Ein Vierteljahrhundert Summer Breeze
Knallende Korken, wehende Mähnen, aufheulende Gitarren und ein rappelvoller Terminplan – das Summer Breeze Open Air hat sein 25-järhiges Bestehen mit jeder Menge Elan zelebriert. Trotz Wetterkapriolen und ungewohnten organisatorischen Schwierigkeiten und Herausforderungen kamen die zahlreichen Besucher mehrheitlich auf ihre Kosten. Wie es eurem Metal-Dutti in Dinkelsbühl ergangen ist, wird in den nachfolgenden Zeilen verraten und von Friedemann gezeigt.
Summer Breeze Open Air 2022 – Dienstag, 16.08.2022
Aller guten Dinge sind drei. Genau das habe ich mir offenbar auch bei meiner diesjährigen August-Festival-Planung gedacht. Nach intensiven, schweisstreibenden Aufenthalten in Wacken und am Party.San (siehe Review) folgt nun mit dem Summer Breeze Open Air (S:B:O:A) der dritte Streich. Zwischen der Rückkehr aus Schlotheim und dem Trip nach Dinkelsbühl gab’s lediglich geschätzte eineinhalb Tage der Erholung. Wer tut sich bitteschön freiwillig einen solchen Wahnsinn an? Korrekt, dieser für diese Textzeilen verantwortliche, nicht mehr alle Tassen im Schrank habende Typ! Meine Crew und ich wollten 2022 einfach nochmals die drei grossen deutschen Metal-Festivals erleben, ehe dann in den kommenden Jahren Zeit für neue Entdeckungen und kleine, respektive unbekanntere Open Air-Veranstaltungen freigeschaufelt werden soll. Doch das ist Zukunftsmusik. Richten wir unseren Fokus lieber wieder auf die Gegenwart und das bevorstehende Summer Breeze Open Air Abenteuer!
Der Trip ins Gebiet der «schönsten Altstadt Deutschlands» ist für uns Eidgenossen glücklicherweise verhältnismässig kurz. Die Anfahrt verläuft reibungslos und frei von irgendwelchen «Blechlawinen». Erst unmittelbar vor Dinkelsbühl geraten wir in eine gigantische, sich nur äusserst schleppend fortbewegende Kolonne. Mist, so kurz vorm Ziel… Unsere Kollegen sind dieser Angelegenheit offenbar gerade noch knapp entwischt und dürfen jetzt auf dem Parkplatz des örtlichen EDEKA ausharren und auf unsere Ankunft warten. Irgendwann trudeln Kumpel Benji und ich dann ebenfalls ein. Also schnell die letzten Einkäufe erledige und dann nix wie weiter in Richtung Campingplatz.
Wie gewohnt verläuft die Einlasskontrolle locker vom Hocker. Wir rollen brav durch die Gegend und landen schliesslich am Rand von Zone «M». Nicht gerade am hinterletzten Gesäss der Welt, aber zum Bühnengelände dürfte dann jeweils trotzdem ein beachtlicher Fussmarsch anstehen. Glücklicherweise legen wir diese Route pro Tag voraussichtlich sowieso meistens nur zwei Mal zurück. Nach dem routinierten Zeltaufbau folgt das gemütliche Ausspannen auf dem Campingstuhl, welches vom parallelen Schlürfen des ersten Hopfentees begleitet wird. Schön wieder hier zu sein! Das haben wir nach zwei Jahren der auferlegten Zwangspause definitiv vermisst. Die restliche Zeit wird mit Umgebungserkundungen und einem Trip zum Supermarkt-Zelt totgeschlagen.
Die Ficken Party Stage versorgt die anwesenden Gehörgänge übrigens bereits heute mit ersten Live-Beschallungen. Das Ganze läuft unter dem Motto «The Roots Of Summer Breeze». Somit treten ausschliesslich Gruppen aus den Anfängen des Festivals auf. Leider hat unsere verspätete Ankunft die eigens geplante Running Order ziemlich durcheinandergewirbelt, und mir müssen einige Bands sausen lassen… Schade, denn insbesondere Voodoo Kiss mit Drummer und Summer Breeze Mitbegründer Achim Ostertag hätte ich gerne in Aktion erlebt. Nach erfolgreicher Nahrungsaufnahme reicht’s immerhin für den Auftritt von Fleshcrawl.
Fleshcrawl
Am Party.San hatte ich die Herrschaften nicht auf dem Radar und habe sie Metalinside-Kollege Luke überlassen. Mal schauen, ob ich da wirklich viel verpasst habe. Es rumpelt jedenfalls ordentlich im Karton. Vor der kleinen Bühne tobt ein wilder Circle Pit. Die Todesblei-Bayern agieren solide, aber mit dem neuen Sänger Borisz Sarafutgyinov, welcher das Erbe des tragischerweise dem Krebs erlegenen Sven Gross angetreten hat, werde ich jedoch nicht sonderlich warm. Sind die auszufüllenden Fussstapfen möglicherweise etwas zu gross? Zumindest sind die beiden riesigen, auf den Seiten stehenden Banner, die den verstorbenen Sven ehren sollen, eine verdammt schöne Geste.
Die unendliche Merch-Schlange
Nach der Show bekommen wir mit, dass tatsächlich bereits heute schon offizielle Festival-Textilien vertickt werden. Da könnte man doch glatt versuchen anzustehen und eines dieser begehrten Teile zu ergattern, oder? Fantastische Idee! Nur doof, wenn das Gros der Besucherschar denselben Einfall hat… Ay caramba! Hat sich etwa die Midgardschlange höchstpersönlich über Dinkelsbühl breitgemacht? Da kannst du ja gleich mit einem Schlafsack bewaffnet anstehen und bis in alle Ewigkeiten warten… Es ist wirklich jedes Mal das gleiche Theater…
Anderseits muss man im Leben manchmal einfach clever sein und strategisch denken. Um die Motive genauer betrachten zu können, darf man glücklicherweise bis nach vorne ans Gitter herantreten. Dabei sticht uns ein sympathisches Grüppchen ins Auge, welches in der Warteschlange fast schon eine Pole-Position innehat. Kurzerhand kicken wir sie an, ob sie uns wohl netterweise unsere favorisierten Shirts ebenfalls miteinkaufen würden. Dieser Plan geht absolut auf. Ein paar Minuten später tauschen wir Euronen gegen Ware und sind glückliche Summer Breeze-Merchandise-Besitzer. Dieser geschickte Schachzug hat sich vollends ausbezahlt.
Feuchtfröhliche Ficken Disco
Ins Camp zurückkehren? (Noch) keine Option. Bands spielen zwar keine mehr, aber dafür ist die Disco um die Ficken Party Stage herum in vollem Gange. Diesem Spektakel wohnen wir selbstverständlich noch eine Weile bei. Schnaps trinken und dabei den besten Metal-Hymnen aller Zeiten frönen – so gefällt mir das! Nach und nach habe ich eine beachtliche Sammlung dieser ominösen «Mini-Handschellen» beisammen, welche man zu jedem Shot geschenkt bekommt. Eventuell hat eines der anwesenden Mädels ja später Lust auf ein paar «Fesselspiele». Wobei, wenn wir in dieser Kadenz weiterfeiern, wird sich dieses Vorhaben garantiert selbstständig in Luft auflösen. Ausserdem müssen die Kräfte ebenfalls für die nächsten Tage reichen. Also, bloss nicht zu früh komplett verausgaben.
Summer Breeze Open Air 2022 – Fanzit Dienstag
Summer Breeze! Unfassbar schön, wieder hier zu sein. An diesem ersten Tag sind zwar keine grossartigen Spektakel passiert, aber es wurde trotzdem munter gefeiert, und die Stimmung befand sich ohne Zweifel im totalen Festival-Modus. Getreu nach Freddy – «the show must go on!»
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Summer Breeze Open Air 2022 – Mittwoch, 17.08.2022
Guten Morgen Summer Breeze! Der am Vorabend generierte Kater hält sich dankbarerweise zurück und deshalb geht das Auferstehungs-Prozedere verhältnismässig vernünftig vonstatten. Immer wieder schön, wenn einen die Sonne am Firmament anlächelt. Generell ist die Wetterquote an diesen Sommer Open Airs bisher Weltklasse! Damit hätte ich im Vorfeld nicht unbedingt gerechnet. Dass wir jedoch vor allem an den letzten beiden Tagen mit massiv mühseligen Witterungen zu kämpfen haben werden, wussten wir zum jetzigen Zeitpunkt logischerweise noch nicht…
Der Bandreigen beginnt erst am Nachmittag, was uns das ausgiebige Auskosten des «Chill-Momentums» in unserem Camp ermöglicht. Bierchen schlürfen, Wasserpfeife paffen und engagiert über die Running Order diskutieren. Bei dieser stattlichen Anzahl von Kapellen ist das Zusammenstellen eines einigermassen sinnvollen Plans eine waschechte Herausforderung. Diese Arbeit darf keinesfalls unterschätzt werden und beginnt grundsätzlich schon einige Tage vor dem Festival. Am Ende stehen meine Missionsaufträge. Es hat sogar ganz ohne Überschneidungen geklappt (obschon dafür die einen oder anderen Akteure bei mir leider über die Klinge springen mussten…). Mal schauen, was die eigenen Energiereserven nach Wacken und dem Party.San noch hergeben.
Bei der Mainstage wird man meine Wenigkeit wie gewohnt nicht sonderlich oft sehen. Ich bevorzuge lieber die Entdeckungsreise auf den kleineren Bühnen und gebe gerne den dort aufspielenden Bands eine Chance. Ganz allein muss ich das Summer Breeze allerdings nicht abdecken. Unser Metalinside-Meisterknipser Friedemann ist ebenfalls mit an Bord und geht für euch auf die Jagd nach wunderbaren Schnappschüssen. Da er in diesem Jahr zusätzlich mit dem wohlverdienten Headliner-Pass ausgestattet ist, dürft ihr obendrein bockstarke Aufnahmen von den grössten Namen im diesjährigen Billing erwarten.
