Metallisches «Klassentreffen» in brütender Hitze
Traditionsgemäss versammeln sich die helvetischen Anhänger der lauten, harten, diabolischen Gitarrenmusik einmal im Jahr auf dem Hüttikerberg zur Ausführung von gemeinsamen Partyexzessen am Meh Suff! Metal-Festival. Das war auch 2023 nicht anders.
Während zweier Tage wurden unter höllisch-heissen Witterungen emsig Bands bejubelt und literweise Kaltgetränke jeglicher Art vernichtet. Wie es euren tapferen Metalinsidern (Domi the Stick, Dutti, Luke und Raphi) vor Ort ergangen ist, berichten sie gleich selbst in den nachfolgenden Zeilen.
Freitag, 08.09.2023 – Meh Suff! Metal-Festival – Tag 1
Dutti: Endlich wieder Meh Suff! Metal-Festival! Die Formkurve der eigenen Vorfreude hat in den vergangenen Tagen konstant nach oben gezeigt. Die ausgelassene Sauferei auf dem nahegelegenen Hügel der kleinen Zürcher Gemeinde Hüttikon, welche bevorzugt mit Mosh-Aktionen und wildem Mähnenschütteln kombiniert wird, ist wahrlich jedes Mal der ideale Abschluss der «Sommer-Open Air»-Saison. Die Wettergötter scheinen all unseren Vorhaben extrem wohlgesonnen zu sein, denn gemäss Meteo-App lässt sich der Herbst in den kommenden Tagen eindeutig noch nicht blicken. Es ist viel eher mit schweisstreibenden Angelegenheiten zur rechnen. Mir soll’s recht sein. Schlammige Eskapaden und Dauerregen hatten die Fans an anderen Freiluft-Veranstaltungen in diesem Jahr schon mehr als genug… Ein versöhnliches respektive gnädiges Finale wäre absolut erwünscht.
Eine erste Vorhut meiner «Swiss-Metal-Chaoten»-Truppe trifft gegen 10.30 Uhr unten beim Parkplatz ein. Das notwendige Equipment wird rasch in den Bollerwagen gepackt und im Anschluss folgt der Fussmarsch hinauf zur Camping-Zone. (Anm. Raphi: Ich beobachte eure Ankunft von der anderen Strassenseite her. Dort werden nämlich die Leute mit Camping-Vans platziert. Wir sehen uns dann später oben). Noch bleibt der riesige Ansturm aus. Die Zeltdichte ist völlig erträglich. So können wir uns entspannt einen optimalen Standort für unser Hauptquartier aussuchen. Schlafgemach und Pavillon werden zackig errichtet. Als Belohnung gibt’s danach wohlverdientes «Hopfen-Dosenfutter» aus unserer wunderprächtig gefüllten Kühlbox. «Dolce vita!» – so lässt sich’s leben. Allerdings sollten wir es uns keinesfalls zu gemütlich machen, denn bei vergangenen Ausgaben dieses Festivals haben wir aufgrund eigener Bequemlichkeit auch schon die ersten Bands verpasst… Das darf uns dieses Mal definitiv nicht passieren!
Heathen Heretic
Dutti: Fast pünktlich zu den Klängen der ersten Kapelle finden wir uns vor der Bühne ein. Täusche ich mich oder wirkt das Gelände kleiner als sonst? Jep, das trifft effektiv zu. Ein Crew-Mitglied verrät mir, dass man aufgrund irgendeiner Art Naturschutzzone auf der linken Seite nicht weiter in den Wald hineinbauen darf. Halb so wild, denn vom häufig gefürchteten «Sardinenbüchsen-Feeling» sind wir trotzdem noch meilenweit entfernt (die Geschichte ist meines Wissens ausnahmsweise sowieso für einmal nicht restlos ausverkauft). Zudem wird die Spielstätte im nächsten Jahr wahrscheinlich eh abermals auf eine der anderen verfügbaren Wiesen gezügelt. Das ist nämlich eine Vorgabe des zuständigen Bauern. Dadurch kann er jeweils abwechselnd seine verschiedenen Felder bewirtschaften. Aber wir sind hier ja notabene nicht beim Landwirtschaftssimulator, sondern bei metalinside.ch! Das ist gleichbedeutend mit Berichterstattungen zu musikalischen Darbietungen. Und genau eine solche wird nun ausführlich unter die Lupe genommen.
