Toller Einstand trotz goldenem Stimmungsbrecher
Ende Juni 2023 fand zum ersten Mal das Summerside Festival in Grenchen statt. Mit attraktiven Acts wie Volbeat, Within Temptation, Bullet For My Valentine, Billy Talent und natürlich den Hollywood Vampires liess das Line-up wahrlich Grosses erahnen. Doch konnten die hohen Erwartungen auch erfüllt werden? Metalinside hat sich für euch ins Getümmel gestürzt.
Es ist ja nicht so, dass der sommerliche Festivalkalender der Schweiz allzu grosse Lücken aufweist. Oder man sich in der Post-Corona-Zeit generell über einen Mangel an rockiger Live-Musik beklagen könnte. Und doch erfüllt es einen natürlich mit einer gewissen Freude, wenn das musikalische Open-Air-Angebot um eine weitere Attraktion bereichert wird. Zumal hinter dem neuen Festivalstern die Macher des Riverside Open Airs in Aarburg stehen, die dank der symbiotischen Beziehung zum Rockabilly-Event Route 66 auch einen grossen Erfahrungsschatz mitbringen.
Andererseits bieten die völlig neue Location und die damit verbundenen Abläufe selbstredend genügend Herausforderungen, um den Veranstaltern das eine oder andere Sorgenfältchen auf die Stirn zu meisseln. Zumal es nach der kurzfristigen Absage des eigentlich für Samstag vorgesehenen Headliners Five Finger Death Punch quasi über Nacht einen veritablen Ersatz aufzutreiben galt (welcher mit Bullet For My Valentine denn auch gefunden wurde). Apropos Bands: Wer im Vorfeld einen Blick auf das stetig wachsende und alles andere als uninteressant zu nennende Line-up warf, der merkte schnell, dass hier eher mit der grossen Kelle angerührt wurde. Und das ursprünglich für das Riverside 2020 angedachte (und aus bekannten Gründen geknickte) Engagement der Hollywood Vampires bei der Entstehung der neuen Veranstaltung möglicherweise eine gewisse Rolle gespielt haben dürfte. Doch das ist eine reine Vermutung meinerseits. Zweifelsohne war es genial, die Formation um so legendäre Persönlichkeiten wie Alice Cooper, Joe Perry und – tataaa – Johnny Depp auf Schweizer Boden zu erleben. Doch ich greife vor.
Etwas skeptisch stand ich im Vorfeld dem angekündigten – und ja, natürlich auch gegen einen gewissen Aufpreis angebotenen – Golden Circle gegenüber. Würde er sich als eine Art „Möglichkeit für Superfans, ihren Stars so nah wie möglich zu sein“ auf einem doch recht vielfältigen Festival wirklich bewähren oder – wie ich insgeheim befürchtete – gerade abseits der Hauptacts der Stimmung als eher abträglich erweisen? Auch hier boten die beiden Tage einen erstklassigen Einblick in den Mikrokosmos Metal-Festival.
So, genug der einleitenden Worte – ab nach Grenchen, wo ich mich zusammen mit Knipser Steve auf viele (meist) sonnig-warme Momente voll göttlichem Metal freue.
Summerside Festival Grenchen Tag 1 – Freitag, 23.06.2023
Die Anreise mit dem Auto verläuft völlig unspektakulär und stressfrei. Nur die Fahrt zum Parkplatz, der für die Pressevertreter dankenswerterweise sehr nahe am Eingang liegt, ist etwas holprig. Wiesenrallye halt. Wehe dem, der ein tiefergelegtes Fahrzeug sein Eigen nennt! Schnell das Nötigste in den handlichen Rucksack gepackt und ab aufs Festivalgelände… …. Wobei… naja, schnell geht erst mal gar nichts. Eine halbe Stunde vor Konzertbeginn bildet sich eine lange Schlange vor dem Eingang. Grund dafür ist die strenge Einlasskontrolle, die fast schon Flughafenniveau erreicht. Neben genauer Taschenkontrolle und Leibesvisitation kommen sogar Metalldetektoren zum Einsatz. Ob der US-Präsident einen Abstecher nach Grenchen geplant hat? Wie dem auch sei, gewisse Checks finde ich ja gut und sinnvoll, aber hier wird wohl etwas übers Ziel hinausgeschossen. Zumal für solche Aktionen einfach zu wenig Personal vor Ort ist.
Silver Dust
Endlich drin, kann ich gerade noch die letzten Songs der jurassischen Gothic-Dark-Rocker Silver Dust mitnehmen. Eigentlich machen sie ihre Sache – wie schon letzten August am Riverside – richtig gut. Ihre mystisch aufgeladene, mit vielen theatralischen Elementen angereicherte Performance hat das gewisse Etwas, das die Zuschauer eigentlich an den Bühnenrand ziehen müsste. Doch die Zahl der bereits Anwesenden ist noch sehr überschaubar, was zum einen sicherlich das Los vieler Erstauftretenden sein mag, zum anderen aber mindestens ebenso sehr dem schleppenden Einlass geschuldet ist. Und wenn sich dann auch noch ein gut zwanzig Meter breiter Graben vor der Bühne auftut – auch Golden Circle genannt – der erst später so langsam mit Leben gefüllt wird, ja dann macht man einfach gute Miene zum bösen Spiel und zieht sein Ding allen Widrigkeiten zum Trotze durch. Was die Herren um Lord Campbell (der in einem früheren Leben Eishockey-Goalie war) denn auch tun. Für mich ein souveräner Auftritt mit gutem Sound, der sicherlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte!
