Rocknacht ist back!
2022 durften viele Festivals ihr Post-Corona-Comeback feiern. So auch ein gemütliches, kleines Festival in Tennwil, welches für viele den alljährlichen Abschluss der Festivalsaison darstellt. Auch in dieser Ausgabe überzeugte die Rocknacht Tennwil mit soliden Acts und einer herausragenden Organisation.
Das Setting ist – wenn es seit dem letzten Mal auch länger her ist – gewohnt: Am Hölzliweg, gleich beim Waldrand, steht ein grosses Festzelt, in welches alles Nötige integriert wurde. Eine grosse Bar, ein anständiges Essensangebot, einige Stände, Festbänke, Stehtische und natürlich Tech-Desk und Bühne als Herzstück der Location.
Freitag, 23. September
Am ersten von zwei Festivaltagen stehen vier Bands auf dem Programm: Big Clyde, Serious Black, Coldspell und Victory.
Big Clyde
Die auf den Namen Big Clyde hörende Truppe ist erst seit einigen Jahren unterwegs. Dazu passt der Opener-Slot, den die Musiker zugeteilt bekommen, den sie aber auch souverän besetzen. Gekonnt brettern sie die ersten Riffs des Wochenendes durch das Festzelt und aktivieren die noch spärlich anwesenden Besucher. Die leicht penetrante Selbstdarstellung auf der Bühne dürfte dem einen oder anderen etwas sauer aufstossen, doch gibt genau diese den Musikern auch einen angenehmen Charakter. Es muss ja nicht immer alles hundertprozentig saubergeschliffen sein, oder?
À propos sauber: Sehr löblich ist die angenehme Abmischung, welche uns nun zwei Tage begleiten wird. Manchmal fragt man sich schon ein bisschen, wieso ein paar «Hobbyveranstalter» mit zwei Tagen «Rumprobier-Budget» pro Jahr in einem Festzelt besseren Sound hinbekommen als professionelle Locations…
Serious Black
Nach einer kurzen Umbaupause und einen Gang zur Bar – dieser wird nicht der letzte des Abends gewesen sein –, geht es mit Serious Black weiter. Die multinationale Melodic Metal-Band begeisterte mich schon oft. Vor allem das aktive und Aufmerksamkeit auf sich reissende Drumming von Ramy Ali muss erwähnt werden! Mannomann, dass der immer und immer wieder solch eine Energie auf die Bühne bringt… Insgesamt macht der Auftritt sehr viel Spass. Auch der neue Sänger Nikola Mijić scheint sich gut in seiner Rolle eingefunden haben, wenn ich auch seinen Vorgänger Urban Breed etwas vermisse. Viel zu schnell ist der Gig vorbei, und es geht weiter in die nächste Pause…
Coldspell
… nach welcher Coldspell die Unterhaltung übernehmen. Bereits 2018 beehrten uns die Schweden in Tennwil, und 4 Jahre später sind sie bei den Besuchern wohl mehr als willkommen. Wie auch damals liefern die Hardrocker einen grundsätzlich soliden Auftritt, der für meinen Geschmack jedoch etwas zu eintönig ist. Insofern kann ich an dieser Stelle nicht behaupten, dass der Gig viel zu schnell vorbei gewesen wäre. Nichtsdestotrotz verbleibe ich brav bis zum Ende bei der Bühne und geniesse den Moment: Die Live-Musik, die feiernden Festivalbesucher, das «Abgehen» der einzelnen Musiker auf der Bühne. All das in dieser heimeligen Atmosphäre. Und sollten Coldspell sich in vier Jahren erneut an die Rocknacht verirren, werde ich wohl erneut vor dieser Bühne stehen!
Setlist – Coldspell
- Forever More
- It Hurts
- Out From The Cold
- This Is Me
- Eye Of The Storm
- On The Run
- Night Falls
- Infinite Stargaze
- Angel Of The World
- Call Of The Wild
- Time
- Paradise
- Straight Things Out
Victory
Für den vierten und letzten Akt des Abends sind Victory verantwortlich. Keine Ahnung, wer das ist? Hatte ich bis zum Schreiben der Preview auch nicht, ehrlich gesagt. Was hingegen klingeln dürfte, ist der Name Herman Frank. Den Gitarristen aus Hannover kennt man einerseits wegen Victory, andererseits jedoch auch wegen seinem zeitweisen Mitwirken bei Accept. Sowohl bei «Restless And Wild» als auch bei «Balls To The Wall» war der Saitenhexer mit dabei, und auch nach der 2010er-Reunion war Frank einige Jahre mit von der Partie.
