Wild wie ein Löwe
III – Drei, so der Name des neuen und, wer könnte es ahnen, dritten Albums von CoreLeoni, der 2017 vom Gotthard-Gitarristen Leo Leoni gegründeten Band. Diese Veröffentlichung und den Rock im Allgemeinen, gilt es heute zu feiern. Und so lädt Leo und seine Truppe ein, zu einer Party mit Pauken und Gitarren.
Den Platz des Pre-Acts schenken sie an diesem Abend, wie auch auf der ganzen «Let Life Begin» Tour, Seraina Telli: ein aufstrebender Stern am Rock-Himmel. Wobei das auch nicht ganz korrekt ist. Kennt man sie doch bereits als Frontfrau der Prog-Band «Dead Venus» und als ehemalige Sängerin der «Burning Witches». Heute steht sie allerdings mit ihrem neusten Geniestreich auf der Bühne: «Simple Talk», das erste Album ihres Solo-Projekts, das, authentizitätshalber, den Namen «Seraina Telli» trägt.
Heute soll es so richtig wild werden, das verspricht mir zumindest Liane, die sich das Leoni-Telli Spektakel bereits ansehen konnte. Ich werde sehen.
Leider nur Feldschlösschen
Draussen ist es kalt geworden. Der Winter ist da. Die Leute zieht es nach drinnen. Zum Beispiel, so wie mich, in die Konzertfabrik nach Pratteln, in das legendäre Z7. Denn heute heizen Coreleoni ein, das Holz zum Anfeuern liefert Seraina Telli. Zwei tolle, von Putin unabhängige, Energiequellen.
Der Einlass gelingt, wie meistens im Z mit dem 7, problemlos und bemerkenswert schnell. Beide Bars sind geöffnet, dadurch kommt man ohne lange Wartezeiten problemlos an sein Bier. Leider nur an Feldschlösschen. Auf gewöhnliche Art geheizt wird auch ausreichend. Zu ausreichend. Später, wenn die alternativen Energiequellen auf der Bühne stehen, wird es geradezu heiss. Aber ich möchte mich nicht darüber beschweren, dass ich nicht friere.
Seraina Telli
Da gehen auch schon die Lichter aus und Seraina Telli legt los. Unterstützt wird sie dabei von Carmen Campari am Bass und Mike Malloth am Schlagzeug, der ebenfalls Teil von Tellis anderer Band «Dead Venus» und Metalinside ist (Grüsse gehen raus).
Das Publikum wirkt sofort von der Musik angetan. Seraina Telli war wahrlich eine gute Wahl als Pre-Act von CoreLeoni. Beide folgen einer ähnlichen musikalischen Schiene. Somit bekommen auch die Konzertbesucher, die Seraina noch nicht kennen, das wofür sie bezahlt haben: soliden (Hard) Rock.
Diesen durfte ich bereits vor einigen Wochen an der Release-Show ihres ersten Solo-Albums «Simple Talk» geniessen, heute geht es aber, zumindest gefühlt, noch mal härter zur Sache. Die Musiker, allen voran die Frontfrau wirken sicherer, präsenter auf der Bühne. Mittlerweile haben sie in dieser Konstellation bereits einige Gigs hinter sich, somit ist es nicht verwunderlich, dass alles, im positiven Sinne, «eingespielter» wirkt als bei einem der früheren Auftritte wie der Plattentaufe. Dies zeigt sich unter anderem, in den Parts in denen Carmen die Backingvocals übernimmt, die sich diese in einer herrlichen Harmonie in die von Seraina gezogene Gesangs-Spur eingliedern.
Der Klang aus den Lautsprechern scheint zu Beginn, Mühe zu haben genauso schnell wie die Musik in die Gänge zu kommen und ächzt ihr hinterher. Dafür kann sich die Aufmerksamkeit auch mal mehr auf das Licht richten, das heute einen bedeutenden Mehrwert zur Show beiträgt und dessen Möglichkeiten voll ausgeschöpft werden; jedoch nicht in einem LSD-Fiebertraum aus Farben und drehenden Mustern in der Reizüberflutung endend. Der Musikreglermann weiss sich zu helfen und schon bald können Licht und Lautsprecher ebenbürtig die Show fortführen.