Im Gegensatz zum Riverside Open Air, wo es „nur“ eine Spielfläche gibt, auf der die Musiker ihr Können unter Beweis stellen, werden wir beim Sommer-Geschwisterchen von zwei Bühnen her beschallt. Okay, eigentlich sind es drei, denn etwas überraschend gibt es auch noch eine Electro Stage, die in einer Art Zirkuszelt untergebracht ist und auf der – man ahnt es schon – nicht ganz unbekannte DJs auflegen. Gerade an einem Metal-Festival doch eine ziemlich – ich nenn’s mal – ausgefallene Sache. Aber egal. Die so genannte Rise-Up Stage hat eher Volksfest-Charakter, ist in einem grossen Partyzelt untergebracht (mit eigenem Getränkeausschank, sehr wichtig bei den vorherrschenden Temperaturen!) und bietet – wie der Name schon vermuten lässt – aufstrebenden Acts die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Wobei – Achtung Spoiler – genau hier werden sich in den nächsten zwei Tagen einige wirklich coole Bands ein Stelldichein geben!
Robot Dog Funeral
Den Anfang auf der kleineren Bühne machen Robot Dog Funeral, denen ich allerdings nur kurz meine Aufwartung mache. Zum einen kann mich ihre eher schleppende Mischung aus psychedelischen Gitarrenklängen und einer guten Portion Indie nicht so recht fesseln, zum anderen ist der Sound zumindest für meine Ohren etwas zu basslastig abgemischt. Was die kleine, aber aktive und in Band-Shirts gekleidete Fangemeinde aber nicht davon abhält, zu den Klängen der Beerdigung ihrer Robo-Hunde (wer denkt sich eigentlich solche Namen aus?) richtig abzugehen. Jungs, irgendwie hatten wir heute eher wenig emotionale Berührungspunkte, was nicht unbedingt nur an eurem Auftritt liegen muss. Kaum Leute im Zelt, von Tieftönern dominierter Sound sowie mein persönlicher Frust über den Einlass und das künstlich verordnete Social Distancing tragen wohl auch ihren Teil zu meiner eher verhaltenen Begeisterung bei.
Adam And The Metal Hawks
Adam und seine Metal Hawks sind wohl einerseits so etwas wie die megaheisse Neuentdeckung im Rockzirkus, die via TikTok massenhaft Aufmerksamkeit generiert und mit geilen Tracks wie „Long Die Rock“ wohl zu Recht von Erfolg zu Erfolg eilt (siehe unser Interview mit der ganzen Band). Andererseits aber eine weitere Combo, die der nicht so kleinen Aufgabe gegenübersteht, den bereits erwähnten Graben zu überwinden. Ein „gab sich alle erdenkliche Mühe“ würde in einem Arbeitszeugnis wohl kaum akzeptiert werden, spiegelt aber hier und jetzt einfach die traurige Realität wider. Fragen wie „Welches Instrumental-Solo hätte man denn gerne?“ verpuffen irgendwie an der auferlegten Distanz zum Publikum und wenn Wuschelkopf Adam zur wilden Party aufruft, wirkt das eher grotesk. Und auch die Ansagen zu eigentlich coolen Coverversionen von Led Zeppelin oder Deep Purple zerbröseln an dieser kaum überwindbaren Wand. Spannend finde ich dagegen, wie Bassist Ryan Daversa den Bandhit „Upside Down“ trällert. Und ja, mit der Zeit wird auch der Zuschauerandrang im goldenen Kreis spürbar grösser – was die Amerikaner durchaus als kleinen Sieg verbuchen können. Aber im Vergleich zu den Bildern vom Riverside bleibt die Stimmung insgesamt doch eher mau. Was allerdings kaum am Engagement des Quartetts liegen dürfte.
Fotos Adam And The Metal Hawks
Sunset’99
Aus der Sonnenstube der Schweiz kommt die nächste Formation, die sich auf der Nebenbühne ein Stelldichein gibt. Sunset’99, die anfangs noch etwas mit der Feinabstimmung des Sounds zu kämpfen haben, können mich aber definitiv von Anfang an in ihren Bann ziehen. Ob rockig oder eher gefühlvoll, die Band aus dem Tessin macht vieles richtig und erntet gegen Ende ihres Sets viel verdienten Applaus im nun sichtlich besser gefüllten Zelt. Und auch wenn ich keine direkten Vergleiche ziehen kann, scheint mir der Wechsel zu den weiblichen Vocals von Sängerin Anissa ein Schritt in die richtige Richtung zu sein. Eine sehr sympathische Truppe, der ich in Zukunft mehr Aufmerksamkeit schenken werde!
Mono Inc.
Bei Mono Inc. aus der Hansestadt Hamburg mögen zwar vielleicht die männlichen Protagonisten an Gitarre, Bass und Mikro im Vordergrund stehen (aufstellungstechnisch gesprochen). Zentraler Punkt bleibt für mich aber Drummerin Katha Mia, die nebst ihren rhythmischen Aufgaben auch noch eine klasse Gesangsperformance abliefert (Referenz: „Children Of The Dark“). Nicht nur, dass ihr der kahl geschorene Kopf enorm gut steht, auch stimmlich haut sie einfach alles weg. Durchaus möglich, dass ich ihr hier Unrecht tue (und wenn, dann ist das ein echter Ritterschlag von meiner Seite), aber kann man gleichzeitig so megageil trommeln und singen? Wer sich selbst einen Eindruck verschaffen möchte – die Kapelle gastiert am Samstag, 9. September 2023 im Z7 – ich bin bereits jetzt gespannt auf eure Feedbacks!
Fotos Mono Inc.
Judge Minos
Nach einer kleinen Stärkung an einem der unzähligen Verpflegungsstände – man bewegt sich hier auf absolutem Top-Niveau – schaffe ich es gerade noch zum Auftritt der Walliseller Judge Minos. Das 2017 von Gitarrist Dominic Blum (Ex-Comaniac) und Sänger Hichem Selmi gegründete Quartett orientiert sich stilistisch klar am im letzten Jahrtausend omnipräsenten New Wave Of British Heavy Metal, den sie auch gerne mal mit Thrash- oder Death-Metal-Klängen anreichern. Optisch erinnern sie auf jeden Fall irgendwie an Manowar, auch wenn ihnen das pompöse Gehabe (glücklicherweise) fehlt. Die harte Mucke weiss durchaus zu gefallen, sodass ich mich gegen Ende des Sets zum improvisierten Merch-Stand in der Ecke neben der Rise-Up-Bühne begebe und mich mit ihrer aktuellen CD „The Keeper Of Imbalance“ eindecke. Das muntere Hin und Her zwischen den ungleichen Bühnen macht bisher wirklich Spass.
