50 Years in the Name of Metal
Rob und seine Mitstreiter rufen, um 50 Jahre Heavy Metal Marke Judas Priest zu zelebrieren. Der Ruf ins Hallenstadion soll nicht unerhört bleiben.
Doch ganz so viele wie erwartet haben es scheinbar nicht gehört. Nun, ich glaub niemand hat erwartet, dass Judas Priest das Hallenstadion füllt. Judas Priest ist ja ein bisschen ein Phänomen, jeder kennt die Band, alle kennen sicher mehrere Songs – selbst, wenn sie nicht wissen, dass die von Judas sind – aber so der ganz, ganz grosse Verkaufsschlager waren sie nie. Kein Vergleich mit Bands wie Iron Maiden, die ja auch aus der New Wave of British Heavy Metal entstammen, oder gar Metallica. Da teilen sie ein bisschen das Schicksal von Motörhead. Jeder kennt Lemmy und so auch Rob Halford, the Metal God. Kaum eine Doku über den Metal, wo die beiden nicht ihren Senf beisteuern. Definitiv zwei der gefragtesten Ikonen des Metals.
Aber obwohl mal Models und Werber mit Motörhead-Shirts unterwegs waren, so der ganz grosse kommerzielle Erfolg war auch Lemmys Band nie – immer im Verhältnis zum Bekanntheitsgrad. Bei Judas Priest ist es vielleicht noch extremer, weil die Songs von denen ja schon zugänglicher und massentauglicher sind als die von Lemmy & Co. Man denke an Klassiker wie «Living After Midnight», «United», «Breaking The Law», «Turbo Lover», «You’ve Got Another Thing Comin’» oder «Eletric Eye». Mal schauen, welche dieser Gassenhauer sie heute spielen werden …
Übrigens, was denkt ihr ist ihr meistverkauftes Album? British Steel? Nope. Painkiller? Nope, das war bei der Veröffentlichung gar ein kleiner Flop …und gilt heute wohl als das Metal-Album schlechthin. Wenn ein Alien vorbeikäme und ich ihm mit einem Album Heavy Metal mit einem Album erklären möchte, dann gäbe ich ihm Painkiller. Aber zurück zum meistverkauften: Es ist (Trommelwirbel) «Screaming For Vengeance» mit über 2 Millionen verkauften Exemplaren (Quelle: https://bestsellingalbums.org/artist/6544). Natürlich ist das eine schöne Ladung Metal und 1982 war das immerhin das 34 meistverkaufte Album überhaupt (die absoluten Zahlen sind immer etwas mit Vorsicht zu geniessen, aber wenn man die gleiche Quelle nimmt, kann man sicher Vergleiche machen).
Nun, zurück zum Anfang der Geschichte. Das Hallenstadion ist erwartungsgemäss nicht ausverkauft. Natürlich nicht. Es wurde auch geschrumpft. Die Bühne steht mitten drin, so dass wohl nur rund 1/6 der Kapazität genutzt wird. Das macht es schon fast gemütlich. Die Erwartungen vom Veranstalter waren jedoch klar höher. Grad weil das Konzert coronabedingt verschoben und nicht erst in diesem Jahr angesetzt wurde. Die neu angesetzten Konzerte haben es bekanntlich ja grad ziemlich schwer im Vorverkauf und werden reihenweise wegen «logistischen Problemen» wieder abgesagt. Drum wieder mal den Appell an alle: Kauft eure Tickets wie vor Corona genügend früh im Vorverkauf, damit diese dann auch wirklich stattfinden.
Also, dann mal los mit Musik und weniger Faktenschmierereien.
Tremonti
Ich kann leider nicht viel berichten, weil ich offen gesagt ausser den drei ersten Songs im Fotograben nicht viel mitgekriegt habe. Die Jungs um Mark Tremonti (Creed, Alter Bridge) sind engagiert und haben eine tolle Bühnenpräsenz. Aber es ist einfach nicht so meine Musik, so dass es mich nicht wirklich packt und ich somit die Zeit nutze, um ein, zwei Bierchen mit Freunden und Bekannten zu trinken. Man möge mir somit verzeihen, dass ich nicht mehr zu erzählen weiss. Ich lass somit die Bilder sprechen.
