Tourauftakt in Pratteln
Grosse Ehre für das Z7! Am letzten Sonntag entschieden sich die progressiven respektive melodiösen Power Metaller Kamelot dazu, ihre diesjährige Europarundreise auf helvetischem Grund zu eröffnen. Neben dem souverän agierenden Headliner vermochten insbesondere Eleine aus Schweden zu überzeugen. Die Truppe bewies eindrücklich, weshalb sie verdientermassen zu den aufstrebenden Sternchen am Symphonic-Himmel gezählt wird.
Dutti: Das Finale eines intensiven Z7-Wochenendes steht unmittelbar bevor. Ich habe schon fünf Bands im Rücken und heute gesellen sich gleich nochmals vier hinzu. Kumpel Benji und ich haben uns seit Freitag im nahegelegenen Ibis Hotel einquartiert und sind aufgrund dessen bloss einen Katzensprung von der Konzertfabrik entfernt.
Das heutige Package dürfte den anwesenden Gehörgängen ebenfalls viel Freude bereiten. Mit dabei sind die mir völlig unbekannten League Of Distortion, der neue, schwedische Symphonic Metal-Trumpf Eleine (dieses Mal nicht mit Akustik-Set, sondern der vollen Starkstrom-Wucht!), die tunesischen Wüstenprinzen Myrath und der Headliner Kamelot. Die Equipe rund um Mastermind Thomas Youngblood ist mir am letztjährigen UrRock-Festival leider durch die Lappen gegangen. Umso toller, dass ich diese Begegnung nun nachholen darf.
Der Inhalt des ersten Bieres tröpfelt noch ein bisschen zögerlich die Kehle hinab. Die vorangegangen Abende haben fraglos ihre Spuren hinterlassen. Aufgeben ist allerdings keine Option! Diese Geschichte werden wir brav von A bis Z durchziehen. Unterstützung erhalte ich zudem abermals von meinem Mit-Metalinsider Kaufi. Auch er scheint den gestrigen «Indoor-Stadium-Rock»-Abriss von Kissin’ Dynamite einigermassen verdaut zu haben und schlendert mit leichter Verspätung in Richtung des Fotograbens. (Anm. Kaufi: „Schlendern“ ist gut… Wenn es heisst «Beginn 19 Uhr» und man latscht um 18.50h in die Halle – und da läuft bereits der zweite Song… dann ist plötzlich «hetzen» angesagt! Die Kollegen-«Schelte» im Graben lässt dann auch nicht lange auf sich warten…)
League Of Distortion
Dutti: Für den musikalischen Einstieg ist die deutsche Formation League Of Distortion (L.O.D.) besorgt. Bei ihrem Soundcheck konnten wir ja bereits fleissig zuschauen (da hat wahrscheinlich etwas mit dem Zeitplan nicht vollends geklappt). Egal, nun folgt der Ernstkampf. Und nur dieser gilt!
Angeführt wird das Quartett von Frontröhre Anna Brunner, der Partnerin von Hannes Braun. Und auch in Bezug auf die Gitarren-Abteilung hat Kissin’ Dynamite einen wichtigen Einfluss auf die Gruppe, denn normalerweise ist hier Jim Müller für das Kitzeln der Saiten zuständig. Das wäre heute jedoch ein Ding der Unmöglichkeit, denn seine Stamm-Kapelle hat schliesslich einen Auftritt im rund 150 Kilometer entfernten Strasbourg vor der Brust. Aufgrund dessen springt Ersatzmann Olli Sattler ein.
Im vergangenen November brachte die Band, welche primär im Genre Modern Metal anzusiedeln ist, ihr Debütwerk auf den Markt. Die Halle bekommt solides Liedgut zu hören, obschon die Mehrheit des Publikums noch leicht unterkühlt wirkt. Anna setzt zuerst auf englische Ansagen, wechselt dann aber bald auf die deutsche Variante. Siehe da – dieser Schritt wirkt Wunder! Die Besucher tauen langsam auf. Mit ihrem rauchigen Stimmorgan erinnert mich die Sängerin definitiv an eine gewisse Elli Berlin. Als Highlight der knapp halbstündigen Performance würde ich die knackige Nummer «Wolf Or Lamb» bezeichnen, bei welcher Madame Brunner in Rotkäppchen-Montur auf der Bühne herumturnt.
Eleine
Dutti: Seit ich im November 2020 eine Review zur Scheibe «Dancing In Hell» verfassen durfte (siehe Review), habe ich auf eine Live-Begegnung mit Eleine gehofft. Nun wird dieser Wunsch endlich wahr! Pünktlich zur Tagesschau-Primetime schreiten die in Schweden domizilierten Künstler zur Tat.
