Gitarren, Posaunen und Ballontierchen
Langsam kommen wir auf die Zielgerade, was verschobene Konzerte angeht. Nichtsdestotrotz bevölkert noch das ein oder andere davon die Terminkalender der Metalheads. So auch der heutige Auftritt von Avatar, Veil of Maya und Kassogtha in Zürich.
Der findet im Komplex 457 statt und damit einer Location, die dafür bekannt ist, hinsichtlich Abmischung eine wahre Lotterie zu sein. Doch so etwas hält Metalinside.ch natürlich nicht davon ab, sich ins Getümmel zu stürzen. Wobei ich heute Abend offiziell gar nicht als Schreiberling im Einsatz, sondern wie alle anderen mit Ticket ausgestattet bin. Das trifft allerdings nicht zu auf Vedi, der tatsächlich zum Arbeiten hier ist und sich im Fotograben auf die Jagd nach tollen Bildern macht.
Kassogtha
Obwohl im Voraus der Beginn des Konzerts um 20 Uhr angesetzt war, stehen Kassogtha bereits um eine halbe Stunde vorher auf der Bühne. Das Genfer Quintett hat erst letzten November ein neues Album veröffentlicht und hat mit diesem Supportslot natürlich die perfekte Gelegenheit, es unter die Leute zu bringen. Der Progressive Death Metal der Band ist denn auch eine sehr gelungene Mischung aus Eingängigkeit und technischem Anspruch. Entgegen der Meinung von Metalmitinsider Dutti, der heute Abend ebenfalls anwesend ist, sehe ich aber weniger Arch Enemy als Vergleichsmöglichkeit. Wenn schon dann viel eher etwas in die Richtung Gojira
Schade nur, dass zu Beginn die Abmischung überhaupt nicht mithalten kann. Zum Glück machen Kassogtha dieses Defizit durch ihre Spielfreude wieder wett. Besonders Drummer Dylan Watson, der seine Schiessbude seitlich vor der Ausrüstung der folgenden beiden Bands platzieren musste, grinst immer wieder über das ganze Gesicht. Auch Sängerin Stephany Hugnin lässt viel Fröhlichkeit durchscheinen bei ihren Ansagen. Überhaupt besitzt sie eine kraftvolle Bühnenpräsenz, mit der sie als Frontfrau gekonnt durch den Auftritt leitet. Glücklicherweise bessert sich der Sound ungefähr ab der Hälfte, so dass wir die Musik der Fünf auch in angemessenem Klanggewand würdigen können.
Nach einer kurzen Halbstunde ist dann bereits wieder Schluss und Kassogtha können die Bühne verlassen im Wissen, dass sie einen tollen Auftakt abgeliefert hat. Dem lautstarken Zuspruch aus dem Publikum nach bin ich nämlich nicht der einzige mit dieser Meinung.
Veil of Maya
Nach einer Blitzumbaupause von einer knappen Viertelstunde legt auch schon die nächste Band los. Veil of Maya ist ihr Name und sie stammt aus den USA. Die Mischung aus Metalcore und Djent, die sie mitgebracht hat ist nicht ganz einfach zu verdauen. Insbesondere weil die Achterbahnfahrt des Mix uns wieder in die Tiefen des Soundmatsch gefahren hat. Alles dröhnt und verschwimmt zu einem Mus an Tönen, was aber nicht an der technischen Leistung der Band liegt.
Die Kombination mit dem düsteren rot-grünen Licht, welches uns die einzelnen Mitglieder eigentlich kein einziges Mal wirklich klar erkennen lässt, könnte denn auch einer der Gründe sein, weshalb das Publikum nur sehr zurückhaltend agiert. Klar, einige Personen kommen den beiden Aufforderungen nach einem Circle Pit schon nach, aber die grosse Mehrheit der Anwesenden ist eher weniger aktiv. Mich vermag der Auftritt ebenfalls nicht mitzureissen und so rauschen die 45 Minuten an mir vorüber, ohne dass mir viel von der Musik im Gedächtnis haften bleibt.
Avatar
Mehr als fünfzehn Minuten für die Umbaupause benötigen auch Avatar nicht. Heute Abend wird also nicht lange gefackelt, es geht Schlag auf Schlag. Der Platz auf der Bühne wird neben dem Schlagzeug mit zwei Aufbauten ausgereizt, durch welche die Band zu den Glockenklängen von „Dance Devil Dance“ die Bühne betritt. Der Jubel im Komplex 457 ist gross und schlägt mit dem Erklingen der ersten verzerrten Gitarrentöne begleitet von Pyroeinlagen in wilde Headbang-Action um. Ja, Avatar haben das Publikum mit ihrem wild gemischten Alternative Metal definitiv auf ihrer Seite.
