Familientreffen im Wasen
Drei Jahre Wartezeit sind vorbei – das Ice Rock lebt, der Wasen bebt!
Ice Rock – Donnerstag, 5. Januar 2023
Lange, viel zu lange mussten die Fans auf diesen Tag warten. Aus hinlänglich bekannten Gründen ist in den letzten beiden Jahren das legendäre Festival im Emmental ins Wasser gefallen. Doch nun, nach drei langen Jahren, ist es endlich wieder soweit: Es wird gerockt im Tal der heulenden Winde!
Milde Temperaturen sind vorherrschend, „Ice Rock“ wird seinem Namen – im Gegensatz zu früheren Jahren – nicht wirklich gerecht. Mir persönlich soll das recht sein… Ansonsten ist es wirklich fast wie ein Familientreffen. Man trifft unzählige Leute und Bekannte, die man teilweise auch schon lange nicht mehr gesehen hat. Wahre Begrüssungsorgien finden statt, erste Bierli (Burgdorfer!) werden vernichtet. Homecoming!
Scars Of Yesterday
Schon bald geht es auch mit Musik los. Scars Of Yesterday aus Biel haben die etwas undankbare und nicht gerade einfache Aufgabe, das Festival zu eröffnen. Die fünf Seeländer starten mit viel Elan und Power in ihren Auftritt. Allerdings muss ich zugeben, dass der Sound alles andere als mein Geschmack ist. Gemäss ihrer Homepage spielen die Jungs «hard and melodic Numetal». Nun weiss ich auch, warum mir das nicht so zusagt…
Mangelnden Einsatz kann man den Gewinnern eines Contests von Souls of Rock nicht vorwerfen. Und der eine oder andere Zuschauer wird vielleicht auch einfach mal nur wieder froh sein, hier Livemusik erleben zu können. Ich widme mich hingegen grad lieber dem sagenhaften Chili, welches mittlerweile so legendär ist wie das Festival selbst…
Ganz zum Ende packen Scars Of Yesterday noch einen Track aus, der mit fetten «Ohohoh»-Chören garniert ist. Was sogar bei mir noch etwas Fusswippen auslöst. Insgesamt darf man sagen, dass die Youngsters einen guten Job abliefern, und das wird auch entsprechend vom Publikum gewürdigt.
Setliste – Scars Of Yesterday
- Why Do You Bleed
- Old Black River Ghosts
- London’s 4 Wall
- Dead or Alive
- Another Day To Fight
- From Holding And Loosing
- I Scream
- Victimized
- The One Real Thing
- Behold Your Madness
- World’s First Breath
- Hillclimber
- Well Denied
Lacrimas Profundere
Stilwechsel. Und das im doppelten Sinne – denn vor der Show treffe ich Ilker Ersin, seines Zeichens ehemaliger Bassist der Happy Metaller Freedom Call. Heute zupft er die Saiten bei Lacrimas Profundere – einer Dark Gothic Band!
Musikalisch geht es also düster weiter. Ober Ice-Rocker Marco schwärmt von der Truppe und feiert sie entsprechend ab. Dann sind einige Fans aus Deutschland extra wegen dieses Quartetts in die Schweiz gereist: Eine treue Fanbase ist da ganz offensichtlich vorhanden! Hingegen können meine Lauscher mit diesem Sound nicht wirklich viel anfangen (wie überraschend…). Lichtmässig ist es – den Songs geschuldet – halt zudem recht dunkel, sodass auch Fotografieren zur Challenge wird. Ich verziehe mich nach draussen ans grosse Feuer und wärme mich da etwas auf, während drinnen die vorderen Reihen den Auftritt geniessen.
Setliste – Lacrimas Profundere
- To Disappear In You
- Celestite Woman
- Like Screams In Empty Halls
- A Cloak Woven Of Stars
- My Release In Pain
- Be Mine In Tears
- Mother Of Doom
- Remembrance Song
- Intro / Awake
- The Letter
- My Velvet Little Darkness
- The Kingdom Solicitude
- Unseen
- An Invisible Beginning
- Ave End
- Father Of Fate
- Million Ways To Die
Brainstorm
Für mich gab es ursprünglich aus musikalischer Sicht eigentlich zwei Hauptargumente für die Reise ins Emmental. Da aber Brainstorm und Mystic Prophecy leider nicht am gleichen Tag die Bühne rocken würden, musste ich mir wirklich gut überlegen, was ich tun soll. Dass später noch ein drittes Argument dazu kommt, hat den Entscheid dann massiv erleichtert… Jedenfalls sind die Schwaben um Fronter Andy B. Franck zumindest für mich DAS Zugpferd an diesem Ice Rock! Ihr Auftritt anno 2015, als sie nach dem Panzer namens Morgana Lefay eine ebenso starke Leistung zeigten, ist absolut unvergessen. Somit: Her mit einer Neuauflage! Ladies and Gentlemen: Brainstorm!