Dank zackiger Einlass-Prozedur landen wir schnell und problemlos im Infield. Zuerst muss einmal der Gesamtüberblick her. Glücklicherweise tätigen die Organisatoren auf dem Areal kaum Umstellungen, weshalb man sich als regelmässiger Breeze-Besucher ohne Schwierigkeiten zurechtfindet. Wir werfen einen kurzen Blick auf die Marktstände, sichern uns das Bändchen für die EMP Backstage-Zone, gönnen uns weitere Hopfen-Smoothies und checken den bereits vorhandenen Band-Merch ab. Im Hintergrund sind die traditionsreichen Klänge der Blasmusik Illenschwang zu vernehmen. Für uns Beobachter sind diese «Gugge-Musig-Moshpits» stets äusserst unterhaltsam. Mein Einsatz startet dann aber auf der Wera Tool Rebel Stage.
Fotos Blasmusik Illenschwang
Raised Fist (Fotos)
Siamese
Die dänischen Metalcore-Rocker Siamese sind die ersten Protagonisten, welche die «Werkzeug-Bühne» einem Stabilitätstest unterziehen dürfen. Das gelingt dem Quartett in gekonnter Manier. Hat sich die Mucke beim Reinhören auf Spotify und YouTube noch sehr seicht angehört, überrascht sie im Live-Gewand mit ordentlich Wucht und knackigen Abschnitten. Normalerweise wären die Jungs eigentlich zu fünft, aber aufgrund eines Krankheitsfalls musste Geiger Christian Hjort Lauritzen kurzerhand auf die Gitarre umsteigen (was ihm kaum Probleme zu machen scheint – Respekt dafür!). Derweil sammelt Sänger Mirza Radonjica mit witzigen deutschen Ansagen jede Menge Sympathiepunkte (trotz Augenkrebs auslösendem Farb-Mix-Hemd). Er habe früher in der Glotze oftmals Pro7 geschaut und so die Sprache gelernt. Ich kann mich nicht beschweren; das ist ein Auftakt nach Mass! Darf ungeniert in dieser Kadenz weitergehen.
Setliste – Siamese
- Heights Above
- Home
- Holy
- B.A.N.A.N.A.S.
- Numb
- Can’t Force The Love
- Cities
- Erase My Mind
- Sloboda
- Ocean Bed
Pallbearer
Im Anschluss folgt auf der nebenan liegenden T-Stage ein ziemliches Kontrastprogramm: Gemächlicher, einlullender Doom Metal aus den Vereinigten Staaten. Für diese Art von Kunst ist ein Auftritt im strahlenden Sonnenschein freilich alles andere als optimal. Trotzdem lassen sich die Amis nicht beirren und ziehen ihr Ding stoisch durch. Die langatmigen, schwerfälligen Brocken scheinen sogar ein paar Schleierwolken am Himmel heraufzubeschwören. Das Publikum lässt die Musik wirken und begleitet diese mit geschlossenen Augen und rhythmischen Tanzbewegungen. Ich erspähe gar vereinzelte Crowdsurfer (ein ziemlich seltenes Phänomen in diesem spezifischen Genre). Beim nächsten Mal sollte es vielleicht wieder besser ein Abend- oder Nacht-Slot sein.
Setliste – Pallbearer
- Foreigner
- Devoid Of Redemption
- The Legend
- An Offering Of Grief
- Given To The Grave
Fotos Pallbearer
Urne (Fotos)
Gutrectomy
Habe ich zuvor nicht gerade von Kontrast gesprochen? Tja, dann setzen wir doch noch einen drauf. Auf Doom Metal folgt Brutal Deathcore. Solch «kranke» Stilwechsel kann auch wirklich nur euer lebensmüder Dutti über sich ergehen lassen. Aber er macht’s ja freiwillig. Die kleine Wanderung zur Ficken Party Stage hat sich auf jeden Fall gelohnt. Die grunzenden Slam-Attacken von Gutrectomy und die dazugehörigen Publikum-Eskalationen sind ein amüsantes Schauspiel. Genau so haben abendliche Fitness-Einheiten an einem Summer Breeze auszusehen! Alle zur Bühne getragenen Körper, die unbeschadet dort ankommen, erhalten als Belohnung einen Pfeffi geschenkt. Die sichtlich heiteren Musiker scheinen auch schon den einen oder anderen Drink konsumiert zu haben (speziell Blondschopf-Basser Louis Weber wirkt wie ein überdrehtes Feierbiest). Zu kämpfen haben sie aber einzig mit der phasenweise durchzogenen Soundqualität.
Paleface
Kann man nach Gutrectomy überhaupt noch am Härtegrad schrauben? Tendenziell nicht. Ausser die Veranstalter verpflichten urplötzlich unsere helvetische Abrissbirne namens Paleface. Huch! Moment, exakt das haben die Wahnsinnigen ja gemacht. Na dann, freut euch auf die totale Zerstörung der Wera Tool Rebel Stage. Gnadenlos wird eine Breakdown-Salve nach der anderen auf die Massen losgelassen. Diese kontern wiederum mit unaufhaltsamen Circle Pits, die tonnenweise Staub aufwirbeln. In welcher Wüste sind wir denn bitteschön jetzt gelandet? Paleface – die schweizerische Band mit Sandsturm-Garantie (wäre doch ein passender Slogan, oder?). Für mich agieren hier fraglos die bisherigen Tagessieger (und das ist einfach Fakt und hat nix mit irgendwelchen parteiischen Allüren zu tun). Sofern Fronter Zelli und seine Kollegen ihrer Linie treu bleiben, dürfte eines Tages ein Auftritt auf der Mainstage durchaus im Bereich des Möglichen liegen.
Exodus (Fotos)
Hawxx (Fotos)
Testament
Nach eher jüngeren Kapellen wird es nun höchste Zeit für ein paar Veteranen. Da kommen die altgedienten Thrash-Haudegen von Testament ja wie gerufen! Eine Stunde gepflegte Nackenmassage steht auf dem Programm. Seit März dieses Jahres haben die Akteure einen alten Bekannten hinter der Schiessbude platziert. Niemand Geringeres als die fleischgewordene Trommelmaschine Dave Lombardo darf neu auf die «testament’schen» Felle einprügeln. Das verleiht dem Ganzen ausreichend Wucht. In Sachen Setliste gibt’s einen netten Querschnitt durch die eigene Diskographie. Chuck Billys Stimmorgan ist nach wie vor ein unglaublich sicherer Wert. Des Weiteren profitieren die Routiniers ab und an ungewollt von der parallel auf der Hauptbühne stattfindenden Feuerschwanz-Show. Gewisse am Himmel schwebende Rauchringe finden nämlich den Weg bis hinüber zur T-Stage. Grosses Highlight ist eindeutig der finale Track «Alone In The Dark», welchen Testament gemeinsam mit Exodus-Fronter Steve «Zetro» Souza präsentieren. Hat hier sonst noch jemand zufälligerweise gerade einen «Bay Area»-Orgasmus?
Setliste – Testament
- Rise Up
- The New Order
- The Pale King
- Practice What You Preach
- D.N.R. (Do Not Resuscitate)
- WWIII
- The Formation Of Damnation
- First Strike Is Deadly
- Over The Wall
- Into The Pit
- Alone In The Dark (mit Steve Souza von Exodus)
Eisbrecher (Fotos)
Our Promise
Mittlerweile hat sich die Nacht über dem Gelände ausgebreitet. Doch keine Angst, wir versinken selbstverständlich nicht in völliger Dunkelheit. Es sind immer noch ausreichend Lichtquellen vorhanden. Diese geleiten mich schliesslich zur Wera Tool Rebel Stage und der Performance von Our Promise. Die erst 2020 gegründete Truppe setzt auf die doppelte Stimmgewalt. Zwei Sänger erzeugen verständlicherweise auch mehr Energie. Die zahlreich anwesende Besucherschar feiert das Gezeigte lautstark, was effektiv trotz der kurzen Existenz für eine gewisse Popularität von Our Promise spricht. Ich persönlich bin zwar nicht die allergrösste Metalcore-Fachkraft, kann dem Ganzen aber sorglos eine solide Note geben.
Paradise Lost
Die Altmeister des Gothic Metal haben meinerseits eine kleine Wiedergutmachung verdient. Ihren 2018er-Breeze-Auftritt habe ich ja hauptsächlich von der «TOI TOI-Schüssel» aus verfolgt (was übrigens hier nachgelesen werden kann). Glücklicherweise schreien Harndrang und Verdauungstrakt hier und heute nicht nach einem Klobesuch. Somit kann ich die Show tiefenentspannt geniessen.
Das hypnotisierende Liedgut der Briten entfaltet in diesem Ambiente die gewünschte Wirkung und verzaubert die applaudierenden Fans. Fronter Nick Holmes führt mit typisch britischem Humor durch die Darbietung. Furztrocken, aber trotzdem immer wieder für Lacher sorgend. Doch diese Formation setzt grundsätzlich eh lieber auf Musik als irgendwelche langwierigen Ansprachen. Neue Kompositionen wie «Ghosts» oder «Blood And Chaos» finden ebenso den Weg in die Setliste wie altgediente Klassiker der Marke «Eternal». Ein gelungener und abgeklärter Auftritt des melancholischen Fünfers.