The Broilers
Bei der Main Stage wartet schon der nächste Kracher auf mich. Die Düsseldorfer Broilers sind nicht umsonst als absoluter Publikumsmagnet bekannt. Vor über 30 Jahren als Oi!-Punkband gestartet, füllen sie heute Stadien mit ihrem eingängigen, hippen Mix aus Ska-Punk, Deutschrock und einer Prise Rockabilly. Und doch – irgendetwas scheint Frontmann Sammy Amara zu stören, als er in der ersten Songpause seinen Blick über die Ränge schweifen lässt. „Irgendwie ist es hier vorne so leer.“ Tja, Platz gibt es im Golden Circle allemal, während im abgetrennten hinteren Teil der Bär rockt. Kurzerhand fordert er die Fans auf, doch bitte alle direkt vor die Bühne zu kommen, wenn sie zur Security lieb sind und versprechen, nach dem Auftritt des Quintetts die Sperrzone wieder brav zu verlassen. Und siehe da, nach kurzer Unsicherheit hüben wie drüben klappt alles wunderbar, sodass der Rest des Sets zur erwarteten Party wird. Eine wirklich tolle Performance einer überaus sympathischen Truppe – sehr gerne wieder!
Frantic Wingmen
Mit Frantic Wingmen aus dem Zürcher Weinland steht nun harter Rock mit einer Prise Schwermetall auf dem Programm. Leider ist das Zelt der Rise-Up Stage nicht mehr ganz so gut gefüllt wie zuvor, was sich auch in einer eher verhaltenen Reaktion des Publikums niederschlägt. Solide, ehrlich und bodenständig statt „Highway To The Dangerzone“, wobei Sänger Thomas Fehr optisch auch gut zur Riverside-Schwesterveranstaltung „Route 66“ passen würde. Ich beschliesse, einen Abstecher zum Auto zu machen, um mir eine Jacke für die wohl nicht mehr ganz so lauen Abendstunden zu holen. Auf dem Weg zum Eingang stelle ich erfreut fest, dass die Kontrollen auf ein moderates Mass reduziert wurden. Schnelle Drehbuchänderungen scheinen hier kein Problem zu sein, toll!
Airbourne
Mit Hits wie „Ready To Rock“, „Back In The Game“ oder „Breakin‘ Outta Hell“ ist es für Airbourne aus Down Under selbstredend ein Leichtes, die „Let’s party“-Messlatte noch ein paar Zentimeter höher zu legen. Ihr lauter, brachialer Sound erinnert mich über weite Strecken an Grössen wie AC/DC oder Krokus (heuer am Riverside Open Air), was natürlich auch mit dem singenden Wirbelwind Joel O’Keeffe zu tun haben dürfte. Und – sehe ich das richtig? – ein Circle Pit im Golden Circle? Geht doch, selbst ohne Zutun der Broilers! Auch wenn sich die Aussies in Sachen Zuschauerbespassung noch eine klitzekleine Scheibe von den Deutschen abschneiden könnten. Aber was will man schon meckern, wenn zu den Klängen von „It’s All For Rock’n’Roll“ Drinks ins Publikum gereicht werden, um gemeinsam auf Lemmy anzustossen? Verrückt, schweisstreibend – Airbourne!
Fotos Airbourne
Seraina Telli
Dieser Meinung scheinen ausser mir noch einige andere Summersidler zu sein. Denn als die schillernde Rocklady Seraina Telli (die auch bei Dead Venus das Zepter schwingt bzw. den Burning Witches zu Beginn noch ihre Stimme lieh) die Nebenbühne betritt, herrscht vorerst reichlich Bewegungsfreiheit. Ein Zustand, der sich nach der sicheren Landung von Airbourne jedoch schnell ändert. Gute zehn Minuten und das Zelt – inklusive Aussenbereich – ist rappelvoll. Nicht umsonst konnte die sympathische Wahl-Luzernerin Ende Oktober 2022 mit ihrem Album „Simple Talk“ (zur Review) bis auf Platz zwei der Schweizer Album-Hitparade klettern. Und das weiblich dominierte Trio (Verhältnis 2:1) gibt wirklich alles, um dem inoffiziellen Titel des Headliners des Festivals gerecht zu werden. Wobei… Auch wenn es irgendwie weh tut, zieht es mich noch vor Ende des Sets zurück zur Hauptbühne, wo gleich die Vampire aus der kalifornischen (Film-)Traumfabrik ihren seit bald drei Jahren überfälligen Auftritt absolvieren werden. Wer das quirlige Multitalent in voller Länge erleben möchte, hat heuer glücklicherweise noch reichlich Gelegenheit dazu, wie ihr Terminkalender verrät.
Hollywood Vampires
Meine Güte, wie lange mussten wir auf diesen Moment warten! Doch selbst eine Pandemie konnte den nun folgenden Auftritt allenfalls hinauszögern, aber nicht verhindern! Meine Damen und Herren – die Hollywood Vampires. Ja, es ist schon ein erhebender Moment, solche Grössen der Rock- und Filmgeschichte gemeinsam auf der Bühne erleben zu dürfen! Alice Cooper (Gesang, Mundharmonika), Johnny Depp (Gitarre, Gesang), Joe Perry (Gitarre), Buck Johnson (Keyboards), Chris Wyse (Bass), Glen Sobel (Schlagzeug) und Tommy Henriksen (Gitarre; lebt in Zürich) sind einfach Namen, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss. Und entsprechend andächtig ist über weite Strecken auch die Reaktion des Publikums. Klar, wenn Mr. Depp auf einer der beiden Grossleinwände in den Fokus gerät, ist die Aufregung gross. Der Mann mit den tausend Gesichtern ist für viele nun mal ein Grund, hier und jetzt vor dieser Bühne zu stehen. Und doch ist man sich bewusst, welches künstlerische Erbe da gerade abrockt. Ob Eigenkompositionen wie der Opener „I Want My Now“, Coverversionen à la „The Jack“ von AC/DC, „Walk This Way“ (Aerosmith) bzw. „People Who Died“ (Jim Carroll Band; gesungen von Captain Jack Sparrow himself), halb-interne Hymnen wie „I’m Eighteen“ oder das abschliessende Medley aus „School’s Out / Another Brick in the Wall“ – die zeitlos wirkenden Songs gehen nahtlos ineinander über. Ganz grosses Kino, das hier im kleinen Grenchen geboten wird (nebenbei, habt ihr den tollen Werbefilm schon gesehen?). Allein für diese überirdische Darbietung hat sich der Abstecher an den Jurasüdfuss gelohnt!
