaufi: Schade, dass offenbar auch dieser Opener nur gerade 25 Minuten Spielzeit erhält, wie schon tags zuvor Worry Blast. Leider vielerorts der Fall…)
Die energiegeladen vorgetragenen Songs, die überzeugende, zweistimmige Gitarrenarbeit, die druckvolle Rhythmussektion und nicht zuletzt die hohe, markante Stimme von Leadsänger Phillip Meier – all das fügt sich zu einem wunderbar stimmigen Gesamtbild zusammen, welches phasenweise an Krokus oder die Eisernen Jungfrauen erinnert. Und da auch erneut der Tonmeister ganze Arbeit leistet, gibt’s von mir nen klaren Daumen hoch – sowie vom Publikum sehr viel Applaus zum Abschluss! Sehr gerne wieder!
Setlist Fire Rose
- Get It All
- Rise Like the Sun
- We Are Wild
- Wheels on Fire
- Heroes
- Touch Down
Soul Store
Etwas weniger euphorisch sind die Reaktionen dann bei Soul Store, welche zwar auftrittstechnisch so ziemlich alles richtig machen, deren eher schleppender, erdiger Rock den Funken jedoch nicht wirklich überspringen lassen will. Als ebenfalls abträglich dürfte sich auch die einsetzende Hitze erweisen, welche die zuvor noch in ansehnlicher Zahl vor der Bühne mitfeiernde Menge nun in den Schatten treibt – und der ist vorne eben nur sehr bedingt vorhanden.
Soul Store ist by the way eine von sechs Schweizer Combos, welche anno 2020 beim zum Festival gehörenden Bandcontest reüssieren und so einen Auftritt am diesjährigen Riverside Open Air ergattern konnten (halt eben etwas zeitversetzt dank Corona). Sängerin Izi bedankt sich denn auch beim Publikum, fügt dann aber auch an, man wolle die zur Verfügung stehende Zeit nicht mit Reden vergeuden – eine lobenswerte Entscheidung. Aber eben, was willst du machen, wenn die Kluft zwischen Band und Zuschauern aus welchen Gründen auch immer nicht gänzlich schwinden will. So bleibt es denn bei einem durch und durch soliden Auftritt, der anderenorts wohl eine grössere Resonanz gefunden hätte.
Fate of Faith
Bevor die dritte helvetische Band des Tages loslegt, steht erst mal das besagte Gespräch mit den aus Amiland stammenden Adam And The Metal Hawks auf dem Programm. Die Jungs sind ja bereits seit ein paar Tagen hier in der Schweiz und haben denn auch schon die eine oder andere Sightseeing-Tour unternommen (eigentlich hätten wir dieses Inti auch irgendwo gemütlich an der Reuss führen können, als sie meiner Heimatstadt Luzern einen Besuch abgestattet haben). Und wie soll ich sagen – eine so fröhlich-sympathisch überdrehte Bande habe ich schon lange nicht mehr gesehen! Alles Weitere lest ihr hier. An dieser Stelle auch gleich noch ein grosses Dankeschön an Tanja für die tolle Betreuung Backstage!
Was mir nach meiner Rückkehr auf Platz kurz vor dem Start von Fate Of Faith als erstes ins Auge sticht, ist das nun wieder deutlich grössere Gedränge vor der Bühne. Ein Eindruck, der sich während der folgenden knappen halben Stunde noch verstärkt, ziehen die vier Musiker die Menge doch gekonnt in ihren Bann, auch wenn man zu Beginn noch etwas mit einem sich leicht überschlagenden Sound zu kämpfen hat. Die mit viel Energie und Dynamik vorgebrachte progressive Mischung aus Thrash Metal und Metalcore sowie der einprägsame Gesang von Fronter Jonas Grünenfelder kommen sehr gut an, was mit viel Beifall und einer generell ausgelassenen Stimmung verdankt wird. Und dass man einen Laufsteg auch nutzt, wenn er denn zur Verfügung steht, das muss man Fate Of Faith definitiv nicht zwei Mal sagen! Alles in allem ein sehr cooler Auftritt!
Shrinx
Kommen wir zum letzten Schweizer Beitrag des Tages, den 2015 in Zürich gegründeten Shrinx. Ursprünglich als „Shambolic Shrinks“ und zu fünft gestartet, ist man seit 2020 noch als Quartett und unter neuem Namen unterwegs. Das mal als Vorabinfo. Mittlerweile herrscht im Infield ein ziemliches Geschiebe, und ich scheine nicht der einzige zu sein, der dem nun Folgenden gespannt entgegenfiebert. Und die Jungs legen denn auch gleich los wie die Feuerwehr – und in pink farbigen Shirts, was aber definitiv nicht das Einzige ist, was mir von dem Dargebotenen in Erinnerung bleiben wird!