Setliste – Paradise Lost
- Enchantment
- Forsaken
- Blood And Chaos
- Forever Failure
- Faith Divides Us – Death Unites Us
- Eternal
- One Second
- The Enemy
- As I Die
- The Last Time
- Say Just Words
- Ghosts
Svalbard
Das Ping-Pong-Match zwischen der T-Stage und der «Werkbühne» geht ohne Atempause weiter. Tischtennisball Dutti wird munter von der einen auf die andere Seite hinüber geballert. Kurz vor 23 Uhr lande ich schliesslich bei Svalbard aus Bristol. Der Melodic- respektive Post-Hardcore der Engländer ist definitiv eine fetzige Angelegenheit. Frontmädel Serena Cherry und ihr Kollege Liam Phelan liefern sich sowohl am Mikrofon als auch mit ihren Saitenköniginnen packende Duelle. Welch beeindruckende Energie! Die gellenden Schreie zerfetzen förmlich den Nachthimmel. Songs und Ansagen werden dazu genutzt, um der heutigen Gesellschaft kritisch den Spiegel vorzuhalten. Stellvertretend dafür sei die Nummer «Click Bait» erwähnt, welche als akustischer Mittelfinger gegen den Umgang mit Frauen im Musikgeschäft zu verstehen ist.
Fleshgod Apocalypse
Wenn ein mächtiger Konzertflügel auf der Bühne thront, weiss der geneigte Fan genau, dass beim nächsten Auftritt nicht ausschliesslich auf metallische Tonflogen gesetzt wird. Halb so wild, denn unsere Lieblingsmusik lässt sich bekanntermassen ideal mit klassischen Elementen kombinieren. Diese Tatsache ist den Italienern von Fleshgod Apocalypse längst bekannt. Die bevorstehenden 45 Minuten stehen somit komplett im Zeichen der Theatralik. Dank astreiner Abmischung (Kompliment an die verantwortlichen Personen) gelingt Francesco Paoli und seiner Truppe eine saustarke Performance. So überzeugend habe ich diese Musiker noch nie erlebt! Das Gros der Ansagen wird von Opern-Diva Veronica Bordacchini übernommen.
Witziger Funfact ist die Präsenz einer Puppe auf der Bühne. Mit passender Verkleidung und Gitarrenattrappe soll sie den Ersatz des leider krankheitsbedingt abwesenden Saitenhexers Fabio Bartoletti darstellen. Die anderen Akteure geben zu Protokoll, dass dieses Ding immerhin keine falschen Noten spiele. Selbst auf dem obligaten Abschlussfoto darf die «Fabio-Puppe» brav mitposieren.
Nyrst
Das Tages-Finale verbringen wir mit den isländischen Schwarzmetallern Nyrst. Die kühle Luft und der langsam einsetzende Regen passen freilich zur Heimat der Gruppe. Mit ihren zerfetzen Outfits huschen die Akteure wie düstere Gespenster im spärlich eingesetzten Scheinwerferlicht umher. Soundtechnisch sind Parallelen zu Mayhem feststellbar. Nichtsdestotrotz will der Funke irgendwie nicht herüberspringen, weshalb wir uns schon bald für einen Rückzug in unser Lager entscheiden.
Summer Breeze Open Air 2022 – Fanzit Mittwoch
Damit fand auch der erste «echte» Festivaltag seinen Weg in die Geschichtsbücher. Mit der Beobachtung von zehn Bands habe ich in erfolgreicher Art und Weise einen anstrengenden Marathon zurückgelegt. Sonderlob konnten sich am Ende die Bands Siamese, Paleface, Testament und Fleshgod Apocalypse abholen. Doch das war ja bloss die erste Etappe. Weitere Herausforderungen werden folgen!
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Summer Breeze Open Air 2022 – Donnerstag, 18.08.2022
Zum Start in den Donnerstag präsentiert sich der Himmel grau und wolkenverhangen. Sind das etwa Vorboten für regnerische Abschnitte? Hoffen wir es nicht! In der Regel packe ich meinen Militärregenschutz eigentlich nur ein, um ihn nie benutzen zu müssen. Klingt möglicherweise leicht verwirrend, aber meine Erfolgsquote kann sich definitiv sehen lassen. Also, volles Risiko ist angesagt. Das tarnfarbige Kleidungsstück bleibt im Zelt. Nix wie hin in Richtung Hauptgelände. Die nächste Band-Marathon-Sequenz steht unmittelbar bevor.
Evile
Wow! Ein vor der Main Stage stehender Dutti? Welch seltener Anblick! Aber um die mir unbekannte Equipe Evile bestaunen zu können, ist das zwingend notwendig. Im Web-Lexikon steht etwas von Thrash Metal aus dem englischen Huddersfield geschrieben. Die ersten Töne lassen auf ein Oldschool-Dreschflegel-Paket schliessen. Der bärtige Frontmann Ol Drake und seine Kumpels haben ohne Zweifel ein paar Metallica-Scheiben bei sich in den heimischen Regalen stehen. Die Einflüsse und Inspirationsquellen in den vorgetragenen Tracks sind unverkennbar. Thrash am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen. Der optimale Wecker! Müde Nackenmuckis und verkaterte Geister werden sofort wachgerüttelt. Ausserdem sorgen die wenigen deutschen Sätze, welche Ol beherrscht, für Lacher. Wer wird schon nicht gerne mit den Worten «Ich habe Durchfall!» begrüsst?
Mass Hysteria
Auf der T-Stage heisst es anschliessend «Allez les bleus!» Die französische Massenhysterie knallt der Masse einen Mix aus Industrial, Alternative und Nu Metal vor den Latz. Dazu lacht sogar die Sonne. Donnergott Thor hat sich offenbar wieder zurückgezogen. Uns soll’s recht sein. Sänger Mouss Kelai – der unbändige «Zappelphilipp» – schwört voll und ganz auf eine positive Attitüde. Katastrophen, wie der 2015 erfolgte Terroranschlag im Pariser-Club Bataclan, sollen sich niemals wiederholen. Der Fokus soll auf Feierlichkeiten und dem gemeinsamen Zusammensein liegen. Bei diesen mächtigen Energieströmen, welche die Franzosen da freisetzen, fällt das dem Publikum spielend leicht. Einen solch exzessiven Einsatz von Pyrotechnik um diese frühe Uhrzeit erlebt man auch nicht alle Tage.
Ich bin hellauf begeistert von Mass Hysteria. Sie haben mit mir fraglos einen neuen Anhänger für ihre Reihen gewonnen. Berührungsängste kennen die Akteure ebenfalls nicht. Sie wagen sich nämlich – mit Ausnahme von Schiessbuden-Meister Raphael Mercier – hinunter in den Pit. Starke Aktion! Unglücklich ist dabei lediglich die Verletzung von Rasta-Gitarrist Frédéric «Fred» Duquesne, der die restliche Show humpelnd durchzogen muss. Wir wünschen schon einmal gute und rasche Besserung an dieser Stelle!
Fotos Mass Hysteria
Conjurer
Weiter geht’s auf der Wera Tool Rebel Stage mit Conjurer. Die beiden Axtmänner Dan Nightingale und Brady Deeprose übernehmen auch das Mikrofon-Gebrüll. Derweil hat der zwischen ihnen stehende Basser Conor Marshall ausschliesslich eine Aufgabe – und zwar Haarpracht herumwirbeln lassen (in Dauerrotation). Ein Wunder, dass sein Schädel nicht gleich abhebt und davonfliegt. Einem Ausflug zur munter im Kreis umherrennenden Zuhörerschaft ist er ebenfalls nicht abgeneigt. Musikalisch werde ich mit dem Durcheinander aus Sludge, Doom und Post-Metal hingegen kaum warm.
Ghostkid (Fotos)
Gutalax (Fotos)
Mr. Hurley & die Pulveraffen
Offenbar kursiert im Internet schon länger ein kultiger Hashtag mit der Bezeichnung «HurleyAufDieMain». 2022 wird dieser Wunsch nun also zur Realität. Die mit allen Salzwassern gewaschenen Humor-Piraten aus dem «karibischen Osnabrück» dürfen auf der Hauptbühne des Summer Breeze ran! Wer jetzt annimmt, dass das keine Sau interessiert, soll unbedingt seinen Allerwertesten hierherschleppen und gemeinsam mit mir diesen Anblick bestaunen. Das Gelände ist rappelvoll! Menschen soweit das Auge reicht! Spielt hier etwas gerade der grösste Headliner aller Zeiten? Aber es ist doch erst 15 Uhr?! Aber ja Freunde, die Leute haben Bock – und wie! Was für ein imposanter Triumphzug der Pulveraffen.
Selbst die Technik scheint kurzzeitig nicht mit diesem Spektakel klarzukommen, denn plötzlich geht der Ton über die Planke. Wer hat denn hier bitteschön den Stecker gezogen? Zum Glück kriegen die Fachkräfte die Bereinigung irgendwann wieder hin. Allerdings müssen Mr. Hurley und Co. nun gezwungenermassen auf die Tube drücken, um nicht allzu viele Stücke aus der Setliste kippen zu müssen. Die vor der Main Stage versammelte Meute unterstützt das Quartett mit vollem Elan. Egal ob mitsingen, in die Hocke gehen, schweisstreibendes Rudern, hüpfen, tanzen oder Trinkfestigkeit beweisen – da werden sämtliche Fähigkeiten und Talente wunderbar abgedeckt.
