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Sa, 15. April 2023

Victorius, Dragony, Deep Sun, Rizon

Estrich (Winistorf, CH)
03.05.2023

Von Drachen, Ninjas und toten Kaisern

Unter dem Motto „Symphonic Power Blast Tour“ macht ein musikalisches Quartett – Victorius, Dragony, Deep Sun, Rizon – Halt mitten im Nirgendwo.

Dragony aus Österreich, Victorius aus Deutschland sowie die einheimischen Rizon und Deep Sun haben sich angekündigt und wollen den Fans ihre symphonische Power um die Ohren hauen. Dazu ist eine Fahrt nach Winistorf in einen Estrich nötig. Ähm – wie meinen?

Estrich Winistorf

Als ich das erste Mal von dieser Ankündigung hörte, war zuerst einmal ein Blick auf die Landkarte angesagt. Ich bin jetzt nicht gerade die grösste Pfeife in Geografie, aber von „Winistorf“ habe ich echt noch nie was gehört! Und hier soll ein Metal Konzert stattfinden? Okay… Beginnen wir also mit einer kleinen Geo-Stunde: Winistorf liegt im Kanton Solothurn, nahe der Grenze zum Kanton Bern. Die nächste grössere Ortschaft dürfte wohl Herzogenbuchsee sein – und Autofahrern dürfte von den Staumeldungen Kriegstetten ein Begriff sein, das wäre dann schon relativ nahe beim Kantonshauptort.

Die Lokalität, in dem heute Abend harte Töne erklingen werden, nennt sich Estrich. Hier ist der Name Programm. Irgendwie erinnert es mich hier an eine kleinere Ausgabe der Luzerner Schüür, nur dass hier mit sehr viel „Grümpel“ dekoriert wurde. Vom Bärenfell über Verkehrsampeln bis hin zu Schildern des lokalen Jodelclubs findet man wirklich alles Mögliche – sogar ein Kinderwagen thront auf einem Querbalken. Wie in einem Estrich halt!

Gemütlich ist es aber allemal. Es gibt eine grosse Bar, die neben vielen anderen Getränken auch lokales Bier im Angebot hat. Dazu gibt’s eine kleine Küche, wo man Kaffee oder auch Kleinigkeiten zu Futtern erhalten kann. Etwas oberhalb ist die Merchandise der Bands erhältlich, da laden zudem auch gemütlich aussehende Sitzgruppen zum Verweilen ein. Allerdings gibt’s da dafür keinen Blick auf die Bühne… Und genau da beginnt jetzt die Abendunterhaltung!

Rizon

Eröffnet wird der Konzertreigen durch Rizon. Die Truppe aus dem Züribiet ist mir nur dem Namen nach bekannt (schuldig im Sinne der Anklage…), aber ich weiss, dass man die Kollegen Dutti und Sandro als Fans bezeichnen darf. Für mich ist das Neuland und ich bin da schon gespannt, was mich nun erwartet!

Mit einem Intro bestehend aus Werbemusik (Bacardi Song, Raider heisst jetzt Twix…) und dem Eurovsions Song geht’s pünktlich los und die Bühne wird bevölkert. Viel Platz ist nicht – denn der muss auf sieben Leute verteilt werden! Blickfang ist zweifellos die zierliche Sängerin Anastasia, die nicht nur grossartig singt, sondern permanent ins Publikum strahlt. Neben ihr gibt auch Fronter Matt stetig Vollgas.

„Truth Or Consequences“ ist der Opener des aktuellen Albums „Prime Time“ und auch des heutigen Auftritts. Das tönt schon mal nicht schlecht, das darauf folgende „Rebel Heart“ ist dann richtig gut und für mich ein erstes Highlight. Speziell übrigens: Wenn ich das richtig sehe, stammen heute ALLE gespielten Tracks von besagtem Silberling…

Der Disco-Einschlag beim folgenden „Love Your Life“ hingegen ist nicht ganz so suprig – was man vom später folgenden „Save My Soul“ wahrlich nicht sagen kann! Was für ein Ohrwurm – das ist allerfeinster Stoff mit herrlichem Symphonic Einschlag. „Fuckin‘ Rock It“ kann da zum Ende nicht ganz mithalten, sorgt aber dennoch für gute Laune und beschliesst einen insgesamt starken Auftritt. Die leider nicht sehr zahlreich anwesenden Zuschauer honorieren dies mit grossem Applaus. Es wird Zeit für einen CDKauf… (Ja, nochmals Schande über mich – ich hätte das vor Ort tun sollen…)

Setliste Rizon

  1. Truth or Consequences
  2. Rebel Heart
  3. Love Your Life
  4. Torn
  5. High Noon
  6. Save My Soul
  7. Fuckin‘ Rock It

Deep Sun

Auch die zweite Band des Abends ist mir bislang nur dem Namen nach geläufig. Symponic Metal ist Trumpf – und da frage ich mich grad wieder, warum da der werte Herr Dutti das zugunsten von Geknüppel sausen lässt?