Mit Heathen Heretic steht die erste von insgesamt acht Schweizer Gruppen im diesjährigen Line-Up auf dem Prüfstand. Die Jungspunde aus dem Raum Zürich befinden sich bereits seit einer Weile auf dem aufsteigenden Ast und sind fraglos ein Versprechen für die Zukunft. Es dürfte nicht mehr allzu lange dauern, ehe das Quintett die Rolle des Openers an eine andere Formation weitergeben darf. Sie schaffen es wirklich jedes Mal, in Sachen Leistung nochmals eine Schippe draufzulegen – so auch heute! Mit einheitlich bemalten «Corpsepaint-Visagen» knallen die Akteure den Zuhörern ihre gleichermassen melodiösen wie brachialen Hymen vor den Latz! Die Gesangsduelle zwischen Viola und Styx funktionieren astrein (als Beispiel sei die Nummer «Charon» genannt). Rechtzeitiges Erscheinen wird freilich belohnt. Wer das verpasst, muss sich danach selbst in den Allerwertesten beissen. Ausserdem ist es sowieso grandios, diese Künstler wieder einmal auf statt «bloss» vor der Bühne zu sehen (wobei ich es überaus begrüsse, dass sie so oft als normale Fans an Konzerten anzutreffen sind. Das ist beste Eigenwerbung und nebenbei eine wundervolle Geste bezüglich Support unserer Szene).
Oder wie beurteilen meine Mit-Schreiberlinge diesen Auftakt?
Luke: Da meine Frau Yvonne heute Morgen noch ein Onlineseminar hatte, schaffen wir es gar nicht auf die erste Band. Sehr böse darüber bin ich nicht, war ich doch die ganze Woche so ein bisschen am «kränkeln», und Heathen Heretic scheint sowieso nicht in mein übliches Beuteschema zu passen. Das dürfte wohl bei Raphi ganz anders aussehen?
Raphi: Da hast du recht, Luke. Ich kann mich noch gut an den allerersten Gig von Heathen Heretic erinnern, den sie Anfang letzten Jahres gespielt haben (wir haben hier darüber berichtet). Bereits damals haben die fünf Freunde einen wirklich guten Auftritt hingelegt und seither haben sie nochmals einen grossen Schritt nach vorne gemacht. Besonders Viola hat einiges an Bühnenpräsenz gewonnen. Das heutige Konzert gerät deshalb auch zu einem grossen Genuss für die rechtzeitig Erschienenen, wie du die Leute um uns herum so schön nennst, Dutti. Da gibt es nichts auszusetzen, sondern im Gegenteil ein grosses Lob auszusprechen. Die neue Single „Conquer For A Worthless God“, die sich die Band zum Abschluss aufgehoben hat, bildet dabei den Höhepunkt des mitreissenden Konzertes und bietet genau die sauber ausgewogene Mischung aus Death und Black Metal, die charakteristisch für das Quintett ist. Wo ich bei Heathen Heretic noch Verbesserungsmöglichkeiten orte, ist einzig bei der Attitüde. Da schöpfen sie ihr Potenzial erst etwa zu einem Viertel aus. Gelingt ihnen diesbezüglich eine Entwicklung in der Zukunft, werden Heathen Heretic nicht nur den Opener-Slot abgeben können, sondern auch nach Einbruch der Nacht auftreten dürfen und darauf freue ich mich jetzt schon.
Domi the Stick: Man glaubt es kaum! 2023 ist endlich das Jahr, in welchem ich es zum ersten Mal ans Meh Suff! schaffe. Nach einer problemlosen Anreise – auch wenn die Geschichte mit dem Shuttlebus noch nicht wirklich rund lief – habe ich meine Bleibe auf dem Campingplatz errichtet und stehe ebenfalls ab Heathen Heretic im Infield bereit. Leider nicht ganz pünktlich, da ich die letzte Zeitanpassung nicht mitgekriegt habe, aber was soll’s. Bezüglich Qualität des Auftritts kann ich mich meinen Vorrednern nur anschliessen. Dass das Festival mit solch einem Abriss startet, lässt meine Vorfreude auf zwei bombastische Tage nur noch mehr steigen. Da schmerzt es auch nur ein bisschen, dass ich den Beginn von Heathen Heretic verpasst habe…
Setliste – Heathen Heretic
- Sacrifice The Goat
- Shadow Of The Black Moon
- Deadly Sin
- Legions
- Charon
- Human
- Conquer For A Worthless God
Bedrängnis
Dutti: Von der Limmatstadt aus geht die Reise weiter ins Land der «Öpfelköniginnen» und «Erdbeertööörtli». Korrekt, die Rede ist selbstverständlich vom werten Kanton Thurgau – der Heimatregion von Bedrängnis. Wegen der Ausübung diverser nötiger Tätigkeiten, wie der Blasenerleichterung, dem Merch-Einkauf, der Beschaffung von Gerstensaft-Nachschub und dem Beobachten der Band, gerate ich beinahe in dezent stressige Sphären, aber als Routinier muss ich das Ganze logischerweise einigermassen brauchbar unter einen Hut kriegen. Wer rastet, der rostet – nicht wahr?
