Märchenhaft
Die aus den Niederlanden stammenden Blackbriar (zu Deutsch: schwarzer Dornbusch) veröffentlichen etwas mehr als zwei Jahre nach ihrem viel beachteten Debüt „The Cause of Shipwreck“, mit „A Dark Euphony“ nun ihr zweites Studioalbum. Es war einmal …
Anno 2012 gegründet, war es ihre zweite Single „Until Eternity“ (2015), mit welcher sie in der Szene ein erstes Ausrufezeichen zu setzen vermochten. Überhaupt umschreibt „Slowly but surely“ den Aufstieg der nunmehr als Sextett agierenden Assener wohl am treffendsten. Musikalisch bewegen sie sich dabei irgendwo innerhalb des Dreiecks Gothic, Symphonic und ein wenig Folk, wobei speziell die beiden erstgenannten Genres konsequent bespielt werden. Letzteres tritt eher dezent – etwa bei „Far Distant Land“ in Form von keltisch anmutenden Klängen – zutage, ohne jedoch allzu stark in Folk-metallene Gefilde abzudriften. Nicht umsonst trägt das Stück bei mir denn auch den Spitznamen „The Kingdom Of Far Far Away“…
Mögen in einem ersten Rutsch die Songs noch irgendwie gleichartig, ähnlich gestrickt erscheinen, so schält sich bei wiederholtem Hören eine auffallend klangliche Diversität heraus. Wie etwa beim treibenden „Thumbelina“, bei welchem Zora Cocks Stimme auch mal dieses Zart-bittersüsse abstreift und einen mit einem wohligen Gefühl von Hühnerhaut zurücklässt. Im Allgemeinen sind es die durch Noten transportierte Emotionen, welche mich beim konzentrierten Musikgenuss immer wieder aufs Neue zu faszinieren – und umfangen – vermögen. Und gerade hiervon bietet diese Scheibe eine ganze Menge! Erfüllung, Trauer, Wärme, Angst – all das vereinen die Niederländer in ihrer Klangwelt auf raffinierte Art und Weise. Während die erst gegen Ende Fahrt aufnehmende Ballade „The Evergreen and Weeping Tree“ von Düsternis und Melancholie durchdrungen ist, trippelt der Opener „An Unwelcome Guest“ schon fast behände und leichtfüssig durch die Gehörgänge.
Däumeline …
Auf der anderen Seite markiert das eingängige „Bloody Footprints in the Snow“ (nebst dem bereits genannten „Thumbelina“) so was wie die obere Grenze der blackbrianischen Härteskala, ohne aber dieses ätherische Klangkorsett gänzlich abzustreifen. Doch sind es schlussendlich die eher feinen, dezenten Klänge, die diesem Album seinen ganz besonderen Reiz verleihen. Was nicht zuletzt an den träumerisch-eindringlichen Vocals von Zora liegen dürfte, welche mich in gewissen Passagen (insbesondere beim leicht schleppend daherkommenden „We Make Mist“) enorm an die frühe Sharon Den Adel von Within Temptation erinnert, als diese gesanglich noch in höheren Sphären schwebte. Ein Mix all dieser mit einfliessenden Elemente lässt „A Dark Euphony“ zu einer wunderbaren Symphonie mit gothischen Anklängen werden, in der bizarre und gespenstische Märchen regelrecht zum Leben erwachen.
Bleibt die Frage: Können Elfen singen? Oder Elben halt, wenn man sich nach der Tolkienschen Nomenklatur richtet. So oder so – können sie? Nun, nimmt man den Gesang von Blackbriar-Frontdame Zora Cock (deren Name quasi Omen ist, glänzt ihre Haarpracht doch leuchtend rot in die Welt hinaus; und natürlich spiele ich hier auf den Videoclip zu „Cicada“ an) als Referenz, so wäre alles anderes als ein klares „Ja“ wohl fernab der Realität. Erweitert man dieses Gedankenspiel noch um die Etymologie (Herkunft) des Wortes „Elb“ im mittelalterlichen Kontext – eine Alb bzw. ein Plagegeist, von dem sich das Wort Albtraum ableitet – ergibt auch dieser stets mystisch, melancholisch mitschwingende Unterton in fast allen Songs der niederländischen Fairy-Tale-Metaller auf einmal Sinn. Musik-Psychologie à la Sandro eben 😉
… für immer und einen Tag
Und sonst? Nun, auch abseits des Liedguts machen Blackbriar auf „A Dark Euphony“ eine gute Falle. Von der Produktion über den Mix bis hin zum Arrangement passt hier wirklich sehr vieles perfekt zusammen. Kein Wunder, denn mit an Bord ist erneut Joost van den Broek, der schon für Bands wie Epica, Ayreon oder Powerwolf die Regler am Mischpult bediente und die cineastischen Klanglandschaften der Niederländer einmal mehr gekonnt einzufangen wusste.
Zu bemängeln wäre allenfalls, dass der glockenhellen Stimme von Frau Cock ein bisschen zu viel Raum gegeben wird, die Instrumentierung etwas mehr Präsenz im vorderen Lautsprecherbereich vertragen hätte. Aber zum einen weiss sich die Saitenfraktion in Soli wie etwa bei „Far Distant Land“ oder „Forever and a Day“ durchaus zu behaupten, andererseits spielen hier natürlich auch eigene Präferenzen und Vorstellungen mit hinein (wie generell bei Rezensionen üblich). Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters.
Und ja, im Vergleich zum Erstlingswerk mag vielleicht gelegentlich dieser ganz besondere „Aha“- resp. „Wow“- Effekt abhandengekommen sein, der ob dieser doch recht speziellen Klang(märchen)welt erst einmal verinnerlicht werden musste. Ein Umstand, womit Begründer einer neuen Art schon seit jeher zu kämpfen hatten. Auch bei der Covergestaltung bleibt man sich mit der streng zweifarbigen Schlichtheit treu und verzichtet sogar auf den typischen roten Farbtupfer, der für die grandiose Zora Cock zu stehen pflegte.
Das Fanzit Blackbriar – A Dark Euphony
Blackbriar erheben nicht den Anspruch, den zuweilen doch arg abgelutschten Drops namens Symphonic Metal von Grunde auf neu zu erfinden. Und doch schaffen sie es mit „A Dark Euphony“ erneut, mit ihren eindringlichen, oftmals verträumt-ruhigen Klängen ihre ganz eigene Nische abzustecken – Märchenmetal eben. Wobei man sich eher an die stets etwas schaurig-schönen Werke der Gebrüder Grimm erinnert fühlt, denn an die quietschig-bunten Erzeugnisse der Disney-Studios.
„A Dark Euphony“ bietet mit seiner düsteren, nebelverhangenen Mystik sehr viel Raum für Träumereien, enthält handkehrum aber auch genügend metallene Schwere, um sowohl Symphonic als auch Gothic – Fans in seinen Bann zu ziehen. Märchenhafte neun Punkte!
Anspieltipps: Far Distant Land, The Evergreen and Weeping Tree, Forever and a Day, Crimson Faces
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Trackliste Blackbriar – A Dark Euphony
- An Unwelcome Guest
- Far Distant Land
- Spirit of Forgetfulness
- Bloody Footprints in the Snow
- The Evergreen and Weeping Tree
- Cicada
- My Soul’s Demise
- We Make Mist
- Thumbelina
- Forever and a Day
- Crimson Faces
Line Up – Blackbriar
- Zora Cock – Vocals
- Bart Winters – Guitars
- Robin Koezen – Guitars
- Ruben Wijga – Keyboardist
- Siebe Sol Sijpkens – Bass
- René Boxem – Drums