Fotos Hollywood Vampires
Raiva Rosa
Weit weniger dankbar ist nun die Aufgabe für Raiva Rosa, die direkt nach dem Headliner die Rise-Up Stage betreten. Und dass die Alternative-Rocker aus Portugal kommen, hilft auch nicht wirklich weiter, denn nun fehlt der Anhang, den die CH-Bands zuvor hatten, sodass das Zelt einen ziemlich tristen und verlassenen Eindruck macht. Und ja, auch der eher schleppend aus den Boxen dröhnende Sound wirkt mehr einschläfernd als animierend. Schätzungsweise zwei Leute hüpfen, vielleicht fünf wippen in sich gekehrt. Für mich ein klares Zeichen, mich vom Acker zu machen. Oder zum Acker vor der Hauptbühne, die Wahrheit liegt hier im Auge des Betrachters …
Volbeat
Hier bei der Main Stage nimmt man es beim Auftritt der dänischen Genre-Grenzgänger von Volbeat weit nicht mehr so genau wie noch zuvor, sodass der Sprung über das trennende Gitter fast schon zum Volkssport avanciert. Klar, so einige werden sich wohl auch bereits auf den Heimweg gemacht haben, wodurch eher weniger mit Dichtestress vor der Bühne zu rechnen sein dürfte. Mit beinahe einer halben Stunde Verspätung legen die Herren rund um Sänger und Gitarrist Michael Poulsen endlich los. Die Show an und für sich ist nicht schlecht, wobei das Drumkit das weitaus auffälligste Bühnenrequisit darstellt. Ohnehin gilt zu vermerken, dass allgemein kein allzu grosser Firlefanz betrieben wird, man sich primär auf die Musik konzentriert. So war denn ein grosses, aufblasbares Vampirgebiss (aus Hollywood – oder so) vorne am Bühnenhimmel der bisher augenscheinlichste Eyecatcher. Aber zurück zu Volbeat. Irgendwie scheinen die Tontechniker schon in den wohlverdienten Feierabend entschwunden zu sein. Oder man nimmt bewusst Rücksicht auf lärmempfindliche Anwohner. Was auch immer die Ursache sein mag, ihr vielfältiger Mix aus Hardrock, klassischem Metal, Glam, Punk und Rockabilly Sound dröhnt längst nicht mehr so wuchtig wie bei anderen Acts zuvor aus den Lautsprechern. Zumindest dort wo ich stehe. So begebe ich mich etwas früher auf die Heimreise schaffe es, dem wohl drohenden Stau elegant auszuweichen.
Das Fanzit – Summerside Festival Grenchen Tag 1
Tag 1 des Summerside Festivals bot Licht und Schatten, wobei Ersteres eindeutig überwog (was nicht nur am guten Wetter lag). Das Line-up kann grösstenteils als sehr gelungen bezeichnet werden, wobei die Hollywood Vampires in Sachen Glamfaktor natürlich alles überstrahlten. Aber insbesondere auch Mono Inc., die Broilers sowie Airbourne konnten mich überzeugen. Adam And The Metal Hawks und vor allem Silver Dust fielen der übertriebenen und somit zähen Einlasskontrolle sowie dem Golden Circle zum Opfer. Auf der Rise-Up Stage setzten für mich vorrangig Sunset’99, Judge Minos und natürlich Seraina Telli ein klares Ausrufezeichen.
Ein fettes Fragezeichen verdienen hingegen der stockende und nicht optimal koordinierte Einlass zu Beginn sowie der zweigeteilte Zuschauerbereich. Während Ersteres im Laufe des Tages sichtlich verbessert wurde – vielen Dank an die Organisatoren für die rasche Optimierung – ist der goldene (rechteckige) Kreis sowohl eine bauliche als auch eine preisrelevante Massnahme und kann folgerichtig frühestens für die nächste Ausgabe überdacht werden.
Halbzeit in Grenchen – ich bin gespannt, was Tag zwei an Überraschungen bereithalten wird.
Summerside Festival Grenchen Tag 2 – Samstag, 24.06.2023
Im Gegensatz zum Vortag präsentieren sich die Strassen Richtung Grenchen heute von ihrer verstopften Seite. Und nicht zum ersten Mal frage ich mich im Stau stehend, wie schwierig es sein muss, eine anständige Rettungsgasse zu bilden. Endlich angekommen, verpasse ich – wenn auch nur knapp – den Auftritt der aus Indien stammenden Girish & The Chronicles. Schade! Immerhin gestaltet sich der Einlass wie bereits am Abend zuvor wesentlich unkomplizierter. Dafür soll es heute noch ein paar Grad wärmer werden, was den Absatz der nicht unbedingt als billig zu bezeichnenden Getränke fördern dürfte. Und gleich zu Beginn ein Appell an einige Eltern, die diese Zeilen vielleicht lesen. Generell finde ich es toll, wenn ihr eure Kinder auf solche Festivals mitnehmt und sie schon in jungen Jahren echte, handgemachte Klänge erleben lasst. Aber: Ein Gehörschutz über die noch jungen Lauscher ist einfach Pflicht! Eure Kids werden es euch später mal danken!