Im Rahmen dieses Auftritts bekommt das Publikum die mit ziemlicher Sicherheit schönste Haarpracht des gesamten Festivals zu sehen. Frontmann Aeshma, den man unter anderem ebenfalls dank seiner Engagements bei All Life Ends oder As Sanity Fades kennt, hätte wahrlich das Potenzial zum L’Oréal-Model. Also, zumindest gemessen am optischen Aspekt. Bei der gespielten Mucke würden allfällige Portfolio-Knipser und Laufsteg-Zicken wohl schleunigst die Flucht ergreifen. Aber die sind ja in der Regel – im Gegensatz zu den auf dem Hüttikerberg anwesenden Besucher – im schwarzmetallischen Sektor kaum bewandert.
Das Duo zeigt eine solide Darbietung, kann aber in der Endabrechnung nicht ganz mit der zuvor von Heathen Heretic erzeugten Energie mithalten. Dafür haben Bedrängnis die «Spielwiese» fleissig mit Kerzen dekoriert. Bedauerlicherweise bringt gelegentlich aufkommender Wind einige davon zum Erlöschen. Allerdings brauchen die Feuerteufel unter euch auf gar keine Fall enttäuscht zu sein, denn im Bereich der Pyrotechnik ist das hier zwar lediglich eine «Light»-Version, aber in einigen Stunden werden Watain ihr Ritual beginnen und mit grosser Wahrscheinlichkeit die Hölle auf Erden entfachen. Merkt euch meine Worte für später!
Raphi: Werde ich tun, werter Kollege. Was das Konzert von Bedrängnis angeht, teile ich deine Meinung grossmehrheitlich. Der Black Metal des Duos braucht einige Zeit, um sich vollständig entfalten zu können, was in der Gesamtbetrachtung tatsächlich zu einer etwas weniger packenden Angelegenheit verkommt als bei der Band zuvor. Doch gegen Ende hin, nachdem einem die Musik Gelegenheit gegeben hat, sich auf sie einzulassen, lässt es sich schön in den getragenen Klängen schwelgen. Leider trübt die immer mal wieder aussetzende Gitarre das Hörerlebnis, doch zum Glück bleibt es bei vereinzelten Aussetzern, sodass auch für mich das Wort „solid“ am besten auf den Auftritt von Bedrängnis zutrifft.
DtS: Ja, Heathen Heretic haben stark vorgelegt und Bedrängnis können das hohe Niveau nicht halten. Doch was Aeshma und Fuath zu zweit (!) liefern, ist doch nicht von schlechten Eltern. Anfangs finde ich die Aufstellung noch ein wenig verwirrend. Würde man zu zweit nicht besser einen auf Mantar machen und das Schlagzeug nach vorne, allenfalls sogar seitlich stellen? Das ist jedoch ein Detail und keine Woche später mache ich in Kiel mit Divide Bekanntschaft, welche sich ähnlich wie Bedrängnis hinstellen. Aber wir sind ja nicht beim Fussball und die Aufstellung dürfte zweitrangig sein. Der bedrückende Black Metal der Thurgauer mag nicht sehr zugänglich sein, doch live hat er es in sich. Kurz: Mir gefällt’s!
Setliste – Bedrängnis
- Intro
- Der 13. Morgen
- Meine Pflicht zu sterben
- Fährnis
- Manifest
- …danach Traum
- Heim
Constraint
Dutti: Die nächste Truppe stammt aus Frutigen und vertritt somit den Kanton Bern. Ich persönlich hatte meine erste Begegnung mit Constraint vor ziemlich genau drei Monaten im District 28. Damals vermochten sie als Einheizer für Nervecell hundertprozentig zu überzeugen. Und heute? Finden wir es heraus!
