Mettlerfield 2023
Do–Sa, 22.–24. Juni 2023

Mettlerfield 2023 – Voice of Ruin, Insanity61, Expellow u.v.m.

Krähenbühl (Mühlau, CH)
12.07.2023
Mettlerfield 2023

In Mühlau schiessen sie auch Sonntags

Die Entstehungsgeschichte des Mettlerfield Festivals ist lesenswert genug, um sie hier nochmals wiederzugeben. Das Mettlerfield Festival hat seine Existenz nämlich Corona zu verdanken. Im Jahr 2020 organisierte eine kleine Gruppe von Fans der harten Klänge ein Konzertabend, um die Absage des Greenfields respektive den daraus ungestillten Hunger nach Livemusik zu stillen. Dieser mit Herzblut organisierte Anlass in Mühlau, Kanton Aargau zog denn auch überraschend an die hundert Personen als Besucher an. Wobei, so überraschend ist das vermutlich gar nicht, war das Organisationskommitee doch sicherlich nicht alleine mit dem Bedürfnis, Konzerte hören zu können.

Aufgrund des Erfolgs fand das Festival im darauffolgenden Jahr nochmals statt. Weil die Scheune, welche eigentlich die Konzerte beherbergen sollte abbrannte, entwickelte sich das Mettlerfield Festival zu einem Open Air weiter und ist dieses Jahr bei seiner vierten Ausgabe angekommen. Austragungsort ist immer noch die Umgebung des Bauernhofs im Krähenbühl mit der abgebrannten Scheune. Bereits am Eingang werde ich freundlich von der Crew in Empfang genommen und unkompliziert zum Campingplatz geführt. Der befindet sich auf dem hinteren Teil der Wiese, wodurch er sogar Bühnensicht bietet. Das Gelände ist derart kompakt, dass unser Camp so quasi direkt in der Halle liegt, wäre dies hier das Z7. Das Festzelt mit der Bar zwischen Bühne und Camping ist folglich nur ein paar Dutzend Schritte entfernt. Hier erleben also das Festival irgendwie alle gemeinsam, egal ob sie an der Bar, vor der Bühne oder beim Zelt sind. Kombiniert mit der überschaubaren Anzahl an Besuchern (so etwas zwischen 300 und 500 Personen zu Spitzenzeiten) lässt das – mir fällt kein besseres Wort ein – Ferienstimmung aufkommen.

Mettlerfield Festival – Tag 1 – 23. Juni 2023

Zugegeben, das mit dem «Tag 1» ist nur aus meiner Sicht korrekt. Gestern Abend war hier auf dem Festivalgelände nämlich auch ohne meine Anwesenheit schon Betrieb. Das Schyzerörgeliduo – unterstützt von der Bassgeige – namens OsBeLu hat anscheinend für gute Laune und friedliche Stimmung gesorgt und mitgeholfen, dass das Mettlerfield Festival kurzerhand zum Beizlifäscht mutierte. Heute geht es nun mit härteren Klängen weiter.

Alive for Redemption

Als Alive for Redemption das Mettlerfield 2023 eröffnen, sind wir aber noch von den oben erwähnten Spitzenzeiten entfernt. Vor der Bühne tummeln sich erst einige Hartgesottene. Alive for Redemption füllen deren Gehörgänge mit modernem Metalcore und machen das ganz ordentlich. Der Gesang könnte hier und da noch etwas mehr Hall vertragen, die Samples ein gutes Stück lauter sein, doch im Grossen und Ganzen machen die Jungs einen guten Job. Sie lassen uns schliesslich wissen, dass heute erst ihr dritter Auftritt ist. Unter diesem Aspekt betrachtet, verdienen Alive for Redemption für die heutige Leistung definitiv den Applaus, den ihnen das Publikum am Ende spendet. Apropos betrachtet: hier vor der Bühne ist das Gelände leicht abschüssig (etwa so wie beim Rock the Lakes), was bis in die hinteren Reihen einen unverstellten Blick auf das Geschehen ermöglicht. So lob ich mir das.

