Die Wölfe heulen wieder!
Nach einer zweijährigen Durststrecke konnten Varg ihre geliebte Wolfsfest-Tour endlich durchziehen und machten dabei auch einen Zwischenhalt in der Prattelner Konzertfabrik. Begleitschutz erhielten sie dabei von Kanonenfieber, Obscurity und Asenblut. Sämtliche Truppen boten unterhaltsame Darbietungen, obschon sie dies vor einem bedauerlicherweise ziemlich überschaubaren Rudel tun mussten.
Früher Start ins Wochenende. Bereits um 17 Uhr werden die mächtigen Pforten des Z7 geöffnet. Für einmal ist auf der Homepage der Location sogar der gesamte Zeitplan des heutigen Abends ersichtlich. So sollte es grundsätzlich immer sein. Die Fans schätzen diesen Service extrem! Bleibt lediglich zu hoffen, dass das Programm dann auch wie vorgegeben eingehalten wird.
Der Grund für meinen abermaligen Abstecher in die Nordwestschweiz ist ein gewisses Wolfsrudel aus Deutschland. Aber Achtung, die Rede ist nicht von den «Heavy Metal-Messe-Freunden» aus Saarbrücken. Nein, für den bevorstehenden Konzertreigen sind die wackeren Recken aus dem bayrischen Coburg verantwortlich. Varg möchten im wahrsten Sinne des Wortes und passenderweise zur aktuellen Scheibe ein «Zeichen» setzen und frisches Liedgut unters Volk bringen. Das ursprünglich geplante Tour-Package hat zwar einige Änderungen erfahren, aber Kanonenfieber, Obscurity und Asenblut sind meiner Meinung nach absolut würdige Ersatz-Equipen.
Zur Stärkung statten wir natürlich vorbildlich zuerst dem örtlichen Bartresen einen Besuch ab. Der grosse Ansturm lässt (noch) auf sich warten. Aber im Verlauf des Abends wird dies sicherlich anders aussehen. Irgendwann haben doch alle genug geackert, oder? Einige Gäste sind übrigens geschminkt und in Pagan-Kluft erschienen. Trinkhörer kommen ebenfalls zum Einsatz. Wir sind ja hier schliesslich nicht im Hallenstadion, welches solche Dinge verbietet (so geschehen beim Auftritt von Amon Amarth und Machine Head in Oerlikon – siehe Review von Kollege Domi the Stick).
Asenblut
Huch, da habe ich Amon Amarth ja just im richtigen Moment erwähnt. Die «deutsche Version» der Berserker aus Schweden stolziert nun nämlich auf die Bühne. Angeführt werden die vom Blut der germanischen Götter gestärkten Kämpfer von Muskelberg Tetzel, bei dessen Anblick so mancher Feind schnurstracks die Flucht ergreift. Beeindruckend ist allerdings nicht bloss sein körperliches Erscheinungsbild, sondern ebenfalls sein durch Mark und Bein dringendes Stimmorgan. Mit feurigen Motivationsreden zieht der Hüne die Zuhörerschaft problemlos in seinen Bann. Ich würde ihm also ohne zu überlegen in jede Schlacht folgen. «Seite an Seite. Gemeinsam stark!» Er sei unser Leonidas und wir seine «300». Perfekt, jetzt muss man uns nur noch ein paar Perser bringen, denen wir in den Allerwertesten treten können.
Ich möchte gerne noch eine kleine Präzisierung zu meinem Amon-Vergleich anbringen. Wem die neueren Erzeugnisse von Johan Hegg und Co. zu glattpoliert sind, dürfte an den Asenblut-Silberlingen möglicherweise mehr Freude haben. Sie wecken freilich Erinnerungen an Werke wie «The Avenger» oder «Fate Of Norns». Und wenn dann Tetzel als Sahnehäubchen noch seine Oberbekleidung abstreift, muss man die eigene Freundin wahrlich verdammt gut festhalten. Glücklicherweise kein Problem meiner Stufe. Die Feldschlösschen-Dose in meiner Hand kennt ihren Platz und wird schon nicht abhauen. Der einzige Nachteil ist der sich konstant leerende Inhalt.
Obscurity
Asenblut haben mit ihrem 40-minütigen Auftakt gut vorlegt. Ob Obscurity da mithalten können? Die Löwen aus dem Bergischen Land bleiben zumindest bei der Kleiderwahl zahm und haben sich für schicke, schwarze Hemden entschieden. Musikalisch stehen sie Tetzel und seinen Mitstreitern jedoch in nichts nach. Sowohl auf als auch vor der Bühne werden munter Haare durch die Luft gewirbelt. Zumindest Frontmann Agalaz sei schon einmal in dieser Halle gewesen – allerdings liegt das schon stolze sieben Jahre zurück. Ein Indiz dafür, dass das Quintett unserem schönen Land durchaus öfter einen Besuch abstatten könnte. Den Fans würde das garantiert gefallen.
Einzig Axtmann Grimnir (der übrigens bei Helgrindur spielt) erlebt einen kurzen Schreckmoment, als eine Saite das Zeitliche segnet. Aber nach ein paar Reparaturhandgriffen kann er wieder erfolgreich mitwirken. Nicht auszudenken, wenn knackige Nummern wie «Glod En Isa» (Feuer und Eis – ein ewiger Kampf!) lediglich mit halbherziger Gitarrenkraft vorgetragen werden könnten. Beim letzten Track lässt es sich Agalz nicht nehmen, mit der ersten Reihe auf Tuchfühlung zu gehen. Eine Aktion, die wohlwollend goutiert wird.
