Bornstedt, Burg und Camping B
Das Dark Troll Festival findet auf einer Burgruine statt. Der Umstand alleine hat meine Aufmerksamkeit bereits auf sich gezogen und kombiniert mit dem spannenden Lineup konnte ich schlicht nicht widerstehen: diesem Festival muss ich einfach einen Besuch abstatten.
Es ist kalt, als ich um zehn Uhr abends auf dem Camping B inmitten des kleinen Dörfchens Bornstedt ankomme. Nach viel Stau und einem mittelgrossen Umweg infolge Navigationsproblemen habe ich es zum ersten Mal ans Dark Troll Festival geschafft. Leicht geschafft von der langen Reise werde ich vom Platzwart begrüsst, der sich sogleich mit Namen vorstellt und mich einlädt, gemeinsam mit der ganzen Crew des Zeltplatzes noch was zu trinken. So freundlich und persönlich wurde ich noch an keinem Festival begrüsst und die unkomplizierte Atmosphäre lässt mich nur Gutes erahnen für die kommenden drei Tage.
Dass die Veranstaltung einen sehr familiären Charakter besitzt, hat sich übrigens bereits im Vorfeld abgezeichnet, als ich per Zufall im Internet auf die Aufzeichnung eines Livestreams vom Veranstalter selber gestossen bin. Darin erklärt er nicht nur ausführlich die gegenüber den Vorgängerjahren gestiegenen Ticketpreise, sondern erzählt auch noch transparent, dass man etwas gar konservativ kalkuliert habe und die Ticketpreise nächstes Jahr wieder nach unten gehen werden. Sinkende Preise für Festivaltickets? Das gibts vermutlich auch nur hier beim Dark Troll Festival. Auf jeden Fall Horns up für diese Ehrlichkeit.
Nach einer kurzen Besichtigung der sanitären Anlagen (Duschen und Toiletten in der angrenzenden Sporthalle, ergänzt um einige Toitois) erklärt mir Platzwart Yves noch den Frühstückswagen, an dem ab halb neun bis weit nach Mittag von Rührei mit Speck und Essiggurke über Marmeladen- oder Fischbrötchen bis hin zu Soljanka alles zu haben ist, was den Festivalbesuchern Energie gibt. Nun, dann kann der morgige Tag ja beginnen.
Dark Troll Festival – Tag 1 – 18. Mai 2023
Nach Temperaturen von gerade mal zwei Grad Celsius in der Nacht, geniesse ich gemeinsam mit anderen Frühaufstehern die Morgensonne vor dem Frühstückswagen. Die Leute sind freundlich und es ergeben sich schnell erste Gespräche mit neuen Bekanntschaften. Nur als mir meine Frage nach dem Weg zur Burg beantwortet wird mit, es gehe „rauf, rauf, immer schön die Treppe drauf“ muss ich kurz schmunzeln, doch der exakt fünfminütige Fussmarsch hoch zur Ruine lässt mich zum Glück keinerlei Anzeichen von Spinnengezücht erblicken. Oben angekommen, offenbart sich mir der Burghügel in seiner ganzen Pracht. Von hier oben hat man eine tolle Aussicht über das flache Land. Doch wir sind ja primär wegen der Musik hier. Also auf zur Bühne!
Nordblut
Heute erwarten uns ausschliesslich Bands, von denen ich noch keine Konzerte erlebt habe. Nordblut sind die erste davon. Die österreichische Black Metal Band, die ihrer Musik noch einen kräftigen Schuss Pagan Metal beimischt, spielt das erste Mal in Deutschland. Sie sind als Ersatz für Venator hier und wurden tatsächlich von den Zuschauern ausgewählt, nachdem das Dark Troll Festival sich mittels einer Umfrage nach Bandwünschen erkundigt hatte. Auch wieder so ein Beispiel wie Fannah die Organisatoren sind. Der Auftritt ist also in doppelter Hinsicht etwas Spezielles.
Das Publikum erscheint mir allerdings noch etwas zögerlich. Die Ansagen, von denen wir doch einige zu hören kriegen, erzeugen kaum Resonanz. Vielleicht liegt das am insgesamt unspektakulären Auftritt der vier Herren, der auch mich nicht zu bedingungslosen Begeisterungsstürmen hinreissen mag. Solide wäre das richtige Wort für die Darbietung und als Opener eines Festivals habe ich schon bei weitem schlechtere Kapellen erlebt. Nordblut kommen schliesslich in den Genuss eines warmherzigen Schlussapplauses, den ich der sympathischen Band gönne.
Jarl
Nach einer kurzen Umbaupause geht es gleich weiter mit Jarl. Die deutschen Schwarzmetaller haben bisher ein Album veröffentlicht, von dem sie sich auch für den grössten Teil ihres Sets bedienen. Sänger Blutaxt, der trotz des kalten Windes barfuss unterwegs ist, startet ab dem ersten Ton voll durch und weiss mit einer energetischen Darbietung zu überzeugen. Rückhalt kriegt er von der eingespielten Band in seinem Rücken, auch wenn die Abmischung leider doch recht matschig ist. Ob Blutaxt wohl deshalb bei seinen Ansagen auf das Mikrofon verzichtet und einfach mal so ins Publikum ruft. Zum Glück ist der Mann gut bei Stimme, so dass auch die hinteren Reihen immer noch mitbekommen, was er zu sagen hat. Das ist neben anderem vor allem mehrmals danke für unser Erscheinen und die Möglichkeit hier zu spielen. Diese Wertschätzung den Fans gegenüber bringt er dabei genauso authentisch rüber wie sie gemeint ist. Und musikalisch? Musikalisch funktioniert das prima, wobei schon die Tracks am meisten zünden, welche die Band für das kommende Album geschrieben hat wie beispielsweise „Trümmerfestung“. Gute Aussichten für die Zukunft, würde ich also sagen.
Depressive Witches
Ich bin gespannt, wie sich die nächste Band auf der Bühne des Dark Troll Festival schlägt. Bei Depressive Witches handelt es sich nämlich um ein Duo und die Frage ist, ob sie ihren Sound nur zu zweit auf der Bühne umsetzen können. Besetzt sind Schlagzeug und Gitarre, wobei Gitarrist Sick Bab auch noch singt. Unterstützt werden die beiden Brüder von Samples, die vor allem orchestrale Einleitungen komplett mit Erzählerstimme übernehmen. Das passt natürlich zu den Fantasy-Themen, welche die Franzosen verarbeiten und ergibt gemeinsam mit dem Black ’n‘ Roll, den sich Depressive Witches zur klanglichen Umsetzung ausgesucht haben, eine Mischung, die beinahe schon als lustig bezeichnet werden kann – im positiven Sinne gemeint.
