Therion - Leviathan II (Cover Artwork)
Fr, 28. Oktober 2022

Therion – Leviathan II

Opera Metal, Symphonic Metal
25.10.2022
Therion - Leviathan II (Cover Artwork)

Mutig voranschreitend, wo Engel furchtsam weichen?

Rund eineinhalb Jahre nach „Leviathan I“ veröffentlichen Therion den zweiten Teil ihrer gleichnamigen Trilogie. Wie bereits angekündigt, setzen sie darin ihren fanfreundlichen Weg fort und dürften damit die altgediente Anhängerschaft (erneut) etwas vor den Kopf stossen. Ein Schmelztiegel ihrer brillantesten Ideen oder einfach schnödes Selbst-Recycling?

Dabei ist der neuste Streich aus der Schmiede der schwedischen Combo (auch wenn der Bandleader auf Malta zu Hause ist) keine kompositorisch-übermenschliche Parforce-Leistung wie zum Beispiel „Beloved Antichrist“ (siehe Review) es war, und wie bei Part eins (zur Review) bewegen sich die elf Tonschöpfungen abermals in einer Art sicheren Komfortzone, was für einen Künstler vom Kaliber eines Christofer Johnsson eher ungewohnt ist. „Wir wollten den Fans geben, wonach sie verlangt haben. Wir haben so lange exakt das gemacht, wonach uns der Sinn stand, so dass wir es einfach für fair hielten, den Spiess einmal umzudrehen.“

„Leviathan II“ aber deswegen seine magistrale Machart abzusprechen, wäre indes doch weit übers kritische Auge des Betrachters hinaus geschossen. Denn schliesslich und endlich erhält der geneigte Hörer exakt das links und rechts aufs Hörorgan, was im Vorfeld auch versprochen wurde. Fairerweise sei zudem erwähnt, dass gewiss eine gehörige Portion Feinsinn von Nöten ist, um die erlesensten Essenzen einer nun schon 35 Jahre andauernden, überaus kreativen musikalischen Odyssee auf ihr Wesentliches zu reduzieren, respektive das Vorzüglichste daraus zu destillieren.

Kalkuliert-souverän

Doch wie haben die Damen und Herren rund um Tausendsassa Johnsson nun die sich selbst auferlegte Mission hin zu eingängigen Klangverwirbelungen erfüllt? Kalkuliert-souverän charakterisiert wohl am ehesten den Gang in diese kompositorische Welt zwischen Einfallsreichtum und einprägsamen Arrangements, was sich denn auch bereits im eher kurz gehaltenen Opener „Aeon Of Maat“ manifestiert: Eine typische Uptemponummer, welche noch aus den „Beloved Antichrist“-Sessions stammt, sich aber nichtsdestotrotz als Intro für die nachfolgenden Hörerlebnisse bestens eignet. Und ja, es ist Erik Mårtensson (Eclipse), der dem Track hier seine Stimme leiht.

So entwickelt sich in der Folge denn ein munteres, künstlerisch auf hohem Niveau dahingleitendes Potpourri aus zumeist eingängigen Melodien, wunderschönen Gesangsparts, emotional genau richtig temperierten Instrumentalabschnitten und harschen Growls. Zusammengehalten wird diese breite Palette an Sinneseindrücken durch einen schon fast omnipräsenten, tragenden Chorgesang, welcher sich wie ein roter Faden durch nahezu alle Tracks der Scheibe schlängelt. „Litany Of The Fallen“ und „Alchemy Of The Soul“ bewegen sich mit ihren eher eingängigen Klangfolgen dabei auf recht allgemeinverträglichen Bahnen. Zwei melancholisch wirkende Tracks, wo bei ersterem die Diskrepanz zwischen düsterer Strophe und aufblühendem Kehrreim hervortritt, derweil letzterer speziell durch dieses wunderschöne Violinensolo einen enormen Tiefgang erhält. Und das Ende… sowas muss man sich auch erst mal getrauen.

„Lucifuge Rofocale“ bildet mit seinem bedrohlich wirkenden, nervös-aggressiven Grundtenor sowie den düsteren Growls hierzu einen merklichen Kontrapunkt – und doch ist allen Liedern wiederum diese Therion-eigene DNA zu eigen, welche sofort erkennen lässt, wessen künstlerisches Schaffen diesem Gesamtwerk zugrunde liegt. Sei ist in diesem Zupfen, welches „Lunar Coloured Fields“ einklingen lässt, dem schleppenden, klaren Beat sowie eindringlich tragenden Gesang von Thomas in „Codex Gigas“, oder etwa dem mit orientalischen Klängen unterlegten „Marijin Min Nar“, das gewisse Parallelen zu „Aži Dahāka“ vom ersten Teil erkennen lässt.

Radiokonforme Retroperspektive

Die vielen choralen Einschübe mögen auf die Dauer etwas repetitiv wirken, so dass eine härtere, treibende Uptemponummer à la „Midnight Sun“ für eine willkommene Abwechslung sorgt und im Gesamtkontext schon beinahe als „Oper auf Speed“ durchgehen dürfte – bevor in der zweiten Hälfte des Stückes wieder Passagen erklingen, welche sich ebenso gut auf „Beloved Antichrist“ heimisch gefühlt hätten.