Nach meinem Geschmack kommen genau die richtigen Nummern zum Handkuss. Viel Freude bereitet mir das erfrischende «Santa Sangria», welches einen wahrlich auf eine gedankliche Reise nach Kuba entführt. Das Schluss-Furioso mit «Tortuga» und dem obligaten, unverzichtbaren «Blau wie das Meer» hat es ebenfalls in sich. Puh, nach dieser Show stellt sich zurecht die Frage, ob man die «karibischen Osnabrücker» überhaupt jemals wieder im Rahmen einer kleinen Club-Tournee bestaunen darf. Komplett ausschliessen würde ich es wahrscheinlich nicht. Und sonst rufen wir einfach einen neuen «Twitter-Gartenzaun» à la #HurleyInDieClubs ins Leben.
Setliste – Mr. Hurley & die Pulveraffen
- Affentotenkopp
- Unser Untergang
- Mit’n Hut
- Santa Sangria
- Hol uns der Teufel
- The Wellerman (Cover)
- Auf zu neuen Ufern
- Mann über Bord
- Tortuga
- Blau wie das Meer
Fotos Mr. Hurley & die Pulveraffen
Misery Index (Fotos)
Beast in Black (Fotos)
Haggefugg
«Wir sind Haggefugg und ihr seid…?» – tja, die einzig richtige Antwort auf diese Frage von Sänger Gregor Krähenkehle kann logischerweise nur «haggevoll» lauten. Die kölschen Mittelalter-Freunde feiern gerade eine ausgelassene Fete auf der Wera Tool Rebel Stage und sorgen mit viel Engagement dafür, dass unsere Kehlen auch nach der Show von Mr. Hurley und seinen Affen niemals so etwas wie eine Trockenzeit kennenlernen. Seit ich die Truppe 2018 in Wacken kennenlernen durfte, halte ich grosse Stücke auf das Sextett. Der Top-Hit «Met, Wirt, Bestellt!» taucht in meinen Playlists häufig an vorderster Front auf. Selbstverständlich wird dieser auch heute gezockt. Das Lied «Brennende Welt» vermag ebenfalls zu beeindrucken und beweist, dass dieser trinkfreudige Haufen freilich geniale Klangwelten komponieren kann. Ich erhebe meinen Hopfenbecher und sage: «Dankeschön, Haggefugg!»
Setliste – Haggefugg
- Sternenjäger
- Met, Wirt, Bestellt!
- Sang, Weib und Wein
- Brennende Welt
- Tanz mit dem Teufel
Fotos Haggefugg
Omnium Gatherum
Finnischer Melodic Death Metal – stets ein sicherer Wert und immer gern gehört. Das trifft auch auf das Material von Omnium Gatherum zu. Der «kleiner Bruder» von Insomnium gedeiht prächtig und wird meines Erachtens konstant stärker. Jukka Pelkonen und Kompanie stehen längst nicht mehr so fest im Schatten ihrer Landsleute wie in vergangenen Phasen. Nehmt beispielsweise den Track «Paragon» vom aktuellen Eisen «Origin». Harsche Growls, mitreissende Gitarrensoli und im Refrain ein für Abwechslung und Hühnerhaut sorgender Klargesang – ganz grosses Kino! Lediglich Jukkas Mikro würde noch ein paar «Schraub-Einheiten» bezüglich der Lautstärke vertragen. Des Weiteren sticht einem der ansteckende Spassfaktor der Gruppe ins Auge. Von wegen unterkühlte Nordmänner! Diese Protagonisten machen keinen Hehl aus der Liebe zu ihrem Job. Insbesondere Tieftöner-Typ Mikko Kivistö und der weisse Wolf – Markus Vanhala – strahlen regelrecht um die Wette.
Setliste – Omnium Gatherum
- Emergence
- Prime
- Frontiers
- Paragon
- Reckoning
- Gods Go First
- The Unknowing
- New Dynamic
- Skyline
Fotos Omnium Gatherum
Necrotted
Die «Werkzeug-Bühne» muss anschliessend einem nächsten musikalischen Gewitter standhalten: Death Metal und Deathcore aus Abtsgmünd (notabene dem früheren Standort des Summer Breeze Open Airs). Necrotted sind zu Gast und setzen – wenn ich kurz in die Welt von Pokémon wechseln dürfte – bevorzugt die «Zertrümmerer»-Attacke ein. Schreihals Fabian Fink gibt gewohnt Vollgas und stachelt die Zuschauertraube ununterbrochen an, woraus abermals «Dust Pits» und andere Abrissaktivitäten resultieren. Eine Stagedive-Aktion baut das brüllende Mikrofon-Biest ebenfalls wieder in sein Unterhaltungsprogramm ein.
Wir Metalheads sind ja ach so knallharte Geschöpfe, die alles und jeden hasserfüllt niederwalzen. Naja, wer diesem Konzert aufmerksam beiwohnt, wird erfahren, dass diesem Klischee nicht immer hundertprozentig entsprochen werden muss. Plötzlich stehen ein paar Gäste auf der Bühne und feiern munter mit der Band mit. Im Rahmen einer kleinen Verschnaufpause nutzt schliesslich eine dieser Personen, die sich uns als Thomas vorstellt, die Gunst der Stunde und macht seiner Angebeteten vor versammelter Mannschaft einen Heiratsantrag, welche diesen unter Freudentränen annimmt. Wir gratulieren ganz herzlich! Und wer die Rolle der Hochzeitskapelle einnimmt, dürfte wahrscheinlich auch schon klar sein, oder?
Finntroll (Fotos)
Death Angel
Die «Bay Area» scheint am diesjährigen Summer Breeze Open Air gut vertreten zu sein, denn mit Death Angel geht nun die nächste Formation aus dieser Region an den Start. Die schrille Alarmsirene namens Mark Osegueda gibt von Beginn weg den Ton an und heisst uns herzlich zu dieser einstündigen, alles zerstörenden Thrash-Abrissbirne willkommen. Die Saiten-Helden Rob Cavestany und Ted Aguilar holen alles aus ihren «Waffen» raus. Beim genauen Hinhören kann man durchaus den einen oder anderen Halswirbel im Publikum knacken hören. Die fünf Todesengel liefern ein weiteres Mal ein souveränes Brett ab. Ihre Popularität ist unbestritten, denn just während dieser Darbietung können wir regelmässig bekannte Gesichter um uns herum begrüssen. Schweizer Fans sind an diesem Open Air bekanntermassen keine Seltenheit.
Setliste – Death Angel
- The Ultra-Violence / Mistress Of Pain
- Seemingly Endless Time
- Voracious Souls
- The Dream Calls For Blood
- Caster Of Shame
- The Moth
- Humanicide
- Thrown To The Wolves
Fotos Death Angel
Electric Callboy (Fotos)
Kvaen
Zu einer Zeit, in der normalerweise die Tagesschau oder andere Nachrichtensendungen über die Bildschirme flimmern, kommen wir in den Genuss von Notenlinien aus den Bereichen Black, Pagan und Viking Metal. Jep, ich weiss, dass auf der Main Stage eigentlich gerade Electric Callboy spielen würden, aber diese schillernden Figuren sind wirklich überhaupt nicht mein Fall… Da bevorzuge ich allemal lieber einen weiteren Akteur aus dem metallischen Untergrund.
Verantwortlich für Kvaen ist der Schwede Jacob Björnfot. Damit er uns sein Soloprojekt sinngemäss vorführen kann, musste er sich allerdings noch ein paar Gastmusiker auf die Bühne holen. Und was diese Akteure da so zeigen, wird von unseren Ohren wohlwollend willkommen geheissen. Ohne Zweifel eine empfehlenswerte Entdeckung! Ein Reinhören in die beiden bisher rausgehauenen Alben «The Funeral Pyre» (2019) und «The Great Below» (2022) sei euch an dieser Stelle wärmstens ans Herz gelegt.
Setliste – Kvaen
- Revenge By Fire
- The Funeral Pyre
- Yee Naaldlooshii
- In Silence
Cannibal Corpse
Seit Jahren beweist uns der quiekende und grunzende Todesbaron George «Corpsegrinder» Fisher, dass der Hals grundsätzlich ein fakultatives Körperteil ist. Menschen können auch mit einem fliessenden Übergang zwischen Kopf und Nacken durchs Leben gehen. Das einzig Unfaire sind die Aufrufe des «Görpsgrinders» zur Teilnahme an einem Headbanger-Wettbewerb. Als ob irgendjemand gegen diese fleischgewordene Propellermaschine den Hauch einer Chance hätte… In diesem Sinne: «Respect the neck!» Ich bin davon überzeugt, dass man Mister Fisher problemlos in jeden Hubschrauber dieser Welt einbauen könnte.
Als kultige Death Metal-Institution lassen Cannibal Corpse selbstverständlich nix anbrennen. Die einzelnen Songs passen einfach ausgezeichnet zu den Albumcover-Designs oder den Shirt-Motiven. Blutrünstige Massaker, herumfliegende Eingeweide, zermatschte Gehirne und was-weiss-ich für vertonter Gore-Horror. Die Zuhörerschaft wirkt jedenfalls erfreut. Mangelnde Innovation ist hier kein Kritikpunkt. Irgendwie erwartet das aber auch keiner von den Amis. Die T-Stage ist übrigens gar nicht einmal sonderlich schlecht besucht – und das der trotz parallel auf der Hauptbühne herumbrüllenden Alissa White-Gluz und ihren Arch Enemy-Mitstreitern. Aber wahrscheinlich würde die bekennende Veganerin die von den Kannibalen vorgetragenen Lyrics über massenhaft zerstückeltes Fleisch sowieso kaum aushalten…
Werbeblock zum Abschluss: Cannibal Corpse unternehmen mit Dark Funeral, Ingested und Stormruler im kommenden Jahr eine gemeinsame Europarundreise. Dabei sind ebenfalls Boxenstopps in Lausanne (Salle Métropole) und Zürich (Komplex 457) vorgesehen. Dieses Kracher-Paket dürft ihr nicht verpassen!
