Vierfache Power!
Stell dir vor, im Z7 findet eine sackstarke Veranstaltung aus dem powermetallischen Bereich statt – und kein Schwein geht hin…! Bedauerlicherweise traf diese Aussage am letzten Donnerstag ziemlich ins Schwarze. Der Publikumsaufmarsch bei Bloodbound & Co. war erschreckend dürftig. Dafür konnten immerhin sämtliche Bands trotzdem überzeugende Leistungen abrufen.
Dutti: Im erst gerade gestarteten Monat März (jep, die Zeit rast effektiv schon wieder unaufhaltsam) hat die Prattelner Konzertfabrik gleich ein Quartett an tollen Events im Angebot. Einer davon dürfte primär Anhänger von Power Metal und Gruppen aus dem skandinavischen Raum befriedigen – und genau diesem wohnen wir heute Abend bei! «Mit-Metalinsider» Kaufi wird im Fotograben Stellung beziehen (Anm. Kaufi: Der übrigens so voll ist, wie selten!), während ich mich lieber wie gewohnt unmittelbar in der Nähe meines «Dutti-Pfostens» aufhalte.
Bloodbound aus Schweden führen das Line-Up an. Die Truppe rund um Patrik J. Selleby – den Frontmann mit den kleinen Teufelshörnchen auf dem Schädel – ist auch schon seit bald zwei Dekaden in der Szene aktiv. Mit der aktuellen Tour soll die 2021er-Scheibe «Creatures Of The Dark Realm» würdevoll angepriesen werden (das Nachfolge-Eisen «Tales From The North» steht übrigens ebenfalls in den Startlöchern und soll Anfang Juli dieses Jahres auf den Markt kommen).
Die ursprünglich entworfenen Pläne für die Feierlichkeiten mussten aus den bekannten Gründen leider immer wieder verschoben werden… Darunter hat auch die Zusammenstellung der Vorgruppen heftig gelitten, denn diese musste komplett über den Haufen geworfen werden. Glücklicherweise kann sich die neu zusammengewürfelte Konstellation hundertprozentig sehen (und hören) lassen. Arion, deren Sound mir bereits geläufig ist, sind ebenso wie NorthTale und Tungsten am Start. Da ausserdem die Wetziker Ruhmeshalle «Hall Of Fame» vor kurzem traurigerweise ihre Pforten für immer geschlossen hat, musste der gesamte Tross gezwungenermassen ins Z7 ausweichen. Ein herber Verlust für das Zürcher Oberland, aber Pratteln ist nichtsdestotrotz eine absolut perfekte Alternative.
Tungsten
Dutti: Beim Opener Tungsten handelt es sich sozusagen um den «Johansson-Familienbetrieb». Hinter der Schiessbude sitzt Vater Anders, der unter anderem auch schon stolze 15 Jahre für die mächtigen HammerFall auf die Felle geklopft hat. Die Saiteninstrumente werden von seinen beiden Söhnen bespielt. Nick kümmert sich um die Gitarre, während Karl den Tieftöner hütet. Am Mikrofon steht mit Michael Andersson das einzige «Nicht-Familienmitglied» im Einsatz.
Im Normalfall hätte der oben erwähnte Beschrieb logischerweise Gültigkeit, aber wenn man solch geschulte Augen wie Kollege Kaufi hat, fallen einem irgendwelche Unstimmigkeiten sofort auf. Er erkennt nämlich, dass Daniel Hansfeldt für die Trommelwirbel sorgt. Offenbar wird er dies sogar für die gesamte Tour tun. Mal schauen, wie viel Muskelkater ihm diese Doppelbelastung einbringen wird, denn der Haudegen mit der lockigen Mähne agiert normalerweise in den Diensten des heutigen Headliners. Somit werden wir ihn im späteren Verlauf des Abends definitiv nochmals zu sehen kriegen.
Tungsten drehen vor allem in der zweiten Hälfte ihres Gigs ordentlich auf. «On The Sea» ist beispielsweise eine wunderbare «Seefahrer-Mitschunkel-Nummer». Beim darauffolgenden «The Fairies Dance» erinnern die Riffs hingegen verdächtig an Rammstein. Passend dazu packt Basser Karl den legendären Till Lindemann/Joakim Brodén-Knie-Prügler aus. Da machen meine Kumpels und meine Wenigkeit doch glatt mit (und entlocken dem vorbeihuschenden Kaufi sogleich ein Schmunzeln) (Anm. Kaufi: Oder ein Kopfschütteln…? Ok, beides!). Am Ende ist mir bloss unklar, weshalb Sänger Michael die Schweiz mit Mary Poppins vergleicht. Das muss er uns bei seinem nächsten Besuch dann nochmals genauer erläutern.
