Was lange währt – oh, hatten wir das schon?
Wie so viele andere ist auch das Konzert von Crystal Ball am heutigen Abend eine Verschiebung einer Verschiebung. Fragt mich nicht nach den ursprünglichen Daten – ich kenne nur die ursprünglichen Support Acts…
Zu Beginn waren mal die Black Diamonds vorgesehen. Doch die konnten nun nicht. Also holt mal sich Fighter V – ein mehr als würdiger Ersatz. Doch vor wenigen Tagen mussten die Innerschweizer aus gesundheitlichen Gründen Forfait geben – und so kommen nun Voltage Arc zum Handkuss.
Voltage Arc
Vermutlich ging es vielen Fans im Vorfeld wie mir: Voltage Arc dürften ein eher unbekannter Name für einige Zuschauer sein. Mir hat man „80er Flair“ versprochen und die Schreibweise des Bandnamens erinnert dann auch an die grösste Metal Band aller Zeiten – Iron Maiden. Mal sehen und hören, was die Aargauer da zu bieten haben!
Als das Quartett die Bühne stürmt, sticht zuallererst das Outfit heraus. Lange Haare, zerrissene Jeans und nackte Oberkörper – da wird dem weiblichen Teil des Publikums grad mal was geboten… Musikalisch gibt’s guten, soliden Hard Rock auf die Ohren, der je länger die Show geht umso mehr Richtung Metal abdriftet. Dargeboten mit einer grossen Spielfreude, die vier sind sichtlich dankbar für die Gelegenheit, die sich ihnen heute bietet.
So sorgen kleine Einlagen auch für Aufmerksamkeit im Publikum. Zum Beispiel, als Fronter Toni vor „Break Free“ plötzlich mit einem Schwyzerörgeli auf der Bühne erscheint! Ländler und Hardrock – nun ja, da gehen die Meinungen sicherlich auseinander… Zum Glück ist das allerdings nur ein kurzes Intermezzo und sicherlich nicht ganz ernst gemeint.
Toni sorgt auch für Spass bei seinen Ansagen. So erklärt er, dass der „Apple Dream“ dem Bereich „Flüssignahrung“ aus ihrem Herkunftsort Beinwil am See zuzuordnen ist. Oder dass man trinkt zum vergessen – aber nie vergisst zu trinken. In diesem Sinne: Zum Wohl!
Wie angetönt legt der Vierer vor allem in der zweiten Hälfte des Sets nochmals eine kräftige Schippe nach, so kristallisieren sich dann auch das teilweise fast schon böse klingende „For Rock And Roll“ und der Abschluss „Never Forget To Drink“ als Highlights heraus. Insgesamt ein grundsolider Auftritt von Voltage Arc, die nun sicher beim einen oder anderen Zuschauer im Gedächtnis bleiben werden.
Setliste Voltage Arc
- Tonight
- The Fat Lady Sings
- Break Free
- Apple Dream
- Backseat
- Hard Rock Hot Spot
- For Rock And Roll
- Never Forget To Drink
Crystal Ball
Kurz nach 21h ist es dann Zeit für den Headliner. Und die legen nach dem kurzen Intro mit „What Part Of No“ los wie die berühmte Feuerwehr. Zwar ist das Hall Of Fame nicht ganz so voll, wie man sich das sicherlich gewünscht hätte, doch dafür herrscht sofort prächtige Stimmung. Mit „Undying“ legen die Luzerner nach, bevor mit „Director’s Cut“ der erste etwas ältere Track kommt. Und der ist überraschend hart gespielt, das habe ich so noch selten gehört. Passt!
Der Schwerpunkt des Sets liegt wenig überraschend auf dem Anfang dieses Jahres erschienen Werk „Crysteria“. Fast die Hälfte der Songs stammt davon – das zeigt dann auch deutlich auf, wie viel Vertrauen die Band in das neue Material hat. Und wie stark das Album halt auch ist!
Steven Mageney und seine Jungs zeigen sich dann auch extrem spielfreudig, die geniessen sichtlich jede Sekunde. Der nicht mehr ganz so neue Gitarrist Peter Berger sorgt für Action auf der rechten Bühnenseite, während sein Pendant Scott Leach – oftmals mit einem gewissen Ernst bei der Sache – ebenfalls immer wieder zufrieden lächelnd ins Publikum schaut. Steven selbst hüpft vor allem zu Beginn herum, angetrieben von Tieftöner Chris Stone und Drum-Maschine Marcel Sardella.