Walrus

Nach einer ganz kurzen Umbaupause geht es auch schon weiter. Power Metal ist nun angesagt und dafür sind Walrus aus dem Kanton Waadt angereist. Auch für sie ist der heutige Tag speziell, denn dies ist sowohl ihr erster Auftritt an einem Festival, wie auch ihre Premiere in der Deutschschweiz. Gitarrist Alex beruhigt aber alle, die sprachliche Herausforderungen befürchten: „Wir sind les Welsch, aber heute sprechen wir Deutsch für Sie!“. Merci beaucoup. Holt sich das Quintett damit einige Sympathiepunkte, reicht es auf der musikalischen Seite für noch einiges mehr. Viel mehr, denn Walrus zeigen Können, Charme und Melodie verpackt in interessanten Songs. Dabei bleiben sie immer zugänglich, womit sie beim Publikum sofort ins Schwarze treffen. Dazu tragen auch die tollen Basssoli bei, die in mehreren Stücken eingebaut sind. Und wer wie Sänger Fred im Refrain des Helloween-Covers „I want out“ so nach Michael Kiske tönt, dass ein Blindtest zur Herausforderung würde, muss einfach für diese Art von Musik geboren sein. Die fünf Jungs erfüllen mit grosser Spielfreude die selbstauferlegte Mission, mit ihrer Musik „Spass zu machen und tolle gemeinsame Momente zu kreieren“ spielend. Jetzt brauch mir nur irgendwann mal noch jemand zu erklären, was hinter dem Bandnamen steckt.

Die nun folgende Umbaupause ist mit 45 Minuten etwas länger und gibt uns die Möglichkeit, das Essensangebot zu nutzen. Schnell entpuppen sich die mit Raclettekäse überbackenen Pommes Frites als Favorit, auch wenn das Chilli sin Carne ebenfalls sehr fein aussieht. Die Preise sind sehr fair und die Speisekarte bietet auch diverse Posten für das schmale Portemonnaie. Für die Getränke wird jedem Besucher am Eingang übrigens ein personalisierter Mettlerfield-Becher in die Hand gedrückt, der der Bar vor jeder Bestellung jeweils gespült wird. Wer noch einen Becher von vergangenen Festivalausgaben mitgebracht hat statt einen neuen zu nehmen, kriegt das erste Getränk gratis. Sicher eines der angenehmsten Systeme, die ich an einem kleinen Festival gesehen habe. Mittlerweile sind die Pommes Frites aber aufgegessen und gestärkt bin ich bereit für was auch immer kommen mag als nächstes.

Anam’Kara

Das wären dann Anam’Kara, wie mir ein Blick auf die Running Order verrät. Geblendet von der niedrig stehenden Sonne legt das Quintett los. Als totales Kontrastprogramm zum vorangehenden gutgelaunten Power Metal kriegen wir eine Mischung aus Symphonic Black Metal und Melodic Death Metal zu hören. Wobei sich das mit der Laune wirklich nur in Bezug auf die Musik sagen lässt, denn die Band selber hat nicht nur sichtlich Spass an ihrem Auftritt, sondern trägt dieses Gefühl auch nach aussen ins Publikum. Das Thema Kontrast zieht sich aber schon durch das Konzert. Auf der einen Seite spielen Anam’Kara nämlich ihren 20-Minuten-Track «Tales of Blood». Das ist für einen Festivalauftritt an und für sich bereits eine mutige Entscheidung und sie erscheint noch mutige, wenn man bedenkt, dass da auch einige Teile drin sind, bei denen die Band überhaupt nicht spielt und sich nur auf Samples verlässt. Andererseits holt das Quintett dann einen Herrn auf die Bühne (seinen Namen habe ich leider nicht verstanden), um den «Hülsen-Song» gemeinsam aufzuführen. Bei diesem kleinen Mundartliedlein handelt es sich anscheinend um die inoffizielle Mettlerfield-Hymne. Dementsprechend wird sie auch von vielen im Publikum mitgesungen. Der Gegensatz geht schliesslich auf: «Tales of Blood» und «Hülsen-Song» funktionieren nicht nur jeder für sich, sondern passen – so unterschiedlich sie sein mögen – auch beide in den Fluss desselben Auftritts ohne die Stimmung durcheinander zu bringen. Dass dem so ist, liegt vor allem an der Bodenständigkeit, mit der Anam’Kara hier überzeugen.