Kaufi: In der Tat ein starker Auftakt in den Abend! Zwar hab ich ausser dem Namen und 50% der Besetzung (dass Bassist Karl, der zu Beginn noch unter Kapuze versteckt agiert, auch ein Nachfahre des ehemaligen HammerFall Drummers ist, war mir neu…) noch nie was gehört. Doch dieser Auftritt verleitet einem dazu, sich naher mit Tungsten zu befassen. Mal sehen, ob mein CD-Händler des Vertrauens da was für mich hat…
NorthTale
Dutti: Der nächste Slot gehört den hauptsächlich durch schwedische und US-amerikanische Wurzeln geprägten NorthTale. Mit Bill Hudson hat die Equipe zweifellos einen erfahrenen Saitenhexer in ihren Reihen. Der Tausendsassa stand ebenfalls schon mit Doro, U.D.O. oder dem Trans-Siberian Orchestra gemeinsam auf der Bühne. Jep, dieser Mann beherrscht seine «Waffe» aus dem Effeff. Regelmässig lässt er sein Können in Form von fetzigen Soli aufblitzen. Gewisse Kollegen fühlen sich allerdings leicht von der Gitarrenfarbe gestört. Pink ist und bleibt eben schon eine gewöhnungsbedürftige Angelegenheit. Wie auch immer, mir persönlich sind die Töne, welche Bill da aus seiner Axt herauskitzelt, weitaus wichtiger.
Ein weiterer Blickfang ist eindeutig der aus São Paulo stammende Sänger Guilherme Hirose, der seit 2020 zur Mannschaft gehört. Aufgrund der muskelbepackten Oberarme und seiner Haarpracht wirkt er auf mich wie eine Kreuzung aus Manowar und He-Man. Ich schwöre freilich, dass mir zuvor noch nie ein Brasilianer mit einer solch blonden «Föhnfrisur» begegnet ist. Es sei seine allererste musikalische Rundreise durch Europa. Er und seine Gefährten hinterlassen bei uns jedenfalls einen soliden Eindruck und dürfen somit gerne wieder einmal vorbeischauen.
Kaufi: Dutti hat recht – dass der Fronter aus dem grössten Land Südamerikas stammt, sieht man ihm wirklich nicht an. Da staunt manch einer, als Mainman Bill Hudson dies bei der Bandvorstellung erwähnt…
Ich bin heute zudem sehr auf NorthTale gespannt. Ihr Debütalbum «Welcome To Paradise» aus dem Jahr 2019 (damals noch mit dem ex- Twilight Force Fronter Christian Eriksson) ist ein sackstarkes Stück Highspeed Powermetal. Und so ist es kein Wunder, dass mich der Auftritt zu manchem Kopfschütteln (im positiven Sinn!) veranlasst. Wenn zudem das Ende in Form von «Everyone’s A Star» dargeboten wird, dann weiss man, dass einem der Nacken am nächsten Tag freundlich mitteilt: «Wieder mal etwas übertrieben?»
Arion
Dutti: Aufgepasst, Freunde! Die nächsten 45 Minuten gehören meinem persönlichen Highlight. Es müssen nämlich nicht ständig nur die Schweden sein. Ihre im Nordosten gelegenen Nachbarn haben schliesslich in Sachen Metal ebenfalls einiges auf dem Kasten. Stellvertretend dazu richten wir unseren Fokus jetzt auf die Darbietung von Arion. Erst vor ein paar Wochen setzten die Finnen in der Dübendorfer Location «The Hall» mit einem fulminanten Auftritt ein grosses Ausrufezeichen! Notabene als Support-Act der Prog-Götter Dream Theater – was sicherlich alles andere als ein leichtes Unterfangen gewesen ist. Ins heutige Band-Paket passt der Fünfer meines Erachtens jedoch deutlich besser rein. Somit dürfe garantiert alles glatt laufen, oder?
