Die erste, und hoffentlich nicht letzte, Ausgabe des Starlett Stock Hard ’n‘ Heavy-Festival ging am 6. Mai 2023 über die Bühne. Und was soll ich sagen: Das hat Spass gemacht wie schon lange nicht mehr – und das trotz, oder vielleicht auch gerade wegen, einiger Fügungen, die ausserhalb des Einflussbereichs der Organisatoren, SIN STARLETT *räusper*, lagen.
Aber fangen wir mal von vorne an. Das Sedel – ehemals Schwestern-Kloster, dann kantonaler Arbeitshof, dann Strafanstalt – und irgendwann ein Zentrum für Musik, dem auch ab und an metallische Hymnen zu erhorchen sind. Der Konzertraum ist eng, gepflastert mit sichtversperrenden Säulen und man nimmt menschliche Ausdünstungen und Gerüche konzentrierter wahr als draussen an der frischen Luft. Dafür ist die Biertheke nur einen Griffmeter vom jeweiligen Stehpunkt aus entfernt. Perfekt also, um dort das erste Starlett Stock Hard ’n‘ Heavy-Festival zu veranstalten. Tägg? Tägg! Dabei sollte man den Begriff „Starlett“ durchaus ernstnehmen. Es spielten nämlich nahezu ausschliesslich die „Nachwuchssternchen“ des Metals, Bands, zu denen wir gleich noch kommen werden.
Von Kühen und Pulled-Pork-Burgern
Eingebettet zwischen Bauernhof, Natur und Autobahn ist das Sedel gut erreichbar und geparkt wird sozusagen zwischen Güllenloch und Kuhstall, dessen Bewohner Heranfahrende schon einmal mit einem neugierigen Blick begrüssen. Schon beim Betreten des Geländes war klar, dass man es nicht all zu weit schaffen würde. Da stand bereits ein bekanntes Gesicht, welches meinen Kumpel und mich mit deutschen Besuchern verbrüderte. Die sind gleich mit einem Mini-Camper inklusive wolllüstiger Musikanlage angereist, bewiesen exquisiten Musikgeschmack und versorgten uns auch gleich mit der ersten Runde Bier. Was soll man hier noch sagen: Würde die ganze Welt Heavy Metal hören und auf die, nennen wir es mal extrovertierte, Ausübung ihrer Religion verzichten, es gäbe wohl deutlich weniger Konflikte auf diesem Erdenrund (ja ihr Flacherdler… RUND!).
So, genug zum Sedel, mehr zum toll orgnisierten Festival, zu dem ich auch den fantastischen (!) Food-Truck nicht unerwähnt lassen möchte. Diese Pulled-Pork-Burger…. Wahnsinn! Und das Festival… ich wünsche mir hier und jetzt, dass sowas in der Schweiz öfters durchgezogen wird. Wir reden hier beinah schon von einer Art „Mini-Keep-It-True“ mit, und das ist auch nicht schwierig, besserem Sound und top motivierten Bands, die man direkt aus den Dungeons herbestellt hat.
Den Anfang machten
Running Maiden
aus Luzern, die als nahezu perfekter Opener für das, was noch kam, „hergehalten“ haben. Ein Drei-Personen-Trupp mit charismatischer Frontfrau, deren Stimmorgan einen herrlichen Underground-Touch darbot und damit genau meinen Nerv traf. Dasselbe gilt für den roh gespielten Old-School-Heavy-Metal, der dezent an Maiden (ja, die „anderen“ Maiden) oder auch Savage Master erinnert. Ich liebe diesen Underground-Stoff. Tracks wie „Bazaar of Evil“ oder „Vengeance“ knallen einfach richtig gut rein.
