Kreator über alles
Mit ihrem am 10. Juni 2022 erschienen 15. Studioalbum belegen KREATOR eindrucksvoll, warum sie heute die einzig verbliebene Thrash-Metal-Band von Weltrang sind. „Hate Über Alles“ ist zu gleichen Teilen heiliges High-Energy-Geballer direkt aus dem Herzen der Bestie, wie präzise auf den Punkt getextete Zeitgeistdiagnostik.
Selten war ein Promo-Einleitungstext so auf den Punkt gebracht, dass man ihn einfach 1:1 übernehmen muss.
Sergio Corbucci Is Dead – Das Intro
Die neue Hassorgie von Meister Mille und seinen Jungs muss irgendwie einfach noch auf Metalinside gewürdigt und verewigt werden. Auch wenn die Scheibe schon seit ein paar Monaten die Gehörgänge von Thrashern nah und fern beglückt. Leider kam ich vorher nicht dazu, in die Promoscheibe reinzuhören. Unter anderem war ich im Juni am Hellfest und dort haben mich Kreator wieder mal so richtig weggeballert. Man bangt ja mit den Jahren nicht mehr einfach so, wenn grad irgendwo eine verzerrte Gitarre aufheult. Aber bei dem Monsterset der deutschen Thrash-Legenden gab es auch bei mir wieder mal so richtiges Nackentraining. Und da hab ich mir auch geschworen, zu Hause dann endlich die neue Kreator zumindest mal reinzuziehen. Guter Plan.
OK, ich gebs zu, ich bin jetzt schon länger zu Hause. Also eigentlich schon zum x-ten Mal zu Hause, weil es sollten noch ein paar Festivals und Events folgen.
Dass mich Mille & Co. nicht enttäuschen werden, war mir eigentlich von Anfang an klar. Für mich haben sie im neuen Jahrtausend von allen Thrash-Veteranen am besten geliefert. «Hordes Of Chaos» war schon eine Granate mit Hyperschall und dennoch konnten sie vor allem mit «Gods Of Violence» noch einen draufsetzen. Kreator sind definitiv gut gelagerter Whisky, der noch lange nicht abgefüllt werden muss, und werden immer besser. Dabei bleibt wie beim Lebenswasser ein Teil auf der Strecke – den Angels Share – und so erging es auch Kreator. Der langjährige Bassist Speesy ist 2019 ausgestiegen und durch einen alten Bekannten der Band (siehe Pressekonferenz in der Hellfest 2022 – Review) Frédéric Leclercq ersetzt.
Das Album – Kreator – Hate Über Alles
Seit einigen Alben wettert Mille Petrozza mit seiner hasserfüllten Stimme unter anderem gegen Homophobie im Metal, religiösen Fanatismus oder die Macht totalitärer Ideologien gewettert. „Hate is the virus of this world“, shouted er nun im Titelsong von «Hate Über Alles».
Der Hass zieht sich in der Tat wie ein Virus durch das 15. Kreator-Werk «Hate Über Alles». Das Virus, von dem Mille spricht, ist der Hass in den sozialen Medien, die Verrohung des Diskurses, der Vormarsch totalitärer Ideologien. «Die Leute schreien sich nur noch an und gehen sich direkt an die Gurgel», sagt Mille. «So wird Hass zum Druckmittel: Wenn ihr nicht macht, was wir sagen, wählen wir AFD. Die Politik lässt sich dadurch unter Druck setzen, womit sie diese Bewegungen nur stärker macht.»