Wenn man sieht, mit welcher Leichtigkeit die Truppe ihre Show abzieht, so wird einem auch klar, wieso diese Band bereits an solch namhaften Festivals wie Rock The Ring oder dem Heitere Openair mit von der Partie sein konnte. Ihr melodischer Alternativ-Rock mit viel Kick sorgt für Partylaune wohin man schaut, und wenn zu „Hey Hey No!“ (ok, keinen Schimmer, ob der Track auch wirklich so heisst) drei in schwarz gekleidete junge Männer zum Takt passend bekritzelte Pappschilder hochhalten, dann ist das einfach nur stylisch! Natürlich dürfen auch Klatsch- und Hüpfeinlagen im energiegeladenen Set der Zürcher nicht fehlen. Und wenn ich sehe, wie viele kuttenbehangene Metaller hier voller Elan mitmachen, so komme ich zum Schluss, dass dieses so liebenswerte Völkchen doch ziemlich fit sein muss!
Ich notiere „sackstarker Auftritt“ – das fasst das eben Gezeigte kurz und prägnant zusammen. Und warte nun gespannt auf die vermeintlich neue Sensation aus den US von A…
Adam And The Metal Hawks
Und dann steht auf einmal einer auf der Bühne, mit dem eigentlich niemand gerechnet hätte: Chris von Rohr! Allein. Ohne Krokus. Einfach, um den Auftritt von Adam And The Metal Hawks anzukündigen. Ok, und auch, um in einem Nebensatz zu vermerken, dass die Solothurner Altmeister dann irgendwie nächstes Jahr hier… Wie war das doch bitte noch mit „Adios Amigos“? Geschenkt; wir werden ja sehen!
Auf jeden Fall erzeugt eine solche Ansage durchaus die gewünschte Wirkung, und so ist am heutigen Tag das erste Mal ein wirklich grösseres Gedränge vor der Bühne zu spüren. Adam And The Metal Hawks haben ja gerade während der Pandemie durch ihre witzigen, zuweilen völlig überzogenen Videoclips auf TikTok einen enormen Bekanntheitsschub erlebt, und so wird es wohl sicher den einen oder anderen hier in Aarburg geben, der nun auch die Live-Qualitäten dieser überdrehten Überflieger aus Ami-Land begutachten möchte. Oder einfach eine gute Zeit haben will. Was er oder sie den auch klar bekommt!
Der Auftritt des New Yorker Vierers beginnt bei von ein paar Regentropfen durchzogenem Sonnenschein, was der kunterbunten Songauswahl von AMH (so das offizielle Kürzel) durchaus gerecht wird. Eigene Songs wechseln sich mit Klasse zu eigen gemachten Cover-Darbietungen ab („Rock and Roll“ von Led Zeppelin, „Somebody Get Me a Doctor“ von Van Halen oder „Tie Your Mother Down“ von Queen). Spannend finde ich in dem Zusammenhang, dass die Stimmung ungeachtet der kompositorischen Herkunft des gerade gespielten Tracks auf einem hohen Niveau bleibt und sich eigene Stücke wie „Hey Hey Mama“, der neuste Streich „Backwards“ sowie „Long Die Rock“ nahtlos ins Set einfügen.
Zu letztgenanntem Song gibt Fronter Adam Ezegelian denn auch eine längere Erklärung ab. Wir schreiben das Jahr 2015, als der quirlige Sänger bei American Idol es in die Top 16 schaffte und mit seinen wunderbar schrillen Art Klassiker wie „I Wanna Rock“ (im Original von Twisted Sister) zum Besten gab. Adam: „Bei American Idol wurde mir gesagt, Rock sei tot. Daher der Song: Long Die Rock“.
Überhaupt sprüht die Band nur so vor Spielfreude, präsentiert sich frisch und agil. So wundert es denn auch nicht, als ich nach dem Gig ein „Wird schwer zu toppen sein“ aufschnappe. Und dass sich die Vier nach der Show noch für Autogramme und Fotos zum Merch-Stand begeben, dürfte bei so manchen positiv vermerkt worden sein. Ich für meinen Teil bin auf jeden Fall gespannt, wie es mit dieser Kapelle weiter gehen wird.