Mammoth WVH
So ist denn Mammoth WVH meine erste Band des Tages. Wobei das ominöse WVH für Wolfgang Van Halen steht, Sohn des legendären Van Halen-Gitarristen Eddie. Dieser (also Eddie, damals noch als Sänger) gründete 1972 zusammen mit seinem Bruder Alex (Schlagzeug) und Mark Stone die Combo, die zunächst unter dem Namen „Mammoth“ auftrat. Wenig überraschend ist der Sound der Truppe recht Klampfen-lastig, ohne jedoch in einem für solche Solo-Projekte nicht unüblichen, wilden Saitengebolze ertränkt zu werden. Wohl auch, da Wolfgang ebenfalls den Gesangspart übernimmt. Trotz der bereits hohen Temperaturen wagt sich WVH immer wieder auf den sonnenbeschienenen Catwalk, um auch die Zuschauer hinter dem noch mässig besetzten Golden Circle zu erreichen. Die Stimmung ist wie oftmals zu so früher Stunde gemütlich und entspannt, die Leute lassen sich von der Musik tragen. Alles in allem ein guter, unterhaltsamer Auftritt, der Lust auf mehr macht!
Fotos Mammoth WVH
Guano Apes
Die Guano Apes als One-Hit-Wonder abzutun, würde der Band um die heute in eine rote Jacke gehüllte Shouterin Sandra Nasić kaum gerecht. Und das nicht nur, weil sie mit der Snowboarder-„Nationalhymne“ „Lords Of The Boards“ einen zweiten Übersong am Start haben. Ihre schmissige Mischung aus Alternative Rock, Crossover und Nu Metal sorgt denn auch für gehörig Bewegung im Publikum. Und das, obschon Sandra nach eigener Aussage in der vergangenen Nacht nur knapp vier Stunden geschlafen hat, um ihren Flieger noch zu erwischen. „Am liebsten würde ich mich vor euch nackt ausziehen und hier in der Sonne tanzen, aber ich muss mit meinen Kräften haushalten“. Neben den bereits erwähnten Gassenhauern sind es vor allem die Coverversionen, die gehörig einheizen: „Lose Yourself“ von Eminem sowie die raue, rappige Version von „Big In Japan“ (im Original von Alphaville), die noch einmal alle Lebensgeister mobilisiert. Der Samstag ist so richtig lanciert.
Fotos Guano Apes
The San Joes
Mit den The San Joes wird nun auch am zweiten Tag die mehrheitlich von Schweizer Bands bespielte Rise-Up Stage eingeweiht. Die aus Solothurn stammende Rock-Folk-Punk-Combo hat von Beginn weg mit einem nicht ganz optimal abgemischten Klangbild zu kämpfen. Die Gitarren dröhnen etwas gar schrill und brummig durch die Gegend, und auch die (sich zuweilen etwas überschlagende) Stimme von Frontlady Sandy vermag mich nicht so wirklich zu umgarnen (was jedoch ebenfalls der Abmischung geschuldet sein könnte). Die Stimmung im Zelt lässt sich daher wohl am besten mit „abwartend“ beschreiben, selbst wenn es zwischen den Songs reichlich Applaus gibt. Kein Ausfall, aber auch kein Grund, bis zum Schluss zu bleiben.
Battle Beast
Denn auf der Hauptbühne wartet mit Battle Beast eine Band, die mit ihrem aktuellen Album „Circus Of Doom“ (zum Review) nicht nur mich aus den Socken gehauen haben dürfte. Ihr wohltemperierter Mix aus Heavy und Power Metal, garniert mit reichlich Synthieklängen und der rauen, kraftvoll-aggressiven Stimme von Noora Louhimo, ist genau das Richtige, um die in der sengenden Hitze vor sich hindösende Menge wieder ordentlich auf Touren zu bringen. Der finnische Sechser zeigt sich enorm spielfreudig und profitiert zudem von einem anfangs nicht unbedingt optimalen, aber im Laufe des Auftritts immer besser abgemischten Sound – etwas, das mir zu Hause beim Betrachten einiger kurzer Videoaufnahmen der Performance noch einmal so richtig bewusst wird. Egal ob „Straight To The Heart“, „Eye Of The Storm“, „Master Of Illusion“ oder der Opener „Circus Of Doom“, Battle Beast bieten wie gewohnt beste Unterhaltung. Und da auch der obligatorische Mitsingteil die durchgeschwitzte Meute vor keine unlösbare Aufgabe stellt (Noora: Ganz einfach, weil ohne Text. Also wie bei Bon Jovi), gibt es einen fetten Daumen nach oben. Gerne wieder!
Fotos Battle Beast
Mad Sox
Dass die Mad Sox ziemlich wilde Socken sind, merkt man vom ersten Riff an. Ihr kraftvoller, erdiger Crossover/Metalcore trifft zwar nicht unbedingt meinen eher in symphonischen Gefilden angesiedelten Geschmack, aber man muss den Jungs unumwunden zugestehen, dass sie ihr Handwerk wirklich beherrschen! Und so ist das Zelt der Rise-Up Stage prall gefüllt, und auch davor haben sich nicht wenige Leute versammelt, um dem krachenden Auftritt beizuwohnen. Seit über zwanzig Jahren treiben die Solothurner, anfänglich noch im Hardrock verwurzelt, ihr Unwesen auf helvetischen Bühnen – und haben sich diese mitreissende Party hier in Grenchen mehr als verdient!
Apocalyptica
Bei Apocalyptica, die wie Battle Beast aus dem Land der tausend Seen stammen, war ich im Vorfeld enorm gespannt, wie sich die Celloschmeichler an einem Konzert unter freiem Himmel schlagen würden, hatte ich sie zuvor doch erst einmal bei ihrer gemeinsamen Tour mit Sabaton und Amaranthe im Hallenstadion (zur Review) erleben dürfen. Kurzum – nicht viel anders als sonst, denn wahre Kunst macht zum Glück keinen Unterschied zwischen drinnen oder draussen. Und auch wenn den drei Streichern – Eicca Toppinen, Paavo Lötjönen und Perttu Kivilaakso – samt Klopfer Mikko Sirén noch immer dieser gewisse Exoten-Touch anhaftet, haben sie sich über die Jahre hinweg doch eine treue Fangemeinde erspielt. Welche heute am späteren Nachmittag leider grossmehrheitlich aus der Distanz am Abfeiern ist, Golden Circle sei Dank. Ein Foto von Steve zeigt diesen – aus meiner Sicht gerade bei Festivals absolut unnötigen – Unsinn überdeutlich (siehe ganz unten)! Passend zum Wetter lädt ihr tragender Sound perfekt zum Träumen ein. Gesanglich leiht heute Abend Franky Perez dem minimalistischen – und doch so raumfüllenden – Streichorchester seine Stimme. Und vor allem bei Coversongs wie „Nothing Else Matters“ oder „Seek And Destroy“ (beide Metallica) haben die Finnen das Publikum vollends in der Tasche. Ein spezieller, nachhallender Auftritt.