„Wall Of Skulls“ heisst das aktuelle Album der Süddeutschen – nicht nur in meinen Ohren ein weiteres Meisterwerk (Review), welches durchaus auf Augenhöhe mit „Liquid Monster“ oder „Firesoul“ anzusiedeln ist. Auch der Vorgänger „Midnight Ghost“ ist alles andere als von schlechten Eltern. Da überrascht es schlussendlich wenig, dass weit über die Hälfte des nun folgenden Programmes von diesen Scheiben stammt. „Where Ravens Fly“ markiert den Beginn, gefolgt von einem ersten Klassiker in Form von „Worlds Are Comin’ Through“. Die Stimmung bei den Fans ist bereits hervorragend, schon jetzt gibt es kaum Zweifel, dass auch dieser Auftritt ein Triumphzug wird.
Diese Show ist übrigens auch aus einem anderen Grund speziell. Denn wenn es nicht das Ice Rock wäre, hätte die Band vielleicht sogar abgesagt… Sänger Andy wurde knappe zwei Wochen zuvor an der Leiste operiert und wäre im Prinzip gar nicht „livefähig“ an diesem Tag. Doch für DIESES Festival und dessen Fans nimmt man vieles in Kauf! Sicher, man merkt es dem sympathischen Fronter an, dass er mit angezogener Handbremse unterwegs ist. Rumrennen und hüpfen wie ein junges Reh ist halt schlicht nicht möglich. Singen hingegen funktioniert tadellos!
Der Rest der Band muss jetzt halt etwas mehr Gas geben und die fehlende Action von Andy kompensieren. Dies macht vor allem Gitarrist Milan Loncaric, der seine Matte fast ununterbrochen kreisen lässt. Auch der Tieftöner-Neuzugang Andreas Armbruster zeigt sich sehr agil, während der andere Gitarrist Torsten Ihlenfeld zufrieden lächelnd Mr. Cool markiert. Angetrieben wird die Truppe von Dieter Bernet, der darf hier natürlich nicht unerwähnt bleiben. Er kriegt bei „Highs Without Lows“ sogar noch ein paar Minuten, um seine Drumkünste zu zeigen.
Ich hab’s schon angetönt: Der Fokus in der Setliste liegt auf den beiden letzten Alben. Und da finden sich zu meiner grenzenlosen Freude (Dutti würde wohl von „Eskalation“ reden…) meine beiden Favoriten „Glory Disappears“ und „Jeanne Boulet (1764)“. Einfach fantastisch und eine tolle Alternative, wenn schon „Firesoul“ komplett ignoriert wird… Auch „Escape The Silence“ sowie das grandiose „Shiva’s Tears“ darf man problemlos zu den Highlights zählen.
„All Those Words“. Muss man mehr sagen? Kaum. DIE Bandhymne schlechthin, ein Brainstorm Konzert ohne diesen Track wäre kein echtes Konzert! Das Publikum feiert und singt, auch Metal Factory Kollege Dani Köbeli lässt sich zum Hüpfen hinreissen. Der Song ist längstens zu Ende, doch die Fans singen unermüdlich weiter und weiter. Herrlich! Andy ernennt „All Those Words“ kurzerhand zur „Ice Rock Hymne“ und bittet die Fans mit schelmischem Grinsen, dass man bitte schön in 24 respektive 48 Stunden ebendiese Hymne wieder anstimmen möge. Auf die Gesichter der jeweiligen Musiker wäre nicht nur er gespannt…
„Ravenous Minds“ bildet nach 90 rasend schnell vergangenen Minuten das Finale. Ice-Rock Master Fridu hingegen hat noch nicht genug, genauso wenig wie die Fans. So lassen sich Brainstorm dann auch, ohne allzu grossen Widerstand zu leisten, überreden und spielen mit „End In Sorrow“ noch einen eigentlich ungeplanten Titel. Dann ist aber endgültig Schluss, und die fünf Schwaben lassen sich verdientermassen ein letztes Mal richtig feiern. Brainstorm live – einfach immer eine Wucht!