Artifiction

Das Programm geht nach einer zweiten etwas längeren Umbaupause weiter mit Artifiction. Anders als alle anderen Bands, die heute auftreten, bin ich den Metalcorern in der Vergangenheit bereits einmal über den Weg gelaufen. Das ist nun aber bereits drei Jahre her und ich bin gespannt, wie sie sich weiterentwickelt haben. Verglichen mit meiner Erinnerung kriegen wir heute einiges mehr an Klargesang auf die Ohren. Im Vergleich zu den Screams ist dieser zum Glück gut hörbar. Letztere verschwinden leider im Mix. Auch die Samples, von denen es einige gibt, sind eher in den Hintergrund gemischt. Der Sound ist aber weit davon entfernt, ungeniessbar zu sein. Ansonsten würde sich vermutlich auch nicht immer wieder ein Moshpit bilden vor der Bühne. Hier treten dann die Tücken des abschüssigen Geländes zutage: die erhöhten Anforderungen an den Gleichgewichtssinn führen zu vielen Stürzen, von denen zum Glück allesamt glimpflich ausgehen. Bei der Wall of Death, zu der sich einige Fans hinreissen lassen, führt die Neigung des Bodens allerdings zu keinerlei Beeinträchtigung. Die Band honoriert die Bewegung im Publikum mit technisch sauberem Spiel und einer aktiven Performance. Nur als der Sänger die Menge auffordert dem Bassisten ein Happy Birthday zu singen, runzelt sich die eine oder andere Stirn. Der Bassist hat nämlich weder heute noch gestern oder morgen Geburtstag, was die ganze Aktion etwas skurril aussehen lässt. Freuen tut er sich aber trotzdem und das gönnen wir ihm natürlich.

Insanity61

Freude bringt auch die nächste Band mit auf die Bühne. Die wurden bereits als Insanity65 angekündigt, haben aber tatsächlich vier Zähler weniger auf dem Buckel. Insanity61, wie sie also heissen, lassen nichts anbrennen und machen von Beginn weg richtig Dampf. Mit ihrem Hardcore haben sie sich dafür den richtigen Musikstil ausgesucht, doch es ist nicht wenig der energiegeladenen Darbietung geschuldet, dass sich die Leute zu vielen Moshpits hinreissen lassen. Tobi, der sich um den Gesang kümmert, hat sich schon nach kurzer Zeit so verausgabt, dass ihm seine Jacke zu heiss wird und er ein Dasein ohne Oberbekleidung bevorzugt. Dabei ist es mittlerweile recht frisch geworden, der Wind hat die Wärme des Tages längst fortgeweht. Da schafft Bewegung natürlich Abhilfe. Oder ein Ausflug ins Publikum, wie ihn Tobi so gegen Mitte des Sets unternimmt. Oder einen mutigen Metalhead herumtragen, der sich ans Crowdsurfing gewagt hat. Das übersteht er unbeschadet, die Menge scheint sich langsam an den abschüssigen Publikumsbereich gewöhnt zu haben. Daher steht dem gelungenen Abschluss des heutigen Festivaltages nichts im Wege.

