Seraina Telli - Band Promobild Web

Seraina Telli – Interview mit der Komponistin, Gitarristin und Sängerin

Hardrock, Rock
21.10.2022
Seraina Telli - Band Promobild Web

Ich schreibe keine Lieder, die ich nicht veröffentlichen will.

Seraina Telli, eine der wohl wandlungsfähigsten Künstlerinnen hierzulande, veröffentlicht mit «Simple Talk» das Debütalbum ihres Solo-Projekts (siehe Review). Bekannt ist sie unter anderem durch ihre Band «Dead Venus» und geniesst in Heavy-Metal-Kreisen grosses Ansehen als Gründungsmitglied und ehemalige Sängerin der «Burning Witches».

Im Interview sprach sie über den Entstehungsprozess neuer Lieder und den musikalischen Einflüssen in ihre Werke.

Metalinside (Silas): Schön, dass es geklappt hat. Wie ich auf Instagram gesehen habe, kommst du gerade von Mallorca zurück.

Seraina Telli: Ja, da leben mein Produzent und Manager. Da hat man sich mal nicht nur kurz gesehen, wenn sie mal in der Schweiz sind, per Skype oder ähnlichem. Im direkten, persönlichen Kontakt ist es ganz anders, miteinander zusammenzuarbeiten.

MI: Um gleich mit der ersten Frage zu starten: Warum dieses Solo-Projekt?

ST: Eher durch Zufall entstand diese Idee. Eigentlich wollte ich eine Kollaboration mit der Sängerin von «Anna Lux» machen. Wir begannen Ideen zu sammeln, ich begann zu schreiben, was mir gerade so durch den Kopf ging. Dabei entstand «I’m Not Sorry». Nach Hören des Liedes schrieb mir dann Anna: «Das ist so DEIN Song, denn solltest du ‘rausbringen». Das Lied passte aber nicht zu «Dead Venus» So entstand der Gedanke «Warum starte ich kein Solo-Projekt?». Dabei war klar, dass mich das musikalisch in eine ganz andere Richtung als «Dead Venus» lenken würde. Deshalb hat es nur Sinn ergeben, diese Projekte zu trennen.

MI: Vielleicht kommt ja doch irgendwann mal ein Duett mit Anna Lux raus.

ST: Ja, das wäre sicherlich eine coole Kombination, da sie ja eine ganz andere Musik macht.

MI: Wie du bereits erwähnt hast, unterscheidet sich «Dead Venus» musikalisch deutlich von «Seraina Telli». Wie würdest du das Genre von Letzterem beschreiben?

ST: Ich bezeichne es gerne als «In-Your-Face-Rock» (lacht).

MI: Das passt definitiv zum Album!

ST: Hardrock trifft es ja nicht ganz, Metal ist es auch nicht, es ist nicht Punk … es ist auch nicht Pop …

MI: Der letzte Song auf der Platte, «Medusa», erinnert aber doch an Metal.

ST: Ja, das schon. Das Album hat schon auch «metallische» Einflüsse, auch die Attitude führt in diese Richtung. Das bin ja auch ich. Ich denke aber, dass dies für die «klassischen» Metal-Hörer, kein Metal ist.

MI: Ebenfalls auffallend: Für dieses Projekt, hast du deinen bürgerlichen Namen verwendet. Wie kam es dazu?

ST: Ich wollte von Beginn an einen Künstlernamen. Das war ursprünglich «Dead Venus», daraus entstand später meine Band. Als ich bei «Burning Witches» begann, hätte ich eigentlich auch gerne einen Künstlernamen gehabt, dann gingen wir allerdings mit unseren richtigen Namen an die Öffentlichkeit. Wenn du einen weiteren «neuen» Namen kreierst, musst du den auch erst wieder unter die Leute bringen. Ich finde auch, dass mein Name gar nicht mal so schlecht klingt, sofern ich das beurteilen kann. Daher beschlossen das Management und ich, meinen richtigen Namen zu verwenden.

MI: Beim Hören deiner Songs, fühlt man sich oft sehr nahe an deinen Erlebnissen, Gedanken und Gefühlen. Wie viel Seraina Telli steckt in «Seraina Telli»?

ST: (lacht) Sehr viel! Allerdings nicht alles. Auch in den sozialen Medien halte ich einiges zurück. Ich bin weiterhin eine «Private Person», von der man nicht alles weiss. Dennoch steckt sehr viel von meinen Gefühlen in den Liedern – das bin schon auch ich.

MI: Wie sieht der Entstehungsprozess eines neuen Liedes aus?