Setliste – Brainstorm
- Where Ravens Fly
- Worlds Are Comin‘ Through
- Devil’s Eye
- Shiva’s Tears
- Glory Disappears
- Highs Without Lows
- The Pyre
- Jeanne Boulet (1764)
- Bass Solo
- Escape The Silence
- Turn Off The Light
- Guitar Solo
- All Those Words
- Ravenous Minds
- End In Sorrow*
*Zugabe
Emerald
Rausschmeisser am Donnerstagabend – das ist irgendwie nicht gerade der Job, den man sich als Band wünscht. Und als Fan denkt man, dass gerade diese Kapelle ein prima Einheizer für Brainstorm wäre. Nun gut – Emerald sind keine Greenhörner und machen aus jeder Situation das Beste. Als sie kurz vor Mitternacht die Bühne entern, sind nach wie vor erfreulich viele Fans anwesend. Dieses Durchhaltevermögen nach dem Headliner ist auch nicht unbedingt selbstverständlich.
Zu meiner Schande muss ich gestehen: Meine letzte Begegnung mit den Freiburgern liegt einige Zeit zurück. Und war an dieser Stätte – dem Ice Rock! Vor fast auf den Tag genau fünf Jahren… Kein Wunder, dass ich mich enorm auf diese Show gefreut habe: Emerald sind schlussendlich nämlich genau das dritte Hauptargument für meine Anwesenheit…
Ihre zwei letzten Alben „Reckoning Day“ und „Restless Souls“ hat das Sixpack 2017 und 2019 innert zwei Jahren rausgehauen. Seither wartet der geneigte Zuhörer sehnlichst auf neues Material. Allerdings hatten Emerald, wie so viele andere Bands auch, in den letzten zwei Jahren vor allem live-mässig hartes Brot zu essen. Nur wenige Shows konnten überhaupt gespielt werden. Von daher ist es zumindest mir mehr als recht, dass ich heute endlich in den Genuss von Tracks wie „Digital Slavery“ oder „Freakshow“ komme. Live Premiere.
Zu Beginn gibt es allerdings „Only The Reaper wins“ auf die Löffel, den Opener von „Reckoning Day“. Fronter Mace beeindruckt da grad das erste Mal mit einem markerschütternden Schrei, die ganze Band kann zudem ihre Spielfreude nicht verbergen. Die fünf Kerle plus ihre Bassistin Vanja haben sichtlich lange auf diesen Moment gewartet und geniessen die folgenden 75 Minuten so wie die Fans vor der Bühne.
Speziell Gitarrist Julien Menth drückt mächtig aufs Gaspedal und lässt seine Mähne fast nonstop propellern. Da bekommt man nur schon vom Zusehen die Nackenstarre… Drummer Al hat seine Grimassen-Fähigkeiten ebenfalls beibehalten, und im Vergleich zum Auftritt vor fünf Jahren zeigt sich auch Tieftönerin Vanja längst nicht mehr so schüchtern und zurückhaltend. Im Gegenteil, so liefert sie sich ab und zu Duelle mit dem anderen Sechsaiter Michael Vaucher und strahlt ansonsten immer sehr zufrieden ins Publikum.
Was ebenfalls auffällt: Viele Songs kommen einen deutlichen Zacken härter und vor allem schneller rüber als auf CD. (Ja, CD – nicht irgendwelches Streamingspotifyzeugs.. :-p ) Hier muss speziell „Cad Goddeau“ erwähnt werden. Sowieso mein Favorit auf „Restless Souls“ und in solch einem Live-Gewand wird das grad NOCH besser!
Nach der Show gibt es Leute, die meinen, dass Mace nicht in Bestform ist. Nun ja, zumindest scheint er stimmlich leicht angeschlagen zu sein (er schnappt sich ab und zu auch mal ein Ricola), aber irgendwie gibt seine etwas kratzigere Stimme dem ganzen Programm einen raueren Anstrich. Singen kann er jedenfalls problemlos!
