EY EY EY!
„Sieht so aus, als hätten wir aus Versehen ein Festival gegründet“ witzeln die Veranstalter in ihrer Abschiedsrede nach dem letzten Konzert des Baden in Blut. Wahrlich ein gigantisches Versehen, das sich 2005 ereignet hat und seither jedes Jahr aufs Neue durchgeführt wird, wenn nicht gerade Corona stattfindet. Die Besucher danken es ihnen und zeigen ihre Wertschätzung dafür, wie zuvor für 15 Bands, die im Blut gebadet haben, mit tosendem Applaus, obwohl dieses Jahr nicht alles ganz reibungslos über die Bühne und drumherum gegangen ist.
Baden im Blut 2023 – Tag 1 – Entschuldigt das bitte Fans
Das Baden in Blut lädt ein, mit dem unbeeinflussbaren Faktor eines warmen, aber nicht zu warmen Tages, der von einer Sonne beschienen wird, die sich einen unerbittlichen Kampf liefert mit dunkelgrauen, beinahe schwarzen Gewitterwolken, aus dem sie am Ende als Gewinnerin hervorgeht. Dies zur Freude der Festivalbesucher und Festigung des Glaubens an den Wetterbericht. Erreicht man allerdings das Festivalgelände, wirkt dieses auf einmal nicht mehr so einladend, denn selbst frühzeitiges Erscheinen wird nicht honoriert. So beisst man gezwungenermassen in den sauren Apfel und stellt sich in die lange Schlange aus frustrierten Metalheads, die sich vom Einlass bis zu den Autoparkplätzen zurückstaut. „Never change a running system“, lautet eine viel bewährte Regel, die sich die Veranstalter anscheinend nicht auf die Fahne geschrieben haben, ist es in den vorherigen Jahren doch nie zu einer solchen Situation gekommen. Dies vermutlich, da man damals auf ein anderes Ticket-System setzte. „So was hat’s früher nicht gegeben!“, „Was soll die Scheisse?“, „Das ist ja wie beim Summer Breeze!“ und ähnliche lautstarke Ausdrücke der Frustration sind von den Wartenden zu vernehmen. Ein Psychoanalytiker hätte bestimmt seine wahre Freude daran: Eine bessere Fallstudie zur Untersuchung, wie Menschen mit Enttäuschung und nicht erfüllten Erwartungen umgeben, gibt es nicht.
Später melden sich „Metal Maniacs“, die Non-Profit Organisation hinter dem Festival, in den Sozialen-Medien zu Wort:
„Entschuldigt das bitte, Fans, ihr überrennt uns förmlich. Das ist keinesfalls unser Anspruch und wir sprechen jetzt schon darüber, das in Zukunft zu verbessern! […]“
The Prophecy 23
Die 1,5 Stunden, die ich, wie so viele andere, warte, bis das Festivalbändchen an das Handgelenk gezurrt wird, beinhalten leider auch das mysteriöse, auf der „Running Order“ angekündigte, „Festival Intro“ und die erste Band des Tages und überhaupt erste Band des Baden in Blut: The Prophecy 23. Immerhin ist der Wind gütig und trägt vereinzeltes Growlen und Gitarrengeschrumme von der Bühne zu den Wartenden rüber. Jenes klingt ganz passabel, nach einer Mischung aus Metal und Rap, eine Mischung, die teilweise dem Metalcore zugeordnet wird. Eine spätere Internet-Recherche bezeichnet die Band jedoch treffender als Thrash Metal. Wenn die Band nicht durch Wind und fluchende Metalheads verzerrt wird, beispielsweise auf Platte, klingt ihre Musik eher, stilistisch als auch thematisch, vom Punk anstelle des Hip-Hops beeinflusst. Auf jeden Fall aber hörenswert und zu empfehlen!
Fotos The Prophecy 23
Lacrimas Profundere
Mag eine Warteschlange noch so lang sein, irgendwann findet sie ein Ende und so gelange ich, gerade auf den ersten Song der zweiten Band des Tages, vor die Bühne. Lacrimas Profundere legen sich mächtig ins Zeug, das Publikum kommt trotzdem noch nicht ganz aus sich raus. Auf Geheiss wird anständig, in Zimmerlautstärke, „Ooooh ooooh“ mitgesungen, hingegen fällt die Reaktion auf die Aufforderung „Make some fucking noise“ eher kläglich aus. Offiziell ordnet sich die Band dem Genre „Dark Rock“ zu und bringt dies unter anderem mit ihrem Namen Lacrimas Profundere zum Ausdruck, was auf Latein so viel bedeutet wie „Tränen vergiessen“. Weiss man allerdings nicht, dass es sich um Dark Rock handelt, klingt die Musik sehr nach Metalcore, diesmal wirklich. Dieser Metalcore klingt live recht simpel. Bewaffnet ist die Truppe mit jeweils einem Gitarristen, Bassisten, Drummer und Sänger. Kaschiert wird diese minimalistische Besetzung durch Samples von orchestral anmutenden Synthesizern, die ununterbrochen bei jedem Lied mitlaufen, ein Trend, der sich bei einem Grossteil der Auftritte der Bands, die am Baden in Blut spielen, zeigt und beim Publikum zu wilden Diskussionen führen über die Definition eines LIVE-Auftrittes. Ausnahmen bestätigen lediglich die Regel,
Visuell fällt bei Lacrimas Profundere besonders Sänger Julian ins Auge, der seine Augen hinter Linsen mit roter Iris versteckt und sich im Gegensatz zu seinen Bandmitgliedern, die sich nicht von ihren Monitoren fortbewegen, agil über die Bühne und von ihr runter bewegt. Nach und nach entkleidet er sich mehr, bis er seinen athletischen Oberkörper den Zuschauern präsentiert, die bis zu diesem Zeitpunkt endlich vollkommen aus ihrem Dornröschen-Schlaf erwacht sind. Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist. Glücklicherweise deckt sich diese Regel mit dem planmässigen Ende des Konzertes. Um, zumindest durch die Performance, in Erinnerung zu bleiben, schüttelt Julian den letzten Showelement-Trick aus dem nicht mehr vorhanden Ärmel, sein Oberteil hat er schliesslich ausgezogen, und nimmt ein Bad in der Menge, die ihm in einem Moshpit-ähnlichen Kreis, Bewegungsfreiheit schafft, wo er den letzten Teil des letzten Songs zum Besten gibt; unwissend, dass ihn mit einer ähnlichen aber grösser aufgezogenen Aktion Godslave tags darauf übertrumpfen wird.