ST: Das ist sehr unterschiedlich. Ich arbeite eng mit meinem Produzenten Rico zusammen, der vor allem als Drummer von «Stoneman» bekannt ist. Diese Zusammenarbeit erfolgt, aufgrund der Entfernung, meist digital: Meine Ideen halte ich, schnell-schnell, mit dem Handy und meiner akustischen Gitarre fest. Oder wenn ich gleich eine konkretere Idee für einen Song habe, nehme ich Gitarre und Gesang gleich zweispurig auf. Das sende ich ihm dann, anschliessend machen wir gemeinsam das Arrangement.

MI: Läuft dieser Entstehungsprozess bei einem «Dead Venus» Song anders ab?

ST: Ein wenig schon. Besonders beim ersten Album arbeiteten wir als Band viel zusammen. Beim zweiten Album habe vor allem ich das Arrangement gemacht, sagte aber nicht, was der Bassist oder Schlagzeuger zu spielen haben: Ich erstellte ein fertiges Demo mit Gitarre und Gesang, respektive mit Klavier und Gesang, darauf kamen dann die Parts von meinen Mitmusikern. Anschliessend, werteten wir als Band das Ergebnis aus.

MI: Gibt es für dich Kriterien, die erfüllt werden müssen, damit du einen Song überhaupt veröffentlichst?

ST: Ich habe da eine eigene Herangehensweise: Ich schreibe keine Lieder, die ich nicht veröffentlichen will. Vielleicht gibt es mal Ideen, die man erst noch anders gestellten oder anpassen muss, damit sie funktionieren. Durchaus habe ich noch unveröffentlichte Songs, aber nichts, was nicht zur Veröffentlichung taugt. Ich finde, man kann aus jeder Idee etwas machen und falls nicht, kann man sie umformen.

MI: Ebenfalls gleich zu Beginn aufgefallen auf dem Album ist mir ein Cover von «Fever», ein Song von Peggy Lee, ein Jazz-Stück. Was für ein Einfluss hat diese Musikrichtung auf dich?

ST: Peggy Lee gefällt mir extrem gut als Sängerin. Jazz ist für mich wichtig in meinem «musikalischen Leben». Ich höre viel Jazz und habe an der Jazz-Schule studiert. Ich würde sagen, dort habe ich meine Stimme entdeckt, was es da alles für Facetten gibt, was da alles passiert, wenn man auch mal «nicht-nur-laut» singt, wie ich es, als Sängerin, bisher aus dem Metal kannte. Jazz zeigte mir, wie «cool» es eigentlich ist, wenn man auch mal leiser singt. Ich singe nach, wie vor gerne Jazz, mach auch immer wieder mal ein Cover und teile dies auf Social Media. Das kennt man auch ein bisschen von mir. Den Song «Fever» habe ich mal, einfach so «zum Spass» gejammt, es stand dann zur Debatte, ob noch ein Cover auf die Platte kommen soll, da habe ich dann dieses Lied vorgeschlagen, worauf alle meinten «Ist doch geil, machen wir doch die Rock-Version davon»

MI: Dead Venus hat viele Einflüsse aus diversen «musikalischen Strömungen». Welche Stilrichtungen beeinflussten «Seraina Telli»?

ST: Auch dieses Projekt hat diverse Einflüsse, bleibt allerdings deutlicher im «Rock-Setting». Bei Dead Venus setzte ich mir in dieser Hinsicht keine Grenzen. Wenn du sagst: Ich will eine Rockband haben», gibt es schon gewisse Dinge, die du machen kannst und andere, die nicht passen. Was aber auch toll ist: Du arbeitest mehr nach einer «Form», du überlegst dir: «Wie soll das am Ende klingen? Was passt in das Konzept?» Trotzdem sind die Einflüsse noch zu hören, zum Beispiel aus dem Jazz. Das hängt auch damit zusammen, wie ich die Lieder schreibe: Ich mag komplexe Akkorde, die sich auch auf dem Album immer wieder finden, natürlich nicht in einem Ausmass wie bei Dead Venus. Auch einen 7/4 Takt habe ich auf das Album «reingeschmuggelt» (lacht). Ich finde es interessant «catchy» Songs zu machen und Dinge einzubauen, die nicht jeder so umsetzen würde.

MI: Herzlichen Dank für das Interview. Zum Abschluss noch die Frage: Was kommt als Nächstes?

ST: Wir «tüfteln» bereits wieder an Neuem. Nicht umsonst war ich gerade bei meinem Produzenten auf Mallorca. Wir arbeiten auch an neuen Songs, ziemlich bald wollen wir das zweite Album «raushauen». Erst kommt jetzt aber mal das erste Album, die Release Show, die sehr wichtig ist. Wir werden wahrscheinlich noch mal eine Auskoppelung aus dem Album in Form eines Videos veröffentlichen, im November und Dezember gehen wir als «Seraina Telli» dann auf grosse Tour, mit der Band «Core Leoni» und Anfang 2023 haben wir weitere Gigs in Deutschland und der Schweiz.

Video Seraina Telli – Modern Warrior

Autor
21.10.2022
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