Das Publikum goutiert die feurige Performance, in dem es bereitwillig an Mitklatschspielchen teilnimmt oder sich dazu hinreissen lässt, in-die-Zuschauermenge-geworfene Knicklichter, mehr oder weniger im Takt einer Ballade über den Köpfen rumzuschwenken. Selbst um da und dort «Hey hey» zu brüllen ist es sich nicht zu schade, auch wenn Telli meint, das Ganze sei doch «ein wenig schweizerisch» gewesen. Vermutlich wurde sie auf vergangenen Tour-Stopps, unter anderem in Italien, Deutschland und Belgien, in dieser Hinsicht ein wenig zu verwöhnt. Es bleibt nicht bei dieser einen kleinen Stichelei gegen das Publikum. Vielleicht liegt es nur am heutigen Abend, vielleicht an der Routine, ein Publikum, für das man «nur» die Vorgruppe ist, zu unterhalten: Seraina wirkt selbstbewusster, leicht, für eine Rockstar-Attitüde unerlässlich, schelmisch aufgelegt. So wird dann das Publikum auch mal gefragt «Ob es noch am Schlafen sei?» man hätte mehr Beteiligung erwartet. Tatsächlich lassen sich in den hinteren Reihen einzelne Konzertgänger finden, bei denen die Provokatiönchen funktionieren und denen der ein oder anderen Konter-Spruch murmelnd über die Lippen rollt oder die das Gesicht verziehen. Immerhin wird Telli im Gedächtnis bleiben.
Grossspurige Ansagen (gegen das Publikum) sollen hier aber nicht über mangelhaftes musikalisches Können hinwegtäuschen. Ganz und gar nicht. Immer wieder wird das musikalische, insbesondere gesangliche Können unter Beweis gestellt. Auf originelle Weise wird bei den Songs teils von der Studioversion abgewichen, um beispielsweise dem Publikum, das sich bereits auf Leo Leonis Gitarrensoli freut, einfallsreiche Instrumental-Einlagen zu präsentieren. Dies etwa im Falle des Covers des Jazz-Stücks «Fever», das heute durch die Begrenzung auf Bass und Schlagzeug im Intro, ungewöhnlich «discoartig» ausfällt, bevor es der Seraina-Telli-In-Your-Face-Rock-Version weicht. Anders als bei der Plattentaufe, als man sich, zumindest im Intro des Liedes, nahe an der Jazz-Version von Peggy Lee orientierte.
Mit dem Song «Modern Warrior» schliesst Seraina ihr Set ab. Ein energiegeladener Song, der als Schlusspunkt eines Main-Act-Konzertes eher fehlplatziert wäre, hier sorgt er dafür, dass die Aufgabe als «Einheizer» vollumfänglich erfüllt wird. CoreLeoni dürfen sich freuen: Das Stimmungsfeuer ist entfacht, jetzt liegt es an ihnen, es nicht ausbrennen zu lassen.
CoreLeoni
Vor der Bühne stehen die Leute noch gedrängter. Mittlerweile ist es in der Halle merklich wärmer, nicht zu sagen heiss, geworden. Jacken werden ausgezogen, irgendwo hinten in der Halle deponiert und fremde Leute beauftragt darauf zu achten, dass sie nicht von den falschen Personen wieder angezogen werden. Es scheint aber keiner hier zu sein, der auf der Suche nach Secondhand-Klamotten ist.
Auf der Bühne wurde in der Umbaupause einiges an Trockeneis verdampft, dieses sorgt gemeinsam mit dem eingespielten Intro, das aus irgendwelchen atmosphärischen elektronischen Klängen besteht, für eine feierliche Stimmung, die sofort von diversen Handykameras versucht wird einzufangen.
Wie zu erwarten, senken sich die Telefone auch nicht, als dann die Band die Bühne stürmt und mit «Sister Moon» losdrescht.
Bereits hier bekommt der Zuschauer das erste Gitarrensolo serviert, bei dem Herr Leoni, man könnte fast behaupten, besonders angeben will, indem sein Sechssaiter über seinen Kopf gen Nacken fliegt, ohne dass dabei das doch eher komplexe Zupfmuster beeinträchtigt wird. Auch Eugent am Gesang macht keine schlechte Figur, weiss wie seine Stimme einzusetzen, bewegt sich mal flink wie ein Wiesel über die Bühne oder bleibt standhaft, wenn es angebrachter ist, wie ein Fels in der Brandung. Selbiges gilt entsprechend auch für seinen Mikrofonständer. Generell kann von keiner statischen Show die Rede sein. Mila am Bass und Jgor spazieren ebenfalls immer mal wieder über die Bühne. Letzterer kommt gar mit Leo Leoni während des Konzertes in das Publikum, um ihr Saitenspiel, wortwörtlich, den Leuten (noch) näherzubringen.
Die Band mag vielleicht nach Leo Leoni benannt worden sein, alleinherrschender Diktator im Bandgefüge ist er aber sicherlich nicht. Wie schon bei Seraina Telli wirken hier die Musiker als harmonische Einheit. Alle Musiker, inklusive Alex an den Drums, können ihre Instrumente in Solos zelebrieren, dem Publikum gefällts, das Können ist definitiv vorhanden. Jgor darf zwischendurch den Leadguitar-Part übernehmen und die Ansagen teilen sich Eugent und Leo, diese sind spontan und mit viel Charme und Witz gewürzt.
