Viva la evolution!
Xtasy zählen spätestens seit ihrer dritten Scheibe „Eye Of The Storm“ (zur Review) zu den erfolgreichsten HardRock-Exporten Spanien. Nach einer zweigeteilten Tour durch mehrere Länder Europas – sowie diversen weiteren Auftritten – laufen die Arbeiten zum Folgealbum bereits auf Hochtouren.
In einem munteren Frage-Antwort-PingPong per E-Mail habe ich mich mit Bandleader und Gitarrist Jorge Olloqui über die Konzertreihe des vergangenen Jahres, den nicht immer einfachen Spagat zwischen Familie, Beruf und Musik, die Arbeiten am kommenden Album sowie die ebenfalls geplante Live-CD/DVD unterhalten. Que te diviertas!!
Metalinside.ch (Sandro): Hallo Jorge. Vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, meine Fragen zu beantworten!
Jorge: Immer sehr gerne, Sandro!
MI: Der Jahreswechsel liegt noch nicht allzu lange zurück – hast du einen besonderen Vorsatz gefasst oder generell einen Wunsch für das neue Jahr?
Jorge: Zuallererst hoffe ich, dass alle wohlauf sind und sämtliche Kriege auf dieser Welt so schnell wie möglich ein Ende finden mögen. Dass einfach alle in Frieden und ohne Angst leben. Und es wäre grossartig, wenn wir alle das Beste aus uns herausholen und es an den Rest der Menschen weitergeben könnten.
Ein Rückblick auf das vergangene Jahr
MI: Wenn ihr auf eure zweigeteilte Tournee sowie die zahlreichen anderen Shows im letzten Jahr zurückblickt: Welches Gefühl nimmst du mit, was waren deine ganz speziellen Highlights?
Jorge: Für Xtasy war 2022 ein fantastisches Jahr, in welchem wir unter anderem unsere bisher grösste und mit Garantie auch lustigste Tournee durchgezogen haben. Zudem sind wir zum ersten Mal überhaupt ausserhalb unserer Heimat Spanien als Headliner aufgetreten. Und wir sind natürlich auch sehr stolz auf unser neues Line-Up, welches meiner Ansicht nach besser als je zuvor performt hat! Wer dabei war, sah auf der Bühne eine „Band on fire“, und das erfüllt mich mit enorm viel Stolz!
Und betreffend Highlights… es gab so viele davon, dass es schier unmöglich ist, jetzt das eine oder andere herauszupicken. Natürlich war es wie immer grossartig, im Z7 in Pratteln spielen, oder zusammen mit Eclipse respektive Hardline die Bühne teilen zu dürfen! Plus auf jeden Fall dann auch noch die Gigs in Vitoria und Pamplona (unserer Heimatstadt) im Herbst, wo wir die Gelegenheit ergriffen haben, beide Shows für eine Live-DVD mitzuschneiden.
MI: Nebst eurem Heimatland Spanien seid ihr auch in Deutschland, Belgien und der Schweiz aufgetreten. Warum diese Länder, warum die Schweiz?
Jorge: Und in den Niederlanden! Weisst du, das höchste Ziel von uns als Band ist es stets, weiter zu wachsen und an so vielen Orten wie nur möglich auf dieser Welt zu spielen. Im vergangenen Jahr bot sich uns die Gelegenheit, in diesen vier Ländern aufzutreten. Eigentlich waren im Oktober auch noch Auftritte in der Tschechischen Republik und der Slowakei geplant, aber aufgrund des Krieges und der hohen Preise wurden einige Venues geschlossen und die Konzerte leider abgesagt.
Wie du vielleicht weisst, führten uns in der Vergangenheit unsere ersten drei Tourneen als Supporting Act von Eclipse, Ammunition und Hardline durch Deutschland und die Schweiz. Dadurch haben wir einige unserer grössten und treuesten Fans gewinnen können. Das war quasi die Tür, die wir aufgestossen haben, um in den genannten Ländern zu spielen. Und ich hoffe, dass dann mit unserem nächsten Album noch einige mehr dazukommen werden!
MI: Wie wirkt sich eine solche Tour eigentlich finanziell für euch aus?