Status Quo
Sowas nenn ich denn ein Kontrastprogramm: Zuvor die überbordenden, alles abfackelnden Newcomer aus New York, nun die über die Genre-Grenzen hinaus bekannten, unverwüstlichen Status Quo. Ähnlich wie am Vorabend bei The BossHoss ist auch jetzt eine ganz spezielle Klientele auszumachen, welche sich von der Zusammensetzung her nur schwer in Worte fassen lässt, dennoch aber irgendwie hervorsticht. Versuchen wir es mal wie folgt: Die 1962 gegründete Band, die zu den erfolgreichsten und langlebigsten Rockgruppen überhaupt zählt, bislang 33 Studioalben und über 100 Singles veröffentlicht hat und wahrlich als lebende Legenden durchgehen dürften – sind ein verdammter Jungbrunnen. Wie sich hier und jetzt Damen und Herren bereits fortgeschrittenen Alters zu den Melodien ihrer Jugendzeit (und darüber hinaus) bewegen ist einfach unglaublich!
Logisch, dass die Stimmung des nun mehr als proppenvollen Open Air Geländes überkocht, und die Herren da vorne auf der Bühne schaffen es auch leicht in Ehren ergraut noch immer spielend, einen brutalen Soundteppich hinzulegen. So tanzen und feiern die Leute denn, als gäbe es kein Morgen. Zwar mag der Sound über das ganze Konzert hinweg etwas repetitiv wirken, doch sind es eben gerade diese Vibes, welche das Volk in Ekstase versetzen. Die Ansagen zwischen den Songs sind nicht überlang und mit diesem typisch britischen Humor durchsetzt, doch wirken sie zumindest auf mich zuweilen auch leicht matt. Was aber auch damit zusammenhängen könnte, dass bei mir diese leicht überdrehte Stimme von Adam noch im Gehörgang herumschwirrt. Und es sowieso nur ein Mäkeln auf sehr hohem Niveau ist!
Ebenso wie der Fun Fact, dass zwei der grössten Hits von Status Quo Coverversionen sind: „Rockin‘ All Over The World“ stammt im Original von John Fogerty (1975), und der gerade bei Abschlussfeiern in der Rekrutenschule gerne vorgetragene Gassenhauer „In The Army Now“ von Bolland & Bolland (1981). Sabaton haben den thematisch in ihr Konzept passenden Song ja als Bonus-Track auf „Carolus Rex“ aufgenommen. Lustig, dass hier zumeist von einem Status Quo-Cover gesprochen wird.
Als ich mich gegen Ende des Auftrittes weiter nach hinten begebe ist zu erkennen, dass sich auch ausserhalb des abgesperrten, nur mit Festivalbändchen zugänglichen Areals viele Leute drängen und den Klängen der Altmeister lauschen – beziehungsweise auch zusehen, sind doch von da aus Teile der Bühne sowie die rechte Grossleinwand gut einsehbar. So haben denn wohl nicht wenige den Weg vom Route 66-Festival unter die Füsse genommen, um dieses Bindeglied zwischen Rock’n’Roll und Metal einmal livehaftig erleben zu können. Und auch wenn ich mich nicht unbedingt zu den grössten Status Quo-Fans zähle, so bin ich doch froh, dieses rockende Urgestein noch einmal live gesehen zu haben!
Setlist Status Quo
- Caroline
- Softer Ride
- Hold You Back
- What You’re Proposing / Down the Dustpipe / Wild Side of Life / Railroad / Again and Again
- The Oriental
- Cut Me Some Slack
- In the Army Now (Bolland & Bolland cover)
- Roll Over Lay Down
- Down Down
- Whatever You Want
- Rockin‘ All Over the World (John Fogerty cover)
- Don’t Waste My Time*
- Paper Plane*
Delain
Delain ist eine Band, die es bisher immer irgendwie geschafft hat, knapp unter meinem Radar zu fliegen – eigentlich völlig unverständlich (Anm. Kaufi: In der Tat!), passen die symphonischen Klänge der Niederländer doch perfekt in mein musikalisches Beuteschema. Und auch heute Abend will ein erstes ganzheitliches Abtasten nicht gelingen, da sich der Schlafmangel der vergangenen Nacht nun heftig bemerkbar macht und ich nach den ersten drei Songs das Feld räume, um noch einigermassen sicher nach Hause zu gelangen.