Das Fanzit – Mettlerfield Festival – Tag 1

Wobei Abschluss nicht für alle gilt. Im Zelt ist nämlich noch Festbetrieb und draussen hat das OK zwei Feuerschalen aufgestellt, in denen jetzt Feuer vor sich hin prasselt. Passend dazu hat die Bar nach dem Abschluss der Konzerte ihr Angebot um Bratwürste zum selber Grillieren erweitert. Wieder so eine coole Idee. Überhaupt hat das Mettlerfield Festival an seinem ersten Tag mit einer liebevollen und trotzdem professionellen Organisation einen einladenden Eindruck hinterlassen. Bezüglich der Bands haben sich Walrus für mich als Highlight entpuppt. Die Waadtländer wissen, wie man Power Metal spielt. Dahinter folgen Anam’Kara mit einem abwechslungsreichen und unterhaltsamen Auftritt der Gegensätze.

Mettlerfield Festival – Tag 2 – 24. Juni 2023

Am nächsten Morgen lässt mich ein Blick über den Campingplatz schätzen, dass so zwischen 70 und 100 Nasen hier übernachtet haben müssen. Geweckt werden sie alle von den Punkt acht Uhr abgefeuerten Schüsse auf dem gleich nebenan liegenden Schiessstand. Na dann, irgendwann müssen wir ja sowieso aufstehen, oder? Frühstück gibt’s im Zelt. Auch diesbezüglich ist alles unkompliziert organisiert und wird mit den an der Bar erhältlichen Konsumkarten bezahlt. Das kleine aber feine Angebot bringt die Bewohner des Campingplatzes über die Runden, bis es schliesslich bei strahlendem Sonnenschein Mitte nachmittags weitergeht. Nur der Italopop nach dem Mittag an der Bar hätte nicht unbedingt sein müssen (wir erinnern uns: der Campingplatz ist ganz nah beim Festzelt, man könnte auch sagen in Hörweite…).

PnB

Zum Glück gibts jetzt Pop Punk auf die Ohren. Dafür sind PnB besorgt, deren Abkürzung für Promnight Bastards steht. Genau besagte Promnight oder sonst ein Schulfest würde sich so gut wie sofort in eine Riesenparty verwandeln, wenn PnB dort auftreten würden. Hier am Mettlerfield nehmen es die Leute eher gemütlich. Die Band gibt es übrigens seit 2019, auch wenn ihr Backdrop selbstbewusst verkündet: „Stealing your Girlfriends since 1998“. Wenn dem so wäre, hätten sich das Wetziker Quartett aber sehr gut gehalten, was das Äussere angeht. Tatsächlich gut gehalten, hat sich die Stimme von Sänger Pasci. Die hat nicht nur eine sehr coole Klangfarbe sondern ergänzt die heiteren Punksongs auch hervorragend. Was die Songs angeht, verlassen sich PnB nicht nur auf Eigenkompositionen sondern präsentieren uns auch viele Coverversionen von bekannten Popsongs im punkigen Stil. Die funktionieren nicht alle gleich gut, doch das Konzept erinnert mich wirklich etwas an die frühen Nullerjahre, als das gang und gäbe war. Unter dem Strich legt das Quintett einen spassigen Auftritt hin, der mit einem Knall endet – nämlich demjenigen einer Konfettikanone. Da wird das ältere Ehepaar, das heute Morgen das Gelände „gefözzelet“ hat, aber keine Freude haben.

Justice League

Vielleicht kann ja die Justice League wieder Gerechtigkeit herstellen. Die ist heute nicht in Form der bekannten Superheldentruppe anwesend, sondern als etwas weniger bekannte Metalband aus der Schweiz. Die vier Jungs haben ihr Set um diverse Covers herum aufgebaut und scheinen ziemlich viele Fans mitgebracht zu haben. Jedenfalls ist ihr Logo auf so manchem Leibchen zu sehen im Moment. Justice League dürfen sich über einigen Zuspruch von ihren Anhängern freuen, können in meinen Augen aber nicht mit den bisher aufgetretenen Bands mithalten. Um aufzuschliessen fehlt ihnen vor allem noch eine packendere Gesangsleistung und etwas mehr Ausdruck im Gitarrenspiel. Das Quartett macht seine Sache nicht schlecht, hat aber auch noch einiges an Luft nach oben.

