Kontrast zwischen Death und Black Metal
Das Komplex 457-Gebäude wurde am Freitagabend mächtig durchgeschüttelt. Zu Gast waren gleich vier metallische Kapellen, die entweder auf Zerstörung oder Satansverherrlichung aus waren. In den nachfolgenden Zeilen wird aufgezeigt, wie man diese musikalische Reise von Stormruler bis hin zu Cannibal Corpse erfolgreich überstehen konnte.
Auweia! Organisator Good News Productions AG bringt uns ein alles andere als zimperliches Band-Paket nach Zürich-Altstetten. Der heutige Abend gehört ausschliesslich den groben Klängen. Dabei bewegt man sich hauptsächlich in den Sektoren des Death und Black Metal. Ihr möchtet mit zerstörten Nackenmuskeln ins Wochenende starten? Dann ist die Komplex 457-Location eure ideale Adresse! Nix wie hin! Frühes Erscheinen lohnt sich, denn es scheint nach einem straffen Zeitplan auszusehen. Bei diesem elenden Sauwetter will allerdings ohnehin niemand länger als nötig draussen im Freien herumstehen.
Stormruler
Die Bühne wird schon einmal richtig eingenebelt – passend zum ersten Act. Wir bekommen es nämlich mit melodiösem Schwarzmetall aus den Vereinigten Staaten zu tun. Chefs des Projekts sind der ins Mikrofon krächzende, mit schönen, langen Locken ausgestattet Gitarrist Jason Asberry und die fleischgewordene Blastbeat-Maschine Jesse Schobel. Für ihre Live-Darbietungen haben sie zusätzlich zwei Gast-Musiker mit ins Boot geholt. Alle Protagonisten setzen auf ausgeprägten Nietenschmuck. Eine unfassbar stachlige Angelegenheit. Bassist Derek Engemann greift zudem auf die Accessoires Sonnenbrille und Bandana zurück.
Die Herrschaften aus St. Louis, Missouri müssen erwartungsgemäss vorerst mit wenig Publikum vorliebnehmen. Ich schätze einmal, dass die meisten Besucher höchstwahrscheinlich erst so gegen 20 Uhr vor Ort aufschlagen werden (also genau nach den Gigs der beiden Vorgruppen). Tja, diese Personen haben effektiv Pech gehabt, denn Stormruler sind diskussionslos eine vielversprechende Entdeckung. Zwischendurch sind in ihrer Musik sogar leichte Pagan-Einflüsse enthalten. Ansonsten würde ich sie primär mit Uada vergleichen. Ihre Wurzeln können sie jedenfalls nicht leugnen. Im Gegensatz zum finsteren, aggressiven Black Metal aus Skandinavien, ist die amerikanische Variante bekanntermassen mit deutlich mehr Melodie unterwegs.
Ingested
Die zweite Unterstützungs-Truppe hört auf den Namen Ingested und läutet – im Vergleich mit Stormruler – freilich ein kleines Kontrastprogramm ein. Damit kommen nicht alle Anwesenden gleichermassen gut klar, denn als Frontmann Jay Evans (welcher heute für einmal seinen «Pipilangstrumpf-Zöpfen» abgeschworen hat und mit offener Mähne agiert) die ersten Schweinelaute von sich gibt, ergreifen einige Black Metaller schockiert die Flucht. Die sich auftuenden Lücken werden jedoch rasch von heranstürmenden Slam-Liebhabern gestopft. Unheilige Hölle! In der Raummitte geht’s fortan ordentlich zur Sache! Das sind Circle Pits inklusive Knochenbrecher-Garantie!
Es ist anzunehmen, dass die Verantwortlichen den Laden nach diesem gnadenlosen Abrisskommando zwingend renovieren müssen. Das Quartett aus dem englischen Manchester donnert mit einer unaufhaltsamen Wucht durchs Gebälk. Regelmässig werden die umherturnenden Zuschauer von der sympathischen Rampensau Jay angestachelt. Einzig die gelegentlichen Aussetzer seines Mikrofons hätten die Techniker meines Erachtens ruhig verhindern können. Am Ende bleibt dies allerdings der einzige Wermutstropfen dieser 45-minütigen Demolierung. Eigentlich hätte ich nun richtig Lust auf eine Headliner-Performance von Ingested.