Der musikalische Fokus liegt heute Abend natürlich bei den erwähnten letzten beiden Alben. Nach „Reckoning Day“ folgt ein Quartett vom aktuellen Silberling „Restless Souls. Darin befinden sich mit dem schnellen „Digital Slavery“, dem göttlichen und bereits erwähnten „Cad Goddeau“ sowie „Son Of Sam“ drei der besten Songs davon. Wenn ich so eine Matte hätte wie Julien, ich würde sie in diesen Momenten auch propellern lassen…
Wie war jetzt das übrigens mit dem „neuen Material“? „One Moment Of Freedom“ heisst ein Titel, und das ist nun tatsächlich neues Ohrfutter. Ein Urteil nach einmaligem Hören ist natürlich kaum möglich, aber schlecht ist das keinesfalls. Gerne mehr davon – es darf auch bald sein…
Mit „Tears Of A Warrior“ graben Emerald dann tief in der Mottenkiste herum. Und ich merke wieder einmal, dass mir noch einiges aus dem Backkatalog der Truppe fehlt… Mit dem saugeilen „Freakshow“ und der Hymne „Horns Up“ geht die Show dann langsam Richtung Ziellinie. Und da kommt dann prompt noch eine Cover-Version zum Zuge. Ich bin da ja generell nicht sooo der Fan davon (vor allem dann, wenn eine Band eigentlich genügend eigenes Material hätte). Aber Maidens „Wasted Years“ geht halt eigentlich schon immer. Grossartiger Track und äussert stark gespielt. Das passt schon so…
Wie eigentlich bei allen anderen Acts kommt Mastermind Fridu auf die Bühne, heizt das Publikum nochmals an und überredet die Band zu einem weiteren Song. Und hier wird grad nochmals richtig in der Vergangenheit gewühlt: „Revenge“ stammt vom 2007er Album „Hymns Of Steel“ (wurde als Bonus Track für „Restless Souls“ neu eingespielt) und bildet einen knallharten Abschluss sowohl der Show wie auch des ersten Ice Rock Tages.
Setliste – Emerald
- Only the Reaper Wins
- Reckoning Day
- Digital Slavery
- Cad Goddeau
- My Final Stand
- Son of Sam
- One Moment of Freedom
- Tears of a Warrior
- Freakshow
- Horns Up
- Wasted Years
- Revenge*
*Zugabe
Fotos Ice Rock 2023 – Tag 1 – Donnerstag (Kaufi)
Ice Rock – Freitag, 6. Januar
Chillig. Das trifft auf den Tagesablauf am Freitag zu. Übermüdet zum Frühstück, bald darauf bereits wieder mit vielen Kollegen am Mittagstisch (auch nach dem dritten Bier bin ich mir noch unschlüssig, ob es eine gute Idee ist – also das mit dem Bier…) und plötzlich ist schon später Nachmittag. Heisst langsam Kamera schnappen und schon geht’s per Shuttle wieder Richtung Festival. Tag zwei darf kommen!
Royal Desolation
Fridu lässt es sich nicht nehmen, die erste Band des Tages anzusagen. Er erzählt von einem Jungen aus der Gegend, der seit Jahren immer am Ice Rock war (obwohl eigentlich zu jung…). Der Junge erhielt damals das Versprechen, wenn er eines Tages eine eigene Band hat, darf er am Ice Rock spielen. Und heute ist es soweit: Schlagzeuger Gregroy Birrer darf mit seiner Truppe die Bühne im Wasen rocken!
Als ich den fünf Jungs kurz vor Beginn über den Weg laufe, ahne ich Schlimmes. Zumal ich miterlebe, wie der blutverschmierte Frontmann Raphael Schenk seine Stimmbänder aufwärmt… Und ja: Meine Befürchtungen werden wahr. Metalcore ist angesagt. Bekanntlich überhaupt nicht meine Baustelle… (Im Gegensatz zu Kollege Domi the Stick, welcher grossen Plausch hatte an der CD-Taufe … siehe Review). Musikalisch gibt es zwar sogar für meine verwöhnten Ohren ab und zu lichte Momente, aber der Gesang geht bei mir überhaupt nicht. Das wäre dann wieder die Geschichte mit „Geschmacksache“… Ergo: Ich widme mich dem Chilli, heute in der Kategorie „exxxxtra scharf“…
Royal Desolation sind zweifellos die härteste (oder extremste?) Band, die ich jemals am Ice Rock erlebt habe. Man kann dem Quintett fehlenden Einsatz nicht absprechen, im Gegenteil. Hier wird mit unbändiger Energie agiert. Und obwohl dieser Sound insgesamt doch recht untypisch für dieses Festival ist, gibt es überraschend gute Publikumsreaktionen. Insofern: Alles richtig gemacht! Die Jungs selber entpuppen sich später dann selbst als grosse Fans und sind praktisch immer vor der Bühne anzutreffen.