Vor einem höllischen Backdrop servieren uns die Skandinavier ihren knallharten Symphonic Metal. Die Augen ruhen allerdings nicht bloss auf dem schön anzusehenden Hintergrundbild, sondern landen ebenfalls rasch einmal bei der – ich kann und will es nicht anders formulieren – rattenscharfen Göttin beziehungsweise Prinzessin Madeleine Liljestam. Ein echter Hingucker, der neben dem Singen auch noch als Model tätig ist (aber das konntet ihr euch aufgrund meiner Lobpreisung vielleicht bereits denken). Da sind sämtliche weibliche Rundungen eindeutig an der richtigen Stelle. Ich bin zugegebenermassen ein bisschen verliebt.
Hmm, wenn die Dame jetzt noch fantastisch singen könnte, wäre sie in Tat und Wahrheit das Idealpaket. Aber wisst ihr was? Das kann sie – und wie! Vorwürfe, dass ich sie bloss auf ihre Optik reduziere, können die Hobby-Moralapostel unter euch somit sofort in die Tonne kloppen. Gemeinsam mit Saitenhexer Rikard Ekberg, der die Growls beisteuert, ist das eine furiose Stimmgewalt! Für meinen Geschmack dürfte der Mischer den arg dröhnenden Bass aber ruhig eine Stufe herunterdrehen.
Songs wie «Ava Of Death» sind einfach mitreissend und das packend. Das findet auch Kollege Kaufi, der mittlerweile vor mir steht und wilde «Headbang-Eskalationen» veranstaltet. Um die Wartezeit auf das neue Album zu verkürzen, knallen uns Eleine mal eben frech die Live-Premiere des frisch geschriebenen Stücks «We Are Legion» vor den Latz! Was für ein Kracher! Die Nackenmuskeln sagen «arrivederci». Beim Finale namens «Death Incarnate» versucht es Rikard zuerst mit einer Teilung des Publikums. Diese wird jedoch bald schon wieder aufgelöst, weil wir Metalheads selbstverständlich stets «united» sein sollten. Weise Worte und tolle Geste!
Kaufi: Eleine waren für mich DIE Entdeckung auf der diesjährigen 70‘000 Tons of Metal Cruise. Meine Fresse, haben die mich weggehauen! So war es dann schnell klar, dass ich ihren Besuch im Konzerttempel nicht verpassen darf… Zwar ist die heutige Spielzeit wirklich sehr knapp bemessen. Und im Fotograben vergesse ich zwischenzeitlich fast meinen eigentlichen Job – aber bei Nackenbrechern wie das bereits erwähnte «Ava Of Death» kann ich nicht einfach stillstehen… Und ich frage mich grad, ob ich Winterschlaf oder sowas gehalten habe, als Dutti deren letztes Album unter die Lupe nahm…
Myrath
Dutti: Die Umbauarbeiten gehen zackig vonstatten, sodass um 20.15 bereits die nächste Truppe zum Dienst antraben darf. Es handelt sich dabei um die aus Tunesien stammenden Herrschaften von Myrath (der Bandname wird übrigens «Miraf» ausgesprochen). Sie sind sozusagen die realen Versionen der «Prince Of Persia»-Videospiele. Mal schauen, wie uns die Wüstenprinzen dieses Mal verzaubern möchten.
Der verhältnismässig kurze Slot von 40 Minuten lässt logischerweise keine gigantische Show zu. Myrath sind ja bekannt dafür, dass sie diesbezüglich gerne ein bisschen pompöser zu Werke gehen. Ich erinnere mich zu Beispiel an einen gewissen Gig in Wacken, bei welchem unter anderem Bauchtänzerinnen, Feuerspucker und ein Zauberer zum Einsatz kamen. In Pratteln müssen sich Zuschauer allerdings mit einer abgespeckten Variante begnügen.
Pluspunkte sind diskussionslos für die glasklare Soundqualität zu vergeben. Die für den Mix verantwortliche Person macht hier wirklich alles richtig. Dadurch kommt der wundervolle Gesang von Fronter Zaher Zorgati noch besser zur Geltung. Der Mikrofonhüter ist ohnehin bestens gelaunt und lässt sich gar zum einen oder anderen Tänzchen hinreissen. Sein Kumpel am Tieftöner – Anis Jouini – unterstützt ihn dabei. Die Chemie auf der Bühne scheint freilich zu stimmen. Allenfalls hätten sie noch Madeleine mit ins Boot holen können. Sie hätte garantiert die passenden Bewegungen für das rhythmische «Dance» in petto gehabt.