Zudem präsentiert sich die Szenerie zu Beginn der Show der im letzten Jahr von der Zusammensetzung her ziemlich arg durchgeschüttelten Truppe ähnlich wie bereits tags zuvor: Wer primär wegen Status Quo (respektive The BossHoss am Freitag) gekommen ist und mit Symphonic Metal nicht allzu viel am Hut hat, tritt die Heimreise an, zumal Delain heute Abend mit rund einer Viertelstunde Verspätung um 23:15 loslegen. Als vermeintlicher Headliner zu spielen, muss nicht immer von Vorteil sein, vor allem, wenn zuvor eine lebende Legende am Start war. Von alledem lässt sich das 2002 vom ehemaligen Within Temptation Keyboarder Martijn Westerholt gegründete Quintett aber nicht irritieren. Zwar klingt der Sound zu Beginn etwas diffus, sind Drums und Bass etwas zu sehr in den Vordergrund gemischt, so dass Diana Leahs Stimme eher schlecht denn recht zu hören ist, doch setzt auch hier rasch Besserung ein.
Überhaupt sind wohl alle Augen (und Ohren) an diesem Abend auf die neue Frontlady gerichtet, war es doch ihre Vorgängerin Charlotte Wessels, welche den Klang von Delain entscheidend mitgeprägt hat – und Veränderungen an solch markanter Position sind immer heikel. Doch meistert Diana diese Herausforderung mit Bravour, interagiert von Anfang an aktiv mit dem (immer noch recht zahlreich vertretenen) Publikum und erhält zum Schluss des Openers „Hands Of Gold“ zurecht tosenden Applaus. Generell würde ich ihr Auftreten etwas platt formuliert als „herzig“ bezeichnen – im positiven Sinne, wohlgemerkt!
Als ich mich ob der verpassten Chance, diese Band in voller Länge zu erleben, leicht niedergeschlagen in Richtung Ausgang begebe, google ich noch kurz nach weiteren Auftritten der Niederländer: Donnerstag, 27.04.2023 im Komplex 457. Delain, man sieht sich 🙂
Setlist Delain
- Hands of Gold
- Suckerpunch
- Go Away
- Burning Bridges
- Invidia
- The Quest and the Curse
- April Rain
- Sing to Me
- Stay Forever
- The Hurricane
- The Gathering
- Don’t Let Go
- Fire with Fire
- Not Enough
- Creatures
- Mother Machine
- Pristine
Das Fanzit – Riverside Open Air Aarburg Tag 2
Auch der Samstag brachte viele musikalische Höhepunkte mit sich. Von den vier Schweizer Vertretern lieferten Fire Rose und Fate Of Faith absolut bestechende Shows ab, derweil Shrinx mich noch nen Tick mehr zu überzeugen vermochten! Einzig bei Soul Store schien der berühmte Funke nicht so ganz aufs Publikum überspringen zu wollen. Auf die TikTok-Rocker Adam And The Metal Hawks war ich bereits im Vorfeld ziemlich gespannt, und die vier New Yorker haben wirklich fett abgeliefert. Mal schauen, wie’s bei ihnen weiter geht. Zu Status Quo braucht man nicht wirklich viel zu sagen, ihr Auftritt sowie die Begeisterung bei den Zuschauern sprechen für sich. Solide, legendär, Status Quo! Und ja, Delain wäre sicher ein krönender Abschluss dieses langen Tages gewesen, doch gebot die bleierne Müdigkeit eine vorzeitige Abreise. Umso mehr fiebere ich dafür bereits jetzt dem kommenden April entgegen!
Riverside Open Air Aarburg Tag 3 – Sonntag, 28.08.2022
Wurden die Festivalbesucher an den beiden Vortagen mit fünf respektive gar sieben Bands verwöhnt, so befinden sich heute Sonntag nur noch deren vier auf dem musikalischen Speiseplan. Aber was für welche, wow! Zudem werden nicht wenige das frühere Ende um 21:30 Uhr begrüssen, steht tags darauf ja bereits wieder ein arbeitsamer Montag vor der Tür. Und nur wenige Vorgesetzte werden sich mit einem „Jo Chef, bi müed, aber hey, esch voll geil gsi geschter am Riverside“ abspeisen lassen.
Silver Dust
Wieder so eine Band, die ich noch nie live erlebt, auf die ich mich im Vorfeld aber tierisch gefreut habe, drifteten redaktionsintern die Meinungen zu den aus dem jurassischen Porrentruy stammenden Silver Dust doch ziemlich auseinander. Und diesbezüglich scheine ich weit nicht der einzige zu sein, tummeln sich doch bereits von Beginn weg recht viele Leute um den Bühnenrand. Als die vier Musiker pünktlich um 15 Uhr und in Mönchskutten gehüllt die Riverside-Bretter betreten, wird mir auch klar, was sich denn hinter dem Label „theatrical rock“ verbirgt.
