Das Album des Jahres?
Wenn Metallica ein neues Album ankünden, dann sind die Erwartungen bei den meisten Fans enorm hoch. Ausser natürlich jene, für die Metallica spätestens seit „…And Justice For All“ nicht mehr existieren. Ich zähle mich nicht dazu – und so bin ich äusserst gespannt, was James, Lars, Kirk und Rob da als Nachfolger von „Hardwired“ zu bieten haben!
Die Vorab-Auskopplungen
Mittlerweile setzen auch Metallica auf das gängige Schema, dass vorab einige Tracks schon mal als Teaser ausgekoppelt werden. Früher hiess das „Singles“ – heute sind’s Clips auf YouTube. Der Opener „72 Seasons“ ist der vierte (und letzte) Track, der vor dem Album den Fans präsentiert wird. Packend, schnell, sägende Gitarren – da dürften auch Old School Fans ihre helle Freude haben. Apropos Single: Mit fast 8 Minuten Spielzeit wäre das früher im Radio nicht gespielt worden. Und heute ist das eh egal, denn wer hört schon Radio?
Von den drei übrigen Auskopplungen vermag speziell „Lux Æterna“ schwer zu überzeugen. Das sind die Metallica, die man liebt! Back to the roots, keine Frage. Auch „Screaming Suicide“ haut durchaus in die Nackenmuskulatur, während „If Darkness Had A Son“ mit seinem gemächlichen Tempo etwas aus dem Rahmen fällt. Als ich den die ersten Male angetestet habe, fand ich ihn recht langweilig. Nach mehreren Durchläufen gefällt mir das zwar schon besser – doch von dem Viererpack ist das sicher der Schwachpunkt. So, und nun wird es aber Zeit für die übrigen acht Songs!
72 Seasons – das Album
Was auffällt sind die Songtitel, die fast durchgehend einen düsteren Eindruck machen. Das dürften dann schon sehr persönliche Lyrics sein von James – bestätigt auch Metallica-Kenner Pam (siehe Review vom Hellfest zu Metallica bzw. James). Da ich die ganzen Texte leider nicht zur Verfügung habe, kann ich dazu nichts weiter erzählen. Ich konzentriere mich somit voll auf die Musik…
Mit „72 Seasons“ und „Lux Æterna“ sind ja schon mal zwei richtig geile, old-school-mässige Tracks dabei. Ich suche aber nun bald verzweifelt nach weiteren Songs mit erhöhter oder überhöhter Geschwindigkeit. Irgendwie werde ich aber nicht so richtig fündig – bis kurz vor dem Ende mit „Room Of Mirrors“. Das geht jetzt schon in die Richtung eines „Moth Into The Flame“. Doch sonst dominiert „Mid Tempo“ – ein neues „Spit Out The Bone“ ist jedoch nicht zu finden.
Gut, Mid Tempo ist ja nicht per se schlecht, im Gegenteil. Mir persönlich gefällt das oftmals deutlich besser als irgendwelches Highspeed Gebolze, bei dem dann auch noch Melodien fehlen… „Sleepwalk My Life Away“ mit coolem Bass-Intro stampft prima und erinnert irgendwie an „Now We’re Dead“ vom Vorgänger-Album. Das düstere „Crown Of Barbed Wire“ braucht einen Moment, zeigt sich dann aber auch als eine der stärkeren Nummern, auch dank den starken Gitarrensolos im Mittelteil. Und „You Must Burn!“ erinnert von der Machart durchaus an „Harverster Of Sorrow“, erreicht dessen Klasse allerdings nicht.
Einfach machen es Metallica den Fans jedoch nicht. Das ist stellenweise schon recht schwere Kost, die einem da geboten wird. Man nehme als Beispiel den längsten Track, das über 11 Minuten dauernde „Inamorata“. Zäh wie ein Kaugummi zieht sich das in die Länge. „Too Far Gone“ kommt zwar etwas zügiger um die Ecke, aber hinterlässt wenige bleibende Spuren. Gleiches gilt für „Chasing Light“.
Zugegeben: Es ist schwierig (und sicher auch etwas unfair), nach nur zwei, drei Durchgängen dieses Album zu beurteilen. Und eigentlich will man ja auch über Legenden nichts Schlechtes sagen. Doch im direkten Vergleich kommt der Vorgänger „Hardwired… To Self Destruct“ schon stärker daher. Zwar hatte es da den einen oder anderen Füller, aber vor allem die erste Hälfte hatte schon einiges zu bieten. Auf „72 Seasons“ hingegen muss man die ganz grossen Momente schon fast mit der Lupe suchen.
Das Fanzit – Metallica: 72 Seasons
Tja, und jetzt ein Fazit ziehen? Das fällt heute, am Release Day, eher nüchtern aus. Die starken Songs sind bereits bekannt, „72 Seasons“ als Opener ist bereits der Höhepunkt und ansonsten hat das Album wie erwähnt sehr oft einen recht düsteren Einschlag. Das wirkt dann halt auch streckenweise langweilig. Aber Metallica haben schlussendlich immer ihr Ding durchgezogen – und das ist im Jahr 2023 weit weg von „Thrash Metal“.
Sicherlich werden das viele (Mode-)Fans gut finden. Ich bin da halt semi-begeistert und finde es schade, dass sie vom „Hardwired“-Kurs wieder abgebogen sind. Aber vielleicht kann pam ihnen ja auf Google Maps den Weg nach „Thrashlandia“ zeigen…
Der Titel „Album des Jahres“ wird zweifellos an jemand anders gehen. Ich verbleibe derweil bei 6.5 von 10 Punkten – verbunden mit der Hoffnung, dass einige Songs Spätzünder sind, so wie „If Darkness Had A Son“…
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Trackliste – Metallica: 72 Seaons
- 72 Seasons
- Shadows Follow
- Screaming Suicide
- Sleepwalk My Life Away
- You Must Burn!
- Lux Æterna
- Crown Of Barbed Wire
- Chasing Light
- If Darkness Had A Son
- Too Far Gone?
- Room Of Mirrors
- Inamorata
Line Up – Metallica
- James Hetfield – Vocals, Guitars
- Kirk Hammet – Guitars
- Rob Trujillo – Bass
- Lars Ulrich – Drums