Die Kompositionen der Tunesier entführen einen sowieso jedes Mal in fremde respektive ferne Welten. Zum Abschluss darf Felle-Klopfer Morgan Berthet in einer kurzen Sequenz zeigen, was er alles auf dem Kasten hat. Sein Solo wird von orientalischen Melodien begleitet und mündet schliesslich im Über-Hit «Believer». Doof nur, dass ausgerechnet jetzt das Instrument von Malek Ben Arbia herumzickt. Ohne schiefe Gitarren-Abschnitte würde das Ganze deutlich angenehmer klingen. Ein kleiner Stolperstein am Ende des ansonsten unaufgeregt zurückgelegten Weges.
Kamelot
Dutti: Verbleibt noch die Hauptattraktion des heutigen Abends: Kamelot! In unserem Fall sprechen wir aber nicht über die Burg von König Arthur, sondern eine metallische Gruppe mit Wurzeln in den Vereinigten Staaten. Wobei die aktuelle Besetzung zugegebenermassen eine recht internationale Angelegenheit ist. Die Ami-Quote wird lediglich durch Basser Sean Tibbetts und Axtmann Thomas Youngblood abgedeckt. Fronter Tommy Karevik trägt schwedisches Blut in sich (obschon er inzwischen in Kanada lebt – Kobra Paige sei Dank) und das Duo Alex Landenburg (Drums) und Oliver Palotai (Keyboard) repräsentiert die deutsche Flagge.
Apropos Flagge, der helvetische Wimpel kommt heute ebenfalls zum Zug und wird von Tommy während des zweiten Liedes «One More Flag In The Ground» fleissig umhergeschwungen. Noch mehr Schweiz gefällig? Dann richtet eure «Glubscher» und Ohrmuscheln bitte in Richtung der Gastsängerin. Ja genau, das ist effektiv «unsere» Melissa Bonny! Eine solche Bereicherung beziehungsweise Verstärkung würde sich wohl jede Mannschaft auf diesem Planeten wünschen. Das Mädel im Glitzeroutfit macht uns eben einfach stolz!
Imposant, welch ein Hitfeuerwerk die Chefs hier zünden. «Insomnia», «Center Of The Universe» oder «March Of Mephisto» – saustarke Setliste! Tommy nutzt die vergrösserte «Spielwiese» vollumfänglich aus und fordert von den Fans viel «Mitmach-Aktivität» – und die Leute gehorchen brav. Das Z7 wird Zeuge eines rundum souveränen Headliners. Als Haar in der Suppe könnten möglicherweise die fehlenden Überraschungselemente oder die insgesamt fast zu glattpolierte Art der Darbietung klassifiziert werden.
Kamelot werden mit «The Awakening» demnächst ein neues Eisen rausbringen. Die davon ausgewählte Hörprobe, welche auf den Namen «New Babylon» hört, haut uns dann aber komplett aus den Socken. Dieser Vorgeschmack hat gesessen! Ich frage mich lediglich, weshalb ein Fan in der ersten Reihe schon eine Vinyl-Version der nagelneuen Kreation in den Händen hält. Wo zur Hölle hat er die denn her? Wahrscheinlich muss ich nach der Show den Merch-Stand nochmals genauer inspizieren. Den Schlusspunkt setzen die Akteure (notabene im Anschluss an eine verdammt amüsante Bandvorstellung) mit der Hymne «Liar Liar (Wasteland Monarchy)». Joa, 90 Minuten sind zweifelsohne ein Ausrufzeichen! Eine solch ausgiebige Spieldauer habe ich länger nicht mehr erlebt.
Das Fanzit – Kamelot, Myrath, Eleine, League Of Distortion
Dutti: Gemäss Insiderinformationen verirrten sich am heutigen Abend circa 700 Seelen in die Konzertfabrik. Sie wurden speziell von Eleine und Kamelot mit bockstarken Auftritten beglückt. Liebe Z7-Crew, ich danke euch herzlich für dieses überragende Wochenende. Es war mir ein Fest!
Setliste – League Of Distortion
- My Revenge
- Solitary Confinement
- It Hurts So Good
- Rebel By Choice
- Wolf Or Lamb
- L.O.D.
Setliste – Eleine
- Enemies
- As I Breathe
- Ava Of Death
- All Shall Burn
- We Are Legion (neuer Song)
- Death Incarnate
Setliste – Kamelot
- Veil Of Elysium
- One More Flag In The Ground
- Rule The World
- Insomnia
- Vespertine (My Crimson Bride)
- Center Of The Universe
- March Of Mephisto
- Sacrimony (Angel Of Afterlife)
- Karma
- New Babylon (neuer Song)
- Song For Jolee
- Phantom Divine (Shadow Empire)
- Forever
- Opus Of The Night*
- Liar Liar (Wasteland Monarchy)*
*Zugabe