Ihr von klassischen Einflüssen geprägter Gothic-Rock mag zweifelsohne nicht jedermanns Sache sein, doch gibt der Auftritt gerade auch optisch so einiges her. Nicht umsonst werden die Jungs von der Presse immer wieder gerne mal in Anlehnung an den amerikanischen Filmemacher Tim Burton als „Burtonian“ (wohl mit nem Schuss King Diamond) beschrieben. Und so erinnert ihre Darbietung denn auch eher an eine Rockoper denn an ein herkömmliches Open Air-Happening.
So entwickelt sich denn in der Folge über die insgesamt 60 Minuten hinweg eine sehr kurzweilige und abwechslungsreiche Show, welche die zahlreich vertretene Anhängerschaft zu emsigem Mittun animiert. Bei der Songauswahl liegt der Fokus klar auf der dieses Jahr erschienenen Langrille „Lullabies“, was dem Set per se schon mal einen musikalischen roten Faden verleiht. Und natürlich darf auch die Coverversion „Bette Davis Eyes“ mit der eingefügten Stimme von Mr. Lordi an diesem Tag ebenfalls nicht fehlen. Bemerkenswert finde ich zudem den enormen Plektren-Verschleiss der Truppe, ständig fliegen die kleinen Dinger in die Zuschauerränge.
Danke Silver Dust für diesen überaus gelungenen Start in den finalen Festivaltag!
Setlist Silver Dust
- Emeline
- Eternite
- Follow Me
- Burlesque
- Duo Orgue/Guitare
- I’ll Risk It
- There’s A Place Where I Can Go
- Stand By Me
- Animal Swing
- Bette Davis Eyes
- The Witches Dance
- Forever
- Echoes of History
Phil Campbell And The Bastard Sons
Next on stage: Phil Campbell And The Bastard Sons. Oder anders formuliert: Eine wahre Rocklegende, die 32 Jahre lang als Leadgitarrist bei Motörhead fungierte und zusammen mit Lemmy Kilmister Herz und Seele dieses Mythos bildete. Zusammen mit seinen drei Söhnen Todd, Dane und Tyla sowie dem Sänger Joel Peters sind sie schon fast sowas wie die Kelly Family der harten Klänge, ein Familienunternehmen aus dem für seine zerklüftete Küsten und gebirgigen Nationalparks bekannten Wales.
Wenig überraschend zähle ich heute Abend wohl zu dem verschwindend kleinen Teil der Anwesenden, welcher mit Motörhead nie wirklich warm wurde – nur um dann doch munter mitzuwippen. (Anm. Kaufi: Ich bin da mit dir. Und du bist dir bewusst, dass wir mit dieser Aussage unsere Weihnachtsgeschenke vom Chef aufs Spiel setzen?? … pam: Gestrichen. Für beide! ) Es ist halt schon eine mitreissende Mucke, welche die fünf Mannen dort oben abliefern! Selbstredend köchelt es bei der kuttentragenden Schar vor der Bühne von Anfang weg munter vor sich hin. Und wie nicht anders zu erwartet bildet sich unmittelbar vor dem Catwalk schon bald ein veritabler Moshpit. Ihr ehrlicher, gradliniger, unverblümter Rock hat nun mal dieses gewisse Etwas, dem man sich nur schwerlich entziehen kann (pam: OK, Sandro ist wieder im Rennen.).
Drei Dinge fallen mir während ihres 65-minütigen Auftritts speziell auf: Phil Campbell And The Bastard Sons sind an diesen drei Tagen wohl die einzige Band, welche gänzlich auf feuertechnische Unterstützung verzichtet – let the music do the talking! Zudem sticht ihr Sänger Neil durch den Gebrauch eines kabelgebundenen Micros aus der breiten Masse der trällernden Zunft heraus. Dass das Teil sich halt auch mal gerne in den allerorts herumstehenden Bühnenmonitoren verhaken kann – geschenkt! Und: Die im Metal-Umfeld gemeingültig etablierten Horns (auch gerne als Teufelshörner oder mano cornuta) wurde vom walisischen Quintett optimiert? …reduziert? Anyway, hier genügt ein durchgestreckter Mittelfinger alleweil. Und ja, selten habe ich während eines Auftritts so viele „Fucks“ (resp. Motherfuckers) vernommen wie gerade eben.