CorelLeoni weiss die Halle zu rocken, das Publikum liegt ihnen zu Füssen, hüpft, ruft (hey hey hey,) klatscht. Alles, was sich eine Band wünschen kann. Sanftere Klänge finden ebenfalls Einzug ins Set und sind gut platziert, schaden der Dramaturgie des Konzertes nicht. «Let It Be» ist so ein Fall, bei dem wieder viele Handys gezückt werden, leider geht dabei vergessen, dass man während des Filmens auch die Handytaschenlampe, Taschenlampe sein lassen könnte.
Gleich im Anschluss folgt «Mountain Mama». Dramaturgisch ebenfalls kein Fehler, aber ob ich persönlich zwei so fette Gotthard-Allstars nacheinander platziert hätte …
Nach «Let Life Begin» räumt die Band das Feld, zurück bleibt das riesige Drumset mit seinem Piloten, der es zugleich heftig zu bearbeiten beginnt. Als Tüpfchen auf dem i werden Samples von epochaler Musik eingespielt, die einem Film-Soundtrack nahekommen. So wirkt das Gehämmer abgerundeter und trotz der zusätzlichen Klangquellen kommt das Schlagzeug mehr zur Geltung.
Mit «Here Comes The Heat» schliesst CoreLeoni dann erst mal. Natürlich kehren sie auf die Bühne zurück, nach dem vermeintlichen Outro ab Band, das aus einer Mischung aus Fanfaren und Gitarren besteht, und der unverzichtbare Pause, in der die Meute Zeit hatte ausgiebig zu klatschen. Es folgt, nach einer ausgiebigen Vorstellungsrunde der Bandmitglieder seitens Leo, «Fist In Your Face» und «Lay Down The Law».
Zu den Klängen von «The Boys Are Back In Town» von Thin Lizzy, verabschiedet man sich vom Publikum, macht noch ein Foti mit ihm, der Kantönligeist lässt es hier natürlich nicht zu, NICHT mit einer Tessiner-Flagge zu posieren, und verlässt die Bühne.
Bald darauf trifft man die Bandmitglieder auf Augenhöhe im Publikumsbereich an, wo sie bereitwillig für Fotos posieren, oder Schallplatten und CDs unterschreiben.
Das ist mal Fan-Nähe!
Das Fanzit – CoreLeoni, Seraina Telli
Wie eingangs erwähnt, versprach mir Liane, dass es heute «so richtig abgehen soll». Sie behielt recht. Seraina Telli hatte ich schon diverse Male live gesehen, davon war dieser Auftritt sicherlich einer der stärksten. In Sache CoreLeoni war ich vor Konzertbeginn eher skeptisch eingestellt: Ursprünglich wurde die Band gegründet, um Lieder aus den Anfangsjahren von Gotthard zu spielen. Coverbands sind nicht so meins, doch heute hat CoreLeoni gezeigt, dass man auch mit, von einer anderen Band etablierten Songs, eine Halle zum Kochen bringen kann und dasselbe Gericht ganz anders schmecken kann, je nachdem welcher Koch es gekocht hat, sinngemäss, dass ein Lied auch total anders klingen kann, abhängig davon, wer es zum Besten gibt.
Setlist – Seraina Telli
- Dreamer
- Remedy
- I’m Not Sorry
- Medusa
- Not One Of Your Kind
- Take Care
- E.B
- Remember You
- Fever
- I Dare To
- Modern Warrior
Line Up – Seraina Telli
- Seraina Telli – Vocals, Guitar
- Carmen Campari – Bass, Backing-Vocals
- Mike Malloth – Drums
Wer Seraina Telli (auch mal) live erleben will, kann das 2023 als Support Act von «The New Roses» auf der «Sweet Poison» Tour von Februar bis Mai.
Setlist – Coreleoni
- Sister Moon
- Make My Day
- Standing In The Light
- Downtown
- Movin’ On
- She Goes Down
- Purple Dynamite
- Guilty Under Pressure
- Let It Be
- Let Life Begin Tonight
- Mountain Mama
- Like It Or Not
- Drum Solo
- Firedance
- Ride On
- Here Comes The Heat
- Fist In Your Face*
- Lay Down The Law*
*Zugabe
Line Up – Coreleoni
- Eugent Bushpepa – Vocals
- Leo Leoni – Guitar, Backing Vocals:
- Jgor Gianola – Guitar
- Mila Merker – Bass
- Alex Motta – Drums