Setliste Royal Desolation
- Killer And Monster
- Schizophrenia
- Dead Inside
- Unbreakable
- Army Of Desolation
- Puppet Dance
- Drum Solo
- Lost In The Day
- One Of A Kind
- Downfall
- Runaway
- We Will Not Fall
- Kosmophobia
- Fire
Nitrogods
Stilbruch: Jetzt kommt eine Band, die passt ans Ice Rock wie die berühmte Faust aufs Auge. Das deutsche Trio Nitrogods war bereits 2014 im Wasen zu Gast und hat damals gemäss Fridu als Rausschmeisser den Laden komplett zerlegt. (Ich frage mich grade, wie oft der Laden hier in all den Jahren wieder aufgebaut werden musste nach all den Zerlegungen von Bands wie Morgana Lefay, Brainstorm, Dream Evil, Damien Wilson, Nitrogods…)
Henny Wolter, Oimel Larcher und Klaus Sperling sind keine Kinder von Traurigkeit. Das wird von der ersten Sekunde an klar. Die drei rotzen sofort richtig los und machen gleich prima Stimmung. Musikalisch geht’s in die Richtung Motörhead oder Rose Tattoo – beides Bands, mit denen ich mich allerdings nicht so sehr auskenne.
Die gute Laune der drei Deutschen steckt jedenfalls an, selbst wenn man die Songs nicht wirklich kennt. Dabei sind sie durch und durch authentisch. No Bullshit, just pure Rock’n’Roll – das Motto kauft man den Herren sofort ab. Das fällt ganz speziell auch bei „Lipsynch Stars“ auf, als Drummer Klaus nach vorne kommt und den Takt auf einer leeren Bierflasche angibt. Humor kommt hier wahrlich nicht zu kurz.
Gute 75 Minuten haben die Nitrogods Zeit, ihren rotzigen Rock auf die Meute loszulassen. Die äusserst zahlreich anwesenden Zuschauer danken es ihnen mit einer tollen Stimmung. Und selbstverständlich schafft es Fridu, auch den Deutschen noch eine nicht geplante Zugabe aufzuschwatzen! Sie lassen sich da ebenfalls nicht lange bitten und bringen ein Cover. Natürlich von Motörhead – denn das passt in diesem Moment bei dieser Band logischerweise perfekt.
Setliste – Nitrogods
- Black Car Driving Man
- Rebel Dayz
- Breaking Loose
- At Least I’m Drunk
- Lipsynch Stars
- Rats & Rumours
- Back Home
- Boogeyman
- Blind As A Stone
- Damn Right (They Call It Rock’n’Roll)
- Rancid Rock
- Take It To The Highway
- Get Lost
- The Haze
- Whiskey Wonderland
- Wasted In Berlin
- Overkill*
*Zugabe
Mystic Prophecy
Zeit für den persönlichen Hauptgrund Nummer 3 meines Besuchs. Wieder eine Band, bei der man aufgrund der Historie Fragezeichen im Gesicht bekommt, warum die nicht deutlich grösser sind. Mystic Prophecy veröffentlichen nämlich seit Jahren konstant hochklassige Alben, feinster Power- / Heavy Metal mit gelegentlichen Ausflügen in thrashigere Gefilde.
Heute feiert die Truppe um Bandleader R.D. Liapakis ihr Ice Rock Debüt. Und was man so hört, freuen sich da nicht nur die Fans darüber – auch die Band selbst kann es offenbar kaum abwarten! Beste Vorzeichen für einen grossartigen Headliner-Auftritt sind gegeben.