Natürlich dürfen Klassiker aus alten Tagen wie „Ace Of Spades“ (all jenen dediziert, die je bei Motörhead waren), „Killed By Death“ oder auch „(We Are) The Road Crew“ (allen Leuten gewidmet, welche hinter der Bühne tätig sind) nicht fehlen, was die Fans mit wildem Tanzen, Herumspringen und Headbangen freudig quittieren. Mein persönliches Fazit: Auch wenn Phil Campbell And The Bastard Sons nicht unbedingt die Art von Musik spielen, welche ich mir privat stundenlang reinziehe – hier und jetzt kicken die fünf Waliser einfach Ass! Geil war‘s!
Helloween
Und nun also Helloween. Zu dieser Truppe habe ich ein ganz besonderes Verhältnis, durfte ich sie in der zweiten Hälfte der 80er Jahre doch gleich mehrfach live erleben, und am 29. Oktober 1988 mit ihnen in der Winterthurer Eulachhalle denn auch mein allererstes Interview überhaupt (damals noch für mein eigenes Fanzine „En Force“) führen. Schon damals präsentierte sich die Klamauktruppe auf der Bühne äusserst aktiv, was mir Kai Hansen wie folgt erklärte: „Wenn wir einfach da oben stehen und spielen, kannst du im Prinzip auch einfach unsere Platte hören. Wenn wir dazu noch rumrennen und Spass haben, dann bekommst du das Doppelte für dein Geld“ – wie wahr!
Und an dieser Einstellung hat sich über all die langen Jahre hinweg nichts geändert. Klar, die Herren sind etwas älter, die Haare vielleicht etwas lichter geworden, man agiert mit zwei respektive drei Sängern – und doch, dieses ganz spezielle Kürbis-Gen ist den Hanseaten nicht abhandengekommen. Was aber auch zu einem kleineren Problem werden kann. Dann nämlich, wenn man sehr weit vorne steht und versucht, alle Musiker möglichst im Auge zu behalten – was sich bei deren Bewegungsdrang als schlicht unmöglich erweist. Die Spielfreude des deutschen Siebners ist geradezu physisch greifbar, einzig Weiki guckt zuweilen etwas griesgrämig ins weite Rund. Ebenfalls in sehr positiver Erinnerung bleibt mir zudem die „neue“ Doppelfront, bestehend aus Michi Kiske und Andi Deris, die trotz der gerade zu Beginn der „United“-Geschichte vielfach zitierten Alphatier-Thematik perfekt harmoniert. Allein schon die gemeinsam von beiden vorne auf dem Laufsteg vorgetragene Interpretation der Überballade „Forever And One“ war die Reise nach Aarburg wert – Hühnerhautfeeling pur.
Überhaupt beglücken uns die Kürbisköpfe während ihres 70-minütigen Auftritts mit einem abwechslungsreichen Cocktail aus bald vierzig Jahren Bandgeschichte. Ob ein Medley aus den musikalischen Ursprüngen der Combo, als noch der jetzige Gitarrist Kai Hansen für die Leadvocals zuständig war, unbedingt in dieses Set gehört, kann durchaus diskutiert werden. (Anm. Kaufi: Nein, das kann nicht diskutiert werden – das gehört in dieses Set! Unbedingt! Selbst wenn es wie in diesem Fall leider nur 75 Minuten dauert…) Ich schwelge derweil in Jugenderinnerungen – und bin hierbei wohl nicht allein.
Helloween sind wie ein guter Wein; süffig, edel, über die Jahre gereift. Ich für meinen Teil habe vor lauter Dauergrinsen beinahe einen Krampf im Gesicht und frage mich wohl nicht als einziger, ob das eben Gezeigte noch zu toppen sein wird.
Kaufi: In den 80ern, als Helloween noch ohne Michi Kiske unterwegs waren, konnte ich nicht viel damit anfangen. Erst später kapierte ich, welche Klassiker der Metal-Geschichte die Hanseaten da kreierten. Und auch als sowohl Kiske wie auch Hansen weg waren, haben Weiki und Co. weiterhin hochklassige Alben abgeliefert.
Die Reunion resp. die Vereinigte Kürbis Geschichte sorgte daher nicht nur bei mir für grosse Freude. Unvergessen die dreistündige Darbietung in der Samsung Hall auf der damaligen Tour…
Und so ist wie schon angetönt heute ein grosser Wermutstropfen, dass Helloween – als Co-Headliner notabene! – nur gerade 75 Minuten Spielzeit erhalten. ZU viele Klassiker müssen da natürlich über die Klinge springen. Nun ja, im Dezember sind sie dann Headliner (mit HammerFall als Support!) in Zürich, da wird die Party dann wohl NOCH grösser sein.