Bei den wenigen Ansagen hinterlässt Sick Bab einen sympathischen Eindruck und Schlagzeuger Torvuus schnappt sich mit seiner Ausgelassenheit hinter den Kesseln sowieso meine wohlwollende Aufmerksamkeit. Trotzdem braucht der Auftritt einige Momente, bis er seine Wirkung so richtig entfalten kann. Vielleicht liegt das aber auch am Sound, der leider wirklich viel zu laut ist und die Anlage an ihre Grenzen beziehungsweise darüber hinaus bringt. Die dröhnenden tiefen Frequenzen überschlagen teilweise, was dazu führt, dass grosse Teile des Auftritts total undifferenziert gleichförmig klingen. Doch über viele nickende Köpfe im Publikum können sich Depressive Witches gleichwohl freuen. Verdient haben sie es sich mit einem kraftvollen Auftritt zu zweit auf jeden Fall.
Fimbulvet
Zurück nach Deutschland und weiter mit Fimbulvet. Die Band war Mitte der Nullerjahre mittendrin, als die grosse Folk und Pagan Metal-Welle über die Szene rollte. In den letzten Jahren war es dann ruhiger geworden um Fimbulvet, doch das soll sich heute ändern. Heute spielen die Thüringer nämlich ihr erstes Show seit geschlagenen sechs Jahren. Doch damit nicht genug, machen sie doch gleich auch noch eine Release Show für ihr neues Album Portale draus. Ich kann also problemlos nachvollziehen, dass Bandkopf Stephan Gauger richtig gut drauf ist oder wie er selber es von der Bühne herab ausdrückt: “Ich hab so Freude, dass ich einfach nur Geil sagen will.“ Was ihm das sehr zahlreich anwesende Publikum natürlich mit einem lauten „Geil!“ quittiert.
Auch sonst zeigt sich die Band sehr dankbar und schafft es, diese positive Energie in einen tollen Auftritt zu kanalisieren. Nicht nur das als der Gassenhauer, den ja jede Band irgendwie hat, angesagte „Heidenherz“ kommt sehr gut an, sondern auch die neuen Stücke machen richtig was her. Generell wirkt die Musik um einiges mitreissender als auf den Alben. Insbesondere die Gitarrensoli glänzen nochmals ein ganzes Stück im Livegewand. Zum Glück ist der Sound mehrheitlich erträglich, wenn auch noch ganz viel Luft nach oben ist. Einzig die Stimmung der Ballade „Wie ein Blatt im Wind“ wird durch den zu lauten Bass komplett zerstört. Dafür können Fimbulvet mit ihren restlichen Songs Rufe nach einer Zugabe verdienen. Die liegt zeitlich tatsächlich noch drin, so dass das begeisterte Publikum vollends auf seine Kosten kommt.
Firn
War der Auftritt von Fimbulvet etwas Besonderes aufgrund der langen Liveabwesenheit der Band, handelt es sich beim Auftritt von Firn gleich um deren erstes Konzert überhaupt. Oder vielleicht müsste ich korrekterweise dessen schreiben, denn Firn ist eigentlich ein Soloprojekt, bei dem Mastermind Horda sämtliche musikalischen Fäden zieht. Für die heutige Show hat er sich eine ganze Handvoll Mitstreiter gesucht, die ihn an den Instrumenten unterstützen. Weiss geschminkt zeigen sie alle von Beginn weg eine Leistung, die vergessen lässt, dass diese Songs bisher noch nie auf der Bühne zu hören waren. Klar, hin und wieder sitzt mal ein Gitarrensolo nicht zu hundert Prozent, aber im Gesamten ist der dargebotene Mix aus Pagan Metal und Viking Metal wirklich bemerkenswert. Das wird unterstützt vom mittlerweile akzeptablen Sound, der zwischendurch sogar ganz in Ordnung ist. So schaffen es Horda und seine Horde eine stimmige Atmosphäre aufzubauen, in der sich „Sonnenrad“ und die Bandhymne „Firn“ als Highlights entfalten können. Knapp dahinter folgt als erwähnenswerter Dritter im Bunde „Vater Berg“, was aber nicht heissen soll, dass die restlichen Lieder ungeniessbar wären. Dieses Trio lässt die anderen einfach hinter sich. Kurz und bündig auf den Punkt gebracht, kann man sagen: Livepremiere geglückt.
Kromlek
Etwas Glück war wohl auch im Spiel bei der Verpflichtung von Kromlek als nächstem Act, denn die Folk Metal Band hatte ihre Aktivitäten im Jahr 2012 eingestellt. Extra und ausschliesslich für zwei Konzerte – den ersten seit zwölf Jahren – haben sie sich wieder zusammengerauft und eines davon findet heute auf dem Dark Troll Festival statt. Mit dem Begriff eingerostet muss dem Quintett aber niemand kommen. Im Gegenteil, die ganze Band ist voll bei der Sache, sehr präsent, engagiert und zeigt sich überaus spielfreudig. Zudem würde die Musik alles mitbringen, um die Burgruine in eine grosse Party zu verwandeln. Würde… ja leider tatsächlich im Konjunktiv, denn der Sound macht dem Ganzen komplett einen Strich durch die Rechnung. Der Sänger ist ebenso kaum hörbar wie die Samples, welche für den volkstümlichen Anstrich sorgen sollten. Die Anlage übersteuert dermassen, dass der Brei, der da aus den Boxen tönt, praktisch nicht mehr erahnen lässt, was da eigentlich gespielt wird. Dabei müsste der Ton doch gar nicht so laut sein, die Bands machen ja bereits genügend Druck, damit es richtig kracht. Bei Kromlek ist das doppelt schade, gibt es abgesehen von einem einzigen weiteren Auftritt ja seit zwölf Jahren keine Möglichkeit mehr, sich die Band live zu Gemüte zu führen. So kommt es, dass zwar einige Fans Stimmung machen, der Grossteil der Besucher gemeinsam mit mir aber ratlos vor der Bühne steht.