Doch heute geht es um Victory. Was kann die Truppe, die bisher nie auf meinem Radar erschien? Nun, ohne dies forcieren zu wollen, scheint Herman Frank schon ein wenig im Fokus zu stehen. Klar: War er auch nicht Gründungsmitglied, ist er weit am längsten Teil der Band und fungiert aufgrund seiner Bekanntheit als Aushängeschild. Gitarrentechnisch überzeugt mich der Auftritt dann auch auf ganzer Linie. Wir bekommen wohl gerade die beste Gitarrenarbeit des ganzen Abends geliefert und diesbezüglich ist der Headliner-Posten absolut richtig vergeben. Doch das Gesamtpaket kann ich leider nicht als überdurchschnittlich bezeichnen. Ganz subjektiv betrachtet haben Serious Black heute besser abgeliefert.
Das Fanzit Rocknacht Tennwil – Freitag
Die vier Bands des ersten Tages machten vieles richtig. Daher und auch dank einer sauberen Organisation darf der heutige Festivaltag als voller Erfolg verbucht werden. Ich freue mich auf morgen!
Samstag, 24. September
Der heutige Konzertabend beginnt etwas früher als der gestrige, weshalb auch für eine weitere Band Zeit bleibt. Fünf Acts stehen auf dem Programm. Davon ist der letzte wohl für viele das Highlight – nicht nur von heute, sondern des ganzen Festivals! Doch bevor BBR an der Reihe sind, wollen wir den weiteren Bands lauschen…
Black Diamonds
Die erste davon ist Black Diamonds. Noch am Rock The Lakes verzichtete ich auf deren Auftritt, resp. hörte ihn teilweise vom Campingplatz aus mit. Kaufi hingegen stand vor der Bühne bereit und scheint – glaubt man seinen Worten – begeistert.
Ganz so detailliert wie mein Schreiberling-Kollege kann ich über die einzelnen Songs nicht berichten – dafür kenne ich die Musik zu wenig. Glaubt man jedoch der Setlist, spielen die Rheintaler Glam Metaller genau dasselbe Programm, um dann noch «Hands Of Destiny» draufzulegen. Ich muss sagen: Die Jungs haben sich bei mir schon ab dem zweiten Song mehr Respekt erspielt als z. B. Steel Panther! Da bereue ich gerade ein bisschen, dass ich es Ende August am Murtensee nicht vor die Bühne schaffte… Auch die Sache mit dem Pelzmantel anbehalten wird heute durchgezogen und so läuten Black Diamonds einen schweisstreibenden Abend ein.
Setlist – Black Diamonds
- No-Tell Hotel
- Evil Twin
- I’ll Be OK
- Forever Wild
- Pieces Of A Broken Dream
- Lonesome Road
- Thrillride
- We Want To Party
- Hands Of Destiny
Radiant
Das Line Up enthält neben Victory und BBR eine weitere Band, die ich nur wegen einzelnen Mitglieder kenne: Auch Radiant habe ich erst ganz neu auf dem Schirm, obwohl ich Herbie Langhans dank seinen vielzähligen Kollaborationen schon lange verfolge.
Was wir nun präsentiert bekommen, ist dann auch typisches Herbie-Programm. Je nach Song zwischen Melodic Rock und Heavy Metal anzusiedeln, richtet sich die Musik von Radiant an ein breites Publikum. Die Rocknacht Tennwil Besucher fühlen sich von der Musik angesprochen und geniessen den Auftritt. Als einzigen Kritikpunkt bringe ich an, dass sich das Set wie auch bei Coldspell etwas langatmig entwickelt. Das ist aber wirklich Jammern auf hohem Niveau, und ich würde bei einem allfälligen Festivalauftritt definitiv wieder bei Radiant vorbeischauen!