Judas Priest
Was für eine Legende! Seit über 50 Jahren unterwegs und sich dabei mehr oder weniger immer treu geblieben – abgesehen von ein paar eher poppigeren, keyboardlastigen Alben in den 80ern – wer kann das schon von sich behaupten? Iron Maiden? Aber klar doch. AC/DC? Ja ganz sicher. Und wer noch? Sicher noch ein paar andere, aber die meisten haben stinkende Leichen im Keller. Selbst als Rob auf seinem Selbstfindungstrip war, produzierte Judas gute Alben mit Tim «The Ripper» Owen am Mikro. OK, ich gebs ja zu, ich bin grad sehr grosszügig mit den Briten, aber hey, sie haben den klassischen Heavy Metal nebst Black Sabbath beeinflusst – sowohl soundmässig als auch optisch – wie kaum eine andere Band. Und Rob ist Rob und Rob ist der Metal God. Die Götter wissen ja nicht immer was sie tun, aber who cares, sie sind eben Gott.
Ich schweife wieder. Zurück in den Züri-Tempel. Jede Band hat ja das Publikum, welches sie verdient. Und heute ist definitiv die Rockerfraktion der alten Schule anwesend. Enge Jeans und Jeansjäggli, Judas-Shirt und ein paar Turnschuhe und gut ist. Nicht mehr ganz jung ist man auch, zumindest optisch, im Herzen sind hier heute wohl noch fast alles Töfflibuebä und deren Bräute. Eine Menge wie man sie einfach nur lieben kann. Scheissegal, wenn es genau die Art von Fans sind, die so gerne vom Mainstream parodiert wird. Jeder hier ist eine treue Seele und loyal zur Musik, die er und sie liebt. Egal was die anderen denken. Das ist Authentizität in Reinkultur. Und der gute Rob lebt es ja auf der Bühne vor. Wie man es von ihm kennt, wechselt er Mantel und Kutte im Viertelstundentakt. Er kommt sehr blassgepudert auf die Bühne. Wüsste man es nicht besser (oder weiss man es wirklich?), meinte man einen Untoten auf der Bühne zu sehen.
Aber Untote können eine solche einzigartige Stimme nicht so gut konservieren. Und wie man es von ihm ebenfalls kennt, richtet er sich mit jedem Song mehr auf. Sein wandelnder Gang wird immer dynamischer. Die Energie der jubelnden Fans begradigt sein Rückgrat nah-dis-nah. Aus einem optischen Greis – sein dicker grauer Bart lässt ihn noch älter erscheinen – entpuppt sich mit jeder Konzertminute einer der bekanntesten und begnadetsten Screamer des Heavy Metals.
Judas Priest ist Rob Halford und umgekehrt. Das mussten beide Seiten in den 90er Jahren lernen, als man sich für ein paar Jahre trennte, um zu erkennen, dass diese Verbindung seit über 50 Jahren nicht mehr zu kappen ist. Und dennoch ist Judas nicht nur eine Stimme, sondern klassische Heavy Metal Riffs produziert von den beiden Twin-Gitarren bzw. die Gitarristen dahinter. Dass diese nicht mehr K.K. Downing und Glenn Tipton sind, damit haben sich die Fans schon länger arrangieren müssen. Zumindest K.K. ist ja schon vor ein paar Jahre aus irgendwelchem Selbstfrust ausgestiegen (siehe seine Biographie), während Glenn durch seine fortschreitende Parkinson-Erkrankung kaum mehr spielen kann. In den letzten Tourneen kam er jeweils für ein, zwei (langsamere) Songs mehr symbolisch auf die Bühne und zockte mit. So soll es auch heute sein. Dabei wird auch auf eine Parkinson-Foundation aufmerksam gemacht.
Das schmerzt natürlich jeden Fan zu sehen, wie ein Teenie-Idol kaum mehr seine Gitarre halten kann. Aber dennoch war der Aufschrei bei der Ankündigung diese Tour mit nur einem Gitarristen – Richie Faulkner – zu absolvieren. In anderen Worten: Gitarristen kann man ersetzen, aber Judas ohne Twin-Gitarren geht nicht. Zu Recht! Die Band hat das dann auch sehr schnell selber erkannt und entsprechend auf die Fanproteste – u.a. auch von Saxon Legende Biff Byford – reagiert. Wie in der Tournee zuvor ist Produzent Andy Sneap an der zweiten Gitarre. Und die beiden machen das sehr gut. Wenn man nicht grad nostalgisch unterwegs ist, dann passt das. Vor allem Richie – der mehr im Scheinwerferlicht ist – weiss mit seinem ausserordentlichen Gitarrenspiel auch Musikerkollegen zu überzeugen.