Huge Puppies

Die nächste Band stürmt die Bühne mit Trompeten und Posaunen. Ok, genau genommen nur mit einer Posaune und einer Trompete, aber trotzdem. Sie ist aus Lausanne angereist, hört auf den Namen Huge Puppies und macht – ganz wie die Instrumentierung vermuten lässt – Ska Punk. Von Beginn weg in Partylaune düsen alle Beteiligten unentwegt über die Bühne, so dass ich mich zwischendurch frage, wie die Bläserfraktion überhaupt noch genügend Luft für ihre musikalischen Einsätze hat. Huge Puppies transportieren mit ihrer Musik eine Lockerheit, die auf die Anwesenden vor der Bühne überspringt und dafür sorgt, dass kaum ein Bein stillsteht. Mit fortschreitender Auftrittsdauer lässt die Bewegung im Publikum allmählich etwas nach. Davon lässt sich die Band allerdings nicht einschüchtern und sie bringt ihr Set mit einer energiegeladenen Performance bis zum Schluss ins Trockene.

Voltage Arc

A propos trocken: das Wetter zeigt sich bereits den ganzen Tag von seiner besten Seite. Wolken sind weit und breit keine auszumachen, so dass auch Voltage Arc bei gleissendem Sonnenschein in ihr Set starten können. Dem Wetter entsprechend ausgerüstet mit Sonnenbrillen und unbekleideten Oberkörpern bringen sie uns klassischen Hard Rock mit. Das junge Quartett (sie sehen jedenfalls jung aus) lässt nichts anbrennen; mit Volldampf zocken die vier ihre Songs unterstützt von einer richtig guten Abmischung. Für eine gelungene Überraschung sorgt Sänger Toni als er für das Intro von „Break Free“ einfach mal ein Schwyzerörgeli auspackt. Herrliche Idee und noch besser, dass das auch am Konzert live umgesetzt wird.

Doch plötzlich gibt einer der Mikroständer seinen Geist auf. Nicht erwähnenswert, denkt ihr? Nun, es ist der Auftakt zu einer richtigen Serie an technischen Pannen, von denen die Band in der folgenden Dreiviertelstunde heimgesucht wird. Es zickt ein Gitarrenkabel, was dazu führt, dass die Gitarre immer wieder Aussetzer hat. Eine Funkgruppe streikt und muss neu eingestellt werden. Die Snaredrum geht kaputt, worauf ein Ersatz benötigt wird. Viele Bands hätten sich von solch einer Häufung aus dem Takt bringen lassen. Nicht so Voltage Arc. Die überspielen die ganzen Unterbrüche mit coolen Sprüchen oder spontanen Einlagen. Und auch wenn mir Toni im Nachhinein erzählt, sie hätten schon nicht mehr daran geglaubt, dass das noch etwas wird mit dem Auftritt, ist jetzt auf der Bühne überhaupt nichts davon zu spüren. Souverän stimmt er also mit dem Publikum das „Vogellisi“ an, um für Unterhaltung zu sorgen. Dank der professionellen Hilfe der Mettlerfield-Crew kann es zum Glück immer rasch wieder weitergehen. Ich bin wirklich erstaunt, wie es die Band schafft, den Konzertfluss aufrecht zu erhalten, denn der ganze Auftritt wirkt trotz all der Probleme immer noch wie aus einem Guss. Hut ab dafür. Das zieht sich durch bis zum Schluss: als sich Voltage Arc schliesslich vom Publikum verabschieden, spielen und singen sie das Outro gleich selbst. Es ist nochmals das „Vogellisi“ diesmal inklusive Örgelieinsatz.

