Technisch anspruchsvolles Geballer in Winti
Virvum, Stortregn und Anachronism pilgerten am Freitag nach Winterthur und präsentierten der dortigen Zuhörerschaft ihre auf hohem Niveau gezockten Gitarrenkünste. Dieser Abend war abermals ein Beweis dafür, dass unsere helvetische Metal-Szene eine Vielfalt von talentierten Gruppen zu bieten hat.
Man müsste eben einfach häufiger sein Hinterteil hochkriegen und solchen Shows beiwohnen. Glücklicherweise taten dies an diesem Event in der Eulachstadt freilich ausreichend Leute. Die ganze Geschichte war am Ende nämlich restlos ausverkauft.
Heimspiel für Metal-Dutti! Mein intensives Wochenende nimmt heute Abend mit drei Bands im Gaswerk seinen Anfang. Virvum, Stortregn und Anachronism sind zu Gast. Das bedeutet zweimal Romandie und einmal Zürich – und für mich alles in allem mehrheitlich unbekanntes «Hör-Terrain». Einzig mit den Jungs von Virvum gab es bereits in der Vergangenheit eine Begegnung. Diese geschah anlässlich des Meh Suff! Winter-Festivals 2017. Ihr damaliger Auftritt hat mich allerdings nicht wirklich aus den Latschen kippen lassen (zur Review). Ob das heute anders werden wird? Ich will es jedenfalls schwer hoffen!
Anachronism
Wie so oft «müssen» sich die metallischen Kapellen im Foyer der Location austoben – also im kleineren Veranstaltungsraum. Dafür kann man hier eine optimale Fan-Nähe schaffen, denn die Zuhörer kleben förmlich am Bühnenrand. Tröpfchenweise füllt sich die Kammer. Gespannt wird den komplexen Melodien von Anachronism gelauscht. Der Bandname passt fraglos perfekt zum Sound der Lausanner. Die Angelegenheit ist noch ein bisschen wirr. Es werden jeweils möglichst viele Elemente in ein Lied hineingequetscht, was die Sache nicht sonderlich leicht fassbar macht.
Die Künstler werden in einem Meer aus rotem und blauem Scheinwerferlicht «ertränkt». Demzufolge ist das Schiessen von Fotos ein recht aussichtsloses Unterfangen. Frontdame Lisa Voisard grunzt erbost in ihr Mikrofon. Derweil wirkt die gewöhnungsbedürftige «Pipilangstrumpf-Frisur» ihres Kollegen Julien Waroux, welcher den Tieftöner hütet, ziemlich komisch. Dafür macht die kopflose Klampfe von Manu Le Bé keinen Hehl daraus, dass sich die Westschweizer mit ihren Kompositionen ebenfalls gerne im progressiven Sektor austoben.
Die neue Scheibe «Meanders» ist erst seit ein paar Wochen auf dem Markt und dominiert aufgrund dessen wenig überraschend die heutige Setliste. Einzig «Orogeny» nimmt die Rolle des Exoten ein, denn dabei handelt es sich um die Titel-Hymne des Vorgängeralbums. Mich können Anachronism nur phasenweise überzeugen. Völlig berauscht von seiner eigenen Mucke scheint der Vierer ausserdem den Spielplan komplett aus den Augen verloren zu haben. Naja, zum Glück muss an einem Freitagabend in der Regel eh kaum jemand frühzeitig nach Hause düsen.
Stortregn
Auf Lausanne folgt Genf! Die jetzt gespielten Melodien ergiessen sich wie ein Starkregen über die anwesende Meute. Jep, ihr habt mich durchschaut. Dieses Wortspiel war natürlich gewollt. Der Name des Fünfers ist von der schwedischen Sprache inspiriert und bedeutet ungefähr so viel wie «Wolkenbruch». Der Mix aus melodiösem Black und Death Metal kommt hervorragend beim Publikum an. Welch Elan und Wucht! Da waren Anachronism im direkten Vergleich dann doch eher ein laues Lüftchen.
Sänger Romain Negro ist nicht aufzuhalten! In leidenschaftlicher Manier krächzt und brüllt er sich seine Seele aus dem Leib. Dabei bleibt er seiner Lederjacke durchgehend treu. Respekt! Ich würde wohl schon längst aufgrund unzähliger Schweissausbrüche wie ein begossener Pudel dastehen. Die erzeugte Energie der Akteure ist wahrlich spürbar. Und die Besucher? Ja, die sind fleissig mit dem Herumwirbeln ihrer Mähnen (sofern vorhanden) beschäftigt. Dieser Abriss beflügelt uns alle! « Allez les Romands!»