Setlist Helloween
- Halloween (Intro)
- Eagle Fly Free
- Dr. Stein
- Mass Pollution
- I’m Alive
- Ride The Sky
- Heavy Metal (Is The Law)
- Forever And One (Neverland)
- Guitar Solo (Sascha Gerstner)
- Best Time
- Power
- Future World
- How Many Tears (inkl. Guitar Solos)
- I Want Out *
- For The Love Of A Princess (James Horner Song; Outro)
Sabaton
Sandro: Womit wir bereits beim letzten Act des diesjährigen Riverside Open Airs angelangt wären. Und um meine eben erst gestellte Frage gleich zu beantworten: Ja, Sabaton setzen noch einen obendrauf. Im Gegensatz zu ihrem Auftritt in Frauenfeld (zu Review hier entlang) haben sie dieses Mal ihren kompletten Headliner-Kram mit dabei; inklusive Klavier, was zwei Monate zuvor ja noch zu einer Blitzvisite in Zürich geführt hat. Und da die Bühne dieses Mal gross genug dimensioniert ist, kommt auch die männliche Variante des als Drumriser dienenden Panzers zum Einsatz. Schaut einfach cool aus – und dürfte wie eh und je für reichlich Diskussionsstoff sorgen. Belassen wir’s dabei!
Die Setlist enthält zum einen viel Bekanntes und Liebgewonnenes, mit „40:1“ vom Album „The Art Of War“ jedoch auch leicht Überraschendes, da dieses Stück in letzter Zeit eher selten und wenn, dann wohl eher in Polen dargeboten wurde. (Anm. Kaufi: Als Joakim diesen Song ankündigt, hat wohl nicht nur meine untere Kauleiste Bodenkontakt. Sehr lange nicht mehr live gehört, in der Tat!) Und auch der Einbezug des düsteren, pflügenden „Dreadnought“ von der letzten Langrille „The War To End All Wars“ hatte ich so nicht unbedingt auf dem Radar gehabt. (Anm. Kaufi: Absolut genial!) Dass Joakim dieses seitlich auf der Bühne sitzend zu singen beginnt, gibt der Schwere dieses Tracks nur noch zusätzlich Raum. Und dem Publikum gleich zwei Lieder, bei denen sie kräftig mitrudern dürfen (auch wenn das Ganze nicht mehr ganz so ausgeprägt zelebriert wird wie vielleicht noch am Greenfield 2019, als eine Hundertschaft die Bismarck vorwärts pullte). Denn nebst dem nach dem britischen Grosskampfschiff HMS Dreadnought benannten Schlachtschifftyp kommt noch ein weiterer Kahn zu Ehren – die RMS Titanic, zu welchem Sabaton den Titelsong zum Film, eben „My Heart Will Go On“, beigesteuert haben. Behauptet zumindest der bebrillte Sänger da oben! Wobei die Interpretation dieses cineastischen Übersongs doch schon ziemlich verdächtig nach „Bismarck“ klingt. Wir bleiben dran!
Und wenn wir schon gerade bei denkwürdigen Ansagen sind – jemand hier, der nen Panzer gebrauchen könnte? Drummer Hannes van Dahl hätte einen abzugeben! Schliesslich finde hier in Aarburg ja gerade auch eine Oldtimer-Ausstellung statt, und sein Gefährt sei ebenfalls sehr vintage und habe zudem noch viel mehr PS unter der Haube! Ja, die Jungs haben sichtlich Spass. Allerdings handelt es sich heute auch um den allerletzten Festivalsauftritt dieses Sommers, bevor es dann ab Mitte September mit einer ausgedehnten US-Tour weitergeht. Also ein lachendes wie ein weinendes Auge, was auch Pärs Ansprache deutlich rüberbringt.
Womit nur noch zu klären wäre, wie die Schweden aktuell mit den sonst omnipräsenten „Noch ein Bier“-Rufen umgehen. Etwas, dem ein gewisser Charme nicht abzusprechen ist, handkehrum halt auch den Fluss der Show gehörig ausbremst. Auf einen Nenner gebracht: Durch ignorieren. Denn obschon bereits von Beginn weg versucht wird, den Durst der wie stets in Tarn-Optik gekleideten Herren anzuregen, übergeht Mister Brodén diese wiederholt stoisch und leitet charmant zum nächsten Track über. Erst gegen Ende hin – und wen wundert’s, dass dies ausgerechnet vor dem Lied über die Schwedischen Heiden passiert – erbarmen sich die wackeren Recken und kippen das eine oder andere Bierchen. Tommy wird im Anschluss noch dazu verknurrt, Highway To Hell von AC/DC zu trällern, bevor sich der Fünfer standesgemäss mit „To Hell And Back“ vom total elektrisierten Publikum verabschiedet. Welch würdiger Abschluss eines wirklich grandiosen Festivals!
