Eine Diva zum Anfassen
Nachdem es durch COVID auch bei Tarja zu mehrfachen Terminverschiebungen ihrer Tour kam, war es nun endlich soweit. Am 1. März pilgerten ich und viele weitere ausgehungerte Tarja-Fans nach Lyss, um der ehemaligen Stimme von Nightwish zu lauschen.
Mit auf der Tour auch Temperance und Serpentyne. In dieser Review lasse ich Serpentyne jedoch aus, da diese definitiv zu früh auf der Bühne standen, als ich es geschafft hätte da zu sein. Notiz am Rande: Bei einem Konzert von Tarja darf auch unser Metalinside-Boss pam natürlich nicht fehlen, der heute für die Fotos verantwortlich ist (ohne Fotograben, ohne Licht … mit also erschwerten Bedingungen, aber wir wollen euch die variantenreiche Mimik der Grande Dame nicht vorenthalten).
Temperance
Vorab, die Vorband hat mich wortwörtlich mitgerissen. Zuerst kritisch eingestellt und skeptisch zuhörend entwickelte sich bei mir durch den Lauf der Songs ein angenehmes, wohliges Gefühl. Eine unglaubliche Power, welche die Band auf die Bretter bringt. Durch die drei verschiedenen Gesangsstimmen, welche auch gut miteinander harmonieren hat die Band aus meiner Sicht auch eine Einzigartigkeit, welche nicht viele andere Combos ihr Eigen nennen können. Besonders herauszuheben ist an dieser Stelle die Frontröhre Kristin Starkey, welche mit ihrer leidenschaftlichen und betonten Stimme den genialen Gegenpol zu den beiden männlichen Sängern bietet.
Die Italienische Gemeinschaft macht einen sehr familiären und gut eingespielten Eindruck. Die Songs animieren das Publikum zunehmend mitzugehen. Es wird applaudiert und mitgesungen. Für mich eine grossartige Neuentdeckung. Die Band zeigt sich ebenfalls sehr fanbezogen. Nach dem Konzert steht die Band am Merch-Stand und lässt sich feiern, es werden Storys ausgetauscht und auch das einmalige Fan-Picture darf nicht fehlen. Also rundum ein rundum gelungener Auftritt, welcher sicher noch den einen oder anderen (neben mir) so stark beeinflusst hat, dass er sich im Nachgang mal noch konkreter mit der Band befasst.
Noch zum einzigen Kritikpunkt: Der Soundmix bei Temperance erfüllt aus meiner Sicht bei Weitem nicht das, was ich mir gewünscht hätte. Irgendwie erschallen vor allem die Stimmen dumpf aus den Boxen und werden teilweise richtiggehend «abgewürgt».
Tarja
Ich kann es eigentlich kaum in Worte fassen, wie authentisch, lebensfroh, positiv, offen und fanorientiert ich heute Tarja wieder erlebe. Man soll mich gerne korrigieren, aber dieser Künstlerin merkt man einfach an, dass sie ihren Job mit ganzem Herzen und der nötigen Leidenschaft ausübt. Es gibt während des ganzen Auftritts keinen Moment, welcher mich daran zweifeln lässt. Tarja artikuliert ihre Dankbarkeit endlich wieder unterwegs zu sein nicht nur direkt an die Fans gerichtet, auch die Songs werden mit voller Inbrunst dargebracht und wirken absolut authentisch.
Was mich immer wieder an Tarja beeindruckt – so auch heute – ist ihre Mimik und Gestik, welche zusätzlich zur Stimme vielen Ausdrücken noch mehr Boden und Bedeutung verleiht (siehe Fotos). Tarja hat eine total ausgeprägte Mimik fällt, was die Songs nachdenklich, humorvoll, mystisch oder auch sachlich erscheinen lässt. Dadurch kann sie in den Zwischensequenzen, in welchen sie sich immer wieder ans Publikum wendet, auch einen sehr glaubhaften Eindruck verleihen. Fantastisch.
An dieser Stelle sei aber auch der Rest der Band erwähnt, die wie auch Tarja selbst mit sehr viel Spiellaune auftrumpft und den Songs den nötigen Background verleihen. Passend finde ich auch die Parts, in welchen Tarja von der Bühne verschwindet, um ihre Band in den Mittelpunkt zu rücken. Trotzdem scheint die Band nur komplett zu sein, wenn Tarja wieder auftaucht. Ihr Charisma ist einfach vereinnahmend.
Bezüglich der Songs zieht Tarja heute alle Register. Sei es am Keyboard, welches sie selbst spielt und eine wunderschöne Ballade zum Besten bietet, oder auch die etwas härteren Songs, welche zurückerinnern an die Zeit bei Nightwish und aufzeigen, dass Tarja es nicht verlernt, hat ihren Kopf und ihre schwarze Haarmähne kreisen zu lassen.
Die Zeit vergeht (leider) wie im Fluge und es scheint, als könnten die Fans noch viele Zugaben vertragen. Die Stimmung ist unheimlich fröhlich, der Saal im Kufa sehr gut gefüllt und ich sehe zufrieden Gesichter.
Pam wird mir zustimmen, wenn ich hier schreibe, dass es von der Sorte von Tarja mehr geben sollte (pam: Keine Frage, aber zu viele auch nicht, weil sonst würde sie ja nicht mehr aus der Masse herausstechen. Für mich bleibt sie das beste «Paket» im Metal – mit ihrer einzigartig warmen 3-Oktaven-Simme, ihrer Mimik und Theatralik, ihrer Präsenz und einfach ihrer Art wie sie mit den Fans kommuniziert. Eine Diva zum Anfassen). Trotz viel Ruhm und Ehre, trotz ihrem damaligen Engagement bei einer riesigen Band wie Nightwish ist diese Frau einfach am Boden geblieben. Vielleicht sogar aus dem entsprechenden Grund, dass sie jetzt wieder in überschaubaren Clubs und auf kleineren Bühnen auftreten kann.
Zum Schluss bedankt sich Tarja unendlich oft und verspricht zurückzukehren. Dies wird übrigens gar nicht mehr so lange dauern, ist doch bereits wieder ein Konzert angesagt, mit Marco Hietala (auch Ex-Nightwish) im Gepäck. Das wird sicher spannend.
Das Fanzit – Tarja
Ein eindrückliches Konzert mit einer eindrücklichen Frau. Die Auftrittskompetenz einer Tarja Turunen scheint unerreicht. Finnländerinnen sind kaltherzig? Pustekuchen. So viele Herzlichkeit und warme Töne habe ich schon lange nicht mehr über meine Lauscher empfangen. Danke Tarja, einmal mehr und bis zum nächsten Mal.
Setliste Tarja
- Serene
- Demons in You
- My Little Phoenix
- Anteroom of Death
- Diva
- Goodbye Stranger
- Silent Masquerade
- Nemo (Nightwish Cover)
- The Golden Chamber (Loputon Yö) / You and I
- Undertaker
- Tears in Rain
- Victim of Ritual
- Innocence*
- I Walk Alone*
- Dead Promises*
- Until My Last Breath*
*Zugabe