Arch Enemy (Fotos)
Humanity’s Last Breath
Der Equipe Humaniy’s Last Breath wird nachgesagt, dass sie zu den härtesten Bands unseres Planten zählen würde. Solche Aussagen zeugen einerseits von mächtigen Eiern (oder wahlweise Eierstöcken), verlangen aber auf der anderen Seite häufig entsprechende Beweise. Na dann, Ohren spitzen und genau hinhören, ob die Südschweden diesen Vorschusslorbeeren wirklich gerecht werden können.
Alter Verwalter! Was sind das denn bitteschön für bitterböse Breaks?! Schweinegeil! Eine Breakdown-Attacke jagt die nächste. Da bleibt wahrlich kein Stein auf dem anderen. Für die beobachtende Zunft gibt’s allerdings nicht sonderlich viel zu erkennen. Die vollständig in Blau getauchte Bühne wird nur spärlich von flackernden Scheinwerferlichtern erhellt. Zudem verbirgt Frontmann Filip Danielsson sein Antlitz hinter einer Kapuze. Doch exakt diese Umstände tragen zu einem erhöhten Fokus auf das musikalische Schaffen bei und fördern das komplette Eintauchen in die Melodien der Nordmänner.
Setliste – Humanity’s Last Breath
- Dödgud
- Tide
- Bellua Pt. 1
- Glutton
- Human Swarm
- Abyssal Mouth
- Harm
- Earthless
Ensiferum
Zu später Stunde sitzen die Euronen bekanntermassen besonders locker. Deswegen tätigen Benji und meine Wenigkeit noch ein paar Investitionen in weitere «Kleiderschrank-Füller». Doch zu viel Zeit sollte beim Shopping trotz ausreichend Angebotenem nicht draufgehen. Ansonsten droht nämlich das Verpassen der Ensiferum-Party. Also husch, husch ab zur T-Stage!
Schon beim Anschleichen vernehmen wir das unüberhörbare Erklimmen der höheren Tonleitern von Goldkehlchen Pekka Montin. Der Tastenmann stiess 2020 zur Helsinki-Truppe dazu und ergänzt diese fortan mit seinem Klargesang. Das verleiht der Performance des Quintetts wieder ein bisschen mehr Variabilität. Doch auch die anderen Mitglieder agieren gewohnt souverän. Es ist stets eine Freude, dem wilden Treiben des unbändigen Kilt-Trägers Sami Hinkka zuzusehen. Die Kompositionen «Rum, Women, Victory» und «Andromeda» von der neusten Ensi-Platte «Thalassic» machen viel Spass und können gut mit den alten Klassikern mithalten. Selbst der einsetzende Regen vermag die Laune der Besucher nicht sonderlich zu trüben.
Setliste – Ensiferum
- Rum, Women, Victory
- Token Of Time
- Twilight Tavern
- Run From The Crushing Tide
- In My Sword I Trust
- Midsummer Magic
- From Afar
- Lai Hei
- Andromeda
- Iron
Fotos Ensiferum
Dagoba
Meine letzte Begegnung mit den Franzosen von Dagoba liegt auch schon eine gefühlte Ewigkeit zurück. Somit ist der Versuch eines Wiedersehens sicherlich eine tolle Idee. Der Ladezustand unserer Akkus ist zwar besorgniserregend niedrig, aber wir möchten uns den Mix aus Groove und Industrial Metal trotzdem noch als Rausschmeisser gönnen. Leider vermag uns das neue Material, welches teilweise mit elektronischen Elementen ausgestattet ist, überhaupt nicht zu überzeugen. Deshalb verweilen wir bloss kurz vor der Wera Tool Rebel Stage und treten bald den Rückzug in unser Camp an.
Avatar (Fotos)
Das Fanzit Summer Breeze Open Air 2022 – Donnerstag
Eine weitere Summer Breeze-Marathon-Etappe liegt hinter uns. Es ist durchaus bemerkenswert, was unsere Körper, Gehörgänge, Stimmen, Beine und Lebern hier tagtäglich leisten. Festivals sind wahrlich in vielen Bereichen die oft erwähnte Königsdisziplin. Trotz erster Regensequenzen am späten Abend ging der Donnerstag erfolgreich über die Bühne. Als besonders mitreissend habe ich die Shows von Mass Hysteria, Mr. Hurley & die Pulveraffen, Kvaen und Humanity’s Last Breath empfunden.
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Summer Breeze Open Air 2022 – Freitag, 19.08.2022
Wenn ich mir den grauen Himmel so ansehe, führen mich meine Gedanken automatisch zu meinem Militärregenschutz. Heute könnte das tarnfarbige Teil tatsächlich zu seinem ersten grossen Einsatz kommen. Tja, dann schleppe ich ihn eben mit. Wie heisst es so schön? Vorsicht ist besser als Nachsicht. Vielleicht gewähren uns die Wettergötter am Ende trotzdem nochmals ein wenig Gnade. Jedenfalls lasse ich mir auch das heutige Bandprogramm von nix und niemandem versauen. Wir starten dieses Mal direkt bei der Main Stage und sind äussert gespannt auf die Darbietung der indischen Metaller Bloodywood.
Bloodywood
Lasst euch bloss nicht vom Namen zu fest in die Irre führen. Mit stundenlangem, nervigen Bollywood-Geträllere und Getanze ist hier keinesfalls zu rechnen. Diese Kerle haben mehr als genug Metal in ihrer Musik drin und hauen uns ab dem ersten Ton aus den Latschen. Weltklasse! Wer da nicht umgehend Betriebstemperatur erreicht, steckt wohl noch auf dem Campingplatz im Schlafsack fest! Folk Metal, Nu Metal, Death Metal, Metalcore – den Sechser in eine Genre-Schublade hineinzuwürgen ist effektiv ein Ding der Unmöglichkeit. Ist aber auch nicht so wichtig, denn der Genuss ist trotzdem absolut garantiert. Ihren wuchtigen Sound ergänzen die Akteure mit traditionellen Instrumenten aus ihrer Heimat, so wie beispielsweise der Dhol-Trommel oder der Flöte. Beim überragenden «Aaj», welches all das ideal kombiniert, hat mein Kiefer durchgehend Bodenkontakt!
Obschon das alles packend ist und bereits zu früher Stunde für eine ordentliche Feierstimmung sorgt, sollt man den kritischen Texten der Truppe ebenfalls genügend Aufmerksamkeit schenken, denn schliesslich sprechen sie prägende Themen wie Propaganda-Journalismus, sexuellen Missbrauch oder Depressionen an. In den Ansagen von Rapper Raoul Kerr spürt man regelrecht das in ihm lodernde Feuer. Bloodywood setzen sich allgemein für diverse soziale Projekte ein und versuchen mit ihrer Kunst Bewegung in gewisse Sachen zu bringen. Lobenswert! Zweifelsohne interessant zu sehen, was aus der ursprünglichen Idee von Saitenhexer Karan Katiyar geworden ist. Von auf YouTube hochgeladenen Bollywood-Metal-Covers auf die Bühnen der grössten Festivals unseres Planeten – ist das nicht fast so eine «vom Tellerwäscher zum Millionär»-Geschichte?
Am 20. März 2023 kann man diese neue indische Metal-Sensation übrigens im Zürcher Dynamo live in Aktion erleben. Ich würde euch raten, den inzwischen gar nicht mehr so extrem geheimen Geheimtipp auf keinen Fall zu verpassen!
Fotos Bloodywood
Lorna Shore
Der Hype um die nächste Equipe ist ebenfalls nicht von der Hand zu weisen. Mit ihrem brutalen Deathcore haben sich die «New Jersey Boys» von Lorna Shore vor allem in den letzten paar Jahren in den Fokus einer breiteren Masse gespielt. Selbst meiner Person ist zurzeit kaum ein ähnlich heftiges Breakdown-Monstrum bekannt. Ausserdem hat die Mannschaft mit Will Ramos einen Sänger in ihren Reihen, der mit einem unfassbar fiesen Stimmorgan ausgestattet ist. Dieses kehlige Gurgeln und die Luft zerfetzenden Screams scheinen direkt aus der Hölle zu stammen. Ich möchte definitiv nicht wissen, wie sich dieser Typ beim Zähneputzen anstellt.
Bedauerlicherweise können sich diese hochangepriesenen Kräfte aufgrund von technischen Schwierigkeiten auf der grössten Summer Breeze Bühne nicht vollends und wie erhofft entfalten. Der Gesang ist zu leise und wird – wie vieles andere – von den eindeutig zu dominanten Drums übertönt. Ohne diese miese Soundqualität wäre das garantiert ein Abriss. Hoffentlich erhalte ich eines Tages die Gelegenheit, diese Breakdown-Salven nochmals in einer besseren Klangumgebung erleben zu dürfen.
Setliste – Lorna Shore
- To The Hellfire
- Of The Abyss
- …And I Return To Nothingness
- Sun//Eater
- Cursed To Die
- Into The Earth
Debauchery, Mission in Black (Fotos)
Landmvrks
Auf der T-Stage gibt’s anschliessend Metalcore aus Marseille zu bestaunen. Vorgetragen wird dieser von den Jungspunden Landmvrks (jep, die Schreibweise mit dem «v» ist gewollt und korrekt). Eine solide, aber keinesfalls weltbewegende Geschichte. Ist die Bezeichnung «08/15-Metalcore» eventuell zu hart? Aber meiner Meinung nach trifft das voll und ganz zu. Ein Lichtblick stellt dafür der Gastauftritt von Paleface-Schreihals Zelli dar.