Istapp
Ob Istapp da besser wegkommen? Ich nehms gleich vorweg: leider nein. Der Sound ist immer noch katastrophal, der Bass oder die Doublebase überschlägt immer wieder und die tiefen Töne dröhnen derart, dass es mit der Zeit tatsächlich körperlich unangenehm wird. (Katatonia an den Metaldays vor sechs Jahren lassen grüssen). Selbst ein Standortwechsel bringt keine Besserung. Mittig vor der Bühne tönt das genauso wie hinten beim Mischpult, seitlich des Lautsprecherkegels oder etwas erhöht im Verpflegungsbereich. Ich habe wirklich alle Orte ausprobiert. Erst hinter dem grossen Turm der Burg, ohne Sicht auf die Bühne wird die Musik hörbar. Abgesehen von den gelungenen Bühnenoutfits, die an gefrorene eingeschneite Mäntel erinnern kann ich deshalb leider nicht wirklich viel zum Konzert der Schweden und ihrem Melodic Black Metal sagen. Hoffentlich bleibt das nicht so.
Saor
Denn weiter geht es nun mit atmosphärischem Black Metal, den Saor mit traditionell geprägten schottischen Klängen angereichert haben. Auf den Aufnahmen zeichnet sich hauptsächlich Frontmann Andy Marshall für die Instrumente und den Gesang verantwortlich, doch an Konzerten steht da eine ganze Band auf der Bühne. Mich freut besonders, dass auch Dudelsack und Flöte live zu hören sind und Saor hier nicht auf die Konserve zurückgreifen. Die beiden sind sogar fast immer hörbar, während der Rest der Abmischung gegenüber vorher stark gebessert hat und sich irgendwo zwischen erträglich und akzeptabel einpendelt. Untenrum knallts und wummerts zwar immer noch viel zu aggressiv, als dass die filigrane, getragene Komponente der Lieder richtig zum Ausdruck kommen könnte, aber ein Eintauchen in die Musik ist wenn auch schwierig so doch nicht unmöglich.
Mit der Ruine im Hintergrund und den Bäumen über uns passen Saor nämlich wie die Faust aufs Auge hierher. Die Band erzeugt eine wirklich stimmige Atmosphäre, bleibt dabei hingegen selber eher zurückhaltend. Andy richtet denn abgesehen von kurzen Danksagungen auch keine grossen Worte an das Publikum und agiert nicht zwingend mitreissend, dafür sympathisch als Drehpunkt auf der Bühne. Die Musik spricht untermalt von einer wunderbaren Lichtshow deshalb für sich und kann mit Unterstützung von etwas Feuer besonders bei „Tears of a Nation“ ihre Stärken voll ausspielen. Der sehr grosse Publikumsaufmarsch würdigt dies nicht nur, sondern spricht auch Bände für den Headlinerstatus, den Saor mit ihrem exakt einstündigen Auftritt einnehmen.
Eigentlich würden jetzt noch Enisum spielen, aber mir ist ob der ganzen Soundthematik etwas die Lust auf mehr vergangen. Zudem sind meine Ohren infolge der hohen Lautstärke trotz Ohrstöpseln recht müde geworden, so dass ich mich zurück ins überraschend ruhige Camp begebe, um für den morgigen Tag auszuruhen. Die Italiener schaue ich mir gerne ein anderes Mal an.
Das Fanzit – Dark Troll Festival – Tag 1
Musikalisch haben Firn heute am meisten überzeugt, doch auch Saor müssen sich definitiv nicht verstecken. Der erste Tag am Dark Troll stand aber vor allem im Zeichen dreier Dinge. Erstens den bereits erwähnten Problemen hinsichtlich Abmischung, über die ich bereits genug geschrieben habe. Zweitens der aufgeschlossenen Stimmung unter den anwesenden rund 1’000 Metalheads. Bei jeder Gelegenheit ergab sich ein Gespräch mit immer wieder anderen Festivalgängern, von denen viele Stammgäste sind. Drittens schliesslich des fantastischen Festivalgeländes. Die Burgruine selbst ist eindrücklich und gibt natürlich viel her. Die Sicht auf die Bühne ist von vielen Orten aus ausgezeichnet und Sitzmöglichkeiten mit Blick auf die Bühne sind derart viele vorhanden, dass sicher die Hälfte aller aktiven Zuhörer die Konzerte im Sitzen geniesst.
Dark Troll Festival – Tag 2 – 19. Mai 2023
Dank der rücksichtsvollen Ruhe auf dem Camping B stehe ich am nächsten Tag nach erholsamen Stunden voller Schlaf wieder am Frühstückswagen, um mich mit Bekannten von gestern zu unterhalten und dabei gleich noch neue kennenzulernen. Es stellt sich bald heraus, dass ich nicht der einzige bin, der sich über die schlechte Tonqualität geärgert hatte, aber wie sagt das Sprichwort so schön: neuer Tag, neues Glück. Also los, rauf zur Burg.
Nordic Raid
Dort warten bereits Nordic Raid auf der Bühne, um den zweiten Tag des Dark Troll Festivals mit Melodic Death Metal einzuläuten. Das noch junge deutsche Quintett lockt schon ein mehr als ansehnliches Publikum an. Anscheinend scheinen sie mit ihrem von Amon Amarth inspirierten Sound hier einen Nerv zu treffen. Das verdanken die fünf nicht nur mit einer engagierten Performance, bei der die Freude richtig durchscheint, sondern auch mit der Premiere eines neuen Songs. Wenn ich Sänger Chris Heruth richtig verstanden habe, hört dieser auf den Namen „Protector of the Thunderstorm“. Kann aber sein, dass mir da etwas durcheinandergeraten ist. Der neue Song hat es so oder so in sich und mittlerweile sind auch alle Instrumente einigermassen zu hören. Nach diesem Auftritt höre ich überall immer wieder von Nordic Raid als Highlight des Festivals. Die Band hat also definitiv etwas richtiggemacht.