Jorge: Ich will da nichts schönreden: Es hängt entscheidend davon ab, wie viele Tickets und Merchandising-Artikel man verkauft. Aber wenn du wachsen möchtest, dann musst du zunächst einmal die Saat ausbringen, investieren, bevor du die erhofften Früchte ernten kannst. Wir haben dies ja bereits früher getan, als wir als Vorband auf Tour waren, und nun ergab sich die Gelegenheit, unsere eigenen Shows zu spielen und alles weiter zu optimieren.
MI: Ist Musik für euch eigentlich eher Beruf oder Hobby?
Jorge: Das hängt sehr davon ab, welches Mitglied der Band du nimmst. Für Carles (Salse; Gitarre) und Abel (Sequera; Schlagzeug) ist die Musik zu 100% ihr Beruf. Neben seinen Live-Auftritten besitzt Carles ein eigenes Studio, Abel ist Klavier- und Schlagzeuglehrer an der grössten Musikschule in Barcelona.
Bei Johnny (Kerchief; Bass) sind es so 50%, den Rest füllt er mit flexiblen Jobs aus. Silvia ist als Coach tätig, und bei mir… Das ist schwierig in Zahlen zu fassen, da ich nicht nur spiele, sondern auch als Live-Tontechniker für andere Bands arbeite, mein eigenes Studio habe und zu 50% eine Booking-Agentur in Spanien besitze. Ausserhalb der Musik arbeite ich zudem als Elektronikingenieur in einer Autofabrik. Und obendrauf bin ich noch Fussballtrainer der Kinder in der Schule. Also frag mich bitte nicht, was ich so in meiner Freizeit tue 😉
MI: In welchen weiteren Formationen sind die anderen Mitglieder von Xtasy sonst noch aktiv?
Jorge: Nun, alle drei spielen mit Elisa C. Martin zusammen, das ist die ehemalige Sängerin der Band Dark Moor.
Abel ist zudem auch bei Deathkeepers mit dabei, bei welchen Michael Vescera als Leadsänger tätig ist. Darüber hinaus hat er ein eigenes, instrumentales, progressives Soloprojekt namens „Soundscapes“ am Laufen, welches im März 2023 das erste Album veröffentlichen wird. Und er ist zudem noch als Studiomusiker tätig.
Carles ist Gitarrist bei zwei spanischen Bands namens Khilmara und Döria. Wobei ich glaube gehört zu haben, dass sie den Namen zur nächsten Scheibe hin ändern werden.
Und Johnny spielt in einer spanischen Punkrock-Band namens „Descantillers“.
MI: Wie handhabt ihr das, wenn ihr auf Tournee geht? Gibt es da nie Überschneidungen?
Jorge: Nun, wir versuchen, das Ganze möglichst weit im Voraus zu planen – meistens so sechs bis neun Monate, bevor wir Gigs oder eine Tournee haben. Das funktioniert in der Regel eigentlich ganz gut. Zudem ist Xtasy für alle die Hauptband und hat Vorrang, was zumindest für uns die Sache etwas einfacher macht.
MI: Silvia und du habt ja Kinder. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht immer einfach ist, all eure Aktivitäten und die Familie unter einen Hut zu bringen.
Jorge: Ja, das ist in der Tat der schwierigste Teil bei der Planung. Unsere Kinder sind sechs und neun Jahre alt. Folglich können wir sie nicht einfach alleine lassen, wenn wir auf Tour gehen. Sie verstehen aber, dass es unser Beruf ist und wir ihn machen müssen. Zudem haben wir das Glück, dass Silvias wie auch meine Eltern gesund sind und uns bei allem sehr gut unterstützen. Und wenn wir einmal in Spanien in der Nähe unserer Heimatstadt spielen, so kommen die Kinder immer mit uns zur Show. Sie lieben es, Teil des Xtasy-Teams zu sein, was für uns immer auch sehr lustig ist.
MI: Du hast vorhin erwähnt, dass Silvia auch als Coach tätig ist – in welchem Bereich?