Deep Sun legen einen äusserst motivierten Auftritt aufs Parkett. Speziell Basser Angelo steht kaum eine Sekunde still und sprüht vor Spielfreude. Musikalisch habe ich hingegen etwas Mühe. Der Sound ist deutlich inspiriert von (alten) Nightwish, das schleckt keine Geiss weg. Aber so gut Frontlady Debora singt (und das macht sie wirklich stark!), mir geht das zu oft zu sehr ins opernhafte.

Gegen Ende, genauer gesagt ab „Worship The Warship“ wird’s auch für meine Ohren angenehmer. Das kommt nun eine rechte Spur heftiger um die Ecke und auch der Gesang ist hier nicht mehr ganz so hoch. An der Performance der Band gibt es ansonsten wirklich nichts zu rütteln, den meisten Fans gefällt das auch – dass ich schlussendlich nicht ganz überzeugt bin, ist dann ja nicht der Fehler der tiefen Sonne…

Setliste Deep Sun

  1. Dreammaster
  2. Heroes
  3. Rogue
  4. Abandon Cyberspace
  5. For Eternity
  6. Worship the Warship
  7. Hands in Anger
  8. Living the Dream
  9. Euphoria

Dragony

Nachdem ich zwei neue Bands kennengelernt habe, gibt es nun altbekanntes. Zwei Headliner, die sich anscheinend auch abwechseln. Erklärt mir Dragony Mainman Siegfried, als ich erstaunt sehe, dass hier die vermeintlich letzte Band ihr Equipment aufbaut… Gut, dann halt kurzer Klamotten-Wechsel – man will ja mit dem richtigen T-Shirt dastehen…

Allesamt komplett in schwarz gekleidet betreten die fünf Musiker aus unserem östlichen Nachbarland zum Walzer-Intro die Bühne, dann lassen sie es mit der Highspeed-Hymne „Gods Of War“ grad richtig krachen. Hier will jemand zeigen, wer Chef im Ring ist…

Mit herrlichem Wiener Schmäh führt Siegfried Samer durch das Programm. Immer mit einem Grinsen im Gesicht erklärt er auch mal kleine Hintergründe zu den Tracks. Dass „Made Of Metal“ von einem ehemaligen Kaiser handelt, würde sonst kaum jemand glauben…

Dragony trumpfen zudem mit einer fantastischen Setliste. Da ist praktisch alles vertreten, was man hören muss. Klar, im Zentrum steht das aktuelle Werk „Viribus Unitis“. Doch hier sind mit dem treibenden „A.E.I.O.U.“, besagter Hymne „Made Of Metal“ und dem genialen „Battle Royal“ die besten Songs mit dabei. Auch die älteren „Angels On Neon Wings“ und vor allem natürlich der Schwarzenegger-Song „If It Bleeds, We Can Kill It“ sorgen für allerbeste Stimmung.

Die überträgt sich auch auf die Band, speziell Drummer Frederic Brünner und Tastenmann Manuel Hartleb (der leider ziemlich im Dunkeln gelassen wird) bekommen ihr Lachen nicht mehr aus dem Gesicht.

Einen kleinen Wermutstropfen gibt es dennoch zu vermelden: Der Sound ist vor allem zu Beginn nicht gerade optimal. Siegfrieds Stimme hört man erst ab den Neonflügel-Engeln, vorher wird der gnadenlos von den Drums übertrumpft. Nichtsdestotrotz – die Fans haben mächtig Spass. Als der schweisstriefende Sänger und seine Jungs sich nach „Wolves Of The North“ verabschieden, können sie grad noch in Applaus baden… Ein Auftritt, der eines Headliners würdig ist! Ob das jetzt noch getoppt wird?

Setliste Dragony

  1. On the Blue Danube (Intro)
  2. Gods of War
  3. Lords of the Hunt
  4. Angels on Neon Wings
  5. Made of Metal (Cyberpunk Joseph)
  6. A.E.I.O.U.
  7. If It Bleeds, We Can Kill It
  8. Battle Royale
  9. Legends Never Die
  10. Wolves of the North

Victorius

Einer geht noch! Zum Abschluss gibt es nun noch eine volle Dröhnung Highspeed-Kitsch-Fantasy-Ninja-Dragon-Mammoth-Samurai-Dinosaur-Heavy Metal. Ziemlich genau ein Jahr nach ihrem Besuch in Luzern beehren die Ostdeutschen Victorius wieder die Schweiz. Damals hatten sie (wie übrigens auch Dragony!) gerade mal 30 Minuten Spielzeit zur Verfügung. Heute gibt’s doppelt so viel – das freut das Fan-Herz!