Fotos Lacrimas Profundere
Saor
20 Minuten Umbaupause ist ein ziemlich sportliches Unterfangen. Selbst dem besten Springer gelingt es nicht bei jedem Lauf seine Bestzeit zu erzielen. Ebenso gelingt es der Stage-Crew nicht, bis zum offiziellen Konzertbeginn von Saor mehr als Klänge von sich einspielenden Instrumentalisten aus den Lautsprechern zu bringen, die von einem unangenehmen Surren begleitet werden. Irgendwann, gar nicht mal so viel später, scheint das Problem behoben zu sein, die Musiker sowie das Surren verschwinden und ein Intro erklingt, das aus gregorianisch-anmutenden Gesängen besteht. Da es sich so gehört, beginnt die Zuschauerschaft lautstark zu jubeln oder ihre Huldigung mit dem Zeichen der Horns auszudrücken, als die Menschen die Bühne betreten, die man kurz zuvor noch beim Checken ihres Sounds beobachten konnte. Sogleich werden die Jubler zu «ey ey ey» Rufen animiert, dem sofort Folge geleistet wird. Mit einer schlau gewählten schnellen Nummer beginnt die Band ihr Set und bringt damit die Köpfe zum Bangen.
Saor ist ein perfektes Beispiel für die Tatsache, dass das Motto von Baden in Blut, «No Bullshit. Just Metal», nicht für ein eintöniges Line-up steht, da im Metal nicht «alles gleich klingt», wie von Aussenstehenden oft behauptet wird. Saor ist das Projekt des Sängers und Multiinstrumentalist Andy Marshall, der damit einen eigenwilligen, unverkennbaren Genre-Mix aus Black und Folk Metal konstruiert, der Platz findet für ganz unterschiedliche Instrumente wie Violine, Flöte, Dudelsack gepaart mit eher klassischen Metalwerkzeugen wie E-Gitarre, Bass und Schlagzeug. Erwähnenswert ist sicherlich, dass Andy auf Tonträger alle Instrumente selbst eingespielt hat, abgesehen von ein paar wenigen Gastmusikern. Da er nicht die acht Arme eines Oktopusses besitzt, hat er sich für Live-Auftritte eine handvoll Mit-Musiker ins Boot geholt, wobei die Band-Besetzung je nach Verfügbarkeit der Mitglieder variieren kann.
So steht beim Baden in Blut, kein Violinist auf der Bühne, wie beispielsweise am Hellfest, was dafür andere Instrumente mehr in den Fokus rückt und das Live-Gespielte von der Studio-Version unterscheidet. Dies auch da Saor als eine der wenigen Bands im Festival Line-up Samples nur als Intro für Lieder verwendet.
Der Fokus liegt klar erkennbar auf den Instrumenten und nicht auf dem Gesang, dieser wird eher als stilistisches Element verwendet, als um Geschichten zu erzählen, das übernehmen die Kompositionen. Die Lieder sind zeitlich lang, aber nicht lang in einer Weise, dass sich der Zuhörer nach dem Ende von ihnen sehnt. Sie sind eine wilde Mischung aus unterschiedlichen Stimmungen, die mal in Richtung Melancholie, mal zur Ausgelassenheit leiten. Für die Band selbst oder besser: das Bandprojekt weckt ihr Auftritt und die positiven Reaktionen des Publikums offensichtlich Freude am Spass, wie an ihren Gesichtszügen abzulesen ist, wofür man sich am Ende der Show herzlichst bedankt.
Fotos Saor
Benighted
Aus dem angrenzenden Frankreich angereist, präsentiert sich als nächster Programmpunkt Benighted. Für Leute, denen das Genre Grindcore und/oder Death Metal eher fern liegt, mag die nun gespielte Musik nach Saor wie ein Kulturschock wirken. So ist es nicht allzu verwunderlich, dass während des Auftritts viele in den Bierzelten und dem «Biergarten» verschwinden. Isst der Bauer aber mal was, was er nicht kennt, so beginnt er die Musik zu verstehen und vielleicht sogar sein Haupt zu schwenken, wenn er sich und Benighted Zeit sowie Aufmerksamkeit schenkt. Und gefällt ihm nicht, was er hört, so soll er zumindest die unglaubliche Stimmrange des Sängers und das Können der Musiker honorieren.