Fotos Apocalyptica
Patskats
Ein nahezu perfektes Kontrastprogramm bieten gleich im Anschluss die als Ska-Punk-Band schubladisierten Patskats. Schwungvoll – mal easy going, mal zackig und hart – geben die vier Herren ein recht eindrückliches Empfehlungsschreiben für künftige Auftritte ab. Ihr lebendiger Sound – geboren im Jahre 2020, mitten in der Corona-Krise – lädt geradezu ein, das Tanzbein zu schwingen – eine Aufforderung, der nicht wenige nachkommen. Und als sich dann noch ein – wenn auch eher langsam rotierender – Circle Pit (oder wie immer man das hier nennen mag) bildet, haben mich die Patskats mit ihrer Mischung aus Covern und Eigenkompositionen endgültig überzeugt. Und nicht nur mich, wie die vielen ausgelassenen Menschen um mich herum zeigen. Falls jemand eine Partyband sucht, die für Stimmung sorgt – hier ist sie!
Alter Bridge
Mit Alter Bridge aus dem amerikanischen Sunshine State (aka Florida) schwenken wir nun endgültig in den zweiten, finalen Abend des Summerside Festivals ein. Wobei mich ihre Mischung aus Alternative Metal, Hard Rock und Post-Grunge nicht sonderlich zu fesseln vermag. Irgendwie quillt mir der Sound etwas gar zu zähflüssig aus den Boxen – oder ich schmachte bereits dem Auftritt meiner niederländischen Versuchung entgegen. Ein Körnchen Wahrheit steckt wohl in beiden Interpretationen. Also schnell zum Auto, die Zip-Jacke aus dem Kofferraum fischen (Ende Juni weiss man ja nie, was die Nacht für einen bereithält), zurück zum um diese Zeit praktisch ausgestorbenen Eingang, und dann – Stillstand. Mein am Handgelenk getragenes Bändelchen erlaube mir nur für den gestrigen Freitag das Betreten des Festivalgeländes (was bei mir sofort die – stumm vorgetragene – Frage auslöst, wie ich denn bitteschön heute Mittag da reingekommen sei). Also wieder zurück zum Auto, um meinen Zutritt mittels Presseakkreditierung zu legitimieren. Oder auch nicht. Nach einem Umweg über das Info-Zelt ist die Sache dann schnell gegessen – falsches Bändchen gestern – stressbedingt, kann passieren. Und: Trotz der Hektik immer freundlich und hilfsbereit. Ungeachtet der Umtriebe – und auch wenn ich dadurch die HardRocker Big Cycle verpasse – es hätte schlimmer kommen können.
Fotos Alter Bridge und Big Cycle
Within Temptation
Denn dank dieses Intermezzos war ich früh genug an der Hauptbühne, um einen Logenplatz für Within Temptation direkt hinter dem sich erfreulich füllenden Golden Circle zu ergattern. Hinweis in eigener Sache: die nachfolgenden Zeilen könnten eine Prise Fan-bedingter Voreingenommenheit enthalten *g* Nun denn, was gibt es betreffend Sharon Janny den Adel (die beim Erscheinen dieses Artikels 49 Jahre alt sein wird) und ihren Mannen goss zu berichten? Nun, zum einen, dass sie zweifelsohne die spektakulärste Bühnenshow des gesamten Festivals auffahren. Wobei der Ausdruck „geklotzt“ angesichts der abgefeuerten Pyro-Salven arg untertrieben erscheint. Praktisch bei jedem Song schiessen Flammen gen Himmel. Was umso bemerkenswerter ist, da die Abendstimmung noch immer genügend Sonnenstrahlen auf die Bühne zaubert, und so das imposante Feuerwerk seine Wirkung nicht vollumfänglich entfalten kann. Kollege Kaufi möge mir die folgenden Zeilen bitte verzeihen, aber im Vergleich zu dem hier Gebotenen wirken die Feuerexzesse von Sabaton wie ein laues Lagerfeuerchen einer Pfadigruppe …
Aber auch sonst sticht der Auftritt der Oranjes deutlich heraus, sei es durch die sichtbare Spielfreude, die ständige Präsenz am vorderen Bühnenrand (und damit in der prallen Sonne) oder die emotionalen Ansagen der absolut natürlich wirkenden Frontlady. Und wie schon im Zürcher Hallenstadion (zum Bericht) zeigt sich, dass man in den Reihen von Within Temptation für die digitale Zukunft bestens gerüstet ist. Denn nach dem fast schon obligatorischen Bandfoto mit den Fans erscheint auf der überdimensionalen Digi-Leinwand ein QR-Code, mit dem das soeben geschossene Bild kostenlos und portofrei heruntergeladen werden kann.