Kommt euch Basser Märs Bühler ebenfalls bekannt vor? Tja, das liegt daran, dass der geschätzte «Compadre» ansonsten primär für Pertness den Tieftöner bedient. Dort ist er zudem jeweils im schicken Kilt unterwegs. Bei Constraint läuft die Angelegenheit modisch ein wenig unauffälliger ab, weshalb er fast schon im Tarnmodus unterwegs ist. Musikalisch beschreiten er und seine Mitstreiter mit ihrem Gemisch aus Thrash und Death Metal den Pfad von Legion Of The Damned (die dann morgen über diese Bühne hinwegdonnern werden) und Konsorten. Die groben Klänge animieren die Leute zu ausgelassenen Moshpit-Aktivitäten. Des Weiteren fliegt regelmässig ein kleiner Hai durch die Luft. Also einer aus Plüsch, wie ich sicherheitshalber anmerken möchte. Wir wollen schliesslich keine Beschwerden aus den WWF- oder PETA-Lagern auf dem Tisch haben.
Luke: Nun sind auch wir endlich «richtig» angekommen. War bei Bedrängnis noch eher das auschecken des neuen Geländes und Anbringen von Plakaten für das geilste Schweizer Festival nächsten Sommer (kleiner Werbeblock, hier gibt es Infos: https://www.rottenrockfest.ch/ ) angesagt, sind wir pünktlich für Constraint vor der Bühne platziert. Die Berner Oberländer spielen, wie Dutti bereits erwähnt hat, eine gefällige Mischung aus Thrash und Melodic Death. Zudem mache ich hier eine gute Portion Death’n’Roll aus, rhythmisch ist das zum Teil sehr traditionell, aber deswegen nicht minder gut.
Es fällt ausserdem auf, dass die Jungs eine ordentliche Anzahl Fans mitgebracht haben. Ein Teil davon – inklusive Mütter von Bandmitgliedern – hält sich konstant in der ersten Reihe auf. Andere beteiligen sich aber auch an der ersten Wall Of Death des Tages, welche gemessen an der Uhrzeit ziemlich ordentlich ausfällt. Die Berner setzen eine gute (für mich) erste Duftmarke und landen definitiv auf meiner Beobachtungs-Liste.
DtS: Nichts anzufügen! Die mit Tanktops uniformierten Constraint liefern einen soliden, aber nicht herausstechenden Auftritt ab. So verzeichne ich einen Gewinn: Ich kannte die Berner vor dem Festival noch nicht und werde ihr Songmaterial in den kommenden Wochen ebenfalls genauer unter die Lupe nehmen.
Raphi: Constraint grooven sich amtlich durch ihr Set, was von den Zuschauern wie bereits erwähnt mit Bewegung honoriert wird. Die Musik der Frutiger hat aber auch etwas an sich, das bei jedem Metalhead vor der Bühne mindestens ein Kopfnicken auslösen sollte. Der Auftritt an sich verbleibt unspektakulär. Die Band steht sicher auf den Brettern, grössere «Aussergewöhnlichkeiten» bleiben jedoch aussen vor. Schauen wir mal, ob das bei den nun folgenden Malevolent Creation anders sein wird.
Setliste – Constraint
- Time To Escape
- Dead End
- Lobotomie
- Forgotten Paths
- In Ships They Come
- Marching At The Front
- Throw The First Stone
- Doomed To Die
- Rest In Pain
Mortal Factor
Dutti: Halt Raphi, ab und an empfiehlt es sich auf Festivals einen raschen Blick in die «Social Media»-Kanäle oder auf die Veranstaltungs-Homepage zu werfen – sei es für Unwetterwarnungen oder allfällige Anpassungen der Running Order. Der zweitgenannte Fall ist in Zusammenhang mit den nächsten Protagonisten eingetreten und wurde am Vormittag entsprechend kommuniziert. Eigentlich hätten jetzt die Amis von Malevolent Creation loslegen sollen, aber wegen eines Flugausfalls verzögert sich ihre Anreise auf den Hüttikerberg (Anm. Raphi: Danke für die Info. Da ich ohne Telefon unterwegs bin, hätte ich das nicht mitbekommen). Profiteure dieser Situation sind zweifelsohne Mortal Factor, denn die Luzerner-Haudegen dürfen ihren «1-Uhr-Slot» abgeben und die Besucherschar neu zu einer leicht humaneren Zeit bespassen.