Bereits beim ersten Song wird um einen Moshpit gebeten, dieser Wunsch wird erfüllt, wenn sich auch keine grosse Anzahl an Leuten findet, die dafür motiviert genug sind. Dies sollte sich ändern: Bereits einige Tracks später steigt eine riesige Staubfontäne in die Luft, ausgelöst durch eine Vielzahl sich im Circle-Pit drehender Gestalten. Dieser Pit hält bis zum Ende des Auftritts an, was einer bemerkenswerten Kondition der «Mosher» zuzuschreiben ist. Dies wird auch von der Band erkannt und gewürdigt.
Samael
Die schweizerischen Landsleute, die sich in Samael zusammengefunden haben, verkörpern mit ihrer Musik alles, was an den Auftritten am diesjährigen Baden in Blut scharf diskutiert und kritisiert wird. So erzeugen sie bei vielen, denen der Name Samael bisher nichts gesagt hat, den weitaus grösseren Kulturschock als Benighted im Anschluss zu Saor, allein schon durch die Tatsache, dass sie es wohl nicht für wichtig halten ein Schlagzeug auf die Bühne zu stellen, abgesehen von ein paar Trommeln, stattdessen die Drums mittels, in ein Keyboard eingespeiste Samples, erklingen lassen. Etwas, was bei, in Sache Musik, weniger toleranten Metalheads die Galle hochkommen lässt. Umso überraschender dann auch die Tatsache, dass die Songs von Samael sehr rhythmisch, von den Drums getragen, daherkommen. Weniger überraschen dagegen die vielen Backing-Tracks, die oft gar das live Gespielte zu überschatten scheinen. Die Band wird dem Metal Sub-Genre «Black Metal» zugeordnet, was die Frage aufwirft, was Black Metal überhaupt ist und welche qualitativen Ansprüche man an ihn stellen darf. Denn auch die Leistung des Sängers «Vorph» ist nicht sonderlich überragend. Der Festivalbesucher, der kein «Samael»-Shirt trägt, beginnt sich über diejenige zu wundern, die es tun, mitsingen, moshen, headbangen (…) davon gibt es nicht wenige.
Von fehlender Publikumsbeteiligung kann hier keine Rede sein. Wird «ey ey ey» gebrüllt, wird «ey ey ey» zurück gebrüllt. Und trotzdem, besonders für nicht Fans: ein umstrittener Auftritt und das, ohne dass fragliche Aussagen getätigt werden – im Gegenteil: bei den Ansagen hält man sich eher kurz. Ein weiteres Mal zählt, das Gebot der Offenheit für Neues, damit sich der Kritiker im Verlauf des Konzertes mit der Musik abfinden kann, als wäre es etwas, das aus einem Radio trällert, den man aus Bequemlichkeit nicht ausschaltet.
Fotos Samael
Katatonia
Ein wunderbarer Tag, der von Regenfällen verschont blieb, wird von der Dark-Prog-Wir-Machen-Was-Uns-Gefällt Band Katatonia beendet. Eingeleitet wird ihr Auftritt durch ein episches Intro, das allerdings nicht sein Ende erreicht, irgendwelche für den Zuschauer nicht nachvollziehbare technische Probleme verhindern dies. Mit einer aufgesetzten überdrehten Introvertiertheit meldet sich Sänger Jonas Renkse zu Wort und witzelt, dass sie «just soundchecking» machen. Das Problem scheint komplexer als angenommen, Stageworker und Band schrauben weiter an Instrumenten herum und tauschen Kabel aus. Renkse führt sein Stand-Up-Programm fort. Er fordert das Publikum zum nachträglichen Lob für Samael auf, grüsst den Anti-Christen und stellt fest, dass «Baden in Blut» nach Black Metal klingt, sie allerdings nicht dieses Genre bedienen. Ob man sie denn trotzdem sehen wolle, fragt er das Publikum und hofft vermutlich auf keine verneinende Antwort, was würde die Band wohl in diesem Fall tun? Sicherlich, sich nicht weiter um das technische Problem kümmern. Kaum glaubt man, man hätte es in den Griff bekommen, man sich wieder in den Backstage verzieht und das Intro wieder einspielt, meldet sich ein neues Ärgernis, dieses Mal ist es ein nerviges Surren. Die vorherige angebliche Lösung war eine Verschlimmbesserung.
Es braucht ganze drei Anläufe, bis das Intro nicht als Ankündigung für Techniker auf der Bühne gilt, sondern das Konzert einläutet, seinen Zweck erfüllt es leider nicht mehr: Die komplette Band ist bereits, für jeden sichtbar, vor dem Publikum gestanden. Sogleich legt man los mit einer schnellen und doch atmosphärischen Nummer, die nicht wirklich zum Training der Nackenmuskulatur anregt, dafür zum «im Takt mitwippen». Nebst der vertrauten Bass, Gitarre und Schlagzeug Besetzung, setzt man auf Backing-Tracks, wie so viel Acts, die heute aufgetreten sind. Damit wird nicht selten fehlendes herausragendes musikalisches Können kaschiert. So kommen beispielsweise nebst atmosphärischen Orchester- und Chor-Arrangements, kürzere Instrumentalsolos von Band. Besonders störend für Live-Musik-Liebhaber ist, dass bei Einspielern von Instrumenten, die eigentlich auf der Bühne stehen, wie beispielsweise dem gesampelten Drum-Computer, der die «richtigen» Drums ergänzt.