Jorge: Sie betreut Frauen und Männer, denen das Selbstvertrauen fehlt. Besonders auch Mütter, welche Kinder haben, aber keine Zeit, um sich genügend um sie zu kümmern. Oder einfach generell nicht wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen, wie sie es meistern sollen.
MI: Klingt spannend! Wie ist sie dazu gekommen bzw. was für eine Ausbildung hat sie dafür gemacht?
Jorge: Silvia war früher in der Pharmabranche tätig, war aber mit ihrem Beruf nie wirklich glücklich und wollte sich neu orientieren. Sie hat dann während drei Jahren viele Kurse und auch Masterstudiengänge besucht. Ihr neuer Job gefällt ihr nun sehr gut, da sie dadurch vielen Menschen dabei helfen kann, sich beziehungsweise ihre Lebensumstände zu verbessern und das Leben wieder geniessen zu können.
Neue Songs, neues Album
MI: Bei unserem letzten Treffen hast du erwähnt, dass ihr bereits einige Ideen für ein nächstes Album sammelt. Wann habt ihr damit angefangen, und wie weit sind die Arbeiten daran bereits fortgeschritten?
Jorge: Effektiv habe ich so Ende 2020 mit der Arbeit an den ersten Demos begonnen. Aktuell sind wir nun daran, konkret die Songs für das nächste Album zusammenzustellen. Dieses Mal ist es ja so, dass nicht nur Silvia und ich uns um das Songwriting kümmern, sondern zum ersten Mal in der Geschichte von Xtasy die gesamte Band an neuen Klängen feilt.
Zum jetzigen Zeitpunkt haben wir so um die 15 Stücke beisammen, wovon noch nicht alle wirklich fertig ausgearbeitet sind. Aber wir sind schon weit genug, um Ende des Jahres ein neues Album präsentieren zu können. Im März fliegen wir dann nach Schweden, wo wir mit Erik Märtennson (Eclipse) in dessen Studio an der Fertigstellung der Songs arbeiten werden. Wenn alles klappt, können wir schätzungsweise im April/Mai mit den effektiven Aufnahmen starten.
MI: Wie du bereits erwähnt hast, ist neu die ganze Band in den Songwriting-Prozess eingebunden. Wie wirkt sich das auf die neuen Songs aus?
Jorge: Einfach fantastisch! Jeder steuert eigene Ideen bei und denkt aktiv mit, sodass sich die Songs gegenüber der ursprünglichen Version stets etwas verändern, noch besser werden. Es ist eine grossartige Erfahrung!
MI: Musstest du deswegen deine Arbeitsweise ändern?
Jorge: Eigentlich nicht, nein. Bereits beim letzten Album „Eye Of The Storm“ hat sich diesbezüglich unsere Zusammenarbeit mit Erik sehr ähnlich gestaltet: Wir sind mit den Original-Demos nach Schweden gefahren und haben dann dort an den Songs weitergearbeitet. Da wie gesagt nun die gesamte Band stark ins Songwriting involviert ist, befassen wir uns diesmal gleich zweimal mit den neuen Liedern, was der Qualität natürlich sehr zuträglich ist! Ich kann dir bereits jetzt versprechen, dass es die besten Tracks sein werden, die wir bisher geschrieben haben.
MI: Kannst du schon einschätzen, wie sehr sich die neuen Songs von denjenigen auf „Eye Of The Storm“ unterscheiden werden?
Jorge: Nicht allzu sehr, ehrlich gesagt. Wir werden unserem Stil da treu bleiben. Wir sind nach wie vor sehr stolz auf „Eye Of The Storm“ und denken, dass wir mit ebendiesem Album unseren Stil grundsätzlich gefunden haben. Also erwarte bitte keine totale Kehrtwende, was unseren Sound anbelangt.
MI: Du hast vorhin „Ende Jahr“ als ungefähren Termin für die Fertigstellung eurer neuen Platte genannt.
Jorge: Genau, Ende dieses Jahres oder anfangs 2024, das ist der Plan. Doch zuvor werden wir noch eine Live-CD/DVD von unserer letzten Tour veröffentlichen. Ihr dürft euch also gleich doppelt freuen.
MI: Weisst du schon, wann diese Live-Scheibe erscheinen wird?