Da können sie auch einen eingängigen Hit wie „The Eagle has landed“ gleich als zweites raushauen. Die Fans danken es den Schweden mit lautstarker Gesangsunterstützung im Refrain, was Sänger Johannes Eckerström in seiner Begrüssung natürlich gleich würdigt. Dass er dabei Deutsch spricht sorgt gleich noch für mehr Sympathiepunkte. Überhaupt zeigt sich einmal mehr, welch begnadeter Frontmann Johannes ist. Sei es während der Songs selber oder bei den Anekdoten, die er dazwischen erzählt: er schafft es spielerisch ein Gemeinschaftsgefühl unter all den anwesenden „Freaks“ zu entfachen, dass es einfach eine Wucht ist. Mit seiner lockeren Art wirkt die Führung durch den Abend authentisch und spontan, was auch daran liegen mag, dass er auf allzu viele Wiederholungen bekannter Gags verzichtet.
Der Benzinkanister, aus dem er sich bereits letzten Sommer am Hellfest mit Flüssigkeit versorgt hatte (das entsprechende Review gibt es hier nachzulesen), kommt beispielsweise nur zu Beginn ein, zwei Mal zum Einsatz. Apropos Einsatz, die restlichen Bandmitglieder stehen dem natürlich in nichts nach und untermauern bei knapp durchschnittlich gelungener Abmischung mit ihrem Spiel einen Auftritt, der das Energielevel konstant hoch hält. Neben den grossen Songs wie „Bloody Angel“, „A Statue of the King“, „Smell likes a Freakshow“ und gelungenen Neulingen der Marke „Chimp Mosh Pit“ sticht auf instrumentaler Ebene vor allem das Gitarrenduell hervor. Heute gewinnt für mich Tim Öhrström. Klar, Jonas Jarlsby – auch bekannt als der König – spielt wunderbar sauber und flink, aber Tim feuert ein Feuerwerk der Kreativität ab und soliert dabei so unverkopft, dass es eine wahre Freude ist.
Auch Johannes kann seine Kreativität zeigen, etwas als er in der Hälfte von „Puppet Show“ auf der Galerie des Komplex nicht nur Posaune spielt sondern auch seine Ballontierkünste zeigt oder als er auf dem Flügel kurz einen Song von Nena anstimmt, bevor es mit einer Piano-Version von „Tower“ weitergeht. Ballone scheinen es ihm übrigens überhaupt angetan zu haben, packt er doch später am Abend eine ganze Handvoll aus, um sie während er singt einzeln genüsslich zu zerplatzen oder während der Ansage das darin enthaltene Helium für einen kurzen Stimmboost einzuatmen. Doch genauso wie sich die lustige Wirkung von Gasen auf die Stimmbänder wieder verflüchtigt, ist irgendwann auch die besten Show zu Ende. Insgesamt zwei Stunden dauert der köstliche Wahnsinn, bis Avatar sich aufrichtig bedanken, die Anwesenden wissen lassen, dass der Abend ohne uns alle nur aus fünf schwedische Idioten vor einer leeren Halle bestanden hätte und schliesslich unter grossem Jubel von den Fans verabschiedet werden.
Das Fanzit – Avatar, Veil of Maya, Kassogtha
Veil of Maya haben es leider nicht geschafft, sich gut zu verkaufen, was weniger an der Leistung der Band sondern vor allem an den technischen Umständen lag. Das bleiben aber die einzigen negativen Punkte am heutigen Abend. Kassogtha haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. Die Genfer entpuppten sich als Opener, wie ihn sich eigentlich jeder Headliner nur wünschen kann. Ebendieser Headliner ist den an ihn gestellten Erwartungen schliesslich mehr als gerecht geworden. Avatar spielen ganz vorne mit, was Auftreten und Show angeht, ohne dabei an Fannähe zu verlieren. Mit mittlerweile neun Alben im Rücken haben sie auch das nötige Rüstzeug, um eine Setlist zusammen zu stellen, die eines solchen Auftritts würdig ist und erwähnenswerte zwei Stunden lang beste Unterhaltung bot.