Erfreulicherweise wird nicht komplett verzichtet auf Gitarrensolos, gespielt von einer, nun ja, Gitarre: Nuancen, die unter anderem dazu führen, dass sich einige zu einem Moshpit hinreissen lassen, auch wenn darüber gestritten werden kann, ob die eher progressive, düstere Musik dazu der richtige Soundtrack ist. In einem Zwischenteil des Auftritts, in dem Katatonia mit älteren Songs zurück zu ihren Black und Death Metal Wurzeln reist, beginnen nicht wenige ihre Häupter zu schwingen, interessanterweise bleiben aber nennenswerte Moshpits aus, trotzdem hier die wilde Rempelei angebrachter wäre, wobei dies am Ende im Ohr des Hörers liegt. Vielleicht befinden sich die Leute mit einem Fuss bereits in Aufbruchstimmung, haben innerlich den Festival-Tag bereits abgeschlossen. Dafür eignen sich die ruhigeren Stücke besser: Sind sie auch melancholisch und düster, so schlummert in der Dunkelheit immer auch etwas Geheimnisvolles, Euphorisches. «Hätte ich eine Uhr, könnte ich sagen, es ist spät» so eine der letzten Ansagen, ergänzt mit der Danksagung an alle, die so «lange» geblieben sind und sich Katatonia angehört haben.
Fotos Katatonia
Das Fanzit – Baden in Blut – Tag 1 – Perfektion ist für Schwächlinge
Fröhlich und im Grossen und Ganzen zufrieden mit dem, was man die letzten Stunden erlebt hat, macht man sich auf den Nachhauseweg oder dahin, wo sich der Schlafplatz für diese Nacht befindet und freut sich auf den morgigen Tag, der weitere gute Bands bereithält. Sicherlich war nicht alles perfekt, aber das ist das Leben ja nie und hat man sich erst damit abgefunden, kommt man ganz gut damit klar, selbst wenn das bedeutet, 1,5 Stunden in einer Warteschlange zu stehen oder eine Abmischung zu akzeptieren, die öfter nicht zulässt, dass man alle Instrumente auf der Bühne, deutlich voneinander getrennt, hören kann. Klingt es halt wie ein Mischmasch. Was soll’s?
Baden im Blut – Tag 2 – Sonnenbrandwetter
Die als natürlicher Sonnenschirm wirkenden Wolken vom vorherigen Tag haben sich endgültig verzogen, was die Sonne ungeschützt vom Himmel brennen lässt. Zum Schutz vor dem Hitzetod werden die ungestümen Mosher vor der Bühne, von Ordnern immer mal wieder mit dem Gartenschlauch besprüht, was im Allgemeinen sehr positiv aufgefasst wird. Gleichzeitig verwandelt es aber im Verlauf die ersten Reihen in einen schlammigen Acker, was Wacken-Feeling aufkommen lässt und für Pits ausreichend Platz schafft, da sich nicht an Schlammbäder Interessierte lieber nach hinten verziehen. Vorerst ist der Konzert-Bereich noch eine Wiese und die heutigen Acts sind am Soundchecken. Die frühzeitig angereisten Besucher können sich mit Kaffee, sechs verschiedenen Biersorten, Pasta, Flammkuchen und weiterer ganz unterschiedlicher Kulinarik eindecken. Als besondere Festival-Delikatesse gilt die «Lynchburg Limonade», eine Vermengung von Jack Daniel’s, Orangenlikör, Zitronensaft, Limettensaft und Citro. Ebenfalls nicht zu kurz kommt der Kapitalismus in Form des mit ihm verbundenen Konsums. Das Angebot Geld auszugeben ist so gross, dass einige gar von «Shopping» sprechen. So werden Second- und Firsthand Tonträger, Patches, Textilien und so weiter feilgeboten sowie mit der Möglichkeit geworben, alle möglichen Körperstellen mit Piercings und hässlichen temporären Tattoos zu verunstalten.
Mayflower
Europa hat den Eurovision Song Contest, Baden in Blut hat das «Blood Battle». Darin kämpfen jährlich fünf Bands aus unterschiedlichen Metal Sub-Genres um einen begehrten Platz im Line-up des Festivals. Dieses Jahr hat diese Schlacht die junge Metalcore Gruppe Mayflower gewonnen. Trotzdem es das erste Festival ist an dem sie auftreten, wie sie im Verlauf des Auftrittes verkünden, schlagen sie sich wacker und machen wenn überhaupt höchstens in den Ansagen den Anschein von Unsicherheit, was in Anbetracht ihrer minimalen Bühnenerfahrung völlig verständlich ist.
Beeindruckende Growls, gepaart mit Clean Vocals und eindrucksvollen Gitarrensolos, verpackt in mit Fingerspitzengefühl komponierten Songs, die zudem aufrüttelnde «Breakdowns» enthalten, bringen die Meute in Wallung, verleiten gar zu Mosh- und Circlepits. Trotzdem viele noch von «Morgenstunde» sprechen, obwohl der kleine Uhrzeiger mittlerweile die 12 überrundet hat. Da kann auch eine verhältnismässig leise Abmischung nichts daran ändern. Genauso wie die Grossen, verwenden Mayflower Backing-Tracks, sind damit aber zurückhaltender als manch anderer «etablierter» Act. «Wir haben gedacht, dass wir als erste auf dem Line-up vielleicht vor so 10–20 Leuten spielen, aber das hier hätten wir uns nie träumen lassen!», freuen sich die Gewinner der blutigen Schlacht, über die positive Resonanz des Publikums. Nach einer halben Stunde Spielzeit, die in etwa der ihres bisher einzigen Albums «Misery» entspricht, müssen sie die Bühne räumen, nicht aber den Platz den sie im Gedächtnis vieler Zuschauer eingenommen haben.