Kaufi: Selbstverstürlich muss ich da auch noch meinen Senf dazugeben… Dieser Auftritt ist bald der 50ste, den ich von den Schweden erleben darf. Und sie zementieren hier meine früher getätigte (und mancherorts scharf kritisierte) Aussage, dass es livemässig nur sehr wenige Bands gibt, welche ihnen das Wasser reichen können!
Sabaton schaffen es immer wieder, Überraschungen für die hart gesottenen Fans einzubauen – heute in Form von „40:1“. Sie tauschen ihre Songs immer mal wieder aus, was die Shows dann eben immer spannend macht. Sicher, der Opener „Ghost Division“ mag manch einer für „ausgelutscht“ halten – doch es gibt halt echt kaum einen Track, der so perfekt als Beginn funktioniert! Untermalt mit all den Pyros und neuerdings schiesst Joakim am Ende sogar noch auf den Panzer…
Dann ist da die auch von Sandro bereits angesprochene Geschichte mit dem „Noch ein Bier“. Die Geister die ich rief… Doch mittlerweile ist es schon so, dass sich Joakim kaum mehr darum schert, erst weit nach der Hälfte der Show lässt er sich das erste Mal erweichen. Und danach ist’s eh Spass im Zugaben-Block. Die Rufe kommen zudem meistens eh vom „Kiddie-Publikum“, die alt eingesessenen Sabaton Fans nerven sich mittlerweile nämlich auch sehr oft darüber.
Sabaton spielen längstens in der Champions League des Heavy Metal und wenn es im nächsten Jahr wirklich keinen Termin mehr gibt in der Schweiz, dann reise ich halt nach Köln oder / und München für die nächsten spektakulären Abende…
Setlist Sabaton
- Ghost Division
- Stormtroopers
- Great War
- The Red Baron
- Bismarck
- Attack Of The Dead Men
- Soldiers Of Heaven
- Steel Commander
- Carolus Rex
- Night Witches
- 40:1
- Dreadnought
- The Last Stand (inkl. Verweis auf Schweizer Garde)
- Christmas Truce
- Primo Victoria*
- Swedisch Pagans*
- Highwell To Hell (AC/DC Cover, Tommy)*
- To Hell And Back*
Das Fanzit – Riverside Open Air Aarburg Tag 3
Sandro: Am letzten Tag wird den uns nach Aarburg Gepilgerten ein reichhaltiges Kontrastprogramm an Stilen und Shows kredenzt. Silver Dust überzeugen zum Auftakt sowohl mit ihrem vielschichtigen Gothic-Rock als auch einer exzellenten Bühnenshow, derweil das walisische Überfallkommando Phil Campbell And The Bastard Sons den bereits zahlreich anwesenden Metalheads eine deftige Ohrenspülung verpasst. Die beiden tags zuvor noch in Mailand aufspielenden Helloween und Sabaton schenken sich nichts, dafür dem Publikum umso mehr Freude. Wobei aus meiner subjektiven Warte betrachtet Sabaton nach Punkten als Sieger dieses Giganten-Battles hervorgehen (wobei dies natürlich auch an der gegebenen Running Order sowie den damit einhergehenden Platz- und Lichtverhältnissen liegen kann).
Das Fanzit zum Riverside Open Air Aarburg 2022
Das Riverside Open Air in Aarburg zählt nicht zu den grössten seiner Art, besticht aber durch viel Charme und einem gerade in diesem Jahr wieder überzeugenden Line-Up. Nebst dem durchgängig tollen Sound, den vielen freundlichen helfenden Händen sowie den leckeren Verpflegungsständen müssen zudem die sauberen, für ein solches Event schon als luxuriös zu bezeichnenden sanitären Einrichtungen erwähnt werden.
Und auch wenn nahezu alle Bands meinen Geschmack trafen, so stachen für mich halt doch die Auftritte von Kissin‘ Dynamite, Beyond The Black, Adam And The Metal Hawks, Silver Dust, Helloween sowie natürlich Sabaton klar heraus. Ich bin mal gespannt, wie die Macher dieser super organisierten Veranstaltung dies im kommenden Jahr noch zu toppen gedenken. Aber irgendwie mache ich mir da keine Sorgen!