Dark Funeral
Blöderweise ist die Zeit für die Vorgruppen abgelaufen. Jetzt dürfen die «grossen Jungs» ran. Den Anfang machen die Schweden von Dark Funeral. Leider verpassen wir die ersten Minuten wegen des im Schneckentempo agierenden Barpersonals… Freunde, ihr solltet doch inzwischen langsam wissen, wie man eine durstige Metalhead-Meute zu bedienen hat. Da haben Lahmärsche hinter dem Tresen schlichtweg nix verloren! Für künftige Events erwarte ich diesbezüglich eine Verbesserung.
Immerhin stehen wir pünktlich zu «My Funeral» – einem der beliebtesten Hits der Band – wieder an unserem Stammplatz auf der linken Seite des Saals. Da die Begräbnis-Sympathisanten in diesem Jahr eh fast an jeder Steckdose spielen, ist unser Unmut über die verpassten Sequenzen rasch verflogen. Bierschlürfen und Kopfschütteln sind nun die wichtigen Traktanden auf unserer Liste. Angeführt vom eisernen General Heljarmadr agieren die Nordmänner gewohnt souverän. Seine Gesangslinien klingen heute Abend besonders kräftig. Da macht die Misch-Abteilung wirklich alles richtig (wobei der Komplex 457 diesbezüglich in letzter Zeit sowieso einen verblüffend guten Lauf hat. Sind die Tage der miesen Soundqualität etwa gezählt?!).
Bei der Songauswahl setzen die Protagonisten auf Abwechslung. Der Track «When I’m Gone» vom aktuellen Silberling «We Are The Apocalypse» wird allen gefallenen Brüdern gewidmet. Höre ich hier bei der Ansprache von Heljarmadr tatsächlich dezente Emotionen? Die Nummer vermag jedenfalls zu überzeugen. Selbiges gilt auch für den Kracher «Nail Them to the Cross», bei welchem der Fronter frech auf ein mitgebrachtes Jesuskreuz spuckt. Während dem finalen «Where Shadows Forever Reign» wird dann noch eine riesige, mit dem Band-Logo verzierte Flagge hin und her geschwungen. Die restlichen fünf Minuten hätte man meiner Meinung nach durchaus mit einem weiteren Lied füllen können, aber Dark Funeral entscheiden sich lieber für den Feierabend und verschwinden in der Backstage-Zone.
Cannibal Corpse
Das Wechselspiel zwischen Black und Death Metal geht munter weiter. Doch der Headliner ist nicht einfach irgendjemand, sondern eine wahre Todesblei-Institution. Seit mittlerweile beeindruckenden 35 (!) Jahren bringen die Amis von Cannibal Corpse ihre musikalischen Blutbäder und «Gedärm-Spritzereien» unters Volk. Grossartige Innovationen sind bei ihnen kein Thema. Dafür gibt’s stets mit vollem Elan auf die Schnauze. Dabei ist es völlig egal, ob man die neuste Platte «Violence Unimagined» oder Klassiker wie «Tomb Of The Mutilated» hört. Die Haudegen bleiben ihrem Stil und ihrer destruktiven Ader absolut treu.
Nach wie vor zieht Ober-Rülpser George «Corpsegrinder» Fisher alle Blicke auf sich. Der Kerl, welcher gerüchtehalber schon mit einem gigantischen Nacken das Licht der Welt erblickt hat, ist schlichtweg ein Phänomen. Ich frage mich ernsthaft, wie seine Hirnzellen diese ständigen Wirbelattacken aushalten. Andere würden wohl irgendwann ein Schleudertrauma erleiden. Nicht so der «Görpsgrinder». Dieser Sauhund ist 52 Jahre alt und lässt uns alle beim Headbangen locker wie unschuldige Chorknaben aussehen. Er brilliert jedoch ebenfalls mit seinen Ansagen. «Fucked With A Knife» wird beispielsweise als Ballade für die Mädels betitelt. Naja, mir sind zwar diverse komische Fetische bekannt, aber wenn du dort unten mit einem Messer herumhantierst, dürfte das aus meiner Sicht nicht unbedingt gerade zu irgendwelchen Höhepunkten bei den Beteiligten führen.