Fotos Mayflower
Godslave
Der nächste Punkt auf dem Programm, Godslave, fährt gleich beim ersten Lied ein auffälliges, für das Festival einzigartiges, Show-Geschütz auf, indem mittels einer Konfettikanone Luftschlangen über das ganze Konzertgelände geschossen werden.
Verglichen mit anderen Veranstaltungen, die der harten Musik frönen, besuchen das Baden in Blut auffällig viele Gäste, die das zehnte Lebensjahr noch nicht erreicht haben, die sich nun eifrig auf die gelben Luftschlangen stürzen. Viel Konfetti einzusammeln, wird es nach der Veranstaltung für die «Putz-Kolone» vermutlich nicht mehr geben, das erledigen die Kids. Einige von ihnen befinden sich sogar noch in einer Phase ihres Lebens, in der es ihnen nicht möglich ist Luftschlangen einzusammeln, da ihre Beine nicht fähig sind ihren Körper zu tragen. Deshalb werden sie in vierrädrigen Gefährten von ihren Eltern herumgeschoben. Verantwortungsbewusst haben diese ihnen 3M-Gehörschützer über die Ohren gestülpt, die die Grösse ihres Babykopfs um fast das Doppelte überschreiten. Das Baden in Blut ist wortwörtlich ein familiäres Festival!
Beeindruckende Showeffekte, für Kinder und solche die Kind geblieben sind, können leider nicht über die stellenweise eher schwache gesangliche Leistung von Thommy hinwegtäuschen. So richtig in Ekstase kommt das Publikum den ganzen Auftritt lang nicht. Vielleicht liegt es daran, dass die Band zu statisch auf der Bühne steht, vielleicht an einigen Verspielern und Tönen, die nicht getroffen werden. Stieltechnisch macht Godlsave keinen Hehl aus Einflüssen von Metallica und anderen klassischen Thrash Metal-Bands. Was nicht bedeutet, dass sie nicht als eigenständige Band funktionieren, aber heute will der Funke irgendwie nicht springen.
Dies ändert sich drastisch, als laut Programm das Ende des Auftrittes eigentlich bereits erreicht ist. Trotz der eher mässigen Reaktion des Publikums auf Mosh-Aufforderungen und ähnliche Konzert-Aktivitäten, scheint man zufrieden mit seinem Auftritt zu sein und diesen nicht beenden zu wollen. So wird die Grauzone der Regelung ausgenutzt, dass der Act nach dem Ende seiner zugewiesenen Zeit, die Bühne zu räumen hat, in dem man innerhalb des Publikums weiterspielt. Was sich nicht nur auf den Sänger bezieht, wie man es tags zuvor bei Lacrimas Profundere erleben durfte, sondern auch Gitarren und Bass einschliesst. Einzig Tobi, gebunden an seine Trommeln, hat nicht die Möglichkeit, die Bühne zu verlassen. Diese unübliche Art eines Auftrittes versetzt die Zuschauer in positiven Aufruhr und lässt über Fehler im Gesang hinwegsehen. Ohne Aufforderung, bloss durch die Musik dazu erregt, rennen einige Dutzend Metalheads um die Spielenden rum, die sichtlich Gefallen an ihrem Platz «im Auge des Pits» finden und auffällig posieren, als drehten sie ein Musikvideo. Mit dieser Aktion haben sie ihren Auftritt deutlich aufgewertet, wenn nicht sogar gerettet, denn nun werden auch sie positiv in Erinnerung bleiben, als «die Band, die die Grenze zwischen Crowd und Stage durchbrach».
Fotos Godslave
Aephanemer
Gleich zu Beginn ihrer Spielzeit lassen Aephanemer alle Aufmerksamkeit auf das Spektakel auf der Bühne richten, durch den Einsatz eines epischen orchestralen Intros. Dieses «Epische» und «Orchestrale» zieht sich durch die ganze Show und vermengt sich ausgesprochen gut mit dem live gespielten Death Metal. Trotz des Fokus auf dieses Genre, das sich im Grunde schwer mit klaren Klängen tut, sozusagen von dem «Gepressten», «Verzerrten», sowohl in Bezug auf die Instrumente als auch Gesänge lebt, finden Aephanemer Platz in ihren Songs für Clean Vocals, in denen sich unüberhörbar das gesangliche Können der Sängerin Marion offenbart. Da überhört man auch wohlwollend den ein oder anderen Ton, der auf die schiefe Bahn geraten ist.
Den Zuschauern gefällts, der Band gefällt die Zuneigung der Zuschauer. So finden beide Parteien viel Gefallen an der anderen und setzt alles daran, dies zur Geltung zu bringen. Im Falle der Leute vor der Bühne bedeutet das unter anderem, dass sich die ersten Crowdsurfer aufs Meer aus Händen wagen, obwohl die Leute um diese Zeit, es ist noch kaum 14 Uhr, nicht sonderlich dicht beieinanderstehen. Die Freude des Acts an seinem Auftritt zeigt sich an einem Lächeln auf den Lippen der Musiker, das nicht mehr verschwinden will und an Ansagen, die kaum andere Worte als «Danke, Thanks und Merci» enthalten. Als nach einer Dreiviertelstunde der letzte Song angekündigt wird, breitet sich kollektive Enttäuschung aus. Ein Seufzen geht durch die Runde. Leider nützen auch die verzweifelten «Zugabe, Zugabe» -Rufe nichts: Das Ende der Spielzeit ist erreicht und innerhalb der Zuschauermenge aufzutreten, scheint keine Option zu sein.