Wazzara
Als nächstes stehen unsere Landsleute von Wazzara auf der Bühne und damit die erste Band am Dark Troll Festival 2023, mit der ich live bereits in der Vergangenheit das Vergnügen hatte. Ein Vergnügen ist es auch heute. Der Post Metal der von Babs Brawand gegründeten und mit einem augenzwinkernden Grüezi, Dark Troll angesagten Truppe ist eigentlich zu doomig und schwermütig, um meinen Geschmack richtig zu treffen. Aber wie bereits vor eineinhalb Jahren im Böröm Pöm Pöm (nachzulesen hier), schafft die Band es mich auch heute trotzdem irgendwie abzuholen. Mag es an der hypnotischen Stimmung liegen, die Wazzara aufzubauen vermögen, mag es die einnehmende Stimme von Babs sein, der Auftritt vergeht einfach wie im Flug. Gegenüber vorher stehen aber viel weniger Leute um mich herum, obwohl dies doch der erste Gig der Band in Deutschland ist. Selber schuld, so kommen sie halt nicht in den Genuss der wunderschönen Coverversion des Guggisbergslied, mit der uns das Quartett hier beglückt. Vielleicht ist der musikalische Kontrast zu Nordic Raid für viele gerade zu stark. Eventuell hätte hier eine spätere Platzierung Abhilfe schaffen können, aber seis drum, Wazzara wissen auch den erhaltenen Slot zu nutzen.
Skratte
Das tun auch Skratte, die nun an der Reihe sind. Publikum ist nun wieder mehr anzutreffen zwischen Mischpult und Fotograben. Die Leute scheinen gespannt zu sein auf den allerersten öffentlichen Auftritt dieses Soloprojekts. Als die für den Auftritt zusammengestellte Band loslegt, fällt rasch auf, dass alle Akteure mit viel Herzblut bei der Sache sind. Sogar das Intro spielen sie gleich live statt eine Aufnahme zu verwenden. Das sagt doch schon so einiges darüber aus, wie wichtig der Band ihre Musik ist. Diese setzt sich zusammen aus Folk Metal, Atmospheric Black Metal und überraschend einem Schuss Gothic Metal, der teils sogar leicht in Richtung Dark Rock abschweift. Das tönt jetzt sehr wild, funktioniert im Endergebnis aber tatsächlich.
Besser noch, was wir hier zu hören kriegen, ist interessant und abwechslungsreich, nachdem es ein, zwei Songs in Anspruch nimmt, um sich vollständig entfalten zu können. Das trifft auf die Kompositionen ebenso zu wie auf die Stimme von Hevnbrann, dem Kopf hinter dem ganzen Projekt. Von Screams über dunklen Sprechgesang bis hin zu Tierlauten zeigt er sich äusserst vielseitig. Die Zuhörer bekräftigen ihre Zustimmung schliesslich auch mit kräftigem Applaus. Mich holen Skratte mit ihren Texten nicht uneingeschränkt ab, aber die Musik an und für sich ist wirklich bemerkenswert.
Waylander
Kommen wir nun zu einer Band, die definitiv nicht ihren ersten Auftritt spielt. Die Rede ist von Waylander. Aktiv seit 1993 haben sie die Entstehung des Genres mitgeprägt und trotzdem hat es bisher noch kein Metalinsider an ein Konzert der Iren geschafft. Ein Versäumnis, wie ich bereits nach dem ersten Song festhalten kann. Mit der (gut hörbaren) Flöte bringen die alten Hasen die Leute rasch zum Tanzen, da braucht es gar nicht erst das beschwingte „King of the Fairies“, das ebenfalls zum Zuge kommt. Wobei eigentlich wohnt ja vielen Liedern von Waylander eine tänzerische Leichtigkeit inne. Voller Freude über die Bewegung im Publikum legt die Band noch einen drauf und schaukelt sich gemeinsam mit den Fans hoch.
Die unpolierten, dafür aufrichtig charmanten Ansagen tun ihr Übriges, um den Folk Metal-Pionieren zu einem gelungenen Auftritt zu verhelfen. In Erinnerung bleibt mir vor allem „Autumnal Blaze“, das von den Anwesenden lautstark mitgesungen wird. Bis dann schliesslich Ard Chieftain O’Hagan zum Schluss „Born to the Fight“ als Waylander-Hymne ansagt. Band und Publikum feiern ein letztes Mal gemeinsam bevor Waylander wohlverdient einen langen Applaus spendiert bekommen.
Heidevolk Alvader
Nein, anschliessend entern nicht Heidevolk die Bühne, die stehen erst morgen auf dem Programm. Aber das von Sänger Joris (ex-Heidevolk) gegründete Projekte, bei dessen heutigem allerersten Konzert überhaupt zusätzlich Reamon (ex-Heidevolk), Kevin (ex-Heidevolk), Joost (ex-Heidevolk) und Ernstjan als Mitstreiter antreten, schlägt kompositorisch schon in eine ähnliche Kerbe wie die Frühwerke der noch etwas bekannteren Gelderländern. Das hängt natürlich vor allem mit dem Gesang zusammen, instrumental schielt man nämlich immer mal wieder auch in Richtung Black Metal. Apropos Gesang: Joris hat nichts von seinen Qualitäten als Rampensau eingebüsst. Die Bandvorstellung bringt er gleich nach dem ersten Song auf Deutsch über die Bühne, nur um anschliessend die Leute immer wieder zum Mitmachen anzustacheln.
Alvader treten aber als ganze Band kraftvoll auf, was von der überraschenderweise richtig guten Abmischung unterstützt wird. Unterstützt wird das Quintett auch von Niklas seines Zeichens Mastermind von Horn zumindest bei der bandeigenen Hymne „Alvader“. Das mit den Bandhymnen scheint sich langsam aber sicher zur Spezialität hier am Dark Troll Festival zu mausern. Doch egal ob mit oder ohne Niklas, Joris und seine Band schaffen es, das Publikum mit einem mitreissenden Auftritt gut zu unterhaltend. Freunde von niederländischem Folk Metal sollten sich Alvader für die Zukunft also merken.
Heretoir
Um einiges ruhiger wird es jetzt dann gleich zu und hergehen, denn Heretoir machen sich bereit für ihren Auftritt. Ruhiger, weil deren Post Black Metal mehr zum Eintauchen als zum Ausrasten einlädt. Dass die Band nichtsdestotrotz eine Intensität auf die Bühne bringt, die sich gewaschen hat, zeigt sich schnell. Mit einem gut aufgebauten Set, das sich von Song zu Song steigert, nehmen die Augsburger uns Zuhörer mit zu einem Schwelgen in der Musik und spielen sich mehr und mehr in Fahrt, je länger der Gig dauert. „Golden Dust“ entpuppt sich als Höhepunkt, knapp dahinter folgt „Heretoir“ (ich sag nur: Bandhymne…). Doch auch der Titeltrack der neuen EP, die genau am heutigen Tag erscheint und auf den Namen Wastelands hört, braucht sich beileibe nicht zu verstecken. Zwischendurch zeigen sich bei den sanft vorgetragenen Ansagen einmal mehr an diesem Festival viel Dankbarkeit und Freude. Bis dann „The Circle“ einen runden Schlusspunkt unter den gelungen abgemischten Auftritt setzt und sich Heretoir unter Applaus verabschieden können.