Nice to eat you

Schlag auf Schlag geht es weiter im Programm. Nice to eat you sind an der Reihe. Nach meinem Erstkontakt am Mannried Open Air vor zwei Jahren (über den hier alles geschrieben steht) habe ich die Emmentaler nochmals in Burgdorf gesehen. Beide Auftritte sind mir in guter Erinnerung geblieben, doch was die Band heute vom Stapel lässt, brettert nochmals eine Stufe mehr rein als erwartet. Sie es Geiger Bichsus Präsenz da oben, Schlagzeuger Dasus präzises Spiel (wie immer mit pinkem Hut) oder das Selbstbewusstsein mit dem Sänger Sämi seine Ansagen durchzieht: Nice to eat you zeigen sich mit einer knackigen Leistung, bei der so gut wie alles sitzt. Die Stimmung vor der Bühne ist da natürlich gut, wobei die Aufforderung nach vorne zu kommen schon einiges mithilft, damit die Post abgeht. Mit ihrer ganz speziellen Interpretation von Metalcore überzeugen die fünf Herren hier am Mettlerfield Festival also bis zum Ende ihres Auftritts. Der folgt so um halb Acht und noch immer ist es hell. Nachdem das Programm bisher jeweils nur viertelstündige Umbaupausen vorgesehen hatte, hat das OK im Anschluss an Nice to eat you passenderweise einen etwas längeren Unterbruch eingeplant, damit die Festivalgänger genügend Zeit haben, um sich zu verpflegen. Also ran an die Burger, neben den Ohren will auch der Magen auf seine Kosten kommen.

Hendricks the Hatmaker

Gut gestärkt stehen wir wieder bereit, als Hendricks the Hatmaker mit einer zehnminütigen Verspätung in ihr Set starten. Die Verspätung hat sich über den Tag hinweg aufgebaut, hat also nichts mit der Band direkt zu tun. Das Trio hat sich dem Punk verschrieben. Dem verleiht es eine ganz leicht folkige Note, die bisweilen sogar an Swing erinnert, konzentriert sich aber vor allem darauf die Songs mit viel Attitüde zu versehen. Was die Ansagen von Sänger und Gitarrist Nicolas angeht, muss wohl der Song „Why so serious?“ Pate gestanden haben. Er füllt die Pausen zwischen den Liedern nämlich mit trockenem Humor aus, der so manches Gesicht vor der Bühne mit einem Schmunzeln verziert. Gut, mit einiger Erfahrung aus dem Lehrerberuf ausgestattet, sollte er schon wissen, wie man eine Horde überdrehter Menschen, denen es schwerfällt stillzuhalten bei der Stange hält.

Bliebe noch die Musik. Die kann mich ehrlich gesagt nur so zu fünfzig Prozent fesseln. Die Songs beginnen jeweils mitreissend, sofort wippen die Füsse im Takt. Doch meist stellt sich so ab der Hälfte der Wunsch nach etwas mehr Variation im Gesang ein. Der nüchterne Sprechgesang bringt zwar viel Coolness mit, hat sein Spannungspotential aber irgendwann einfach ausgeschöpft. Dafür punkten die Kompositionen von Hendricks the Hatmaker mit einer angenehmen Lässigkeit. Und dass Nicolas sich über die letzten drei Stücke hinweg nach Ankündigung auch noch zur Hälfte auszieht, rechnen wir ihm natürlich augenzwinkernd so hoch an, wie er sich das wünscht. Schlussendlich hören die Dame und die beiden Herren fünf Minuten vor dem Zeitplan und damit bereits nach 45 Minuten statt einer Stunde auf. Die Verspätung wäre damit wieder aufgeholt.

Expellow

Doch Expellow starten bereits wieder einige Minuten später als geplant. Zum Glück ist das schnell vergessen bei der Energie, welche die Zürcher mitbringen. Der Band ist die jahrelange Erfahrung anzumerken, nicht umsonst ist sie eine der aktuell angesagtesten Kapellen im Schweizer Metalcore. Wen wunderts, bei einer solchen Bühnenpräsenz? Sängerin Mik hält es wie immer kaum mehr als einige Sekunden am selben Platz aus. Gitarrist Nici steht ihr diesbezüglich nur wenig nach. Überraschend ist allerdings, dass Gudi (ebenfalls an der Gitarre), der es sich sonst eher auf der einen Bühnenseite gemütlich macht, ebenfalls ständig hin und her flitzt. Von einigen Fans um mich herum, wird die viele Bewegung auf der Bühne denn auch als unruhig wahrgenommen. Mich stört das hingegen nicht wirklich. Vor allem weil Taz am Bass und – notgedrungen – Moritz hinter dem Schlagzeug die Rolle der Ruhepole übernehmen.