Fotos Aephanemer
Sulphur Aeon
Ohne Backing-Tracks und somit für das diesjährige Baden in Blut auffällig bestreitet die nächste Band «Sulphur Aeon» ihren Auftritt. Einzig für Intros bedient der Schlagzeuger unauffällig einen Laptop mit eingespeicherten Samples. Es sei ihnen verziehen. Der gespielte rhythmische Death Metal lädt zum Headbangen ein, benötigt aber, wieder einmal, Zeit, bis man sich auf ihn einlassen kann, sofern man die Band nicht bereits kennt. Auf dem Konzertgelände selbst ist es ruhiger geworden, abgesehen von der Musik. Einige schwenken ihr Haupt, die meisten jedoch schauen der Band ruhig und gebannt zu. Dies bedeutet nicht, dass man nicht applaudiert und mit seinen Fingern die Horns formt, um Anerkennung zu demonstrieren, doch im Grossen und Ganzen verhält sich der Zuschauer passiver als bei Aephanemer. Dies scheint Sulphur Aeon wenig zu stören, ihr Auftritt lebt nicht von Crowdsurfern und Zugabe-Rufen. So halten sie ihre Interaktion und Kommunikation mit dem Publikum eher kurz. Viel mehr Platz als für die Namen der Lieder und rhetorische Aufforderungen wie: «Lasst uns gemeinsam ertrinken», bleibt da nicht.
Bewegen sie sich auch, wie die vorherige Band in ähnlichem musikalischem Gefilde, so unterscheiden sie sich doch merklich von ihr. Allein durch den Wegfall von epischen, orchestralen Backing Tracks wirkt die Musik von Sulphur Aeon düsterer, dabei bleibt es aber nicht. Nicht nur textlich, ebenso optisch, möchte man augenscheinlich ein popkulturelles Verständnis des Okkultismus, vielleicht gar des Satanismus bedienen. Besonders bringt dies der Bassist, der der Öffentlichkeit bloss unter dem Namen S. vorgestellt wird, mit seiner dicken Mönchskutte zum Ausdruck. Trotz der sengenden Sonne behält er dieses, für die Jahreszeit viel zu warme Kleidungsstück, den ganzen Auftritt lang an. Ist das bereits Selbstgeisselung?
Nicht selten finden im Verlauf Songs, die auf Platte vermutlich mit einem Fade Out beendet werden, ein sehr abruptes Ende, ebenso wie das Konzert an sich, das nach dem letzten Song ein verwirrtes Publikum zurücklässt, das sich nicht sicher ist, ob nun wirklich das Ende der Setlist erreicht ist, oder ob die Band noch mal auf die Bühne zurückkehrt. Letzteres ist allerdings nicht der Fall und so macht man sich auf an den Bierstand.
Fotos Sulphur Aeon
Demonical
Eine weitere Form des Death Metals präsentieren Demonical aus Schweden. Ihre mehr auf das Publikum ausgerichtete Performance fordert zum Mitmachen auf, dies wird bereits vor dem eigentlichen Auftritt zum Ausdruck gebracht, mit dem Ohrwurm «Rock You» der Band Helix, der das Konzert einleitet. Das eigentliche Intro macht die Filmmusik-Komposition von Hans Zimmer «Heart Of Courage». Ganz im Kontrast dazu startet man mit einer harten Nummer, wie es von Death Metal zu erwarten ist. Nach ein bis zwei Stücken bilden sich bereits die ersten kleineren Moshpits, die Lieder laden geradezu dazu ein. Wer keine Lust hat, herumgeschubst zu werden, bangt seinen Head oder beteiligt sich in Gedanken an den Pits.
Obwohl die Ankündigung lautet, man möchte wenig Zeit mit Reden verlieren und die Zeit lieber zum Spielen nutzen, wer quatschen möchte, soll zu der noch folgenden Autogrammstunde kommen, wird deutlich mehr mit dem Publikum interagiert als beim Konzert zuvor. So wird immer wieder zu «Ey ey ey» -Rufen animiert und das Publikum leistet folge. Oder man nimmt in den Ansagen kurz Bezug auf den Song und erzählt, wie alt er bereits ist und ob er sich eher einer ruhigen oder dämonischen Stimmungslage zuordnen lässt, wobei selbst die Songs des Segments «We slow it down a little» wie «Fallen Mountain» für Laien ebenbürtig mit der Härte der vorangegangenen Lieder scheinen. «Slow it down» muss wörtlich verstanden werden, bezieht sich entsprechend auf das Tempo.
Mit einem «Cheers motherfucker» und einem grossen Schluck Bier, verabschiedet man sich nach dem letzten und gleichzeitig ersten und einzigen Song auf Schwedisch von der Bühne, um kurze Zeit später am Baden in Blut Premiere zu feiern, mit der uralten Konzerttradition der «Zugabe». Hierfür hat man ein für Death Metal eher ungewöhnliches Stück Musik ausgewählt. So trällert man den viel gecoverten Song «Somebody Put Something In My Drink» der Punk-Väter Ramones, weicht dabei aber nicht von seinem Stiel ab, was erstaunlicherweise sogar funktioniert. So darf sich der Zuhörer an einer Death Metal Version dieses Liedes erfreuen, etwas an das sich bisher keine andere Band herantraute. Zu den Klängen einer anderen schwedischen Band, verabschiedet man sich anschliessend von der Bühne, nach einer kurzen Fotosession mit dem Publikum, das nun allein ein bisschen unbeholfen mit dem Lied «Summer Night City» von ABBA stehen gelassen wird. Die Wahl dieses eher weniger bekannte Stück der Pop-Giganten, lässt den nicht ganz unbegründeten Verdacht aufkommen, dass sich hinter den ach so bösen Demonical kleine ABBA-Maniacs verbergen.