XIV Dark Centuries
War der Zuschauerbereich bei Heretoir bereits gut gefüllt, ziehen XIV Dark Centuries nochmals ein gutes Stück mehr Leute an. Die müssen sich aber noch etwas gedulden, denn die Technik scheint nur bedingt mitspielen zu wollen. Der Soundcheck dauert deshalb ziemlich lange, was dazu führt, dass XIV Dark Centuries rund 15 Minuten später als geplant beginnen. Das verkraften wir locker, ist es doch die erste Verspätung am Dark Troll Festival 2023. Bis jetzt haben die meisten Bands im Gegensatz sogar zu früh begonnen. Dank des kompakten Festivalgeländes ist es aber so gut wie unmöglich deshalb viel zu verpassen. Sobald die ersten Töne zu hören sind, ist man von überall her im Nu bei der Bühne.
Nur die Antwort auf die Frage, ob die gehörten Klänge jetzt noch zum Soundcheck gehören oder bereits der erste Song sind, braucht richtig geraten zu werden. Aber zurück zu XIV Dark Centuries. Die Thüringer treten nämlich gerad in Lederrüstung gekleidet vor das Publikum und bringen sämtliche Anwesenden mit ihrem Pagan Metal in Stimmung. So dauert es schliesslich nicht lange, bis der erste Moshpit startet. Als Belohnung kriegen wir den neuen Track „Aura der Dunkelheit“ zu hören und ich muss sagen, der passt astrein zum restlichen Material, das wir heute zu hören kriegen. Die Stimmung erreicht ihre Höhepunkte dann aber bei „Atme den Wald“ und dem unvermeidlichen „Auf zur Schlacht“. XIV Dark Centuries lassen echt nichts anbrennen und rund um mich herum sehe ich auf ganz vielen Gesichtern dasselbe Grinsen, welches sich auch auf mein Antlitz gestohlen hat.
Die Rufe nach einer Zugabe sprechen denn auch Bände. Die Band ist etwas hin- und hergerissen. Sie lassen uns wählen zwischen einem gemeinsamen Foto oder einer Zugabe. Was für eine Frage, natürlich wollen wir die Zugabe, um gute Bilder bemühen sich ja bereits die Kolleginnen und Kollegen im Fotograben. Doch halt, ein Einspruch von der Seite der Bühne. Die Zeit ist um, für ein weiteres Lied reicht es nicht mehr. Dann wirds halt doch ein Foto, das trotzdem nicht ausreichend festhalten kann, wie fantastisch XIV Dark Centuries mit ihrem gelungenen Auftritt hierher gepasst haben.
Necrophobic
Nach einem solchen Spass werden es Necrophobic nicht leicht haben. Doch ich bin zuversichtlich, was die Schweden angeht. Nachdem sie bis letzten Juni an mir vorübergezogen sind, ich sie dann aber in kurzer Zeit gleich dreimal live erleben durfte, kann ich mit gutem Gewissen behaupten, dass die Band weiss, wie man ein Festival rockt. Ihr Blackened Death Metal bringt zudem ausreichend Power mit, um das bei der vorangehenden Band entstandene Momentum aufzunehmen. Und genau so kommt es auch. Das Quintett zeigt sich gut aufgelegt und geht voll ab, wie man so schön sagt. Anders Strokirk, der sich um den Gesang und die Ansagen kümmert, stachelt das Publikum wie gewohnt mit wilden Grimassen an. Heute kann er sich allerdings des Öfteren ein Grinsen nicht verkneifen. Dass er den Mikrofonständer gleich zu Beginn mal kurz ausser Gefecht setzt, kommentiert er beispielsweise mit einem trockenen „Oh, already broken?“. Dem ist zum Glück nicht so und das Konzert kann ohne Unterbruch weitergehen.
Irgendwann nach dem stürmisch gespielten „Revelation 666“ zücken einige Fans auf der rechten Seite eine riesige Schwedenflagge, mit der sie die Aufmerksamkeit sowie diverse befürwortende Gesten der ganzen Band auf sich ziehen. Doch „much more greater“ als wir Metalheads sei etwas Anderes, lässt uns Anders wissen. Es folgt natürlich „Tsar Bomba“, bei dem sich die die Leute vor der Bühne von ihrer textsicheren Seite zeigen. Da auch der Sound abgesehen von einer kurzen Phase in der Mitte des Sets ganz in Ordnung ist, bringen Necrophobic einen headlinerwürdigen Auftritt ins Trockene ohne ins Schwitzen zu geraten. Im übertragenen Sinne natürlich, denn aktiv wie Jungs waren, werden sie trotz der kalten Nachtluft den einen oder anderen Tropfen Schweiss vergossen haben.
Fuath
Damit bleibt noch eine letzte Band für den heutigen Tag des Dark Troll Festival. Genauer gesagt, handelt es sich einmal mehr um ein Soloprojekt. Andy Marshall, der gestern mit Saor dort oben stand, hat so quasi noch eine Nacht angehängt, um uns mit Fuath seine zweite Spielwiese zu präsentieren. Der hier verarbeitete atmosphärische Black Metal setzt sehr stark auf flächige Arrangements, was mich jetzt gerade nach Necrophobic nur bedingt abholt. Die Musik verströmt –sicherlich gewollt – eine Schwermut, zu der einen Zugang zu finden, herausfordernd ist. Nach dem langen Tag um diese Uhrzeit will mir das nicht mehr recht gelingen. Deshalb beschliesse ich nach einer Weile, mich auf in Richtung Camp zu machen und nehme die repetitiven Klänge von Fuath mit auf den Weg, langsam hinter mir in der Nacht verklingend.