Wow! Falls ihr nicht sicher seid, wie Symphonic Power Metal klingen soll, dann müsst ihr euch unbedingt Arion reinziehen. So wird’s gemacht! Die Akteure legen die Messlatte abermals verdammt hoch. Da müssen Bloodbound später zuerst einmal nachziehen. Die Setliste der Herrschaften aus Helsinki ist gespickt mit packenden Hymnen. Einziger Wermutstropfen ist der Fakt, dass prominente Gastsängerinnen wie Noora Louhimo («Bloodline») oder Elize Ryd («At The Break Of Dawn») lediglich ab Tonband zu hören sind. Aber diese fantastischen Mädels kann man logischerweise nicht jedes Mal frech in den Koffer stecken und auf irgendwelche Reisen «entführen».
Ansonsten ist der Gig von Arion schlichtweg top! Allerdings könnte Tastenmann Arttu Vauhkonen wirklich ein neues Shirt vertragen. Hat der arme Kerl etwa zufälligerweise kurz vor Showbeginn gegen eine bestialische Raubkatze gekämpft? Anders kann ich mir den zerschnittenen Kleidungsfetzen an seinem Oberkörper nicht erklären.
Kaufi: Jetzt komme ich, der Spielverderber. Zugegeben: Ich kenne Arion praktisch nur vom Namen her, bin nicht im Besitz irgendwelcher Tonträger. Im April 2019 habe ich sie im Vorprogramm der Landsleute von Battle Beast gesehen. Geblieben ist mir allerdings nichts.
Sicher, stilistisch passen sie ins heutige Abendprogramm. Aber das ist es dann schon für mich. Warum auch immer, mich packen Arion einfach nicht, sorry. Und so widme ich mich kurzfristig einem Hopfentee und freue mich auf das kommende Highlight des Abends (Anm. Dutti: Halb so wild, werter Kollege. Beim Headliner werden wir uns sicherlich schnell wieder einig 😉).
Bloodbound
Dutti: Mittlerweile haben wir 21.50 Uhr. Alles ist angerichtet für die Performance des Headliners. Dieser eröffnet sein Set mit der dem Titel-Track des Silberlings, welcher dieser Tournee den Namen verleiht: «Creatures Of The Dark Realm». Ein flotter Auftakt – obschon der Mischer teilweise noch auf der Suche nach den richtigen Knöpfen ist. Glücklicherweise wird er nach einer Weile fündig und von da an klingt alles wunschgemäss angenehm. Fronter Patrik wird nicht müde, die spärlich vorhandene Zuschauermasse ständig zu motivieren. Pointierte Ansagen sind für dieses Unterfangen ohne Zweifel ein probates Mittel. Er macht uns deutlich, dass Metal unsere Religion sei. Passenderweise folgt direkt im Anschluss an diese Worte der Song «In The Name Of Metal», der nur so vor schwermetallischer Attitüde strotzt. Da knackt’s freilich im Nackenbereich! (Anm. Kaufi: Und wie! Sogar im Fotograben – dabei sollte ich doch Bilder machen, nicht Party…!)
Die Künstler aus der im Südosten Schwedens liegenden Stadt Bollnäs scheinen in bester Verfassung zu sein. Es wird fleissig gegrinst und für sehenswerte Posen sind sie sich ebenfalls kaum zu schade. Daniels Körper, der ja bereits beim Auftritt von Tungsten beansprucht wurde, zeigt keinerlei Erschöpfung. Da waren meine Befürchtungen wohl umsonst. Der Kollege gibt weiterhin munter den Takt an. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern gewährt er uns als Sahnehäubchen obendrein einen exklusiven Einblick in das im Juli erscheinende Album «Tales From The North». Unsere Lauscher gekommen in den Genuss zweier Lieder, von welchen mich «Drink With The Gods» besonders überzeugen kann. Freunde, da kommt in Tat und Wahrheit etwas Geniales auf uns zu!