Fotos Demonical
Illdisposed
Ein unentschlossener Radio-Hörer ändert ununterbrochen die Radio-Funk-Frequenz, um auf andere Sender umzuschalten. Erstaunlicherweise laufen gerade überall unterschiedliche Metal-Stücke. Keins davon scheint den Hörer anzusprechen, bis er (endlich) auf einen Song von Illdisposed stösst.
In etwa so ist das Intro der Band aus Dänemark zu verstehen. Sie haben sich ebenso dem Death Metal verschrieben, nehmen dies aber nicht in jeglicher Hinsicht bitterernst. Der Gesang wird gegrowlt in einer Weise, dass er trotzdem klar verständlich ist oder es zumindest bei einem optimalen Live-Mix wäre. Das Instrumental allein lässt nicht auf Death Metal schliessen, losgelöst vom Gesang könnte es auch Power Metal oder Ähnlichem zuzuordnen sein. Die dezent eingesetzten Synthi-Samples könnten gar von der Elektropop-Band Kraftwerk stammen. Ebenso wenig düster sind die Ansagen, die deutlich ausschweifender gehalten werden als bei den vorangegangenen Bands. Man punktet mit Humor, frechen Publikumsbeleidigungen, Selbstironie und der Verwendung der deutschen Sprache, was bei einer dänischen Gruppe nicht unbedingt zu erwarten ist. Für Zartbetuchte schiesst man allerdings an der ein oder anderen Stelle über das Ziel hinaus. So kann darüber diskutiert werden, ob die Bezeichnung «behindert» in einem diskreditierenden Kontext für die Spielweise angebracht ist, zumal sich auf dem Festivalgelände einige tatsächlich körperlich und geistig beeinträchtigte Menschen befinden. Was genau mit «behindert» spielen gemeint ist, wird nicht erklärt, bei genauerem Hinschauen und Hinhören, könnte es aber eventuell ein Hinweis sein, dass man nicht ganz ohne Hilfsmittel auskommt. So kommt der Verdacht auf, dass die Gitarrenfraktion bei schwierigen Solos Unterstützung vom Playback erhält.
Mit einer ausschweifenden Vorstellung der Bandmitglieder, bei der der trockene nordische Humor erneut zum Zug kommt, verabschiedet man sich von der Bühne (ein Auszug: «Das, an der Gitarre ist Ken, der Freund von Barbie»). Illdisposed wird nicht als die, technisch gesehen, beste Band des Festivals in Erinnerung bleiben, sicherlich aber als die witzigste.
Fotos Illdisposed
Soen
Dark Funeral ist der Name der Band, die viele der Anwesenden als Headliner betiteln würden. Deswegen mag es nicht verwundern, dass bereits beim Act davor das Konzertgelände gut gefüllt ist und nicht selten ein Dark-Funeral-T-Shirt-Träger zu erspähen ist. Ganz zum Leidwesen für diesen vorangehenden Act. Den Sound von Soen als komplett konträr zu Dark Funeral zu bezeichnen wäre wohl übertrieben. Von Black Metal unterscheidet er sich aber definitiv. Soen spielt eine Musikrichtung, die wohl am ehesten als Hardrock mit Metal Einflüssen zu bezeichnen ist. Für viele Zuschauer ist sie zu soft. Es fallen spöttische Bemerkungen, die die Band mit Bon Jovi oder den Scorpions vergleichen, was abhängig vom Betrachter auch als Kompliment aufgefasst werden kann.
Growls und Shouts sucht man hier vergebens, der Sänger singt mit einer nicht allzu hohen Kopfstimme, die Instrumentalisten bearbeiten ihre Werkzeuge in einem generell eher langsameren Tempo als ihre Vorgänger. Im Verlauf wechselt einer der Gitarristen an das Keyboard, später wieder zurück, womit Soen der erste Act des Tages ist, der seine Keys nicht nur als Playback dem Gespielten beimischt. Dass ein Grossteil des Publikums mit dieser Band nicht viel anfangen kann, mag mit hoher Wahrscheinlichkeit an den drei vorangegangenen Death Metal-Bands liegen, die eine ganz andere Stimmung und Energie über den Platz verteilten. Die Leute haben sich auf härtere Musik eingestellt. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Vermutlich wäre es Soen zugutegekommen, hätte man ihren Auftritt an den Beginn des Festival-Tages geschoben. So bleibt es bei eher mässigen Reaktionen auf Aufforderungen wie «I wanna see you jump». Besser wird die Stimmung als Soen ein Track ihres im September erscheinenden Albums präsentieren, der härter klingt als bisher Gespieltes und zu «ey ey ey» -Rufen animiert. Der Platz auf der Setlist für diesen Song ist gut gewählt, den man bewegt sich auf das Konzertende zu, optimal also hat man das Publikum aus seiner Starre geholt, um sich zu Applaus und dem Schwenken der Ukraine-Flagge von der Bühne zu verabschieden.