Sichtlich motiviert vom demnächst stattfinden Release ihrer neusten Platte «Where To From Here?» gibt das Trio ordentlich Gas und löst deshalb weitere «Mosh-Reigen» aus. Mit «You Do» und «Good As Gold» gibt’s direkt zwei Mal einen Vorgeschmack auf das zuvor erwähnte Album. Den Rest sparen sich die Herren nachvollziehbarerweise für die geplante Veröffentlichungssause im Kulturwerk 118 auf. Doch das ist nicht sonderlich schlimm, da die älteren Kompositionen ebenfalls Knackgeräusche in den anwesenden Nackenmuskeln auslösen.
Raphi: Kommt hinzu, dass die drei Luzerner mit sympathischen Ansagen zu punkten vermögen. Die Freude über die hinzugewonnene Spielzeit ist ihnen ebenso anzumerken wie der Respekt davor, den Slot einer anderen Band ausfüllen zu müssen. Doch Mortal Factor meistern diese Aufgabe mit einer ansteckenden Fröhlichkeit und führen uns augenzwinkernd durch ihr Set. Gut gemacht, meine Herren. Oder hättest du die ursprünglichen Inhaber dieses Slots bevorzugt, Luke?
Luke: Klar, ich hätte Malevolent Creation gerne gesehen. Aber irgendwie fand ich auch die Aussicht Mortal Factor aufgrund des späten Slots zu verpassen schade. Somit quasi eine «Lose-Win» Situation, oder so ähnlich… Die Luzerner Thrash-Institution liefert aber einen starken Auftritt ab, welcher den Ärger über das Verpassen der Ami Death Metaller ein bisschen vergessen lässt. Ist Fronter Daves Bass zuerst etwas zu laut, pendelt sich das bald ein und die Jungs können von einem Bomben-Sound angetrieben glänzen.
Im Publikum tut sich allerdings zu Beginn nicht allzu viel, mit der Zeit gibt es aber immer mal wieder kleinere Pits zu betrachten. Neben den von Dutti bereits erwähnten neuen Songs gibt es eine starke Best Of-Setliste zu hören, und als zum Abschluss mit «That’s The Way I Wanna Rock ‘N’ Roll» auch noch ein AC/DC-Cover ausgepackt wird, erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt. Nicht nur die in der Ansage erwähnten älteren Semester feiern das Lied ab, welches in der Version von Mortal Factor definitiv auch Spass macht.
DtS: Dass sich im Publikum nicht allzu viel tut, schiebe ich mal vorsichtig auf die drückende Sonne. Auch ich stehe eher passiv in der Menge und nuckle an meinem Met-Slushie (für mich der kulinarische Sieger des Festivals, auch wenn er weder Hunger noch Durst stillt!), während ich der Musik des sympathischen Trios lausche und mit dem Kopf mitnicke. Gut, dass sich die Sonne schon bald – noch mitten am Nachmittag – hinter die Baumkronen des nahegelegenen Waldrands schiebt.
Setliste – Mortal Factor
- Devil And His Dog
- Body In My Bed
- Mortal Factor
- You Do
- Burden
- Dan
- Whiskey Stream
- Blind Warrior
- Shy Hell
- Good As Gold
- That’s The Way I Wanna Rock ‘N’ Roll (AC/DC-Cover)
Vomitoy
Dutti: Sodele, aber nun verlassen wir die nationalen Gefilde endgültig und wenden uns gespannt den aus dem Ausland angereisten Akteuren zu. Vertreter dieser Gattung sind beispielsweise die Jungs von Vomitory. Wir brauchen doch alle gelegentlich unsere Dosis «Sweden Death», oder? Genau diese kann uns der Vierer aus der schwedischen Stadt Karlstad liefern. Stumpf, rasant und schnörkellos in die Kauleiste – ich liebe es! Aber sind wir ehrlich, «galant» formulierte Titel wie «Terrorize Brutalize Sodomize» oder «Raped, Strangled, Sodomized, Dead» könnte man in einer Power Metal-Variante auf gar keinen Fall überzeugend rüberbringen… Dazu braucht es diskussionslos mächtiges Todesblei aus dem hohen Norden!
Tierische Begleiter scheinen bei der diesjährigen Ausgabe zum Standard-Equipment zu gehören. Hatten wir zuvor einen kleinen Plüschhai, ist nun ein Gummihuhn in den Publikumsreihen auszumachen. Ihr wisst schon, diese markant gelb leuchtenden Dinger, die beim Zusammendrücken nervtötende Schreigeräusche von sich geben… Den Göttern sei Dank ist die aus den Boxen dröhnende Musik weitaus lauter als so ein «Plastik-Gacker-Viech». (Anm. DtS: Stell dir vor, irgendeine Blödelband hält mal so ein Ding vors Mikro…). Andere Zuschauer sind derweil mit farbigen, teilweise mit Leuchtketten dekorierten Klobürsten unterwegs. Habe ich irgendetwas verpasst? Gutalax spielen doch erst Anfang März des kommenden Jahres am «Züri Gmätzlets Vol. III».