Was hingegen alles andere als erfreulich ist: Der Sound ist erstaunlicherweise nun richtig mies! Vom Gesang von David ist kaum was zu hören, die Gitarren und vor allem das Schlagzeug ballern alles zu. Im Verlauf wird der Show wird es dann zwar besser, aber zumindest vorne am Bühnenrand bleibt es bis zum Ende sehr zweifelhaft.

Inwiefern das die Musiker selber bemerken, kann ich nicht beurteilen. Was jedoch offensichtlich ist: Hier steht ein Quintett, welches von der ersten Sekunde einfach Spass verbreitet! Eingepackt in ihre goldenen Rüstungen lassen die Jungs gleich die Dinos und Drachen auf die Crowd los – und das natürlich im absoluten Schnellzugstempo. Sänger David Bassin trägt Kapuze und eine farbige Brille, die seine blaue Schminke noch verdeckt. Läck, wenn das die Szenepolizei sieht…

Im Fokus des musikalischen Programms steht selbstredend „Dinosaur Warfare Pt.2“, der Output aus dem letzten Jahr. Über die Hälfte der Songs stammen davon. Das dürfte dann auch heissen, dass nicht permanent im Überschall-Modus musiziert wird, denn speziell gegenüber dem Vorgänger gibt es deutlich mehr Midtempo zu hören. „Katana Kingdom Rising“ ist ein gutes Beispiel dafür, oder auch „Powerzord“.

Hach, die Show ist einfach herrlich! Wer die Eier hat, Songs über mächtige Mammuts, die Nacht der nuklearen Ninjas oder siegreiche Dino-Götter zu schreiben, der gehört abgefeiert! Wer das dann alles ernst nimmt – selber schuld. Und musikalisch zudem um Welten besser als irgendwelche Humpa-Kapellen…

Die Fans hier haben jedenfalls schaurig der Plausch – allen voran der langhaarige Walliser, der (nicht mehr ganz nüchtern…) im weissen (!) Victorius-Shirt für mächtig Stimmung sorgt. Der eine oder andere Handy-Filmer hat wohl zwischendurch mehr Haare als Band auf dem verwackelten Clip.

Optisch hingegen ist es immer noch ungewohnt, Fronter David ohne seine lange schwarze Matte zu sehen. Auch Gitarrist Flo sieht heute irgendwie anders aus… kein Wunder: Denn Flo ist Steven Lawrenz, ein ehemaliges Mitglied. Der Stammgitarrist ist im Vaterschaftsurlaub. Man darf ihm berichten, dass sein Stellvertreter ebenfalls einen hervorragenden Job macht! Und auch immer schön für die Kamera posiert…

Eigentlich wollte ich noch den Kritikpunkt anbringen, dass keine älteren Tracks im Set zu finden sind. Als ich mir nach der Show die Setliste unterschreiben lasse, nimmt mir David etwas den Wind aus den Segeln – er hat halt schon recht, dass man a) das neue Zeugs präsentieren will und es b) so halt alles auch zusammenpasst. Aber hey – „Dragonheart“ würde da noch reinpassen…? Doch auch so ist es eine äusserst unterhaltsame Stunde, die eigentlich (ausser dem Sound…) wirklich keinen Grund zur Klage gibt!

Setliste Victorius

  1. Dinos and Dragons
  2. Wrath of the Dragongod
  3. Shuriken Showdown
  4. Katana Kingdom Rising
  5. Mighty Magic Mammoth
  6. Jurassic Jetfighters
  7. Dinosaur Warfare
  8. Night of the Nuclear Ninja
  9. Victorious Dinogods
  10. Super Sonic Samurai
  11. Powerzord
  12. Cosmic Space Commando Base

Das Fanzit – Symphonic Power Blast

Leider ein eher bescheidenes Zuschaueraufkommen – da dürften kaum hundert Leute da sein. Sehr schade – die Eintrittspreise waren sehr moderat, die Location ist sehr cool und gemütlich, das Bier fein und am musikalischen Programm gibt es nichts auszusetzen. Aber man muss wohl auch ehrlich zugeben, dass der Estrich wirklich ziemlich in der Peripherie liegt… Doch bei entsprechendem Aufgebot komme ich gerne wieder hier hin!

Und sonst heisst es zweimal neu, zweimal altbekannt – zumindest für den Schreiber. Vier Bands, die alle grossen Spass haben an diesem Abend. Von den beiden Neuen sind Rizon für mich zweifellos eine Entdeckung, Deep Sun hingegen vermögen andere mehr zu begeistern. Die beiden Co-Headliner präsentieren sich in Bestform – wer jetzt der „WAHRE“ Main-Act ist, kann man schlicht nicht sagen. Die begegnen sich – trotz stilistischen Unterschieden – auf Augenhöhe. Kurz und bündig: Der Ausflug hat sich gelohnt!

Fotos Victorius, Dragony, Deep Sun, Rizon – Estrich Winistrof 2023


Wie fandet ihr das Konzert?

03.05.2023
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