Fotos Soen
Dark Funeral
Wer Dan Browns „Sakrileg“ gelesen hat, mag sich über das Backdrop von Dark Funeral wundern, ziert es doch ein grosses Pentagramm – das Zeichen der Göttin Venus und gleichzeitig der Fruchtbarkeit, wie in dem Buch erklärt wird. Die christliche Kirche, Hollywood und auch der Black Metal hat dieses Symbol jedoch dem Okkultismus und Satanismus zugeschrieben. Unabhängig davon ist das Backdrop viel zu lang für die Bühne, weshalb nur die obere Hälfte zu sehen ist, Dark Funeral scheint es trotzdem wichtig zu sein, es da hängen zu haben, versucht man doch krampfhaft mit einer vermeintlichen satanistischen Ästhetik zu provozieren. Dies beginnt beim Hintergrund mit dem Zeichen der Venus, geht über weisse Theater-Schminke ergänzt durch schwarzes Make-up, auch Corps Paint genannt, coolen Leder-Rüstungen und dem Herumzeigen eines anderen missinterpretierten Symbols: dem Kreuz des heiligen Apostel Petrus. Ausserdem wird immer mal wieder dazu aufgefordert «Heil Satan» zu rufen, eine Form von religiöser Kundgebung, etwas dessen Daseinsberechtigung an Konzerten heiss diskutiert wird.
Abgesehen von der Optik legt Dark Funeral eine passable Show hin, obwohl man wieder einmal mit technischen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, so gelingt der Konzertstart nicht wie gewollt, da es das Mikrofon nicht mit der Lautstärke der Instrumentalfraktion aufnehmen kann. Den angereisten Fans scheint dies wenig auszumachen. Andächtig hören sie zu und schütteln ihre Köpfe, wenn es zur Stimmung passt. Grössere Moshpits bleiben aus, dafür ist die Musik zu düster, so düster, dass selbst die Sonne sich verzieht und die Nacht hereinbricht. Wer mit Black Metal weniger anfangen kann, gibt der Band zumindest eine Chance, ist aber nicht sonderlich traurig, als das Konzert einen Abschluss findet, eine viertel Stunde vor dem auf der «Running Order» publizierten Ende. Vermutlich hat man genügend Umbaupause für den nächsten Act eingerechnet, denn dieser ist mit einigem an Equipment angereist.
Fotos Dark Funeral
Dark Tranquillity
Tranquillity – zu Deutsch: Ruhe. Dark gleich: Dunkel. Dunkle Ruhe. Ein ironischer Name für eine Metal Band? Ein Vertreter der «lauten» Musik. Ganz und gar nicht! Dark Tranquillity zaubern einen Sound, der sowohl zum Headbangen als auch zum wie in Trance mitwippen einlädt. Steht «Dark» also für Metal (die Ästhetik), so meint Tranquillity vielleicht die Ruhe, die einem überkommt, wenn man sich auf die Musik einlässt? Auf Papier gilt die Band als Melodic Death Metal Band, auf Ohr sind aber auch mehr als nur Spuren von Progressiv zu hören. Dies besonders in den atmosphärisch angehauchten Sequenzen, die wohl der «Ruhe» zugeordnet werden können und wenige Zuschauer dazu veranlasst, das mitgebrachte Kraut anzuzünden.
Ein halbes Lied später, die Glimmstängel sind bis zur Hälfte runter geraucht, schlägt die Musik auf «Dark» um und diejenigen, die bisher nur Substanzen in flüssiger Form konsumierten, können ihre Nackenmuskulatur zerstören. Gegensätze, die von der Band unter dem Deckmantel des «Melodic» perfekt zusammengefügt werden, dies durch den sinnvollen Einsatz von Keyboard und Synthis sowie durch die beeindruckende Wandlungsfähigkeit der Stimme von Mikael, der es sowohl mit Growls, Shouts, als auch melodischen Engelsgesängen aufnehmen kann, ohne je einen falschen Ton zu treffen. Alles in allem ein gelungener Auftritt, der einen krönenden Abschluss des Baden in Blut besiegelt.
Fotos Dark Tranquillity
Fanzit – Baden in Blut – Tag 2 – Baden in Schweiss
Der offizielle Abschluss von zwei Tagen Festival wird nicht durch Musik markiert. Stattdessen betretet das Organisationskomitee des Baden in Blut, Metal Maniacs, selbst die Bühne. Man bedenkt sich herzlichst bei allen Angereisten, allen freiwilligen Helfern und sowieso jedem, der gerade zuhört. Ebenfalls gibt man aber auch preis, dass man sowohl personell als auch mit der Infrastruktur am Limit war. Als Zuschauer bekam man davon wenig mit, abgesehen von der langen Wartezeit für die Bändel-Ausgabe am ersten Tag. Ein organisatorischer Stolperstein, für den man sich erneut entschuldigt. Es sei verziehen.
Ansonsten gibt es für mich wenig an diesem Festival zu kritisieren. Es war mein erstes Mal Baden in Blut, zuvor habe ich immer in Wasser gebadet (ha ha ha, dieser Witz musste ja einmal kommen). Die Toiletten waren durchgehend sauber, das Bier bezahlbar, die Musikgruppen gaben ihr Bestes und die Leute waren stets gut gelaunt und freundlich. Einzig beim Verschieben der Regler am Mischpult gäbe es noch Verbesserungsbedarf. So bin ich nicht der Einzige, der den Sound oft zu stumpf und «matschig» empfand, teils konnten Instrumente und Gesang nicht einzeln erkannt werden, sondern ergaben einen Brei aus Musik. Möglicherweise liegt dies daran, dass man auf einer Bühne 6–9 Bands pro Tag durchbringen musste und deswegen eine sehr knapp bemessene Umbauzeit von meist nicht mehr als 20 Minuten hatte, eine Zeit, die keine ausschweifenden Soundchecks zulässt.
Doch was soll’s: Ein Musikbrei hält mich nicht davon ab, in Zukunft sicherlich wieder einmal an ans Baden in Blut zu reisen.