Raphi: Verpasst hast du nichts, es scheint als übe die Grindcore-Fraktion einfach schon etwas für die morgen aufspielenden Brutal Sphincter. Hier und jetzt bringen Vomitory allerdings bereits genügend kraftvolles Material mit, um den Bürsten alle Borsten ausfallen zu lassen. Der Pit dreht sich munter, während die Band wie ein unverrückbarer Fels in der Brandung ihre Songs zum Besten gibt. Kombiniert ergibt das einen sehr starken Auftritt, der auch Fans ausserhalb des Sweden Death-Spektrums viel zu bieten hat.
Luke: Vomitory flogen irgendwie lange etwas unter meinem Radar, spätestens mit dem grossartigen neuen Album «All Heads Are Gonna Roll» hat sich das aber geändert. Mir gefällt besonders, dass sich die Band nicht nur auf den klassisch-schwedischen HM2-Death versteift, sondern auch immer wieder US-Death Elemente in den Sound mit einbaut. Nun also meine Live-Premiere von Sänger Erik Rundqvist und seinen Mitstreitern.
Der Gute Eindruck, welcher das letzte Album bei mir hinterlassen hat, wird noch einmal unterstrichen. Die vier Männer – übrigens nicht nur alle langhaarig, sondern auch mit mächtigen Bärten ausgestattet – liefern einen sehr guten Auftritt ab, welcher zumindest bei mir wenig Wünsche offenlässt. So geht richtig guter Death Metal! Der Rest des unterdessen doch einiges zahlreicher anwesenden Publikums scheint dies genauso zu sehen, die Stimmung wird immer besser und die Circle Pits immer grösser. So soll das sein! Ein sehr starker Auftritt.
DtS: Auch meine Beziehung zu Vomitory ist erst wenige Monate alt. Im Zuge des Stonehenge Festivals in der Niederlande habe ich seit dem Frühling regelmässig in die Musik der Schweden reingehört, um sie dann im Juli auch wirklich live zu sehen. Nach einem sackstarken Auftritt (und dem wunderbaren Festival; den Ein-Tages-Anlass kann ich jedem Meh-Suff!-Fan empfehlen, der im Juli sowieso in der Nähe weilt) freute ich mich umso mehr, dass der Name Vomitory auch auf den Plakaten des Meh Suffs prangerte. Und wurde ich enttäuscht? Keineswegs! Der Vierer überzeugt auch heute mit gnadenlosem Todesmetall, das geradezu nach Publikumsaktivität schreit.
Setliste – Vomitory
- All Heads Are Gonna Roll
- Stray Bullet Kill
- Terrorize Brutalize Sodomize
- Piece By Stinking Piece
- Revelation Nausea
- Ode To The Meat Saw
- Regorge In The Morgue
- Rebirth Of The Grotesque
- Redemption
- Raped, Strangled, Sodomized, Dead
- Chaos Fury
Carach Angren
Dutti: Mit Carach Angren hatte ich erst kürzlich am österreichischen Kaltenbach Open Air das Vergnügen. Ihre dortige Performance hat uns allerdings nicht wirklich aus den Socken gehauen. Ungewohnt für diese Truppe…, aber vielleicht läuft’s in Hüttikon besser.
Um 19.25 Uhr entführt uns das niederländische Horrorkabinett mittels schwarzgetränkten Symphonien in seine Gruselwelt. Fronter Seregor stolziert unermüdlich durch die Gegend und entlädt dabei fiese «Krächz-Attacken» in sein Mikrofon. Unterstützung erhält er von den Live-Musikern Bastiaan Boh (Gitarre) und Ragnar Sverrisson (Schlagzeug) sowie seinem kongenialen Bandpartner Ardek an den Tasteninstrumenten. In der Schweiz wirkt das Ganze effektiv deutlich überzeugender als bei den Kollegen in unserem östlichen Nachbarland. Obendrein passt die eindunkelnde Atmosphäre ausgezeichnet zu den Hymnen der «Season Of Mist»-Kapelle. Das Set lässt nach meinem Gusto lediglich imposante Kracher der Marke «Blood Queen» vermissen. Sehe das meine Mit-Metalinsider eventuell ähnlich?