Der Himmel scheint von dem Gezeigten ebenfalls nicht restlos überzeugt zu sein und öffnet als Quittung einfach mal frech seine Schleusen – und wie! Da geht sie also hin, unsere fantastische Schönwetter-Quote an den diesjährigen Sommer-Open Airs… Die neue Realität heisst Regenschutz und schlammige Böden. Das kennen die geneigten Metalheads ja sonst eher von Wacken.
Benighted
Mit den passenden Klamotten lässt sich glücklicherweise selbst das hinterletzte Sauwetter irgendwie aushalten. Aufgrund dessen ist die Flucht zurück zu den Zelten für uns keine Option. Auf unserer Running Order sind nämlich noch diverse Rendez-vous angekreuzt, die unbedingt besucht werden möchten. Für das nächste Treffen müssen wir sogar nicht einmal grossartig wandern, denn dieses findet ebenfalls vor der T-Stage statt. Nach französischem Metalcore gilt es nun herausfinden, welche Qualitäten die Stile Brutal Death Metal und Grindcore aus demselben Land aufweisen. Anschauungsmaterial dazu werden die wilden Hunde von Benighted zur Verfügung stellen.
Julien Truchan und Kompanie machen keine Gefangenen. Es gibt in Tat und Wahrheit während der gesamten 45 Minuten (musikalisch) auf die Fresse! Der Fronter quiekt lauter und intensiver als jeder rosafarbene Bauernhof-Paarhufer, der mir in meinem bisherigen Leben begegnet ist. Schade nur, dass die Akteure wegen den von oben herabfallenden Wassermassen mit einer eher überschaubaren Zuschauertraube vorliebnehmen müssen.
Vended, Comeback Kid (Fotos)
Distant
Im Anschluss geht’s unter das rettende Dach der Wera Tool Rebel Stage, welches überhaupt nicht überraschend zu einem beliebten Sammelpunkt für die heute umherstreifenden Festivalgänger geworden zu sein scheint. Immerhin können sich die hier auftretenden Formationen deshalb an einer ansehnlichen Kulisse erfreuen. Dieser Umstand dürfte den nun ins Rennen gehenden Distant sicherlich einen zusätzlichen Motivationsschub verleihen, oder?
Zusätzliche Power haben die Niederländer offenbar gar nicht nötig, denn ihr knackiger, hasserfüllter Deathcore ist ohnehin heftig genug. Freilich eine weitere, vielversprechende Entdeckung für meine persönliche Sammlung. Die Abrissbirne aus dem Land der Windmühlen und Tulpen lässt die Muskeln spielen. Frontmann Alan Grnja scheint jedoch zwischenzeitlich ein paar Orientierungsschwierigkeiten zu haben, denn er spricht uns urplötzlich mit «Summerblast» an. Ist aber auch gemein, dass einige Veranstaltungen ähnliche Namen haben müssen. Noch fieser wird es dann, wenn man einen Tag nach dem Summer Breeze tatsächlich an besagtem Summerblast Festival auftreten muss… Da kann ich eine gewisse Verwirrung komplett nachvollziehen. Nichtsdestotrotz kriegen die Herren ihren Job gebacken und laden als Kirsche auf der Torte Will Ramos für einen gemeinsamen Song zu sich auf die Spielwiese ein. Somit versetzt uns das teuflische Stimmorgan des Lorna Shore-Anführers zum zweiten Mal an diesem Tag ins Staunen.
Orden Ogan (Fotos)
Parasite Inc.
Das dritte Parasite Inc. Studioalbum hört auf den Namen «Cyan Night Dreams» und wird just heute auf die Menschheit losgelassen. Die aktuellen Witterungen gewähren jedenfalls unausweichlich eine feuchtfröhliche Plattentaufe. Die Aalener ziehen ihr Ding unaufgeregt durch und vermögen uns mit dieser Leistung zu überzeugen. Der nie ohne Cap aus dem Haus gehende Kai Bigler konzentriert sich primär auf den Gesang und überlässt sämtliche Ansagen seinem Kumpel Lucien Mosesku – dem Herrn am Tieftöner. Sympathisanten des Melodic Death Metal kommen im Rahmen dieser Performance fraglos auf ihre Kosten.
Fotos Parasite Inc.
Napalm Death
Mit Ausnahme eines kurzen Abstechers an den nahegelegenen Bierstand halten wir die Stellung und verweilen gleich bei der T-Stage. Schliesslich gehören die folgenden 60 Minuten einem wahren Urgestein der Szene: Napalm Death! Die tödlichen Grindcore-Veteranen rund um Zappelphilipp und Dauer-Energiebündel Barney Greenway sind schlichtweg Kult. Es ist einfach jedes Mals aufs Neue faszinierend, wie der Schreihals im Mikro trotz exzessivem Duracell-Häschen-Gehabe niemals ermüdet. Ganz im Gegenteil – er wirkt auf mich sogar fitter als je zuvor. Zudem scheint altern bei Barney kein Thema zu sein. Wie macht dieser Typ das nur?
Ansonsten gibt’s nicht sonderlich viel Neues aus dem Napalm Death-Lager zu berichten. Die Lieder sind gewohnt kurz und knackig und die Pausen dazwischen werden für ausschweifende Reden und Seitenhiebe gegen den Faschismus und andere Ungerechtigkeiten genutzt. Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland liefert Barney verständlicherweise ausreichend Futter für seine gepfefferten Statements. Dafür erntet er stets tonnenweise Applaus (obwohl ich nicht sicher bin, ob tatsächlich alle Zuhörer der englischen Sprache mächtig genug sind, um auch das hinterletzte Detail verstehen zu können).
Hämatom, Venues (Fotos)
Cytotoxin
Grundsätzlich bin ich kein Fan davon, dieselbe Band innert kürzester Zeit zwei Mal hintereinander zu sehen. Allerdings mach ich bei Cytotoxin gerne eine Ausnahme. Einerseits waren sie am Party.San Open Air wirklich bockstark (siehe https://www.metalinside.ch/2022/10/party-san-2022-review/) und auf der anderen Seite hätte ich bis zur Show von Within Temptation lediglich eine grosse Lücke des Wartens überbrücken müssen. Also ab zur kleinen Rebel Stage. Aus der Ferne hört man bereits das Klicken der Geigerzähler. Uns steht nämlich ein musikalischer Abstecher nach Tschernobyl bevor. Dabei übernehmen die Jungs von Cytotoxin die Rollen der Reiseführer.
Unsere Lauscher kassieren eine Ladung Technical respektive Brutal Death Metal, die sich gewaschen hat. Wer will diese destruktive Dampfwalze bitteschön aufhalten? Wie auch schon in Schlotheim finde ich die akzentreichen englischen Ansagen von Front-Bestie Grimo äussert belustigend. Er parodiert für mich dabei möglicherweise ungewollt den typischen deutschen Urlauber. Trotzdem sind ihm die Besucher hörig und leisten seinen Aufforderungen brav Folge. Er benötigt unter anderem Unterstützung bei der Erschaffung des härtesten Elements des Universums – das sogenannte «Circlepitonium»! Das funktioniert nur mit intensivem Ringeltanz vor der Bühne. Als Hilfestellung hält Hobby-Schwarzenegger Grimo das dazu passend blaue Schild aus dem Strassenverkehrsalltag in die Luft. Für die rege Resonanz kriegen wir das Lieblingskompliment des nuklearen Dirigenten zu hören: «Excellent!».
Cytotoxin bestätigen den positiven Eindruck, welchen sie bei mir am P:S:O:A hinterlassen haben. Auftritte dieser Truppe machen einfach unfassbar Spass. Brutalität und Humor werden optimal kombiniert. Die Chemnitzer zählen effektiv zu den wichtigsten Entdeckungen meiner diesjährigen Sommer-Festival-Tournee. Beim nächsten Gig auf helvetischem Grund versuche ich diskussionslos mit von der Partie zu sein.
Jinjer (Fotos)
Within Temptation
Eine Headliner-Show auf der Main Stage – das hat in meiner Planung an dieser Veranstaltung bislang noch keinen Platz gefunden. Aber jetzt hole ich dies umgehend nach. Zwischen Symphonic Metal und meiner Wenigkeit besteht immer eine ganz spezielle Verbundenheit. Schliesslich war dieses Genre damals vor etlichen Jahren meine Einstiegsdroge in diese wundervolle Szene. Deswegen bin ich ebenfalls mit den Hymnen von Within Temptation gross geworden. In letzter Zeit habe ich Sharon den Adel und ihre Kollegen jedoch ein bisschen aus den Augen verloren. Die Ausflüge in modernere musikalische Gefilde entsprachen nicht durchgehend meinem Gusto. Doch zum Wohle der Nostalgie möchte ich mir ihre Summer Breeze-Show gerne reinziehen. Vielleicht werden ja einige alte Hits in der heutigen Setliste berücksichtigt?
Vorerst zumindest (noch) nicht. Der Start erfolgt mit «The Reckoning» vom aktuellen Werk «Resist». Macht aber trotzdem Laune. Boah, die Effekte sind zweifelsohne beeindruckend: Eine gigantische LED-Videoleinwand, zahlreiche, in die Höhe schnellende Flammen, eine riesige, leuchtende Maske (mit versetzbaren Bauteilen) in der Bühnenmitte – die Niederländer schöpfen diesbezüglich aus dem Vollen und rechtfertigen ihren Slot alleine schon damit allemal. Die Profis lassen sich weder von dezimierten Zuschauerzahlen noch vom herabprasselnden Regen aus dem Konzept bringen.