Stortregn sind ein weiterer Beweis dafür, wie gut bestückt unsere schweizerische Metal-Familie eigentlich ist. Deswegen richte ich gerne wieder einmal einen Appell an euch: Kommt vorbei, unterstützt diese Truppen und zieht euch ihre Shows rein! Es lohnt sich, ab und an über den Tellerrand hinauszublicken. Die «Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht»-Mentalität ist bei solchen Dingen ohnehin absolut fehl am Platz. Nach diesen fulminanten 35 Minuten dürfen mich die Genfer effektiv zu ihren Anhängern zählen.
Virvum
Zum Abschluss des Abends überqueren wir den «Röschtigraben» und richten unsere Augen (und Ohren) nach Zürich. Dort sind Virvum beheimatet. Sie fusionieren Progressive und Technical Death Metal in ihrem Schaffen. Meine anfängliche Skepsis, welche primär der Vorführung am Meh Suff! Winter-Festival 2017 geschuldet ist, verfliegt ziemlich rasch. Genau wie Stortregn platzieren auch die Zürcher den Fuss auf dem Gaspedal und bewegen diesen nicht mehr davon weg. Die ansprechenden Lichteffekte setzen die Protagonisten gekonnt in Szene. Der zuständige Techniker zeigt sich nun zweifellos von seiner kreativen Seite.
Eine Personalie verdient definitiv Sonderlob. Die Rede ist von Bassist Arran McSporran, der extra aus England angereist ist, um den Gig gemeinsam mit seinen Kumpels durchziehen zu können. Das scheint der Equipe nochmals eine zusätzliche Kraftladung zu verleihen. Die Stimmung ist auf jeden Fall genial. Lediglich der Gesang von Fronter Bryan Berger dürfte nach meinem Gusto etwas deutlicher abgemischt sein. Nebst der für einen Headliner doch arg bescheidenen Spielzeit von 45 Minuten, soll das allerdings die einzige Kritik aus meiner Ecke bleiben.
Das Quintett setzt in seinem Set nach wie vor auf Material des vielerorts gefeierten Debütstreichs «Illuminance» aus dem Jahr 2016. Die ausgewählten Stücke sorgen bei den Fans für einige Headbanger-Momente. Trotzdem werden in den sozialen Medien immer wieder Stimmen laut, die sich frisches Material der Herrschaften wünschen. Hmm…, bleibt zu hoffen, dass just diese Personen heute Abend den Weg nach Winterthur gefunden haben. Virvum stellen uns nämlich zwei nagelneue, noch unbetitelte Songs vor. Diese Appetithäppchen werden wohlwollend verschlungen und machen freilich Lust auf die nächste Platte.
Das Fanzit – Virvum, Stortregn, Anachronism
Die Highlights des heutigen Events hiessen Stortregn und Virvum. Dank Kapellen wie ihnen erstrahlt die hel(l)vetische Metal-Szene weiterhin in einem verdammt guten Licht. Gemäss Zettel an der Eingangspforte war die Veranstaltung am Ende sogar ausverkauft. Da hat die Gaswerk-Crew wieder einmal einen bockstarken Job abgeliefert. Aber vielleicht sollte man beim nächsten Mal über einen etwas früheren Beginn nachdenken, um dadurch sämtlichen Künstlern einigermassen faire Spielzeiten gewähren zu können.
Setliste – Anachronism
- Contrasts
- Prism
- Source
- Insula
- Mirage
- Meanders
- Orogeny
- Marcocosm
- Dialogues
Setliste – Stortregn
- Ghosts Of The Past
- Moon, Sun, Stars
- Multilayered Chaos
- Timeless Splendor
- Cosmos Eater
- Through The Dark Gates
- Epitaph – An Evocation Of Light
Setliste – Virvum
- The Cypher Supreme
- Earthwork
- Neuer Song I (noch ohne Titel)
- Tentacles Of The Sun
- Neuer Song II (noch ohne Titel)
- Illuminance
- Ad Rigorem
- I: A New Journey Awaits
- II: A Final Warming Shine