Luke: Ich will mich ja eigentlich nicht wiederholen – siehe Bericht von 2021 – aber die Momos hier sind wirklich verdammt fein! Keine Angst, ich mache nicht wieder auf Food-Blogger (Anm. Dutti: Kein Problem, mehrfache «Momo-Liebe» ist absolut erlaubt). Aber Carach Angren sind mir zu Black Metal UND zu pompös, fiese Mischung. Da verbringe ich meine Zeit lieber im grossen Festzelt, sorry.
Raphi: Mir dagegen gefällt, was ich zu hören kriege, doch ich sehe die Sache leicht anders als Dutti. Das meine ich im positiven Sinne: ich vermisse nämlich gar nichts während des Auftritts von Carach Angren. Die Atmosphäre stimmt, der Darbietung wohnt Energie inne und das Publikum ist bei der Sache. Ansonsten wäre die Aufforderung von Seregor nach einer Wall Of Death sicherlich im Abendhimmel verpufft. Symphonic Black Metal ist nun wirklich nicht die Musikrichtung, bei der solche Publikumsbeteiligungen oft zum Zuge kommen. Insofern bin ich vollumfänglich zufrieden mit dem Konzert von Carach Angren, wobei ich dir deine «Blood Queen» selbstverständlich gegönnt hätte. Aber jetzt gönnen wir uns doch als nächstes erst mal ein wenig Death Metal aus Schweden.
DtS: Halt! Ich hätte ja für einmal geschwiegen, aber bei Carach Angren scheinen wir nicht einig zu gehen. Tatsächlich passt die Atmosphäre, und ich kann auch nicht wirklich sagen, was genau fehlt. Doch mir ist der Auftritt zu eintönig; die kompositorischen Details kommen zu wenig zur Geltung; die Abmischung wirkt allgemein zu breiig. Vielleicht waren meine Erwartungen schlicht zu hoch oder der Symphonic Black Metal leidet unter der Wucht der letzten drei Death-lastigen Bands. Zuzuschauen (und -hören) macht schon Spass, aber da höre ich Carach Angren dann doch lieber ab Konserve. Hoffentlich finde ich an einem allfälligen künftigen Auftritt mehr Gefallen. So, und jetzt zum Death Metal aus Schweden!
Grave
Dutti: Huch? Death Metal aus Schweden? Das hatten wir doch gerade erst vor gut zwei Stunden? Spricht etwas gegen eine Wiederholung? Für euren werten Metal-Dutti zumindest nicht. Von den altgedienten Schlachtschiffen aus dem «Köttbullar-Land» kann ich einfach nie genug bekommen. Seit 1988 bringen Grave bereits Tod und Verderben über die Bühnen dieser Erde. Kürzlich haben sie zwar gefühlt ganz Mexiko wegen einer Festivalabsage verärgert, aber bei uns können sie – erfreulicherweise – ohne Zwischenfälle oder Schwierigkeiten auftreten. In einer passend mit einigen Totenschädeln dekorierten Umgebung kommen die geröchelten Textpassagen von Ola Lindgren und Kompanie ideal zur Geltung. Eine souveräne Leistung von A bis Z, obwohl mir zu Ohren kommt, dass gewisse Fans den Gig von Vomitory als noch eine Spur packender empfunden haben.
Luke: Zu diesen gewissen Fans gehöre auch ich. Klar, Grave sind absolute Legenden des Schwedentodes, für mich haben sie aber das Niveau von anderen Bands wie Dismember oder Unleashed nie erreicht – und das tun sie auch heute nicht. Auch wenn das Ganze ziemlich gefällig daherkommt und das Publikum grösstenteils seinen Spass zu haben scheint, reisst mich das Gesehene und Gehörte nicht so komplett vom Hocker. Gut, aber nicht überragend. Und ja, Vomitory hatten auch in meinen Augen einen höheren Energie-Level.
Da Yvonne morgen arbeiten muss und ich nach wie vor nicht so richtig fit bin, verabschieden wir uns bereits für heute. Morgen ist ja auch noch ein Tag, und diesen möchte ich gerne noch erleben. Euch drei Mit-Metalinsidern aber noch viel Spass, geniesst den Abend für mich mit.