Mein Wunsch nach älteren Hits wird spätestens mit «Paradise (What About Us?)» erfüllt. Tarja Turunen taucht zwar lediglich in Videoform auf, aber es ist absolut verständlich, dass Within Temptation nicht alle ihre Gäste plötzlich nach Dinkelsbühl einfliegen lassen können. Im Laufe der Jahre sind nämlich etliche Kollaborationen zusammengekommen. Phasenweise auch mit Musikern aus anderen Ecken, wie beispielsweise dem Rapper Xzibit bei «And We Run». Ein Duett wird dann aber trotzdem Realität. Annisokay-Klarstimmchen Christoph Wieczorek schaut vorbei, um gemeinsam mit Sharon «Shed My Skin» zu trällern. Coole Aktion!
Wir werden hier gerade Zeuge eines 90-minütigen Blockbuster-Kinos. Überragend, was die holländischen Symphonic Metaller da abliefern. Mit Darbietungen dieser Art werden sie definitiv wieder häufiger auf meinem Radar auftauchen. Egal ob als Support der legendären Iron Maiden oder als Co-Headliner mit Evanescence – in dieser bestechenden Form ist die Truppe all diesen Aufgaben locker gewachsen. Da wir die Erinnerungen an diesen grandiosen Auftritt konservieren möchten, entschliessen wir uns nach dem Finale «Mother Earth» für einen Rückzug in unser Camp. Einen besseren Tagesabschluss kann es sowieso nicht geben.
Setliste – Within Temptation
- The Reckoning
- Paradise (What About Us?)
- In The Middle Of The Night
- Stand My Ground
- The Purge
- Faster
- Raise Your Banner
- And We Run
- Shed My Skin (mit Christoph Wieczorek von Annisokay)
- Angels
- Entertain You
- What Have You Done
- Ice Queen
- Our Solemn Hour*
- Supernova*
- Stairway To The Skies*
- Mother Earth**
Zugabe 1*
Zugabe 2**
Fotos Within Temptation
Insomnium (Fotos)
Das Fanzit Freitag – Summer Breeze Open Air 2022
Regen und Matsch sind am Summer Breeze jetzt nicht unbedingt Alltag. Trotzdem hat sich der Wettergott an diesem Freitag von seiner schlechteren Seite gezeigt. Aber mit passender Ausrüstung konnte man auch diesen Herausforderungen trotzen. Die Auszeichnungen für die hervorragendsten Auftritte sicherten sich dieses Mal Bloodywood, Benighted, Cytotoxin und Within Temptation.
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Summer Breeze Open Air 2022 – Samstag, 20.08.2022
Crisix, Infected Rain (Fotos)
Alle schönen Dinge finden irgendwann einmal ihr Ende. Das gilt auch für das Summer Breeze Open Air 2022. Schlussspurt in Dinkelsbühl ist angesagt! Wir kommen am Morgen allerdings bloss schleppend in die Gänge und nehmen den Marsch zum Hauptgelände recht gemütlich. Das hat leider das Verpassen des Infected Rain-Gigs zur Folge. Aber ich bin sicher, dass wir Lena Scissorhands bald anderweitig wieder irgendwo begegnen werden. Unser Ziel bleibt trotzdem die Main Stage. Angeblich habe man dort in der Nähe einen hinterhältigen Goblin gesichtet. Dem wollen wir natürlich in gekonnter Detektivmanier nachgehen.Nekrogoblikon
Die Amis lassen uns zuerst ein paar Minuten warten, ehe sie und ihr grünes Maskottchen in das Geschehen eingreifen. Leider verdirbt einem der viel zu laute, ohrenbetäubende Soundbrei verdammt rasch jegliche Partystimmung. Da sind die Techniker aber freilich alles andere als auf der Höhe. Blöd gelaufen und ärgerlich… Wahrscheinlich wäre beim nächsten Mal eine Club-Show eher Trumpf. Dort habe ich die Kalifornier nämlich schon sackstark erlebt. Mit Dinkelsbühl wird das Ganze aber heute wohl keine Liebesgeschichte mehr. Wir verziehen uns aufgrund dessen frühzeitig in Richtung Wera Tool Rebel Stage.
Brothers of Metal, Brainstorm (Fotos)
SkyEye
Ob die slowenische Iron Maiden-Variante besser punkten kann als die amerikanischen Goblins? Diese Frage kann sorglos mit einem lauten «Ja!» beantwortet werden. Das Quintett aus Ljubljana zockt astreinen Heavy Metal und scheint die Auftrittsmöglichkeit sichtlich zu geniessen. Die Einflüsse der «Eisernen Jungfrau» sind zwar an allen Ecken und Enden zu hören, aber sie verstehen es wirklich, daraus ansprechende Songs zu zaubern. Frontmann Jan Leščanec flitzt unermüdlich auf der Mini-Bühne hin und her, ohne dabei stimmliche Einbussen zu erleiden. Diesem Treiben schaut man nur allzu gerne mit Freude zu.
Der zweite Silberling «Soldiers Of Light» wurde 2021 veröffentlicht und von meinem Metalinside-Kollegen Sandro ausgiebig durchleuchtet (seine Analyse findet ihr unter diesem Link). Mit neun Punkten schlidderte die Scheibe bei ihm somit knapp an der Höchstwertung vorbei. Aber ich kann ihn verstehen, denn das Liedgut vermag ebenfalls im Live-Gewand zu brillieren. Das Bass-Gezupfe von Primož Lovšin kommt ohne Kohl verflucht nahe an die Spielwiese von Steve Harris heran. Des Weiteren sticht mir das Brainstorm-Shirt von Grega Stalowsky ins Auge. Dürfte ihn sicherlich wurmen, dass seine Helden praktisch zeitgleich auf der Main Stage spielen und sie ihm deswegen durch die Lappen gehen. Aber seine Kollegen brauchen ihn hier. Schliesslich sei er der Einzige, der einigermassen Deutsch könne (weshalb ihm Jan gerne einen Teil der Ansagen überlässt).
Avatarium, Dark Funeral (Fotos)
Analepsy
Von Heavy Metal geht’s rüber zu groben Slam- und Brutal Death Metal-Attacken auf der T-Stage. Das ist erneut ein Kulturschock-Wechsel, wie ihn nur euer ehrenwerter Dutti vollziehen kann. Die in Portugal domizilierten Analepsy sind allerdings schon länger auf meiner «must-see»-Liste. Endlich kann ich nun einen Haken dahinter setzen. Der blutüberströmte Bulldozer macht alles dem Erdboden gleich. Diese aggressive und zerstörerische Darbietung scheint selbst den Göttern Sorgenfalten auf die Stirn zu zaubern. Sie kontern derweil mit einer weiteren Schleusenöffnungs-Aktion und lassen sintflutartige Regenfälle auf uns niedergehen. Glücklicherweise lassen sich hartgesottene Metallschädel nicht so leicht vertreiben. Auf Wall Of Death- und Circle Pit-Übungen wird keinesfalls verzichtet, wenngleich diese witzig anzusehen sind und wegen des schlammigen Untergrunds fast in Zeitlupe stattfinden. Liebes Merch-Zelt, mach dich bereit, ich werde dir demnächst einen Besuch abstatten.
Temptations For The Weak
Nach erledigtem Einkauf geht’s retour zur Wera Tool Rebel Stage. Trotz matschigen Verhältnissen servieren uns Temptations For The Weak eine fehlerlose Show. Eine zwölfjährige Karriere und zwei Studio-Scheiben stehen bei den Belgiern bisher zu Buche. Das Publikum wirkt langsam massiv erschöpft, aber was willst du nach einem solch intensiven Festival auch grossartig anderes erwarten? Hilft nix. Wir müssen alle auf die Zähne beissen und wacker durchhalten. Das sind wir sowohl den Künstlern als auch den Veranstaltern effektiv schuldig.
Acranius
Und weil’s unter dem Dach der «Werkzeug-Bühne» so gemütlich ist, bleibt man gerne ebenfalls für die nächsten Akteure da. Wobei fairerweise angemerkt werden muss, dass ich Acranius sowieso auf dem Zettel hatte. Sie liessen diese Spielstätte ja bereits 2018 intensiv erzittern (siehe auch unsere damalige Review). Heute geht’s nicht minder heftig zur Sache. Mit der neuerdings doppelten Brüll-Organ-Gewalt von Kevin Petersen und Marcus Jasak haben die Rostocker nochmals ein paar zusätzliche Optionen für ihre Abrisskommandos. Nichtsdestotrotz braucht die Zuhörerschaft ein paar Weckrufe, ehe es zu den gewünschten Bewegungen und Schlammschlachten kommt. Kevin ist ohne Zweifel der geborene Antreiber. «Moshpit, Moshpit. Bewegt euch, Mann! Scheiss aufs Wetter!» – Fragen? Keine!
Unglücklicherweise wird der Technik diese musikalische Naturgewalt am Ende zu viel und sie gibt komplett den Geist auf. Oder sind doch etwa irgendwo ein paar Regentropfen am falschen Ort gelandet? Wir werden es wahrscheinlich nie so genau erfahren. Deshalb halten wir uns an die Fakten und greifen auf folgende Schlagzeile zurück: «Acranius haben die Wera Tool Rebel Stage getötet!»
Primal Fear, Lüüt, Benediction (Fotos)
Bury Tomorrow
Den finalen Dreier (klingt das jetzt nur in meinen Ohren falsch?) gönnen wir uns allesamt vor der Main Stage. Für den Auftakt sind die aus Southampton stammenden Bury Tomorrow besorgt. Aber wo zur Hölle ist die Soundqualität schon wieder hin?! Diesbezüglich bekleckert sich die Hauptbühne mehrheitlich wirklich nicht mit Ruhm. Immerhin sorgt der Über-Hit «Cannibal» für eine einigermassen versöhnlichen Abschluss.