Amethyst
Weiter ging’s mit einer ebenfalls aus der Schweiz stammenden, aufstrebenden Truppe (sind z.B. bereits fürs KIT Rising Vol. III in Würzburg gebucht), die, man mochte es kaum glauben, am Starlett Stock Hard ’n‘ Heavy-Festival ihren ersten Live-Auftritt absolvierten. Man könnte jetzt davon ausgehen, dass die Bühne mit der Band mitzittert – aber weit gefehlt. Von Nervosität keine Spur – und die Jungs haben mit einer Ausstrahlung und Power ihre EP „Rock Nights“ durchgerockt, als gäbe es kein Morgen. Toller Sound, toller Gesang, tolle Mucke. Die gehören auf den Schirm eines jeden, der mit Hardrock oder Heavy Metal, oder am besten mit beidem, etwas anfangen kann.
Skullwinx
…dazu kann ich, und das tut mir nun fast leid, fast nichts schreiben. Denn irgendwie haben wir beim Plappern draussen völlig verpasst, dass die Band bereits zu spielen begann – und somit konnten nur die letzten drei Songs mitgenommen werden. Mit selbstverschuldeter Verwunderung, warum die Bayern denn nur so kurz spielen. Ich würde aber sagen, dass diese gehörten Songs nicht das ganze Bild der Band wiedergeben – aber der episch angehauchte Heavy Metal dürfte durchaus Potential haben. Hoffentlich mal zu anderem Anlass.
SIN STARLETT
…also die Organisatoren selbst, kredenzten schliesslich auch noch ihren teils mächtig an Judas Priest angelehnten „Hard and Heavy“, den sie „loud and proud“ und mit GANZ ganz viel Spielfreude an den Mann bringen. Songs wie „Solid Source of Steel“, der dem letztjährigen, gleichnamigen Album zu entnehmen wäre, sind einfach eine Bank. To no one we kneel – Nothing but the Solid source of steel! Für mich eine der besten CH-Bands zur Zeit. Sänger Elias, aka Mr. Stiletti himself, ist die geborene Rampensau. Aber auch die restlichen Bandmitglieder zeigten gut und gerne Präsenz. Ein eingespieltes und bemerkenswertes Team.
Megaton Sword
Eine weitere Schwermetallmacht aus der Schweiz donnerte feldzugartig über die Bühne. Megaton Sword aus Winterthur machen keinen Hehl daraus, dass sie mit ihrem Heavy Metal mit schwer epischer Ausrichtung an die alten Manowar-Tage anküpfen, Conan dem Barbar huldigen und lyrisch in fantasybehafteten Bereichen, in denen es um Schwerter, Macht, Triumph, Mut und all dem anderen ganzen testosterongeladenen Wortschatz geht. Der Sound war ein von Crom persönlich gesegnetes Brett, Songs wie „Blood Hails Steels – Steel Hails Fire“ und „Pristine War“ liessen die Wände erzittern und die neben uns stehenden Eltern des Drummers waren sichtlich stolz auf ihren Sohn und seine Kollegen. Selbst wenn sie privat eher dem Schlager zugewandt wären: Die zwei zeigten nicht nur mit ihrer Anwesenheit volle Unterstütung für ihren Sprössling, sondern verausgabten sich auch körperlich. Wahnsinn! Das ihnen gegenüber geäusserte Lob für die Band liess den Stolzpegel in ungeahnte Höhen schnellen.
Überhaupt fiel auf, dass das nicht nur ein „Familientreffen“ im Metaller-Sinn war, sondern auch im wortwörtlichen. Diverse Elternteile, Verwandte, Kinder besuchten die Location und die Konzerte. Ganz toll.
Konquest
aus Italien hätten eigentlich als nächstes spielen sollen – und die hätten wir auch unglaublich gerne gesehen. Doch lediglich am Abend vor dem Festivaltag musste die Band aus augenscheinlich plötzlichen und privaten Gründen ihren Auftritt absagen – mit dem Versprechen, es wieder gut zu machen. Dennoch brachte das die Veranstalter in die organisatorische Hölle… es wurden über 20 Bands angeschrieben – aber so kurzfristig konnte leider niemand einspringen. Das räumte den restlichen Bands aber immerhin etwas mehr Spielzeit ein. Na dann.. hoffentlich in Runde 2!