Mit dem göttlichen Stampfer „Metal Divison“ setzen die Deutschen gleich mal ein erstes riesengrosses Ausrufezeichen, an das sich mein Nacken noch Tage später erinnern wird. Und mit „Burning Out“ wird gleich im Anschluss das Gaspedal ein erstes Mal komplett durchgedrückt. Ganz vorne am Bühnenrand findet man übrigens wieder die Jungs von Royal Desolation, welche – immer noch geschminkt – zusammen mit den übrigen Fans feiern. Netterweise lassen sie zwischendurch dann auch den Knipser durch, damit der seine Arbeit machen kann. Danke! 🙂
Als Nervensäge hingegen entpuppt sich ein Zuschauer, der dauernd mit einem riesigen Staubwedel herumläuft und mit dem Ding teilweise den Musikern an den Instrumenten oder gar im Gesicht rumwedelt. Auch den Fotografen wird immer wieder das Teil vor die Linse gehalten. Bassistin Joey Roxx ist ebenfalls mehrfach Opfer und findet das sichtlich uncool. Muss nicht sein, solches Zeugs. Zum Glück verschwindet die Person irgendwann nach hinten.
Währenddessen trumpft Fronter Lia – für einmal ohne Hut, dafür mit Sonnenbrille – mit coolen und humorvollen Ansagen auf. So widmet er „The Crucifix“ dem anwesenden Pfarrer im Publikum (ob der wirklich da ist, wissen die ääähm: Götter…). Und vor „We Kill! You Die!“ muss die Textsicherheit des Publikums getestet werden. Schwierige Texte halt…
Das Programm ist gespickt mit Highlights. „Killhammer“ stampft alles nieder (oh weh, schon wieder muss neu aufgebaut werden…), genauso wie der Klassiker „Savage Souls“. Das bereits erwähnte „The Crucifix“ ist (zumindest in meinen Ohren) eh etwas vom geilsten, was Mystic Prophecy je gemacht haben.
Ein Blickfang ist einmal mehr Gitarrist Markus Pohl. Immer wieder beeindruckend, mit welcher Power der Kerl agiert, welche „Turnübungen“ der macht. Und dabei gnadenlose Riffgewitter aus seinen Saiten donnert. Auf der anderen Seite der Bühne überzeugt Joey nicht nur mit den tiefen Tönen aus ihrem Bass, sondern auch mit ebensolchen aus ihrer Kehle, die bei einigen Songs für böse Inputs sorgen.
Kommen wir zu meinem „Lieblingsthema“: Coverversionen. Auch Mystic Prophecy haben wiederum einen Track im Programm, der keine Eigenkreation ist. ABER: „Shadows On The Wall“ ist a) nicht sowas Ausgelutschtes wie „Breakin‘ The Law“ oder „Ace Of Spades“ und b) knallhart und grossartig gespielt. Insofern habe sogar ich grossen Spass daran… Doch das wahre Highlight ist die Ansage dazu von Lia. Er erklärt, dass der Song älter ist als fast alle anderen in der Band. Und wundert sich, dass so viele im Publikum den offenbar kennen. „Ihr lügt, so alt seid ihr doch nicht!“ Doch dann relativiert er: „Vielleicht doch? Man sieht kaum Handys in der Luft! Das ist super so, man geht an Rockkonzerte, um sie zu geniessen!“ Klare Sache – DIE Ansage des Wochenendes!
Irgendwie rast die Zeit, viel zu schnell sind die 90 Minuten rum. Nach „Metal Brigade“ erscheint bereits wieder das Ice Rock Oberhaupt mit der Forderung nach mehr. Mit dem schlicht grandiosen „Ravenlord“ beenden Mystic Prophecy die Show. Und wieder wurde der ganze Laden einfach abgerissen – schlichtweg grossartig!
Setliste – Mystic Prophecy
- Metal Division
- Burning Out
- Killhammer
- Kill the Beast
- The Crucifix
- We Kill! You Die!
- Hail to the King
- Savage Souls
- War Panzer
- Shadow on the Wall
- Dracula
- Eye to Eye
- Metal Brigade
- Ravenlord*
*Zugabe
XII Gallon Overdose
Einer geht noch. Heute sind das die Winterthurer XII Gallon Overdose. Sie haben die Aufgabe, die (erfreulicherweise immer noch zahlreich) verbleibenden Zuschauer nochmals zu unterhalten und am besten auch grad etwas zum Bierchen trinken zu animieren. Mit ihrer Mucke – kein Problem!