Fotos Within Temptation
Shrinx
Nicht minder gespannt bin ich auf das Quartett aus dem Zürcher Oberland. Shrinx – vormals bekannt als „Shambolic Shrinks“ (bis 2020 noch unter diesem Namen und zu fünft unterwegs) – haben mich bereits am letztjährigen Riverside mit ihrer originellen, rockig-frischen Performance vollends überzeugt. Zufall? Um es nicht unnötig spannend zu machen: Nein! Die Jungs, wie immer ganz in rot-schwarz gekleidet, haben es einfach drauf, für ausgelassene Stimmung zu sorgen! Schnell entsteht ein wilder Moshpit, in den sich Frontmann Simon Kuhn kurzerhand einreiht. Es ist wohl die wildeste Party vor der Rise Up – Stage, die hier gerade steigt. Süss auch, wie ein Girl mit pinkfarbener Haarpracht und schwarzem Cappie ein selbst gemaltes Pappschild mit den Worten „Hey Hey No“ ausgelassen tanzend in die Höhe hält. Natürlich passend zum Kracher „Won’t Let You Go“, der für mich so was wie das Aushängeschild dieser Combo geworden ist – schmissig, frech, rockig! Shrinx sind definitiv eine Band, die man im Auge behalten sollte!
Bullet For My Valentine
Vorneweg: Bei Bullet For My Valentine messe ich den mit Abstand höchsten F-Wort-Anteil des gesamten Festivals (wahrscheinlich sogar höher als bei Phil Campbell And The Bastard Sons am letztjährigen Riverside, aber so genau haben wir dann doch nicht mitgezählt …). Kurzerhand für die aus gesundheitlichen Gründen ausgefallenen Five Finger Death Punch eingesprungen, legt die britische Metalband aus dem walisischen Bridgend wenig überraschend einen überaus soliden, brachial-melodischen Auftritt hin. Die Stimmung ist dementsprechend eine ganz andere als zuvor bei WT – fröhliche Hüpfeskapaden sind fleissigem Kopfnicken gewichen, die Nackenmuskulatur erhält eine ziemlich deftige Abreibung. Und natürlich entstehen auf Zuruf vom Bühnenrand in Windeseile diverse lokale Renntornados. Die anfangs vielleicht noch als etwas verhalten zu bezeichnende Stimmung bessert sich von Song zu Song deutlich. Und auch wenn ich vom Greenfield her gesehen immer noch an einer Überdosis Metalcore „leide“, so muss ich doch zugeben, dass der Sound des Quartetts ziemlich unter die Haut geht, bzw. zum munteren Mitmachen einlädt. Kurzum: Nicht unbedingt mein bevorzugtes (musikalisches) Jagdrevier, aber dennoch absolut überzeugend auf den Punkt gebracht!
Fotos Bullet For My Valentine
Aus reiner Neugierde wage ich noch einen kleinen Abstecher zur sogenannten Electronic Selection, die wie eingangs bereits erwähnt in einer Art Zirkuszelt in der Nähe des Ein- und Ausgangs untergebracht ist. Ein Ort, an dem – für Metal-Verhältnisse wohl eher unbekannte – Künstlerinnen und Künstler aus der unverzerrten Musikecke ihren kreativen Output zum Besten geben. Respektive eine Ecke, in die sich echte Metalheads wohl nur im äussersten Notfall verirren. Soweit die Theorie. Und doch ist die Location erstaunlich gut gefüllt, auch wenn eher wenige Band-T-Shirts auszumachen sind. Künstler wie Fritz Kalkbrenner, Alle Farben, Vini Vici, Klangkarussell oder Glockenbach haben hier völlig andere Klangwelten geschaffen – und damit sicher auch den einen oder anderen weltoffenen Metalhead begeistert. Ein spannendes Experiment, das im nächsten Jahr gerne wiederholt werden kann.Brainholz
„Man nehme die Grooves und Sounds der goldenen Ära des Rocks, füge eingängige Melodien und eine Prise jugendlicher Kreativität hinzu, würze das Ganze mit einer Prise moderner Einflüsse und lasse es einige Jahre unter hohem Druck im Dampfkochtopf kochen. Das Resultat ist ein bodenständiges, ehrliches Gericht, eine Retro-Rock-Suppe: die Schweizer Rockband „Brainholz“. Vielen Dank, lieber Summerside-Webmaster, für diese wirklich gute Zusammenfassung! Könnte man so stehen lassen und würde das Gezeigte auch treffend auf den Punkt bringen. Und doch hat das rockende Quartett definitiv ein paar Worte mehr verdient. Denn auch wenn das Rund (ok, Zelt = rechteckig) vielleicht nur noch knapp zur Hälfte gefüllt ist, so ist die Stimmung zu so später Stunde doch rundweg ansprechend. Was wohl nicht zuletzt daran liegt, dass die vier Musiker den Spirit der goldenen Tage gekonnt in ihre Songs einweben, ohne ihn künstlich in eine moderne Form pressen zu wollen. So wirken nicht nur die Ansagen von Sänger Remo Schüpbach absolut sympathisch und authentisch („Möget ehr no? Ech weiss, es esch immer’s gliiche, aber es funktioniert ebe“), sondern das ganze Set wirkt in sich absolut stimmig. Und wenn ich es richtig verstanden habe, steht im Oktober dieses Jahres ein neues Album in den Startlöchern, verbunden mit der passenden Plattentaufe im November. Wer auf Bands wie Led Zeppelin, Deep Purple, Wolfmother & Rival Sons steht, sollte sich diese (noch zu publizierenden) Termine auf jeden Fall mal vormerken.
Billy Talent
Zum Abschluss des Festivals stehen Billy Talent auf dem Programm. Zwar geht die Party noch bis in die frühen Morgenstunden weiter, aber die kanadischen Alternative-Rocker sind für mich das Ende der sommerlichen Fahnenstange. Auch wenn es sicherlich einige Unentwegte gibt, die sich noch bis weit nach Mitternacht Fate Of Faith (die ich nach ihrem tollen Auftritt am letztjährigen Riverside eigentlich gerne gesehen hätte – aber 1 Uhr ist inklusive Heimfahrt einfach zu spät) und/oder Royal Desolation auf der Rise Up Stage reinziehen.