Jorge: Leider noch nicht, nein. Wir werden das Ganze an ein paar Plattenfirmen schicken und schauen, ob wir mit jemandem einig werden. Falls nicht, planen wir, es so im Mai oder Juni zu veröffentlichen. Aber sehen wir mal, was passiert.
MI: Was macht dir bei der Produktion eines Albums generell am meisten Spass? Und was weniger?
Jorge: Am tollsten finde ich es, wenn wir jeweils nach Schweden ins Studio fahren, denn von jemandem wie Erik kann man einfach immer wieder was Neues lernen! Es ist lustig wie auch hart zugleich. Der langweiligste Part im gesamten Entstehungsprozess ist, alle Tracks zu exportieren und dabei ja nicht zu vergessen, sie an Erik für den Mix weiter zu schicken. Ich mache das immer selbst und ich hasse es wirklich, aber… jemand muss es ja tun.
Und sonst…
MI: Was war dein bisher tollstes Erlebnis mit Xtasy?
Jorge: Das war damals, als wir zum ersten Mal an einem grossen Festival in Spanien aufgetreten sind. Wir spielten zusammen mit Nightwish, W.A.S.P., Saxon und vielen anderen Bands, und es war einfach nur überwältigend: Mit ihnen im selben Backstagebereich abzuhängen und mit einigen unserer Idole ein Bierchen zu trinken.
MI: Was hat dich das Musikgeschäft gelehrt? Was würdest du rückblickend zu vermeiden versuchen?
Jorge: Du sagst es richtig: Musik-„Geschäft“! Eigentlich sind wir letztendlich zuallererst Musiker, aber gerade auch kleinere Bands wie Xtasy müssen über die Jahre hinweg dennoch viel über den geschäftlichen Teil lernen. Wir sind unsere eigenen Manager, Booking-Agenten, Fahrer, Road-Manager, einfach alles. Und wir geben unser Bestes, ständig dazuzulernen, es Mal für Mal besser zu machen und ob alledem nicht den Spass zu verlieren.
MI: Wieso sprichst du eigentlich auch Deutsch?
Jorge: Das hängt mit meinem „normalen“ Job ausserhalb der Musik zusammen. Ich bin für eine deutsche Firma tätig und habe früher mal sieben Jahre lang in Norddeutschland gelebt und gearbeitet.
MI: Wenn du die Möglichkeit hättest, die Rolle in einem Film zu übernehmen, welche würdest du wählen und warum?
Jorge: Uff, eine schwierige Frage, auf die ich irgendwie gerade keine Antwort parat habe… Ich denke, am liebsten würde ich jemanden spielen, der anderen hilft. Ich bin der Überzeugung, dass das Leben wundervoll ist! Und daher finde ich es wichtig, andere zu unterstützen. Einfach kleine Dinge zu tun, die anderen Menschen helfen, glücklich zu sein.
MI: Und wenn du konkret eine Rolle, einen Film herausgreifen müsstest? (Clémentine Delauney von Visions Of Atlantis nannte anno 2020 „Fluch der Karibik“ – nun, zwei Jahre später veröffentlichten sie ihr Album „Pirates“, also überlege dir deine Antwort gut *g*)
Jorge: Dann fiele meine Wahl wohl auf den französischen Film „Intouchables“ (dt.: „Ziemlich beste Freunde“), welcher mir persönlich sehr gut gefallen hat. Er basiert auf einer wahren Geschichte und zeigt sehr schön, wie man sich auf persönlicher Ebene verbessern, weiterentwickeln kann. Ich würde mich da in der Rolle von Omar Sy sehen. Falls du den Streifen noch nicht gesehen hast, musst du ihn dir unbedingt anschauen. Es gibt darin auch viel zu lachen.
MI: Jorge, vielen Dank, dass du dir Zeit für die Fragen genommen hast! Ich bin bereits sehr auf die Live-DVD sowie natürlich euer nächstes Studio-Album gespannt! Man sieht sich!
Jorge: Immer sehr gerne, Sandro! Und vielen Dank für deine Unterstützung! Eine grosse Umarmung aus Spanien und Prost!