„Musikalisch wollte ich ein bisschen greifbarer und kompakter werden“, sagte Mille. „Wir wollten eingängige Songs schreiben, die die Leute live feiern können. Im Thrash oder generell im Metal sind vermeintliche Genre-Regeln bisweilen wichtiger als die Qualität der Songs. Mir persönlich ist das Genre im Grunde aber egal, es gibt nur gute und schlechte Songs.“
Nun, das Genre ist eigentlich ziemlich klar. Klarer kann ein Album nicht einem Genre zugeteilt werden. «Hate Über Alles» ist wie von Kreator in den letzten Jahren gewohnt astreiner Mitten-in-die-Fresse-aller- Misanthropen-Thrash-Metal. Ich pflichte aber Mille bei, was nutzt uns eine klare Genrezuteilung, wenn die Songs nichts taugen? Wichtiger ist – und das haben Kreator einmal mehr geschafft – gute Songs zu schreiben, umzusetzen, aufzunehmen und zu produzieren. Das ist ihnen auf dem letzten Streich erneut gelungen. Es gibt keinen Füller. Ich wüsste nicht, welchen Song ich jetzt spezifisch noch hervorheben sollte.
- Vielleicht das epische «Midnight Sun» mit einem schon fast elfenhaften Refrain gesungen von Indie-Pop-Sängerin Sofia Portanet und einem stark an Arch Enemy erinnernden Riff?
- Vielleicht das ebenso epische und scheinbar autobiographische «Become Immortal» mit einem Riff im Stile von Running Wild inklusive bei Kreator eher ungewohnten «Oooohohoho»-Chören im Stile HammerFalls?
- Vielleicht die Speed-Granaten «Killer of Jesus» und «Conquer And Destroy»?
- Vielleicht «Crush The Tyrants», welches stark an Manowars Stampfer «Warriors Of The World» erinnert – nur dass die Kreator Version um Welten kreativer und variantenreicher ist. Was aber beide schaffen: Kollektives Slo-Mo-Headbangen ist vorprogrammiert.
- Vielleicht das stark an aktuelle Metallica («Spit Out the Bone») erinnernde – zumindest das Anfangs-Riff – «Demonic Future»?
Vielleicht einfach alle? Vielleicht einfach die ganze Scheibe? Und dass das ganze Album der Star ist, dem wird auch das Cover gerecht, welches eines der stärksten der Kreator- und Metalgeschichte ist. Aber das ist Geschmackssache. Während die Songs auch ganz objektiv betrachtet durchwegs der Hammer sind. Das sei jetzt subjektiv? Nichts da.
Das Fanzit Kreator – Hate Über Alles
«Hate Über Alles» von Kreator ist ein astreines Thrash-Metal Album, welches jedoch nur so von Details im Kleinen und im Grossen strotzt. Jeder Song hat seine Geschichte, jeder Song seine Präsenz. Es wird nicht einfach durchgeballert, bis das Magazin leer ist. Man wechselt immer wieder mal die Flinte vom Sturmgewehr mit einzelnen Salven, zum Maschinengewehrserienfeuer, zur vernichtenden Pump-Action bis zum haargenauen Snipergewehr. ABSOLUTE Kaufempfehlung und für mich das glasklare Album des Jahres 2022.
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Trackliste – Kreator – Hate Über Alles
- Sergio Corbucci Is Dead
- Hate Über Alles
- Killer Of Jesus
- Crush The Tyrants
- Strongest Of The Strong
- Become Immortal
- Conquer And Destroy
- Midnight Sun
- Demonic Future
- Pride Comes Before The Fall
- Dying Planet
Line-up – Kreator
- Miland ‘Mille’ Petrozza – Guitars, Vocals
- Sami Yli-Sirniö – Guitars
- Frédéric Leclercq – Bass
- Jürgen ‘Ventor’ Reil – Drums
Discografie – Kreator
- Endless Pain (1985)
- Pleasure To Kill (1986)
- Terrible Certainty (1987)
- Extreme Aggression (1989)
- Coma Of Souls (1990)
- Renewal (1992)
- Cause For Conflict (1995)
- Outcast (1997)
- Endorama (1999)
- Violent Revolution (2001)
- Enemy Of God (2005)
- Hordes Of Chaos (2009)
- Phantom Antichrist (2012)
- Gods Of Violence (2017)
- Hate Über Alles (2022)