Kürbis und Hammer
Kürbis und Hammer, Deutschland und Schweden, Helloween und HammerFall! Die lange erwartete Tour findet 2022/23 endlich statt. Im Dezember führte sie die beiden Schwergewichte des europäischen Power Metals in The Hall!
Erst gerade drei Tage war es her, seitdem mich HammerFall als Headliner des Knockout Festivals in Karlsruhe komplett aus den Stiefeln hauten. Das war nicht einfach eine “normale” HammerFall-Show (welche in den Jahren zuvor nicht immer mit früheren Shows vergleichbar waren), nein, das war ganz, ganz grosses Kino, wofür sich die Anfahrt nach Karlsruhe unbestritten lohnte!
Auch seit der letzten Begegnung mit Helloween war es nicht lange her: erst noch am Riverside gab die wiedervereinte Kürbistruppe Songs aus fast 40 Jahren Bandgeschichte zum Besten. Wobei “besten”, in my humble opinion, relativiert werden muss: Nicht nur ich schien von dem Auftritt nicht wirklich begeistert; auch viele der anwesenden Besucher machten auf mich einen eher gelangweilten Eindruck und schienen vor allem auf den nächsten Act, Sabaton, zu warten. Für einiges positivere Töne verweise ich gerne auf die damalige Review von Sandro und Kaufi. Meine Einschätzung an dieser Stelle ist nur insofern relevant…
… als dass meine Erwartungen an den heutigen Abend gar unausgeglichen sind. Ich rechne ganz fest damit, HammerFall vorne abzufeiern (selbst wenn der Gig nur halb so gut ist wie noch am Samstag, wäre das eine Lobeshymne wert!), dann kritisch den ersten Songs von Helloween zu lauschen, mich bei einem Hopfentee zu wundern, wo der Elan der Truppe hin ist und wieso sie eigentlich so viel Spielzeit bekommen. Naja, so tief sind meine Erwartungen auch wieder nicht, aber auf jeden Fall erhoffe ich mir nicht zu viel vom heutigen Headliner-Slot.
HammerFall
Es geht los! Wie auch am Samstag starten die Schweden mit «Brotherhood» in ihren Auftritt und sorgen von Beginn weg für breites Grinsen im Publikum. In gewohnter The Hall-Manier wird auch praktisch von Anfang an ein gut abgemischtes Sounderlebnis geboten; da kann man nicht meckern! Wie so oft bei neuen HammerFall-Songs – dieser stammt vom 2022er-Album «Hammer Of Dawn» – weiss ich ab Scheibe nicht so recht, was ich vom frischen Material halten kann, werde dann jedoch live relativ schnell von dessen Qualität überzeugt. Ja, einige weitere Nummern sind so gerne willkommen, aber streicht bitte nicht das gute Zeug weg!
Mit der immer wieder funktionierenden Live-Granate «Any Means Necessary» geht es weiter und die hammerschwingenden Nordmänner sind jetzt definitiv warmgelaufen. Deren Spielfreude ist mehr als offensichtlich und würde wohl dem grimmigsten Death Metaller ein Lächeln aufs Gesicht zaubern. Im nächsten Song nehmen uns Joacim, Oscar, Pontus, Fredrik und David zurück ins «Metal Age» der Endneunziger, den Ursprung der Band und des Debüts «Glory To The Brave». Ob mit dem vielen roten Licht den Fotografen geholfen ist, welche wohl gleich den Graben räumen müssen, ist fraglich. Hoffentlich konnte Kaufi trotzdem gute Eindrücke knipsen…
Allgemein ergänzt der visuelle Eindruck auch heute wieder die Musik: Eine Bühne mit massig Platz für umhersausende Musiker, ein wirklich enormes Backdrop, auf der einen Seite des Drumsets Hectors riesiger Hammer, auf der anderen Seite der Schild, auf welchem das HF-Logo leuchtend prangt. Und dass die Band sich auf der Bühne zu bewegen weiss – egal wie einstudiert gewisse Choreos wirken –, ist auch nichts Neues!
Die Zeit vergeht wie im Fluge! Es folgen der Titeltrack des aktuellen Albums, das epische und vor allem Zusammenhalt beschwörende «Blood Bound», die schnelle Pflichtnummer «Renegade»… Kaum ist ein Ton angespielt, ist das Lied auch schon wieder vorbei. Eine etwas längere und doch bewegende Ansage gibt es zum neuen «Venerate Me». Wir sterben alle zweimal: das erste Mal ist unaufhaltbar, zum zweiten Mal dann, wenn jemand zum letzten Mal unseren Namen sagt. «Say my name and I will never die» also die logische Konsequenz, und als Song wunderbar umgesetzt. Genau diese Ansagen sind es, die den wiederholten HammerFall-Besucher an vergangene Live-Momente mit den Power Metallern erinnern. Dabei trotzdem ein bisschen Abwechslung – das ellenlange Spielchen vor «Last Man Standing» wird restlos gestrichen – und das perfekte Live-Rezept scheint geschrieben.
À propos Schreiben (entschuldigt diesen Übergang): für ein zeitlich begrenztes Set haben HammerFall in ihrer Geschichte einfach viel zu viele Tracks geschrieben. Die seit einiger Zeit umgesetzte Lösung eines Medleys mit Fokus auf ein bestimmtes Album wird auch heute gut umgesetzt, und die vier gespielten Tracks von der Jubiläumsscheibe «Crimson Thunder» tun der guten Laune in Dübendorf keinen Abbruch! Erneut kommen wir zu Pflichtsongs: Beim Signature-Song «Let The Hammer Fall» werden die gewohnten Spielchen nicht weggelassen. Natürlich nicht! Was, wenn wir die Frage «What do you say, when I say “Let The Hammer…”?» nicht mehr mit einem kräftigen «Faaaalllll» beantworten könnten?