Von der Truppe (meines Wissens ein Dutti-Fave) hab ich schon einiges gehört, und zwar nur Gutes. So bin ich gespannt auf die persönliche Live Premiere. Im Gegensatz zu den Nitrogods ist der Rotz’n’Roll der zwölften Gallone stilistisch deutlich an Airbourne angelehnt. Das ist dann auch eher meine Baustelle! Das Quintett sprüht nur so von Energie, auch hier sind Parallelen zu den Australiern nicht von der Hand zu weisen.
Auffällig ist vor allem Fronter Angry Z und sein sehr ramponiert aussehender Mikrofonständer. Der wird ja irgendwie fast nur von Klebeband zusammengehalten… So wie der Sänger damit umspringt, ist das allerdings auch kein grosses Wunder!
Mit dem Songmaterial bin ich allerdings nicht wirklich vertraut. Doch Titel wie „Bang Your Head“, „Booze Abuse“ oder auch „Damn Hot“ zeigen schon, was man hier vor den Latz geknallt bekommt. Das macht mächtig Laune zum Abschluss des zweiten Tages. Zwischendurch kommt Pedro auch mal ins Plaudern. Das nutzt der Rest der Band dann jeweils, um sich hinter der Bühne kurz mit Bier zu verpflegen…
Nach „Bloodbound To Rock“ packen die Winterthurer mit „Big Dog“ noch einen alten Song aus, den sie „irgendwie gar nicht so mögen, aber irgendwie halt doch!“ Als letzte Band sind die Jungs hier dann nicht wirklich an eine zeitliche Grenze gefesselt. Das abschliessende „No Pain, No Gain, No Rock’n’Roll“ wird dann allerdings so sehr in die Länge gezogen (über zehn Minuten…), dass es nach einer gewissen Zeit recht eintönig wirkt. In diesem Fall wäre etwas weniger sicher mehr gewesen.
Nichtsdestotrotz zeigen die Eulachstädter insgesamt eine saustarke Performance, diese Truppe sehe ich mir sehr gerne wieder an! Dutti, kommsch mit??
Setliste – XII Gallon Overdose
- Bang Your Head
- Hellelevator
- Booze Abuse
- Baby Gone Bad
- Damn Hot
- Roll The Rock
- Out Of Fuel
- Heavy Load Rolling
- Bad Blood
- Running Hig
- Bloodbound To Rock
- Big Dog
- No Pain, No Gain, No Rock’n‘Roll
Kurz vor 1 Uhr morgens warten wir in bitterer Kälte (so viel zu den eingangs erwähnten „milden Temperaturen“…) auf den Shuttle Bus nach Sumiswald. Für mich heisst es relativ früh am nächsten (oder besser gesagt: später an diesem) Morgen dann schon „Heimweg“. Den dritten Tag verpasse ich leider aus verschiedenen privaten Gründen. Doch was man aus dem Kollegenkreis hört, so ist es am Samstag a) so voll wie selten und b) überzeugen vor allem Atlantean Kodex und Pink Cream 69 mit ihren Auftritten.
Das Fanzit – Ice Rock 2023
Das Ice Rock ist und bleibt ein ganz spezieller Anlass in der alljährlich wachsenden Festival-Welt. Die Atmosphäre sucht ihresgleichen, musikalisch gibt es sowohl etablierte Bands wie auch Nachwuchs zu sehen und hören. Und alle sind sie bis in die Haarspitzen motiviert, den Fans eine tolle Show zu bieten. Welchen Stellenwert dieser Anlass bei den Musikern hat, zeigt sich zweifellos auch an der erwähnten Geschichte von Brainstorm!
Mit Scars Of Yesterday und Royal Desolation sind dieses Jahr zudem zwei eher Ice-Rock-untypische Bands am Start, doch auch die konnten die Fans begeistern. Die Abräumer sind schlussendlich dann halt dennoch die gestandenen Truppen wie Brainstorm und Mystic Prophecy, die ihren Headliner Status hier absolut rechtfertigen.
Man darf gespannt sein, welche Wunsch- und anderen Bands das Duo Fridu & Marco für 2024 aus dem Hut zaubern wird! Zum 20-Jährigen gibt’s hoffentlich schon die eine oder andere Überraschung… Wer hat hier grad „Morgana Lefay“ gerufen?? Das Datum steht übrigens fest! Am 4. bis 6. Januar heisst es wieder: „Isch das öppis gsii?“