Mir erschliesst sich nur nicht ganz, wieso die Fans so lange brauchen, um auf Betriebstemperatur zu kommen. Es dauert fast die halbe Show, bis im Zuschauerbereich die Post abgeht. Als es dann aber so weit ist, gibt es kein Halten mehr. Die Leute moshen, bangen und pogen was das Zeug hält. Da fällt vermutlich auch nur wenigen auf, dass ein Teil der Samples fast nicht hörbar. Die elektronischen Spielereien in „Chemicals“ beispielsweise. Auf der anderen Seite ist das Basedrop-Sample so laut, dass man fast meinen könnte, der Tontechniker möchte sich beim Schützenverein revanchieren. Doch das sind Kleinigkeiten; heute haben wir definitiv einer der stärkeren Auftritte von Expellow erleben können und am Ende verteilt Mik sogar noch T-Shirts in den vorderen Reihen, nachdem die Truppe als einzige Band im ganzen Programm das mittlerweile zur Konzertroutine gewordene Foto mit Publikum geschossen hat.

Voice of Ruin

Mittlerweile marschiert der Uhrzeiger immer mehr in Richtung Mitternacht und die diesjährige Mettlerfield Festival neigt sich langsam dem Ende zu, doch noch ist nicht Schicht im Schacht. Für den Abschluss sind Voice of Ruin besorgt und das Quintett kümmert sich fürsorglich darum, unser Verlangen nach Melodic Death Metal zu stillen. Die Nyoner lassen nichts anbrennen und etwas anderes habe ich von ihnen auch überhaupt nicht erwartet, sind sie doch Garant für ein fettes Livebrett. Das ist im Grossen und Ganzen auch heute nicht anders. Einzig die Gitarrenfraktion macht einen leicht angespannten Eindruck. Die Zuschauer können aber nicht der Grund dafür sein, denn die sind trotz des anstrengenden Tages immer noch mit Elan bei der Sache. Da passt es durchaus ins Bild, dass zum ersten Mal in den vergangenen zwei Tagen eine Zugabe angedacht ist. Die Fans lassen sich sogar einigermassen darauf ein, die Band nochmals hervorzurufen, aber eigentlich wissen ja jeweils alle anhand des Lichts, ob eine Show nun zu Ende ist oder nicht. Die Überraschung bleibt also aus, aber der letzte Song macht auch so Spass und rundet das Konzert gelungen ab.

Im Anschluss strömt das Volk an die Bar und lässt auch den zweiten Abend bei Metalhits aus der Konserve im Feuerschein oder bei interessanten Gesprächen auf dem Campingplatz ausklingen. Mitternacht ist weit vorbei, als ich zufrieden ins Bett falle, um doch noch etwas Schlaf zu kriegen, denn in Mühlau schiessen sie auch Sonntags…

Das Fanzit – Mettlerfield Festival – Tag 2

Ein voller Erfolg – anders kann ich das Mettlerfield Festival 2023 nicht beschreiben. Am zweiten Tag haben sich Expellow ganz nach vorne gespielt. Auch Nice to eat you sind positiv aufgefallen und natürlich Voltage Arc, die sich den Titel „Überraschung des Festivals“ redlich verdient haben. Das Festival an sich war genauso eine Überraschung. Das Herzblut von Organisationskomitee und Helfer triefte aus jeder Ecke des Geländes, während sich die Stimmung am besten als Wochenende unter unbekannten Freunden beschreiben lässt. Das hervorragende Wetter hat sein Übriges mitgetan, um für ein ausgelassenes Fest zu sorgen. Kurz und knapp: das Mettlerfield Festival 2023 war ein Riesenspass.


Wie fandet ihr das Festival?

12.07.2023
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