Die kanadische Rockband Billy Talent aus Mississauga, Ontario, deren Stil sich wohl am besten als eine Mischung aus Alternative Rock, Post-Hardcore und Punkrock beschreiben lässt, kitzelt noch einmal die letzten Kraftreserven aus den immer noch zahlreich anwesenden Metalheads. Nicht wenige sitzen zufrieden und auch ein wenig erschöpft auf der inzwischen platt getrampelten Wiese und bringen ihr Bier in Sicherheit, wenn jemand dem Hopfengebräu gefährlich nahezukommen droht. Es herrscht diese typische Kehraus-Atmosphäre, bei der man definitiv keinen Wert mehr auf getragene Bändchen legt, während es auf der Bühne immer noch ziemlich heftig zur Sache geht. Die gebotene Kombination aus aggressiven Powerchords und melodischen, energetischen Hooks weiss denn auch nach drei Dekaden noch immer zu begeistern. Ein für mich überaus apartes Ende eines alles in allem erfreulichen Neo-Festivals.
Das Fanzit – Summerside Festival Grenchen Tag 2
Auch heute wurde den zahlreich erschienenen Gästen – bereits am Vortag wurde „ausverkauft“ gemeldet – ein bunter Strauss an tollen Bands geboten, wobei mir Battle Beast, Shrinx und Within Temptation am besten gefallen haben. Im Vergleich zum Freitag erfolgten seitens OK bereits erste Optimierungen, sodass sich beispielsweise der Einlass weit weniger nervenaufreibend gestaltete als noch tags zuvor. Meine persönliche Einschätzung zur Premiere lest ihr gleich unten – das Tagesfazit fällt aber trotz einiger kleiner Holperer durchweg positiv aus!
Persönliche Meinung zum Summerside Festivals
Insgesamt kann die erste Ausgabe des Summerside Festivals als sehr positiv vermerkt werden. Das an beiden Tagen präsentierte Line-up war stark besetzt und vielfältig, der Zuschaueraufmarsch entsprechend gross. Zweimal ausverkauft ist gerade für eine Premiere definitiv als Erfolg zu werten. Das Schöne daran: Trotz Full House hatte man zu keiner Zeit das Gefühl, dass es auf dem Gelände selbst – wie speziell vor der Bühne – eng wurde. Und dass mit Bullet For My Valentine innert kürzester Zeit ein veritabler Ersatz für die aus gesundheitlichen Gründen abgesagten Five Finger Death Punch gefunden werden konnte, zeugt von Professionalität und einer guten Vernetzung innerhalb der Szene.
Positiv fällt ebenfalls das reichhaltige Angebot an Speis und Trank ins Gewicht, wobei hier logistisch sicherlich Luft nach oben ist. Denn wenn das Personal gleichzeitig Getränke holen/zapfen, kassieren und dann auch noch das Depot abwickeln muss, sind Überlastung und eine schleppende Abwicklung vorprogrammiert. Umso erfreulicher, dass die Damen und Herren hinter dem Tresen stets nett und zuvorkommend blieben. Und auch wenn’s an einem Greenfield von nicht wenigen als eher mühsam empfunden wird, so wäre eine zentrale Rückgabestelle allenfalls eine Überlegung wert. Zudem waren die Getränkepreise zumindest für meinen Geschmack eher am oberen Limit.
Was die im Vorfeld des Festivals kommunizierten Informationen (Homepage, Social Media) betrifft, so schien man – mit Ausnahme der Nennung der auftretenden Bands – immer etwas hinterherzuhinken, was dann auch zu entsprechenden Kommentaren auf den gängigen Kanälen führte. Doch bin ich überzeugt, dass man das bei zukünftigen Veranstaltungen absolut in den Griff bekommen wird.
Dass die ganze Einlassprozedur am ersten Tag ziemlich katastrophal verlief, wurde bereits erwähnt und dürfte – auch wenn letztlich die Macher des Riverside dahinterstehen – wohl mitunter der Andersartigkeit des gesamten Geländes (im Vergleich zu Aarburg) geschuldet sein. Erfreulich ist aber, dass hier sofort reagiert wurde und sich die Situation bereits am ersten Abend zu entspannen begann. Lobend zu erwähnen sind auch die zur Verfügung gestellten sanitären Anlagen, die sauber und ohne langes Anstehen benutzt werden konnten. Über den „VIP-Bereich mit speziellem Catering-Angebot, guter Sicht auf die Bühne und zahlreichen Sitzgelegenheiten“ kann ich selbst nicht berichten, aber das Ganze wirkte wirklich komfortabel und grosszügig bemessen. Was mir noch einfällt? Gab es offizielle Wasserstellen auf dem Gelände (und damit meine ich nicht die Wasserhähne bei den Toiletten)? Wäre mir jetzt nicht speziell aufgefallen und bei solch hohen Temperaturen eigentlich Pflicht.
Bleibt noch das leidige Thema Golden Circle, das mir schon im Vorfeld einiges an Kopfzerbrechen bereitet hat. Bei allgemeinen Publikumsmagneten wie den Hollywood Vampires ist so etwas logischerweise kein grosses Problem (und vergleichbar z.B. mit der Preisstaffelung im Theater), aber bei nicht ganz so massentauglichen Bands fühlt man sich als auftretender Künstler wohl schon mal ein wenig im falschen Film. Gerade das Bild vom Riesenrad beim Auftritt von Apocalyptica spricht hier Bände. Ich für meinen Teil würde es sehr begrüssen, wenn man in Zukunft bei Festivals auf so etwas verzichten würde.
Fotos Summerside Festival 2023 (Steve)
Das Fanzit zum Summerside Festival Grenchen
Eigentlich ist schon so gut wie alles gesagt, weshalb ich mich kurz fasse. Formidable Bands und Kaiserwetter an beiden Tagen sorgten für eine tolle Stimmung, die allenfalls durch ein paar Unstimmigkeiten – die im Hinblick auf zukünftige Ausgaben des Summerside Festivals sicherlich auszumerzen sind – leicht getrübt wurde. Sehr erfreulich war zudem, dass nicht nur auf der Hauptbühne tolle Musik zu sehen und hören war, sondern auch die Rise-Up Stage überwiegend mit tollen, meist einheimischen Acts aufwartete. Auch wenn noch kein Termin für eine zweite Ausgabe bekannt ist, würde wohl nicht nur ich mich über eine Wiederholung freuen.