Das Fanzit – Dark Troll Festival – Tag 2
XIV Dark Centuries machen es mir mit ihrem tollen Auftritt leicht, ein Highlight des zweiten Tages zu küren. Eine Erwähnung haben sich dank ihrem ungeschliffenen Charme auch Waylander und Alvader mit Rampensau Joris’ Leistung verdient. Die zu laut eingestellten tiefen Frequenzen sorgten allerdings immer noch bei mehreren Konzerten – namentlich Wazzara, Waylander sowie teilweise XIV Dark Centuries und Necrophobic für ein dröhnendes Wummern, was deren Genuss durchaus schmälerte. Dafür hat sich die Burgruine und damit das Festivalgelände bei viel Sonnenschein von ihrer besten Seite präsentieren können, sei es bei den zwei, drei Zelten des kleinen Ritterlagers, den Merchständen mehr oder weniger lokaler Labels oder bei den handverlesenen Essensangeboten, an denen feines Essen für faire (aufgrund des Wechselkurses für Besucher aus der Schweiz äusserst günstige) Preise verkauft wurde.
Dark Troll Festival – Tag 3 – 20. Mai 2023
Schon bricht der letzte Festivaltag an und es erwartet mich erneut ein Programm mit vielen interessanten Bands. Heute ist doch eine Handvoll darunter, mit denen ich bereits das Vergnügen hatte. Das macht aber nichts, denn alle diese Begegnungen verliefen positiv. Ich erklimme also voller Vorfreude die Stufen zur Burg. Oben angekommen, begebe ich mich als erstes zum Ticketstand, um ein Festivalstoffbändchen abholen. Am ersten Tag habe ich nämlich nur ein Papierbändel gekriegt mit dem Hinweis, dass ich Samstag nochmals kommen soll. Weshalb für die Presse nur Papierstreifen anstelle von richtigen Stoffbändchen angedacht sind, erschliesst sich mir zwar nicht. Aber egal, ich hab’ ja jetzt doch noch eines gekriegt von der netten Dame am Eingang, und bin damit ausgerüstet für was auch immer kommen mag.
Nalar
Das wären dann Nalar, die Tag Nummer drei mit Melodic Death Metal inklusive einem wohldosierten Schuss Black Metal einläuten. Die junge Berliner Band lässt vor allem mit den eingestreuten Gitarrensoli aufhorchen und wird sicher vielen auch wegen ihres Sänger in Erinnerung bleiben. Der Frontmann würde nämlich einen veritablen Komiker abgeben. Seine Ansagen sind durchzogen von Witzeleien, die gepaart mit der Leck mich-Attitude tatsächlich originell rüberkommen. Da kriegen gegrowlte Death Metal-Ansagen ebenso ihr Fett weg wie diverse allgemeine Konzertroutinen, die allenthalben gängig sind. Damit schafft er es ohne Probleme, den Leuten ein Lächeln zu entlocken. Die druckvollen Songs wischen es gleich darauf im positiven Sinne wieder von den Gesichtern, gut hörbar dank der klaren Abmischung. Nalar legen insgesamt einen guten Start hin und punkten mit ihrem lockeren, unverkrampften Auftreten. So darf das gerne weitergehen heute.
Morgarten
Zuständig dafür wären dann Morgarten. Die Schweizer müssen heute ohne Keyboarder auskommen. Den Grund dafür erklärt uns Bassist Cédric mit strahlendem Gesicht. Maël, ihr Mann an den Tasten werde nämlich in diesen Tagen Vater und konnte deshalb die Reise nicht antreten. Die Band freue sich aber sehr über das erste Morgartenbaby. Wir dagegen freuen uns natürlich, dass Morgarten trotzdem angereist sind, um uns mit ihrem Viking Metal Beine zu machen. Die anfängliche Zurückhaltung im Zuschauerbereich überwindet Fronter Pierric gekonnt mit einem verschwörerischen „Come closer I have to tell you something…“.
Wer die Band bereits einmal erlebt hat weiss, dass das nicht nur ein fauler Spruch ist, sondern Teil des Konzeptes bildet. Morgarten bauen in ihre Auftritte nämlich immer wieder kleine gesprochenen Passagen ein, um schöne Überleitungen zwischen den Songs zu kreieren. Auch ein orchestral dominiertes Zwischenspiel, das sich rund in den Konzertfluss einfügt, kommt zum Zuge. In Verbindung mit den mittelalterlichen Gewändern der Bandmitglieder und einiger weniger aber wirkungsvoller Dekorationselementen entsteht über die reine Abfolge von verschiedenen Liedern hinaus ein stimmiges Gesamtpaket. So verwundert es nicht, dass schliesslich Mosh- und Circlepits ausbrechen. Der Abschluss mit „Tales of my Land“, bei dem Pierric dann noch die Flöte auspackt, verkommt damit schon fast zum Selbstläufer.
Vanaheim
Gut aufgewärmt sind wir nun bereit für Vanaheim aus den Niederlanden. Die haben vor rund einem Jahr ihr Debutalbum veröffentlicht und schicken sich an, mit einem symphonisch unterlegtem Mix aus Folk Metal und Viking Metal die Burg zu erobern. Das Quintett gehört aufgrund seiner musikalischen Ausrichtung sicherlich zu den leichtfüssigeren Bands im Lineup, doch was die vier Herren und die Dame hier von der ersten Sekunde an abliefern, hätte vermutlich niemand für möglich gehalten, der wie ich noch keinem Konzert von ihnen beigewohnt hat. Kaum auf die Bühne getreten, machen Vanaheim da weiter, wo vor fünfzehn Jahren Turisas aufgehört haben und legen los als gäbs kein Morgen.
Zino Van Leerdam schwenkt in einer Hand eine Laterne und nutzt das Mikrofon in seiner anderen ausgiebig, um die praktisch sofort mitfeiernde Meute anzustacheln und gute Laune zu verbreiten. Sowieso strahlen die fünf mit jeder Faser ihres Daseins puren Spass aus. Wer sich nicht davon anstecken lassen will, braucht sich wirklich zu bemühen. Und dass bei derart bombastisch aufgezogener Musik so einiges aus der Konserve kommt? Geschenkt, denn Vanaheim haben dafür dank Violinistin Rikke Linssen live eine Geige dabei. In seinem stürmischen Übermut kollidiert allerdings der hüpfende Zino beim zweiten Song damit. Rikke verschwindet rasch von der Bühne und da wird der Frontmann einen Moment lang ziemlich blass, doch zum Glück ist dem Instrument nichts geschehen. Nicht lange danach stehen Geigerin und Geige beide unversehrt wieder auf der Bühne womit die Riesenparty unbeschwert weitergehen kann.
Circlepits, Pogo und wildes Kopfschütteln sind vor der Bühne bei solch einem Feuerwerk von Auftritt eine Selbstverständlichkeit und als die Band nach Ende ihrer Spielzeit schliesslich an den Bühnenrand tritt, bedanken wir uns mit laustarkem Jubel dafür, dass sie uns ein fettes Grinsen ins Gesicht gezaubert haben (und sei es auch nur, weil unten an der Laterne noch das Preisschild klebte).