Generell fällt auf, dass Bloodbound diverse «Mit-Hüpf»-Stücke der Marke «Rise Of The Dragon Empire» ins Rennen schicken. Die überschaubare Menschentraube vor der Bühne macht bei diesen Aktivitäten überraschend gut mit. Keine Spur von passiven «Salzsäulen-Schweizern»! Einzig das Fernbleiben der grossen Masse will mir schlichtweg nicht in den Kram passen. Vor rund einem Monat haben Twilight Force just in dieser Halle ein ähnliches Schicksal erlitten (siehe Review). Dort habe ich es jedoch eher verstanden. Aber Bloodbound sind effektiv nochmals ein völlig anders Kaliber und müssten eigentlich eine wirksamere Anziehungskraft ausstrahlen. Tja, die Daheimgebliebenen wissen eben einfach nicht, was sie hier gerade alles verpassen. Die gefällige Show wird nach 80 Minuten mit «Nosferatu» (inklusive Gastspiel eines verkleideten Teufels, der wohl ein verirrtes «Fasnacht-Überbleibsel» darstellen soll) souverän beendet.
Kaufi: Bloodbound zeigen von der ersten Sekunde an, warum sie hier der Headliner sind! Und ich wundere mich ein weiteres Mal, warum es so lange gedauert hat bei mir, bis ich den Zugang zu deren Sound gefunden habe… Denn das Sextett punktet mit feinstem schwedischen Power Metal! Sicher, neu erfunden haben sie den Sound nicht, und klar schimmern immer mal diverse heimische Kollegen durch. So what! Spass macht’s dennoch!
Meine Highlights sind natürlich die Stampfer der Marke «In The Name Of Metal» oder «Metalheads Unite». «Book Of The Dead» wäre übrigens auch mal wieder was, leider fehlt der seit längerem im Programm… Dafür ist vor allem «Moria» einfach unverwüstlich! (Anm. Dutti: Oh ja, die Ode an die Zwergen-Mine ist überragend!).
Die Stimmung bei den Fans ist wirklich gut, im dürftig gefüllten Z7 ist’s teilweise richtig laut, zumindest vor der Bühne. «Battle In The Sky», «Warlock’s Trail», «Rise Of The Dragon Empire» – alles wird gnadenlos abgefeiert. Auch der neue Track «Odin’s Prayer» kommt saustark um die Ecke. Beim zweiten Neuling hingegen bin ich etwas skeptisch: «Drink With The Gods» ist mir mit zu viel Alestorm getränkt – aber vielleicht passt der Song dann ja im Gesamtkontext des Albums. Wir werden sehen.
Den Abschluss bildet wie immer «Nosferatu» mit dem Besuch des Leibhaftigen. Werter Kollege Dutti: Das ist Standard und hat nichts mit irgendwelchen komischen (und restlos überflüssigen) Volksbräuchen zu tun. Du solltest öfters mal an Bloodbound-Konzerte gehen… 😉 (Anm. Dutti: In der Tat, es ist effektiv erst mein dritter Gig der Schweden.) Von der Fasnacht verirrt hat sich übrigens nur ein Fan, der mit einer Teufelsmaske (zumindest in diesem Falle ausnahmsweise passend) im Z7 aufläuft.
Das Fanzit – Bloodbound, Arion, NorthTale, Tungsten
Dutti: Der hauptsächlich als «IKEA-Power-Fraktion» agierende Tross hat die Konzertfabrik heute Abend locker eingenommen. Die bestens gelaunten Akteure liessen sich die Stimmung auch nicht vom extrem bescheidenen Besucheraufkommen ruinieren und punkteten mit hervorragenden Performances. Selbst die Merch-Lady setzte ausschliesslich die stichhaltigsten Verkaufsargumente ein und konnte aufgrund dessen wahrscheinlich nicht bloss meiner Person noch einige Textilien für den heimischen Schrank «aufhalsen».
Setliste – Tungsten
- In The Center
- King Of Shadows
- Come This Way
- On The Sea
- The Fairies Dance
- We Will Rise
Setliste – NorthTale
- Intro
- Eternal Flame
- Higher
- Only Human
- Time To Rise
- Midnight Bells
- Shape Your Reality
- Everyone’s A Star
Setliste – Arion
- Intro – The End Of The Fall
- No One Stands In My Way
- I’m Here To Save You
- Punish You
- Seven
- I Don’t Fear You
- Unforgivable
- You’re My Melody
- Bloodline
- At The Break Of Dawn
Setliste – Bloodbound
- Creatures Of The Dark Realm
- Slayer Of Kings
- In The Name Of Metal
- Stand And Fight
- When Fate Is Calling
- Battle In The Sky
- Drink With The Gods
- The Warlock’s Trail
- Moria
- Odin’s Prayer
- Metalheads Unite
- Dragons Are Forever
- Rise Of The Dragon Empire
- Nosferatu