Auf der anderen Seite der Skala entpuppt sich dann „Hades And Elysium“ als äusserst stimmige Ballade, deren emotionale Komponente der wunderbaren Abfolge von männlichem, weiblichem und Chor-Gesang geschuldet ist, und den Namen des Tracks so passend wiedergibt. Wer es hingegen so richtig ohrgerecht und radiokonform mag, wird an dem durch und durch poppig aufwartenden „Cavern Cold As Ice“ seine helle Freude haben, derweil „Pazuzu“ in bester Midtempo-Manier sowie mit eindringlichen Gesangsparts die eigentliche Tracklist des Albums beschliesst.

Obendrauf gibt es im CD-Digipack mit „Aeon Of Maat (Alternative Vocals Version)“ und „Pazuzu (AOR Version)“ zwei Bonustracks, welche einen vertieften Einblick in die Genesis dieser zweier Songs bietet. Welchen Einfluss wohl ein Wechsel innerhalb der Vocalparts mit sich bringt? Und wie einfach lässt sich ein Lied alleine durch eine etwas abgeänderte Gesangslinie zu einem hittauglichen Song umgestalten? Eine gerade für Fans interessante Zugabe, welche wie bei Teil eins mit dem rein von Marko Hietala vorgetragenen „Tuonela“ für Aha-Momente sorgen dürfte.

Selbst auferlegter Verrat…

Fassen wir zusammen: Wie angekündigt reiht sich „Leviathan II“ nicht in die Reihe nahezu überirdischer Geniestreiche ein, welche Therion mit ihrer beinahe schon als trotzig zu bezeichnender Entschlossenheit in den Olymp symphonischer Sphären hievte. Auch auf Scheibe Nummer zwei der „Kosmischen Seeungeheuer“-Trilogie wird – wie auf dem äusserst eingängigen Vorgänger – „das Beste aus dreieinhalb Dekaden schierer Genialität“ zelebriert – auch wenn sich dieses Mal chorale Klänge weit häufiger in die Klangwelt integrieren, ja diese zum Teil sogar beherrschen. Was bei den mit einer melancholischen Note unterlegten Liedern ebenfalls auffällt, ist ihre enorme Eingängigkeit, so dass die meisten Tracks bereits nach wenigen Durchläufen wie mit Sekundenkleber ummantelt in den Gehörgängen haften bleiben.

Verrat, Kopie, Kommerz werden nun einige rufen. Und ja, aus einer rein puristischen Warte aus gesehen mögen diese Einwände durchaus ihre Berechtigung haben. Betrachtet man den neusten Streich aus der Johnssonschen Tonschmiede hingegen wie ich aus primär erquickender Perspektive, so erschliesst sich einem ein durchgängig faszinierendes Machwerk, das im Vergleich zu Kapitel eins allenfalls etwas gleichförmiger daherkommt.

Das Fanzit Therion – Leviathan II

Therion treiben den Begriff Symphonic Metal auf „Leviathan II“ einmal mehr auf die Spitze. Dabei liegt ihr musikalisches Ansinnen wie schon beim Vorgänger – und anders als in ihrer experimentierfreudigeren Vergangenheit – nicht auf der Explanation neuer musikalischer Welten, sondern der möglichst ohrgerechten Aneinanderreihung ihrer bisher erfolgreichsten Klangfolgen. Was man zweifelsohne auf den Begriff „kommerziell“ hinunterbrechen kann, so man denn möchte.

Für Anhänger der stets mutig und musikalisch innovativst voranstürmenden Therion mag „Leviathan II“ gegebenenfalls sechs Punkte wert sein. Schaut man auf den reinen Unterhaltungswert der Scheibe, dieses in eine eigene musikalische Welt Abtauchen und Geniessen, so schnellt die Bewertungsnadel jedoch auf deutlich positivere Werte zurück. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet gibt es von mir erfrischende 9.5 Punkte.

Anspieltipps: Litany Of The Fallen, Lunar Coloured Fields, Cavern Cold As Ice, Pazuzu

Ab Release reinhören und Digipack/Vinyl portofrei bestellen

Trackliste Therion – Leviathan II

  1. Aeon Of Maat
  2. Litany Of The Fallen
  3. Alchemy Of The Soul
  4. Lunar Coloured Fields
  5. Lucifuge Rofocale
  6. Marijin Min Nar
  7. Hades And Elysium
  8. Midnight Star
  9. Cavern Cold As Ice
  10. Codex Gigas
  11. Pazuzu
  12. Aeon Of Maat (Alternative Vocals Version)
  13. Pazuzu (AOR Version)

Line-Up Therion

  • Thomas Vikström – Vocals
  • Lori Lewis – Vocals
  • Christofer Johnsson – Guitar
  • Christian Vidal – Guitar
  • Nalle Påhlsson – Bass
  • Björn Höglund – Drums

Video Therion – Pazuzu


Album Review Bewertung

Autor Bewertung: 9.5/10



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25.10.2022
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