Bezwering
Nach einem derart spassigen Konzert den Anschluss zu finden, ist natürlich eine Herausforderung. Bezwering stellen sich dieser unerschrocken und wissen dabei den Vorteil des Stilwechsels auf ihrer Seite. Dominierten zuvor fröhliche Melodien, kriegen wir nun einen Cocktail aus Black ’n‘ Roll und Blackened Death Metal serviert. Garniert wird das Gemisch mit klarem Tenorgesang für den sich – getarnt mit einer Sonnenbrille – kein geringerer als Joris van Gelre verantwortlich zeichnet, den wir gestern bereits mit Alvader erleben durften. Doch im Gegensatz zu gestern, schaffen es Bezwering nicht, mich zu hundert Prozent zu überzeugen. Musikalisch funktionieren die Kompositionen durchaus, nur schafft es Joris nicht, seine vergnügte Ausstrahlung ausreichend zu verbergen, um die erforderliche Düsternis rüberzubringen. Das können die restlichen Bandmitglieder nicht ganz kompensieren, so dass der Auftritt bei mir im Endeffekt einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Auf der einen Seite können sich Bezwering musikalisch einer Eigenständigkeit rühmen, auf der anderen Seite dürfte ihr Auftreten gerne noch zwingender sein, um live so richtig punkten zu können.
Frost
Nun steht wieder Black Metal auf dem Programm, dieses Mal aus Ungarn. Auch Frost gehören zu den Bands an diesem Festival, die das erste Mal in Deutschland spielen. Für einen Auftritt an sich spielt das ja eigentlich gar keine Rolle, aber es zeigt halt schön, wie sich das Dark Troll-Team darum bemüht, dem Publikum etwas Aussergewöhnliches zu bieten. Die Band mag nach eigenen Angaben Atmospheric Black Metal spielen, lässt aber auch Stilmittel des Heavy, Death und Melodic Black Metal in ihrer Musik durchscheinen. Der erste Song im Set, „In Me“ lässt das noch nicht so ganz erahnen, doch je länger das Konzert dauert, desto schöner zeigen sich die Melodien. Insbesondere die Gitarrensoli setzen diesbezüglich mehrfach ein grosses Ausrufezeichen. Dass die richtig zum Ausdruck kommen, dafür sorgt auch der Sound, an dem es – einmal mehr am heutigen Tag – nichts auszusetzen gibt. Das ist nun wirklich tadellos abgemischt. Zudem ist sich die Band auch nicht zu schade, hin und wieder ganz freundlich mit dem Publikum zu agieren, was ihr beim leider nicht so zahlreich anwesenden Publikum definitiv einige Sympathiepunkte einbringt. Frost wissen also auf der ganzen Linie positiv zu überraschen. Da bleibt nur geniessen und applaudieren.
Black Messiah
Nach der wie gewohnt kurzen Umbaupause folgt sogleich die nächste Ladung Black. Diesmal ist nicht Black Metal gemeint sondern Black Messiah. Die wollen eigentlich etwas eher beginnen, wie sie im Anschluss an den Soundcheck ankündigen. Doch irgendetwas scheint mit dem Intro schief zu laufen, es bleibt einfach still. Schliesslich treten die deutschen Folk Metaller ohne musikalische Untermalung auf die Bühne, während ihr Gitarrist uns erklärt: „Das Intro – so richtig geil, schön düster – das müsst ihr euch jetzt einfach vorstellen. Wir auch.“ Auch mal ein Anfang, durch den sich die Band trotzdem nicht aus der Ruhe bringen lässt. Da sie keine neuen Stücke hätten und nicht immer das gleiche Set spielen wollten, würden sie uns heute einige der ganz alten Songs aus den Anfangstagen aufführen. Diese bilden dann gleich den Konzertbeginn, worüber die anwesenden Metalheads ihre Zustimmung mit viel Applaus ausdrücken. Auf Unterstützung der Fans können Black Messiah sowieso zählen, so gross war der Aufmarsch vor der Bühne bisher noch nie am Dark Troll Festival 2023. Letzteres verwechselt dann Gründungsmitglied Zagan in einer Ansage tatsächlich mit dem Wolfszeit Festival, was ihm einige spöttische Lacher einbringt. Doch wirklich böse ist ihm niemand.
Wie auch, sind wir doch mittlerweile bei den grossen Hits wie „Gullveig“, „Der Ring mit dem Kreuz“ und natürlich das „Sauflied“ angelangt. Viele Menschen in Kombination mit Folk Metal-Klassikern führen zu was? Genau, einem grossen Pit, der wogt und tobt, dass es eine wahre Freude ist. Sogar mehrere Crowdsurfer lassen sich nach vorne tragen. Doch auch ein ausgelassenes Fest muss irgendwann zu Ende gehen. Die Band beginnt schon, sich zu verabschieden – die Zeit sei leider um – als ihr mitgeteilt wird, dass es noch für einen Song noch reiche. Spontan entschliessen sich das Sextett noch „Söldnerschwein“ anzuhängen. Den hätten sie zwar nicht extra geprobt, aber bestimmt genügend oft gespielt, dass er sitzen würde und das tut er auch. Damit bleibt wohl kein Wunsch mehr offen und Black Messiah dürfen bejubelt in den Feierabend starten.
Heidevolk
Das können Heidevolk (dieses Mal wirklich Heidevolk) sich noch nicht erlauben, will die hungrige Menge doch erst mal eine weitere geballte Ladung Folk Metal auf die Lauscher geklatscht bekommen. Die Niederländer brauchen dann aber überraschend etwas, bis sie die Zuschauer auf Betriebstemperatur haben. Doch mit den richtigen Songs kriegen sie es schliesslich hin. Bei „Drink met de Goden (Walhalla)“ braucht es noch etwas Anleitung von Sänger Jacco, damit die Leute ihre Stimmen akivieren, „Wolf in my Heart“ wird schon unabhängiger mitgesungen und bei „Saksenland“ können Heidevolk auf einen eindrucksvollen Fanchor zählen im Refrain. Hoffentlich aber auch, wenn man bedenkt, in welchem Bundesland wir uns gerade befinden. Natürlich kommt im Rahmen des Auftritts das erst vor drei Monaten erschienene Album Wederkeer zum Zuge und hier zeigt sich leider, dass die neueren Lieder der Band mit wenigen Ausnahmen, einfach nicht die Kraft der alten Songs erreichen.