„You Lit My Fire“ ist ein weiterer neuer Track, der mit überraschender Wucht daherkommt. Das gleiche gilt für das grandiose Doppel „Hold Your Flag“ und „Déjà Voodoo“. Zwei abartig geile Tracks und beide klingen so hart wie selten zuvor. Das ist richtig, richtig gut!
Dann ist es Zeit für eine Verschnaufpause. Steven bittet die Fans eindringlich, dass sie für die nächsten Minuten ihre Handys einfach mal in der Tasche lassen: „Das ist ein Moment zwischen uns und Euch!“ Scott Leach mit der Akustik Gitarre, Steven am Mikro: „Memory Run“. Und da staune sogar ich als bekannter Balladen-Muffel…
Doch es kommt noch besser. Scott verlässt die Bühne und Steven singt alleine, ohne irgendwelche instrumentale Unterstützung(!) das fantastische und für ihn sehr persönliche „Till You Meet Again“. Das ist gigantisches Kino und nicht nur ich bin völlig baff, in welch grossartigen Form sich der Deutsche befindet! Hühnerhaut.
Drums, Bass, Guitars: Mit diesem Aufbau starten Crystal Ball ins letzte Drittel, bevor Steven das Zepter wieder übernimmt. „Alive For Evermore“ (überraschenderweise der einzige Track vom „Crysteria“-Vorgänger!) und „Crysteria“ sind die nächsten Titel, wobei vor allem letzterer tätscht wie Sau. Die Jungs sind heute wirklich deutlich härter unterwegs als auch schon! Derweil ist die Ansage von Steven betreffend Handys allerdings längst in Vergessenheit geraten, schon werden wieder zahllose Filmchen gedreht, die nachher kein Mensch mehr anschaut. Ich versteh das einfach nicht – ich geniesse da doch lieber die Show!
Steven bedankt sich mehrmals bei den Fans dafür, dass sie hierhergekommen sind: „DAS ist Rock’n’Roll! Nicht Netflix, nicht YouTube! Das HIER ist der wahre Rock’n’Roll!“ Wie recht er hat! Und er meint auch, dass jeder ein Held sein kann. „Anyone Can Be A Hero“ läutet das Finale ein, bevor nach gut 80 Minuten „Make My Day“ den vorläufigen Schlusspunkt setzt.
Natürlich lassen sich die Luzerner danach nicht lange bitten, und schliesslich fehlt ja noch DIE Bandhymne überhaupt: „Hellvetia“! Mir persönlich geht die Fussball-WM eigentlich komplett am Allerwertesten vorbei, aber dass ein Deutscher zwei Tage nach deren Ausscheiden „Hopp Schwiiz“ ins Publikum ruft, ist schon recht speziell… Nun ja: Ich denke allerdings, dass Steven diesen Spruch eher auf die Fans denn auf Fussball bezogen hat.
Fehlt noch das grande Finale: „Paradise“. Nochmals geben Band und Publikum alles und wie so viele andere Tracks am heutigen Abend kommt auch der hier nochmals mit deutlich mehr Wucht als gewohnt aus den Boxen. Ein mehr als würdiger Abschluss nach knapp 95 Minuten!
Setliste Crystal Ball
- What Part Of No
- Undying
- Director’s Cut
- Call Of The Wild
- Suspended
- You Lit My Fire
- He Came To Change The World
- Hold Your Flag
- Déjà Voodoo
- Memory Run
- Till You Meet Again
- Alive For Evermore
- Crysteria
- I Am Rock
- Anyone Can Be A Hero
- Make My Day
- Hellvetia*
- Paradise*
*Zugaben
Das Fanzit – Crystal Ball, Voltage Arc
Ein Ausflug ins Zürcher Oberland, der sich wieder einmal mehr als gelohnt hat! Zwar hätte ich wie wohl manch anderer Zuschauer gerne Fighter V wieder gesehen, doch deren Ersatz Voltage Arc hat auch einen guten Job gemacht, die schaut man sich in Zukunft sicher gerne wieder einmal an.
Und Crystal Ball? Die zeigen sich in beeindruckend starker Verfassung! Das gilt vor allem auch für Fronter Steven Mageney, der in der Form seines Lebens scheint. Das fünfte Mal bereits als Headliner im Hall of Fame (Rekord!) und auch wenn heute nicht ganz so viele Fans da waren wie auch schon, so lassen sich die Luzerner davon nicht beirren und liefern eine schlicht grossartige Show ab. Beste Werbung für Schweizer Hardrock, keine Frage! Und sicherlich dürfte ein sechster Auftritt hier in Wetzikon auch kein Problem werden …