Setlist – Radiant
- Nightshift
- Don’t Stop The Daydream
- You Rock
- Real Passion Will Never Die
- Contagioned
- Rock And Win
- Yes I Am
- Hit The Night
- Forever One
Doctor Victor
Wie es sich für eine gute Recherche gehört, hörte ich im Vorfeld bei allen Bands im Line Up rein. Doctor Victor zogen dabei mit den wenigen Songs, die online verfügbar waren, meine volle Aufmerksamkeit auf sich. Doch das wäre gar nicht nötig gewesen! Denn als die drei jungen Musiker aus Prag die Bühne betreten, schaut gefühlt das ganze Festzelt zur Bühne. Die mit dem Rücken zum Publikum gedrehte Band beginnt mit dem ersten Song, und genau ab diesem Moment bis zur allerletzten Note ziehen Doctor Victor die Leute in ihren Bann!
Verantwortlich dafür ist der absolut im Fokus stehende Sänger und Gitarrist Victor. Der im vertikal gestreiften Anzug und mit Sonnenbrille auftretende Tscheche scheint für die Musik zu leben und bringt seine Spielfreude sehr gekonnt zur Geltung. Gepaart mit einer Prise Verrücktheit und einem wahnsinnigen Charme führt er durch das Set des Trios. Dieses beinhält eigene Kompositionen, die das Publikum zurück in die 60er- und 70er-Jahre führen.
Viel zu schnell – und das gilt noch einiges mehr als noch gestern bei Serious Black – vergeht der Gig. Zwischendurch holen die Prager noch kurz drei Besucherinnen auf die Bühne, um sie in die Show einzubauen und mit Merch auszustatten. Nach den letzten Songs ist dann Zeit für die Abreise geplant: Während Basser Muddy und Drummer Karpa auf der Bühne zu Ende spielen, begibt sich Victor weiterhin seine Saitenkönigin bespielend zum Merchstand. Hier werden er und seine Buddies dann noch ausgiebig verweilen, um (neue) Fans zu treffen. Eins steht fest: Obwohl die Band an meinen bevorzugten Genres vorbeischiesst, hat sie sich in meinen Augen an allen anderen bisherigen Bands vorbeigespielt!
Setlist – Doctor Victor
- Stand Up
- Pretty
- My Baby
- Big Joint
- Sexy Black
- Purple Rain
- Drum Solo
- Blue Line
- Unchained Dog
- Beautiful Age
- Can’t Stop
- Bastard
Wig Wam
Was John Cena und der Film «Suicide Squad» mit der Rocknacht Tennwil zu tun haben? Nun, eigentlich nicht viel. Doch eine Spin-Off-Serie des Films, «Peacemaker» mit John Cena in der Hauptrolle ist dafür verantwortlich, dass die nächste Band anfangs 2022 ein Revival feierte. Dabei waren die Glam Metaller in Norwegen schon in den Nullerjahren erfolgreich, als sie ihr Heimatland am Eurovision Song Contest repräsentieren durften. Nun, das klingt alles gut und recht, doch was ist mit dem Auftritt?
Als die Band die Bühne betritt, kann ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen… Visuell trifft Glam Metal auf Hardrock und das Bühnenbild (ein Adler in US-Farben) trägt eine weitere Komponente dazu bei. Die Show ist unterhaltsam, jedoch kann ich die Band nicht wirklich ernst nehmen. Das traf zwar auch auf Black Diamonds zu und als grosser Knorkator-Fan ist fraglich, ob ich dies als Kritikpunkt verwenden darf, aber der Auftritt wirkt einfach auch zu wenig authentisch. Fast schon lächerlich. Die Musik ist okay, und doch plange ich ein wenig auf das Ende und den heutigen Headliner. Doch die zugesprochene Spielzeit will und will kein Ende nehmen… Wenigstens klingt dann der ESC-Song «In My Dreams» doch ein wenig vertraut, und es geht in die Umbaupause.