Und da ist schliesslich noch der Fels in der Brandung: Fast-Gründungsmitglied und Basser Ian Hill. Er bleibt wie gewohnt im Hintergrund. Zusammen mit Scott Travis am Schlagzeug legt er den Teppich aus für die Protagonisten an den Gitarren und Mikrofon, so dass diese sich dort zelebrieren können. So ganz klassisch wie man es von den meisten Metal-Bands kennt. So klassisch, dass man einem ausserirdischen Besuch genau Judas Priest vorsetzen würde, wenn es drum geht, ihm zu zeigen, was Heavy Metal ist und wie sich Heavy Metal anhört. Painkiller ist wohl nicht nur für mich der Kulminationspunkt des Heavy Metals an dem sich alle anderen Bands orientieren, die in ähnlichen Gewässern navigieren. Ah, das hatten wir schon? Nun, das bestätigt doch, dass dies keine Zufallsmeinung von mir war.
Ich würde mal behaupten, 80% der männlichen Besucher heute haben früher ein Töffli besessen – und dazu eine Jeansjacke mit entsprechenden Aufnähern drauf (OK, ich gebs zu, der Bericht wurde nicht in einem Guss geschrieben … drum auch die eine oder andere Wiederholung). Ein solcher dürfte auch Dani Frey Gründer von Souls of Rock gewesen sein. Neben ihm verbringe ich nach den ersten drei Songs im Fotograben die meiste Zeit des heutigen Abends. Seine Partnerin kann da wohl nicht immer ganz nachvollziehen, was bei uns zwei Rockerbuebe grad abgeht. Wir prosten uns zu, singen lauthals die Klassiker mit und schwingen immer wieder mal die Köpfe im Takte unserer Jugend. Wer möchte nicht wie Rob Halford traditionellerweise bei «Hell Bent For Leather» mit einer Harley auf die Bühne fahren? Gut, das Lederkäppi und die Lederpeitsche im Mund würde ich jetzt mal eher weglassen. Aber Rob – The Metalgod – darf das. Sein Status wird auch nicht in Frage gestellt, als er an einem Konzert mal die Bühne nicht erwischt … und mit der Harley irgendwo im Graben landet. Zu seiner Verteidigung: Wegen fehlender Beleuchtung des Wegs auf die Bühne. Das kann ja nach Hunderten und Tausenden Konzerten mal passieren.
Den Abschluss vor dem Zugabenblock kündigt das markante Drum-Intro von Scott zu «Painkiller» ein. Dieser Song ist Metal. Metal ist Painkiller. In die Zugabe geht es dann mit «Eletric Eye». Der Song könnte 40 Jahre nach Entstehung nicht aktueller sein. Zumindest in Ländern wie China aber auch bei uns sind ja Überwachungs-Kameras immer allgegenwärtiger. Aber das kann uns heute und hier grad egal sein. Wir feiern mit dem Abschluss «Living After Midnight» in den nächsten Tag, egal was kommen mag.
Das Fanzit – Judas Priest Hallenstadion 2022
Judas Priest haben geliefert, was man von ihnen erwartet hat. Über 50 Jahre Heavy Metal der Güteklasse 1a. Eine Setliste mit Songs aus deren riesigen Backkatalog über 5 Jahrzehnte. Dabei auch den einen oder anderen eher unbekannteren Song. Genau so zelebriert man Heavy Metal im Jahre 2022.
Setliste Judas Priest
- War Pigs (Intro ab Band)
- Battle Hymn (Intro ab Band)
- One Shot at Glory
- Lightning Strike
- You’ve Got Another Thing Comin‘
- Freewheel Burning
- Turbo Lover
- Hell Patrol
- The Sentinel
- A Touch of Evil
- Victim of Changes
- Blood Red Skies
- The Green Manalishi
- Diamonds & Rust
- Painkiller
- The Hellion / Electric Eye*
- Hell Bent for Leather*
- Metal Gods*
- Breaking The Law*
- Living After Midnight*
- We Are the Champions (ab Band)
*Zugabe