Venator
Beinah ereilte das Festival eine zweite Hiobsbotschaft. Der Sänger der Österreicher von Venator fällt aufgrund einer Kehlkopfentzündung aus. Man kann nicht ganz zu Unrecht davon ausgehen, dass fast jede andere Band nun ihren Auftritt abgesagt hätte – nicht so Venator. Die kamen, sahen – und spielten! Ohne Lead-Sänger, dafür aber mit einem kurzfristig, erst vor zwei Tagen organisierten Ersatz namens Laura, ihres Zeichens Sängerin der Hardrock Band Cherokee. Es war ihr zweiter Ersatzeinsatz am Mikrofon, dementsprechend war auch eine leichte Nervosität zu Beginn zu erkennen und die Texte konnte sie natürlich nicht auswendig. ABER: Wie toll hat sie das bitte schön gemacht! Nervosität wich schon bald einer stolzen Bühnenpräsenz und auch stimmlich passte ihr Einsatz nahezu perfekt zum Venator-Sound. A propos… Venator hab ich ja schon einmal live gesehen, die Jungs hauen mächtig auf den Putz. Aber gestern im Sedel wollten sie mehr – sie wollten das mehr oder weniger halbe Set mit purer Energie wettmachen und haben das Gaspedal gefühlt über den Anschlag hinaus durchgedrückt. Meine Fresse haben die losgelegt. Hymne jagte Hymne und Laura wurde am Mikrofon immer auch mal wieder von den Skullwinx- und Amethyst-Sängern unterstützt. Aufrufe der Band ins Publikum, wonach sich doch einer der anwesenden Maniacs auf die Bühne trauen sollte, stiessen zunächst nicht auf fruchtbaren Boden, doch das änderte sich dann im Laufe der Show und ein paar Nasen getrauten sich dann doch. Respekt – wobei man sich ob der Gesangsleistung dann schon fragen musste, ob ein Instrumental nicht die vielleicht bessere Wahl gewesen wäre .. aber hey, nicht böse gemeint. Ich hätte es nicht besser hinbekommen!
Venator haben also auch so unglaublich Spass gemacht – und genau SO werden wir sie wohl auch nie wieder sehen. Der Auftritt jedenfalls verdient grosse Anerkennung. Danke, dass ihr, den Umständen zum Trotz, nach Luzern gefahren seid. Daran darf sich manch andere Band gerne messen. Absolut klasse!
Das Fanzit zum Starlett Stock Hard ’n‘ Heavy-Festival 2023
So – das war’s dann leider auch schon mit der ersten Ausgabe des Starlett Stock Hard ’n‘ Heavy-Festival, das gerne wiederholt werden darf. Genau solche Konzerte, genau diesen Effort, braucht es in der Schweiz. Mehr davon! Tolle Location, tolle Organisation, tolle Bands – und nicht zuletzt auch tolle Leute, von denen man so manchen länger nicht mehr zu gesehen hat. Ohne jetzt die Finanzen zu kennen, würde ich behaupten, dass das Starlett Stock ein voller Erfolg war – schliesslich war im Verlaufe des Abends einem kümmerlichen Pappschild auch die Meldung zu entnehmen, dass sämtliche Tickets verkauft werden konnten. SOLD OUT! Das zeigt doch vor allem zwei Dinge.
Erstens: Der Underground lebte, lebt und wird vermutlich auch immer weiterleben. Und zweitens: In der Schweiz gibt es definitiv Bedarf an solchen Veranstaltungen. Dass in Zürich zeitgleich Krokus und Uriah Heep spielten, interessierte an diesem Abend niemanden. Freilich nimmt das den altgedienten Herren nicht ihre Daseinsberechtigung. Und über Abgang und Auferstehung einiger Bands kann man genüsslich und für alle Ewigkeiten diskutieren. Dennoch ist er einfach da, dieser Durst nach frischem Blut (das ironischerweise metallisch schmeckt). Den Veranstaltern gilt zu guter letzt nun vor allem dies: Meine Hochachtung!