Es folgt die dem Debütalbum seinen Namen leihenden Ballade «Glory To The Brave», ein Meisterwerk! Die Darbietung lebt von Emotionen, dem kurzen, doch effektvollen Hinsetzen Joacims und natürlich dem textsicheren Publikum! Danach hatte die Band letzten Samstag noch «Hector’s Hymn» und «Dominion» eingebaut, doch dafür scheint heute schlicht die Zeit nicht zu reichen. Stattdessen geht es direkt mit dem perfekt in ein Live-Set passenden «(We Make) Sweden Rock» weiter, und Schluss!
Okay, natürlich nicht, jeder HammerFall-Fan weiss, dass erst nach «Hearts On Fire» Schluss ist. Auch «Hammer High», das zuvor noch eingestreut wird, ist inzwischen fester Bestandteil einer Setlist. Auch wenn in dieser noch seeehr viele Dinge fehlen, ist sie doch nicht so schlecht zusammengestellt. HammerFall sind heute erneut zu Höchstformen aufgelaufen und glänzen auch heute, trotz etwas gekürztem Set und “nur” Co-Headliner-Status. Mal schauen, ob die Kürbisse mithalten können…
Setlist – HammerFall
- Brotherhood
- Any Means Necessary
- The Metal Age
- Hammer Of Dawn
- Blood Bound
- Renegade
- Venerate Me
- Last Man Standing
- Crimson Thunder Medley
- Let The Hammer Fall
- Glory To The Brave
- (We Make) Sweden Rock
- Hammer High*
- Hearts On Fire*
*Zugaben
Helloween
Passend zum noch immer «neuen» alten Line Up der United-Ära wird mit der Single «Skyfall» des aktuellen Albums «Helloween» gestartet. Der 12-Minüter verspricht einiges: Nicht zuletzt, weil das Publikum – HammerFall sei Dank – bereits auf optimaler Betriebstemperatur ist, ist die Stimmung in der Halle schon sehr bald da. Auch jetzt begrüsse ich wieder die fast von Beginn weg optimale Abmischung. Die Voraussetzungen für einen Gig, den man positiv in Erinnerung behalten wird, sind also gegeben!
Im Gegensatz zu Sandro und Kaufi kann ich in diesem Bericht keine Vergleiche zu den 80ern anstellen; dafür bin ich schlicht zu jung. Meine ersten Bekanntschaften mit den deutschen Urgesteinen machte ich erst in der Deris-Ära. Michael Kiske und Kai Hansen waren damals – zumindest für mich – die Köpfe hinter Unisonic und Gamma Ray. Eine Reunion? Alles klar! Die dazugehörigen Shows – persönlich wohnte ich damals genau hier in The Hall sowie in Wacken bei – einfach nur genial; ein Feuerwerk an Hits; nur so gespickt von Spielfreude der einzelnen Musiker.
So auch heute! Seien es die beiden Sänger, welche sich inzwischen optimal ergänzen, die vier Saitenhexer Hansen, Weiki, Gerstner und Grosskopf oder Drummer Daniel Löble: allen ist auf ihre ganz eigene Art anzusehen, wie viel Spass ihnen das Auftreten bereitet. Zusammen mit HammerFall kommen wir heute also auf zwölf top gelaunte Musiker!
Zur Setlist möchte ich gar nicht allzu viele Worte verlieren. Vom zweiten Song «Eagle Fly Free» über «Future World» und «Save Us» bis zu einem «Dr. Stein»: Gespielt wird das Übliche. Wenig überraschend gesellen sich insgesamt drei Songs von der aktuellen Scheibe «Helloween» ins Set. Genau so wenig überraschend widmet der Siebner in einer gekürzten Besetzung einige Zeit der Hansen-Ära. Und am wenigsten überraschend ist dann wohl, dass die Band verschwindet, nochmals kommt und zwei Zugaben spielt, wobei letztere auf den Namen «I Want Out» hört. Abschliessendes Urteil: Gerne hätte ich noch «Are You Metal?», «If I Could Fly» oder «Keeper Of The Seven Keys» gehört; aber meine dank Riverside-Auftritt tief gehaltenen Erwartungen wurden mehr als übertroffen!
Setlist – Helloween
- Skyfall
- Eagle Fly Free
- Mass Pollution
- Future World
- Power
- Save Us
- Metal Invaders / Victim Of Fate / Gorgar / Ride The Sky
- Heavy Metal (Is The Law)
- Forever And One (Neverland)
- Best Time
- Stein
- How Many Tears
- Perfect Gentleman*
- I Want Out*
*Zugaben
Das Fanzit – Helloween, HammerFall
Zwei legendäre Bands, völlig unterschiedliche Erwartungen, zwei geniale Auftritte. Sowohl HammerFall als auch Helloween machen keine Gefangenen, knüpfen an frühere Höhepunkte an und legen von A bis Z astreine Shows hin. Die Bühnenpräsenz und die Professionalität der Musiker, die saubere Abmischung, die ausgelassene Laune im Publikum: Der heutige Abend der «Forces United»-Tour wird in guter Erinnerung bleiben!