Das Vermächtnis britischer Rockkunst
Wenn es darum geht, grosse und einflussreiche Namen der Rockmusik aufzulisten, dann sind die Britischen Inseln unerschöpflich und hochkarätig vertreten – selbst im 21sten Jahrhundert und in einer Zeit, in der die härteste Form der Rockmusik zum breitgefächerten und stilreichsten Musikgenre gehört.
Die «New Wave of British Heavy Metal» wird generationsbedingt um die «New Wave of Traditional Heavy Metal» ergänzt und setzt musikalisch genau dort an: im klassischen Metal der 70ern und 80ern. Mittlerweile sind es junge Bands aus aller Welt, die ihren musikalischen Göttern huldigen und damit die britische Rockkunst auflodern lassen.
Wytch Hazel aus dem Nordwesten Englands gehören somit zu den Nachfahren aus eigenem Hause. Da liegt es auf der Hand, dass die musikalischen Wurzeln entsprechend tief reichen. So tief, dass man die Einflüsse umgehend heraushören und diese mit einem nostalgischen Lächeln wohltuend auf sich wirken lassen kann. Auf den bisherigen Alben «I: Prelude» (2016), «II: Sojourn» (2018) und «III: Pentecost» (2020 – siehe Review) servieren die Briten um Multiinstrumentalist und Songwriter Colin Hendra allerfeinste Kost, die mal an Wishbone Ash, dann an Thin Lizzy, oft an Jethro Tull und vereinzelt auch an eine imaginär mittelalterliche Version von Iron Maiden erinnert. Ein mythisch archaischer Sound, der irgendwo zwischen Hardrock und klassischem Metal angesiedelt eine stetig wachsende Fangemeinde zu verzeichnen hat und auch live an der Schweizer Konzertpremiere gänzlich zu überzeugen weiss (siehe Review vom Elements of Rock)
Mit dem vierten Streich «IV: Sacrament» möchte man am Erfolgskurs von «Pentecost» anknüpfen und bestärken, dass man noch viel spannendes und relevantes Material im Köcher hat. Folglich hat sich am Konzept nichts geändert, auch wenn die neuen Songs (vier davon waren als Vorab-Singles zu hören) auf den ersten Hörgenuss gegenüber dem Vorgänger gebügelter und etwas gedämpft wirken. Allerdings verfliegt diese Wahrnehmung, sobald man sich dem Album als Gesamtwerk widmet: ‹The Fire’s Control› eröffnet mit allen typischen Wytch Hazel Merkmalen die Langrille und bohrt sich mit seinen Twin Gitarren und einprägsamen Melodien umgehend in die Gehörgänge. Und schon fühlt man sich irgendwo im sagenumwobenen Sherwood Forest verschollen, während das nachfolgende ‹Angel Of Light› (die erste Single) in dieselbe Kerbe haut. Die folgenden ‹Time And Doubt› und ‹Strong Heart› fügen sich nahtlos ein und trumpfen wiederholt mit zweistimmigen Gitarren, packenden Hooks und prägnanten Solos. Erst der Stampfer ‹Deliver Us› zieht die Zügel etwas in eine andere Richtung und lässt so Seite A vom Album ausklingen.
Seite B wird vom maidenesken ‹A Thousand Years› eröffnet, mündet dann aber in den ruhigeren Teil der Platte ein. Nun nimmt man die textlich sehr persönliche Note von Colin Hendra auch musikalisch deutlich wahr. Das Instrumental ‹Gold Light› stimmt auf das schleppend gehaltvolle ‹Endless Battle› ein, um schliesslich beim akustischen ‹Future Is Gold› zu landen. Letzteres ist ein gefühlvolles, folkloristisches Glanzstück mit mehrstimmigem Gesang und pointierter Instrumentalisierung. Der Abschlusstrack ‹Digging Deeper› nimmt wieder etwas Fahrt auf und besiegelt das Album Wytch-Hazel-mässig in britischer Rock-Folklore.
Das Fanzit Wytch Hazel – IV: Sacrament
Zweieinhalb Jahre nach dem phänomenalen «III: Pentecost» meldet sich das Quartett eindrucksvoll zurück. Allerdings bleibt der Wow-Effekt bei «IV: Sacrament» gegenüber dem Vorgänger anfangs aus. Doch das klassisch angenehm warm produzierte Album wächst mit jedem Durchgang und man kriegt es nicht mehr aus den Ohren. Wytch Hazel haben es erneut geschafft, ihren eigenwilligen und wiedererkennbaren Stil in zehn erstklassigen Songs einzufangen, die per se keine Wünsche offenlassen. Wer mit Bands wie Jethro Tull, Wishbone Ash oder Thin Lizzy aufgewachsen ist und generell bei britischem Rock und den Ursprüngen von Hardrock und Heavy Metal zuhause ist, der sollte Wytch Hazel schleunigst in die Merk- und Kaufliste aufnehmen. Hört selbst!
Von mir gibt es unterdessen sehr gute 9 von 10 Punkten.
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Trackliste Wytch Hazel – IV: Sacrament
- The Fire’s Control
- Angel Of Light
- Time And Doubt
- Strong Heart
- Deliver Us
- A Thousand Years
- Gold Light
- Endless Battle
- Future Is Gold
- Digging Deeper
Line Up – Wytch Hazel
- Vocals, Guitars, Piano & Organ – Colin Hendra
- Guitars – Alex Haslam
- Bass – Andrew Shackleton
- Drums – Aaron Hay
- Mandolin & Mellotron – Ed Turner
- Drums on this recording – Colin Hendra