Mir fällt das Wort gemütlich ein, was einfach nicht das ist, was ich von Heidevolk hören möchte. Das zeigt sich beispielsweise auch bei „Schildenmuur“, das in die genau gleiche Kerbe schlägt wie das heute leider nicht gesungene „Yngwaz‘ Zonen“, nur nicht mal halb so tief. Der Song tönt wenig inspiriert. Da zünden das unverwüstliche „Vulgaris Magistralis“ oder der Abschluss „Nehalennia“ zigmal mehr. Mit denen holen die Gelderländer das Publikum dann problemlos ab und stimmen mich wieder versöhnlich, so dass ich festhalten kann: wenn sie auf die richtigen Lieder setzen, machen Heidevolk immer noch grossen Spass.
Primordial
Gerade Spass ist dann nicht unbedingt ein Begriff, den viele mit Primordial verbinden. Die Iren stehen viel mehr für düsteren eindringlichen Pagan Metal. Bei all meinen bisherigen Zusammentreffen mit ihnen, haben sie es damit geschafft, mich zu faszinieren und eine intensive Darbietung abzuliefern. Schauen wir mal, ob sie das heute auch hinkriegen. Wie auf der Tour vor rund einem Jahr (über die wir hier berichtet haben) sind auch heute während der Umbaupause Choralgesänge zu hören, die eine passende sinistre Atmosphäre über die nächtliche Szenerie legen. Der Soundcheck scheint währenddessen nicht ganz glatt zu laufen. Auf jeden Fall herrscht da oben einies an hin und her, bis sämtliche Akteure sich dann ausser Sicht begeben. Ganz in grünes Licht getaucht schreiten Primordial schliesslich zu „Dark Horse on the Wind“ auf die Bühne, um ihr Set mit „Where greater men have fallen“ zu beginnen. Von Beginn weg zeigt die Band die erwartete starke Bühnenpräsenz, sei es bei „No Grave Deep Enough“, „Autumn’s Ablaze“ oder dem auf Festivals nicht ganz so oft gespielten „Coffin Ships“.
Doch etwas ist anders als an den bisherigen Konzerten, die ich von Primordial gesehen habe. Leadsänger Alan Averill gibt sich verspielt, blödelt immer wieder mit Bassist Pól MacAmlaigh herum oder scheint hin und wieder mit dem Bühnenmischer zu scherzen. Dadurch wirkt die Darbietung nicht ganz so intensiv wie auch schon. Dass dann auch noch der Mikrofonständer umfällt und dabei sein Mikro in den Fotograben fällt, hilft da auch nicht unbedingt weiter. Dafür kann er sich an der Burgruine erfreuen, deren Wirkung als Kulisse wirklich eine nochmalige Erwähnung verdient hat. Was mich ebenfalls überrascht: das Publikum kommt nicht so aus sich raus. Obwohl sich in den Gesprächen während der letzten drei Tagen gezeigt hat, dass hier viele auf Primordial als Headliner gewartet haben. Das muss auch Alan merken, der sich trotz seiner bekannten Art Blickkontakt mit Individuen aufzunehmen, mehr anzustrengen braucht, um Stimmung zu erzeugen. Erst bei „Empire Falls“, das den Abschluss des heutigen Konzerts bildet, singen die Leute um mich herum inbrünstig mit. Insgesamt habe ich Primordial schon stärker erlebt, doch weil sie live einfach grundsätzlich genügend Wucht mitbringen, ist auch der heutige Gig immer noch absolut geniessbar.
Afsky
Und damit kommen wir bereits zum Rausschmeisser des Dark Troll Festival 2023. Mittlerweile ist es Nacht und wieder um einiges kühler geworden, nachdem den Tag durch die Sonne für wirklich angenehme Temperaturen gesorgt hatte. Die Dänen von Afsky haben ihr rund zwei Monate altes Album Om hundrede år mitgebracht. Bis an den Rand gefüllt mit Black Metal ist es in Kombination mit dem bereits vorhandenen Material das ideale Gepäck für eine vereinnahmende Schlussdarbietung. Wie es der Zufall will, stehe ich direkt neben dem Kopf des Organisationskomitees, der übrigens auf den Namen Kelly hört, wie ich mittlerweile herausgefunden habe. Ich stehe also neben Kelly und der ist ganz hingerissen. Mir kommen einige beeindruckte und zurecht stolze Gesprächsfetzen von einem „würdigen Abschluss“ zu Ohren und ich pflichte ihm im Stillen bei. Die Band bietet keine grosse Show, sondern beschränkt sich auf das Spielen ihrer Songs. Und das reicht auch vollkommen aus. Mit dem Sternenhimmel über uns, flankiert von den Baumwipfel beenden Afsky das Festival in gelungener Art und Weise.
Das Fanzit – Dark Troll Festival – Tag 3
Das Dark Troll Festival 2023 ist Geschichte und es war ein wirklich schönes Erlebnis. Der letzte Tag hat nochmals ausgezeichnete Konzerte für uns bereitgehalten, allen voran Vanaheim, die gleich den Höhepunkt des ganzen Festivals abgeliefert haben. Aber auch alle anderen Truppen haben sich von ihrer besten Seite gezeigt. Heute war zudem der Sound wirklich ausgezeichnet, da kann ich dem Tontechniker nach dem ganzen Gemecker am ersten Tag erfreulicherweise ein grosses Kompliment machen.
Ich weiss nicht, ob das Dark Troll Festival noch ein Geheimtipp ist. Ich weiss nur, dass es ein ungemein liebevoll organisiertes Festival ist, das auf eine treue Stammkundschaft zählen kann. Weil die Leute so gesprächig und offen sind, bekommen auch Neulinge einen guten Teil dieses Gefühls eines Familientreffens mit. Mit einem sorgfältig zusammengestellten Lineup und fairen Preisen bei der Verpflegung schafft die motivierte Crew den Nährboden für ein hoch zufriedenes Publikum – sei es auf dem Festivalgelände selbst oder auf dem Zeltplatz. Schliesslich trägt die Burgruine als aussergewöhnliche, atmosphärische Kulisse, das ihre dazu bei, dass ich allen Fans der genannten Genres einen Besuch des Dark Troll Festivals empfehlen kann.