Kanonenfieber
Die Auftrittsreihenfolge hat mich primär wegen der nächsten Kapelle irritiert. Im Vergleich mit den anderen beiden Vorgruppen sind die erst 2020 gegründeten Kanonenfieber recht grün hinter den Ohren. Weshalb dürfen sie also so kurz vor dem Headliner ran? Ich lasse mich gerne überraschen. Hoffnung gibt mir diesbezüglich Kumpel Benji, der die Jungs aus Bamberg am diesjährigen Dark Easter Metal Meeting frenetisch abgefeiert hat. Das war ursprünglich ebenfalls mein Plan, aber der bis unters Dach gefüllte Club des Münchener Kulturzentrums Backstage machte mir ein Bewohnen an der Show unmöglich. Da wäre ich niemals im Leben mehr reingekommen. Aber die sich nun auftuende zweite Chance im Z7 werde ich definitiv nutzen!
Gegen 20.05 Uhr schreiten die fünf vermummten Kerle zur Tat. Die Outfits der Akteure sind durch den Ersten Weltkrieg inspiriert, welcher ohnehin als Kernthematik in ihren Liedern auftaucht. Stilistisch bewegen wir uns hier irgendwo zwischen Eisregen, Endstille und 1914. Die Herrschaften rechtfertigen ihren Slot ohne Schwierigkeiten und zerschlagen sämtliche Zweifel meinerseits mit einer grandiosen Performance. Mein lieber Scholli! Von Teilen der Besucher ist zu vernehmen, dass sie einen Abend mit ausschliesslich in Deutsch gesungenen Texten durchaus zu schätzen wissen. Bedeutet für mich ebenfalls eine Verschnaufpause in Sachen Übersetzungsaufgaben.
Dass wir nach der Show schnell am Merchandise-Stand vorbeischauen müssen, ist so sicher wie das «Amen» in der Kirche. Shirts und CDs sind unglaublich begehrt. Vom Verkäufer erfahren wir dann auch, dass der überall abgebildete «Totenkopf-Soldat» auf den Namen «Fritz» hört und das Maskottchen der Band sei. Also Freunde, merkt euch diese Truppe! Ich würde einmal vermuten, dass Kanonenfieber wirklich das nächste grosse Ding in unserer Szene werden könnten.
Varg
Bleibt noch eine Formation übrig. Die Gastgeber des Wolfsfests höchstpersönlich: Varg! Gemächlicher Beginn? Fehlanzeige! Mit «Schildfront» (welches hierzulande stets liebevoll in «Schildfront Helvetia» umgetauft wird) und «Schwertzeit» schicken Alphawolf Freki und seine Biester gleich zwei mitreissende Hymnen ins Rennen. Nach diesem fulminanten Einstieg dürfte allen Anwesenden klar sein, wer heute Abend Herr im Haus ist. Das Publikum ist jedenfalls wach, reckt die Fäuste in die Höhe und grölt die einzelnen Zeilen lautstark mit den Musikern mit.
Das Rudel hat Zuwachs erhalten. Seit Mitte Juli 2020 ist Fylgia offiziell mit von der Partie und sorgt mit ihren klargesungenen Passagen für ein wenig Abwechslung innerhalb der bestehenden Strukturen. Des Weiteren wirkt das Mädel ebenfalls bei den neuen Varg-Konzepten fleissig mit. Während des Stücks «Fara Til Ránar» kann sie sich nun erstmals den helvetischen Metalheads in ganzer Pracht präsentieren. Wow! Diese Stimme dürfte wohl nicht nur bei meiner Wenigkeit für diverse Hühnerhautanhäufungen sorgen. Ein wunderbarer Kontrast zu Frekis grobem Gebrüll und Gekrächze. Ein waschechter Glücksgriff für die Gruppe.
Die Setliste lässt kaum Wünsche offen. «Blutaar» und «Naglfar» sorgen für regelrechte «Gemetzel-Pits» in der Raummitte. Aber dank Fylgia liegen nun vermehrt Experimente und Variabilität drin. So kommen wir unter anderem in den Genuss einer Akustik-Version von «Phönix». Und auch das gefühlvolle «Streyfzug», welches textlich sowieso zu meinen Favoriten gehört, punktet in der Duett-Variante. Beim drauffolgenden «Zeichen» gibt sich Freki besonders emotional. Dieser Song bedeute ihm nicht weniger als alles. Die Band sei durchs Feuer gegangen und wieder auferstanden. Starke Worte! Als einzig schlechte Erinnerung an diesen Gig werden wohl lediglich das verfrühte Ende und die gelegentlichen In-Ear-Probleme übrigbleiben. In 15 Minuten hätte locker noch die eine oder andere Komposition Platz gefunden.
Das Fanzit – Varg, Kanonenfieber, Obscurity, Asenblut
«Die Wölfe sind wieder da, ob ihr es wollt oder nicht» – nach diesem Abend muss man diesen Zeilen verdientermassen viel Wahrheitsgehalt zugestehen. Doch nicht nur Varg vermochten zu beeindrucken, sondern ebenfalls alle ihre Support-Acts. Gerade Kanonenfieber haben mich mit voller Kraft weggeblasen. Wiederholung unbedingt erwünscht! Dass die Konzertfabrik dagegen bloss zu einem Drittel gefüllt werden konnte, war für mich total unverständlich… Liebe Besucher, wo bleibt ihr?!
Setliste – Asenblut
- Intro
- Codex Gigas
- Die wild Jagd
- Seite an Seite
- Drachenborn
- Berserkerzorn
- Helden des ewigen Sturms
- 300
- Asenblut
Setliste – Varg
- Schildfront
- Schwertzeit
- Verräter
- Rán
- Fara Til Ránar
- Wildes Heer
- Blutaar
- Naglfar
- Phönix (Akustik-Version)
- 793
- Schildwall
- Streyfzug
- Zeichen
- Auf die Götter
- Wir sind die Wölfe