Das Publikum in der inzwischen erneut ausgezeichnet gefüllten Venue jubelt. Von meinem Standort aus können zahlreiche Aktivitäten beobachtet werden. Die Crowdsurfer vermehren sich gefühlt immer mehr. Und auf der Bühne herrscht ebenfalls viel Betrieb. Klampfer Rob Barrett, der ein Obituary-Shirt trägt, zeigt eine beachtenswerte Leistung. Dieser Kerl hat sein Instrument vollends im Griff. Der andere Axtmann – Erik Rutan – und Alex Webster am Tieftöner gehören auch zum Club der fleissigen Kopfnicker. Obschon ihr Einsatz im Vergleich zum mächtigen Propeller von George geradezu zaghaft wirkt. Der Schreihals am Mikro zollt mit seinem Oberkörper-Textil übrigens dem im vergangenen Jahr verstorbenen The Black Dahlia Murder -Sänger Trevor Strnad würdevoll Tribut – starke Geste!
Im letzten Drittel der Show verspüre ich bei mir langsam ein Abnehmen meiner Aufmerksamkeitsspanne. Die Performance mag gut und mitreissend sein, aber auf lange Sicht kriegt das Ganze bei mir allmählich einen etwas zu eintönig wirkenden Beigeschmack. Knapp 90 Minuten Cannibal Corpse sind offenbar nicht jedermanns Sache. Also mir hätte eine Stunde problemlos gereicht. Den ultimativen Zugabe-Abräumer «Hammer Smashed Face» hätte ich allerdings trotzdem um keinen Preis verpassen wollen. Damit setzen die Amis durchaus nochmals ein fettes Ausrufezeichen und schicken ihre Anhänger glückerfüllt nach Hause.
Das Fanzit – Cannibal Corpse, Dark Funeral, Ingested, Stormruler
Der heutige Abend stand glasklar im Zeichen des Kontrasts zwischen Death und Black Metal. Gewisse Teile der Zuhörerschaft wirkten wegen dieser teilweise gewagten Mischung ein bisschen überfordert. Wer hingegen Feuer und Flamme für beide Genres ist, kam definitiv auf seine Kosten. Grundsätzlich haben alle Bands abgeliefert. Insbesondere die aus Stormruler und Ingested bestehende Support-Abteilung hat die Gelegenheit genutzt und konnte sich so einer breiteren Masse präsentieren. Die Soundqualität hat ebenfalls wieder gepasst. Das Barpersonal bekleckerte sich hingegen nicht wirklich mit Ruhm. Da muss beim nächsten Mal unbedingt eine Temposteigerung her!
Setliste – Stormuler
- Reign Of The Winged Duke
- Sacred Rites & Black Magick
- In The Shaded Vlasian Forest
- Upon Frozen Shores
- Internal Fulmination Of The Grand Deceivers
Setliste – Ingested
- Rebirth
- No Half Measures
- Shadows In Time
- I, Despoiler
- Impending Dominance
- Invidious
- Echoes Of Hate
Setliste – Dark Funeral
- Hail Murder
- Leviathan
- My Funeral
- The Secrets Of The Black Arts
- When I’m Gone
- Nail Them to the Cross
- Unchain My Soul
- Let The Devil In
- Where Shadows Forever Reign
Setliste – Cannibal Corpse
- Scourge Of Iron
- The Time To Kill Is Now
- Murderous Rampage
- Code Of The Slashers
- Fucked With A Knife
- The Wretched Spawn
- Gutted
- Kill Or Become
- I Cum Blood
- Evisceration Plague
- Death Walking Terror
- Inhumane Harvest
- Necrogenic Resurrection
- Devoured By Vermin
- A Skull Full Of Maggots
- Stripped, Raped And Strangled*
- Hammer Smashed Face*
*Zugabe