Setliste – Bury Tomorrow
- Choke
- The Grey (VIXI)
- DEATH (Ever Colder)
- Earthbound
- LIFE (Paradise Denied)
- Knife Of Gold
- The Age
- More Than Mortal
- Man On Fire
- Black Flame
- Cannibal
Lik (Fotos)
Blind Guardian
Breeze-Debüt für Blind Guardian! Liest sich im ersten Moment vielleicht komisch, entspricht aber der Wahrheit. Hansi Kürsch und seine Mannen haben es zuvor tatsächlich noch nie nach Dinkelsbühl geschafft. Nun reihen sie sich in die Gratulanten-Garde ein und möchten mit dem Publikum das 25-jährige Bestehen des Festivals feiern. Doch auch Power Metal-Urgesteine haben Grund für Zelebrierungen, denn ihr meisterlicher Wurf «Somewhere Far Beyond» wird Dreissig! Ein guter Grund also, um das Album zum Herzstück der heutigen Setliste zu machen. Blind Guardian lassen sich nicht lumpen und spielen das Ding von «Time What Is Time» bis zum Titel-Track durch. Zum Einstieg und gegen Ende der Performance bleibt jedoch noch Raum für ein paar Hits aus anderen Schaffensphasen.
Hansi verspricht, dass er sich bei seinen Reden zurückhält, um den straffen Zeitplan nicht zu gefährden. Dieses Vorhaben kann er lediglich phasenweise erfüllen. Allerdings wäre es auch zu schade, wenn wir gänzlich auf die Weisheiten von Herrn Kürsch verzichten müssten. Unter anderem gibt er zu Protokoll, dass bei Blind Guardian-Konzerten immer die Sonne scheine. Das gilt ebenfalls hier und heute für Dinkelsbühl. Endlich hat jemand am Firmament den Wasserhahn zugedreht und die Wolken beiseitegeschoben. So können alle Anwesenden entspannt den ausgezeichneten Klängen lauschen. Die Textsicherheit der Leute ist ebenfalls äusserst bemerkenswert. Das entlockt auch dem charismatischen Dirigenten auf der Bühne ein breites Grinsen.
Keine Ahnung, wer den Krefeldern immer wieder von Besuchen dieses Events abgeraten hat. Von wegen, die hiesigen Metalheads seien kein Blind Guardian-Publikum. Sämtliche Zweifler werden gerade eines Besseren belehrt. Für das nächste Gastspiel in Dinkelsbühl wird garantiert kein weiteres Vierteljahrhundert verstreichen – dafür halte ich meine Hand gerne ins Feuer. Selbst nach Spielende hallen die «Valhalla»-Chöre noch eine gefühlte Ewigkeit über das Gelände. Hühnerhaut pur! Und gleichzeitig bildet dieses Stück auch die ideale Überleitung zur nächsten Gruppe.
Setliste – Blind Guardian
- Into The Storm
- Welcome To Dying
- Nightfall
- Time What Is Time
- Journey Through The Dark
- Black Chamber
- Theatre Of Pain
- The Quest For Tanelorn
- Ashes To Ashes
- The Bard’s Song – In The Forest
- The Bard’s Song – The Hobbit
- The Piper’s Calling
- Somewhere Far Beyond
- Time Stands Still (At The Iron Hill)
- Mirror
- Valhalla
Fotos Blind Guardian
Heaven Shall Burn
Ehe Heaven Shall Burn mit ihrer Headliner-Darbietung loslegen dürfen, kommt Sänger Marcus Bischoff, der während der Corona-Ära offenbar sämtliche Friseur-Aufenthalte verweigert hat, auf die Bühne und stimmt nochmals einen «Valhalla»-Chor an. Er sei eben ein spontaner Mensch und wolle das einfach nochmals geniessen. Wer kann’s ihm verübeln? Ihre Version des Stücks werden sie jedoch nicht spielen – das wäre nach einem astreinen Blind Guardian-Auftritt schlichtweg Blasphemie. Mich persönlich hätte das nicht sonderlich gestört, aber ich respektiere diese Entscheidung selbstverständlich ohne Einwände. Die Thüringer-Jungs haben auch so ausreichend Kracher in petto und ich kann’s kaum erwarten, diese zu hören.
Es folgt eine atemberaubende Headliner-Performance, die sich für uns als der ideale Festivalabschluss entpuppt. Heaven Shall Burn hauen alles raus! Beinahe im Sekundentakt sind irgendwo auf der Bühne Flammen zu sehen. Später wird sogar noch Feuerwerk in den Himmel gejagt (getreu dem Motto: «nomen est omen»). Weltklasse! Da wird einem gezwungenermassen richtig warm ums Herz. Die verregneten Augenblicke der letzten Stunden sind wie weggeblasen. Falls irgendwo in der Ferne gerade ein gewisser Till Lindemann zuschaut, wird er dieses Feuerinferno zweifelsohne mit einem anerkennenden Kopfnicken entsprechend würdigen.
Der Fünfer mit dem zugegeben ulkig klingenden Dialekt agiert in bärenstarker Verfassung. Diese unfassbare Energie ist einfach ansteckend! Aufgrund der hitzigen Umgebung steht Marcus schon bald ohne sein auffällig rotes Hemd da und wirbelt fortan mit entblösstem Oberkörper durch die Gegend. Mit seinen Sprüchen und pointierten Ansprachen beweist er erneut, dass wir es gerade mit dem sympathischsten Metal-Krankenpfleger Deutschlands zu tun haben. Die jubelnde Menge schickt ihm und seinen Kollegen fleissig Crowdsurfer entgegen. Dabei fällt insbesondere ein Mädel auf, welches ihren Freund als eine Art Surfbrett missbraucht und so von den zahlreich vertretenden Händen nach vorne getragen wird. Weshalb die Dame ihrem Liebsten dabei allerdings voll auf den Schritt stehen muss, ist mir hingegen ein Rätsel. Es existieren bekanntermassen unzählige Fetischarten, aber diesen Schmerz würde ich mir trotzdem niemals freiwillig antun.
Das Song-Repertoire lässt kaum Wünsche offen. Altgediente Abrissbirnen à la «Counterweight » oder «Voice Of The Voiceless» kommen ebenso zum Handkuss wie neue Kompositionen namens «Übermacht» oder «Tirpitz». Bei letztgenannter Nummer kann sich Axtman Maik Weichert einen kleinen Seitenhieb gegenüber Sabaton nicht verkneifen. Die «Tirpitz» sei also grösser und mächtiger gewesen als die «Bismarck». Direkt danach setzen HSB mit «Hunters Will Be Hunted» ein letztes Ausrufezeichen hinter ihren rundum gelungenen Gig. Meine Vorfreude auf die im kommenden Jahr stattfindende Tour mit Trivium ist endgültig geweckt. Ich werde heute Nacht fraglos mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht ins Land der Träume wandern.
Setliste – Heaven Shall Burn
- My Heart And The Ocean
- Counterweight
- Übermacht
- Voice Of The Voiceless
- Thoughts And Prayers
- Black Tears (Edge Of Sanity-Cover)
- Corium
- Combat
- Behind A Wall Of Silence
- Protector
- Awoken (Intro)
- Endzeit
- Numbing The Pain
- Tirpitz
- Hunters Will Be Hunted*
*Zugabe
Fotos Heaven Shall Burn
Das Fanzit Samstag und Summer Breeze Open Air 2022 allgemein
SkyEye, Analepsy, Blind Guardian und Heaven Shall Burn waren die grossen Highlights des finalen Festivaltages. Am Abend entspannte sich die Wettersituation glücklicherweise ein wenig und gewährte unseren Klamotten die eine oder andere Verschnaufpause. Im nachfolgenden Abschnitt folgt noch ergänzend ein allgemeines Résumé zu diesem Jubiläums Summer Breeze Open Air.
Wie viele andere Betroffene hatten auch die Veranstalter in Dinkelsbühl mit den Nachwehen der Pandemie zu kämpfen. Ausreichend Helfer konnten nicht garantiert werden. Viel Pech hatte man ausserdem bei den sanitären Anlagen, da während des laufenden Festivalbetriebs die zuständige Firma ausgetauscht werden musste. In Sachen Sauberkeit hat sich die Lage dadurch verbessert, aber die Anzahl der Toiletten liess weiterhin zu wünschen übrig. Auf die hochgelobte Bühne mit der drehbaren Plattform musste ebenfalls verzichtet werden, da gewisse ihrer Bestandteile in England gelagert wurden und nicht rechtzeitig herübertransportiert werden konnten. Die geeigneten Spezialisten für den Aufbau fehlten ebenfalls. Deshalb musste auf eine vereinfachte Version der Main Stage zurückgegriffen werden. Leider litt phasenweise auch die Soundqualität darunter. Enttäuschend war ebenfalls der Umgang mit dem schlammigen Untergrund. Logischerweise kann niemand das Wetter beeinflussen, aber gewisse Wege hätten vielleicht mit Stroh oder Holzhackschnitzeln ausgelegt und «gerettet» werden können.
Ansonsten haben die Organisatoren des Summer Breeze aber trotz widriger Umstände vieles richtig gemacht. Allein die fantastische Bandauswahl war erneut ein Segen und vermochte verschiedene Geschmäcker zu befriedigen. Wer die Crew kennt und schon seit mehreren Jahren nach Dinkelsbühl fährt weiss, welche Standards hier normalerweise gelten. Ein allfällig schlechter Eindruck von 2022 darf nicht zu sehr missinterpretiert werden. Das Summer Breeze ist grundsätzlich stets ein sicherer Wert und ich bin davon überzeugt, dass die Verantwortlichen dieses Niveau in den kommenden Jahren abermals erreichen werden. Davon könnt ihr euch bei Bedarf gerne an der 2023er-Ausgabe, welche vom 16. bis 19. August stattfinden wird, überzeugen.