Setlist – Wig Wam
- Never Say Die
- Hypnotized
- Rock My Ride
- Non Stop Rock’n’Roll
- I Turn To You
- Call Of The Wild
- Wall Street
- Kilimanjaro
- The Drop
- Hard Love
- Bless The Night
- My Kaleidoscope Ark
- Dare Devil Heat
- Do You Wanna Taste It
- Shadows Of Eternity
- Out Of Time
- Gonna Get You Someday
- Hard To Be A Rock’n’Roller
- In My Dreams
BBR
Das BBR-Rezept scheint erfolgsversprechend zu sein: Man covere Rocksongs, spiele sie eine Spur härter, punkte durch die Bekanntheit eines der Mitglieder… Tatsächlich ist die Band um Manu Burkart ein Mitgrund, wieso ich heute einen Vereinsanlass für die Rocknacht opfere. Zu gut waren die Meinungen, die ich zu Live-Auftritten des Divertimento-Komikers und seines Projekts schon hörte. Ist da was dran?
Schon mit der Songwahl machen die Zürcher alles richtig. Von Rock über Punkrock zu Metal ist alles vertreten, und wohl jeder einzelne Song dürfte als Partyhit bezeichnet werden. Doch alleine die Songwahl macht noch keinen guten Auftritt. Hier kommen die einzelnen Musiker ins Spiel, welche es es sich scheinbar zum Ziel gesetzt zu haben, den Schuppen (das Festzelt) auseinanderzunehmen.
Dabei liefern Drummer René, Basser Adrian und Rhythmusgitarrist Remo – selber alle wild und auf Party aus – ein solides Fundament für die beiden richtigen Rampensäue. Komiker Manu, der in der Band die Rhythmusgitarre übernimmt, geniesst seine Nebenbeschäftigung als Rocker jede Sekunde und steuert zwischen den Songs auch den einen oder anderen dummen Kommentar bei.
Fronter Marc ist dann aber – entgegen möglichen Erwartungen – der, der am meisten für Unterhaltung sorgt. Zwischen den Songs nimmt er es mit seinen Sprüchen problemlos mit Manu auf. Auch ein bisschen Aargau-Bashing gehört da dazu (wobei die Rocknacht Tennwil und dessen Organisation jedoch ausdrücklich gelobt werden). Während dem Performen ist «Mäge» dann kaum mehr zu spüren. Wie ein wilder Gummiball tobt er sich auf der Bühne aus. Sein Ausflug in den Graben resp. auf das Geländer sorgt dann für ein bisschen Landschaden (das Geländer war kaum auf das Körpergewicht eines hüpfenden, erwachsenen Mannes ausgelegt) und jede Menge Lacher.
Zum ersten Mal an diesem Wochenende ist auch etwas wildere Publikumsaktivität zu sehen. Nun, die Klänge aus den Boxen sind auch etwas härter, und die Energie auf der Bühne provoziert dies auch ein bisschen. Beim Trio «Schrei Nach Liebe», «Last Resort» und «Killing In The Name» dreht das gesamte Zelt noch einmal auf und feiert einen erinnernswerten Abschluss der Rocknacht Tennwil.
Setlist – BBR
- Come On Come On (Nashville Pussy)
- Had Enough (Danko Jones)
- Riot Act (Skid Row)
- Rock’n’Roll Forever
- Fear Of The Dark (Iron Maiden)
- Sad Man’s Tongue (Volbeat)
- Fight For Your Right To Party (Certain Death)
- Nutbush City Limits (Nashville Pussy)
- Hier Kommt Alex (Die Toten Hosen)
- Paranoid (Mystic Prophecy)
- Breakin The Law (Judas Priest)
- Metallica Medley
- Rock’n’Roll (Motörhead)
- Schrei Nach Liebe (Die Ärzte)
- Last Resort (Papa Roach)
- Killing In The Name (Rage Against The Machine)
Das Fanzit – Rocknacht Tennwil 2022
Oh wow! BBR waren zweifellos das Highlight des ganzen Festivals. Diese Leute wissen, wie man eine Metalparty feiert! Doch auch die acht weiteren Bands haben das Publikum begeistert. Am Freitag stachen Serious Black hinaus. Am zweiten Festivaltag dominierten Black Diamonds, die absolute Überraschung Doctor Victor und die Partyhengste BBR.
An dieser Stelle möchte ich noch einmal erwähnen, wie reibungslos das Festival jeweils abläuft. Die gute Organisation durch den Verein «Junge Tennwiler», der familiäre Charakter und die für einen Event in dieser Grösse sehr hochkarätigen Line Ups machen die Rocknacht Tennwil Jahr für Jahr zu einem Pflichttermin. Du warst noch nie da? Dann halte dir den 22. und 23. September frei!