Raphi: Machen wir, obwohl ich ebenfalls zu diesen erwähnten Fans gehöre. Klar, „Soulless“ und „Into The Grave“ gehen schon toll ab, aber alles in allem bleibt der Auftritt etwas zu verhalten, um mit Vomitory mithalten zu können. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Gesang viel zu leise abgemischt ist und kaum bis zu uns hinunter durchdringt. Das Wort souverän stimmt schon. Um ein Prädikat wie beispielsweise sackstark zu erhalten, reicht das, was uns Grave heute präsentieren, jedoch nicht aus. Nichtsdestotrotz stösst das Konzert auf viel Anklang bei den Fans und erzeugt eine grosse Resonanz.
Setliste – Grave
- Deformed
- Passion Of The Weak
- Christ(in)sanity
- Out Of Respect For The Dead
- Soulless
- Winds Of Change
- Day Of Mourning
- Turning Black
- You’ll Never See
- In Love
- Eroded
- Into The Grave
Watain
Dutti: Die Tatsache, dass auch die nächste Gruppe aus Schweden stammt, spricht abermals für die metallische Qualität dieses Landes. Watain aus Uppsala sind nach 2019 (siehe Review) erneut auf den lautesten Hügel der Schweiz zurückgekehrt, um ihr überwältigendes Black Metal-Inferno zu entfachen. Dagegen wirkt die Kerzen-Deko, welche wir heute Nachmittag bei Bedrängnis gesehen haben, wahrhaftig wie ein Kindergeburtstag. Flammen und Fackeln, wohin das Auge reicht. Der Höhepunkt für alle «Hobby-Pyromanen» in den Publikumsreihen. Satan wäre ab diesem Ritual sichtlich angetan. Das sind meines Wissens sogar noch mehr Feuereffekte als beim letzten Mal. Trotzdem ist anzumerken, dass hier kompetente Profis am Werk sind. Ängste und Sorgen bezüglich einer komplett niedergebrannten Spielstätte sind somit unbegründet. Dezente Abstriche sind hingegen bedauerlicherweise bei der Soundqualität auszumachen. Da dürften die Techniker gerne noch ein bisschen an den entsprechenden Komponenten schrauben.
Raphi: Ja, die Soundqualität fällt mir ebenfalls auf. Irgendwie tönt alles so leer, ich habe keine Ahnung an was das liegt. Watain sehe ich heute zum ersten Mal und meine Erwartungen sind richtig gross. So viel habe ich bereits über die Liveauftritte dieser Gruppe gelesen und gehört, dass ich mich auf ein grosses Spektakel freue. Der Einstieg bringt aber etwas Ernüchterung mit sich: ganze sieben (7!) Minuten und insgesamt vier verschiedene Intros lang dauert es, bis die Band endlich loslegt. Bei einer Spielzeit von einer Stunde ist das schon ein grosser Brocken, der da für die Einleitung verwendet wird. Stehen Watain dann schliesslich auf der Bühne, weiss ihre Show allerdings zu beeindrucken. Das Feuer bringt schon eine tolle Stimmung mit sich. Nur die ganzen rituellen Gesten von Frontmann Erik Danielsson dürften weniger introvertiert daherkommen. Oft hat er den Rücken zum Publikum, während er sich mit dem auf der Bühne angeordneten Altar beschäftigt. Diese Momente, von denen es einige gibt, wirken leider sehr abweisend, was wiederum dafür sorgt, dass über das ganze Konzert hinweg wenig mitreissende Stimmung aufkommt. Als Zuschauer nimmt man das Spektakel von aussen leicht staunend wahr, ohne wirklich in der Atmosphäre aufzugehen. Insofern verbleibt ein interessanter Auftritt, der meine sehr hohen Erwartungen leider nicht vollumfänglich erfüllen kann.
DtS: Meine Watain-Erfahrung ist bescheiden; bisher gab es genau ein Zusammentreffen: vor knapp einem Jahr zusammen mit Abbath im Komplex 457. Verglichen damit stinkt der heutige Auftritt tatsächlich ab und ich kann Raphi in vielen Punkten beipflichten. Bei Black Metal werden schwächere Auftritt oftmals aufs Tageslicht geschoben. Doch es ist bereits dunkel und die vielen Flammen schaffen eine Atmosphäre, die eigentlich optimale Bedingungen für einen guten Auftritt sicherstellen. “Gut” trifft es dann auch, aber leider nicht mehr.
Septicflesh
Dutti: Nach der ganzen «Tre Kronor»-Invasion wirkt ein Abstecher in Richtung Griechenland fast schon wie eine willkommene Abwechslung. Die Zuhörer sind jedenfalls bereit für den von Epik durchtränkten Death Metal von Septicflesh. Meine Kumpels und mich konnten die Athener bereits Ende August am Metalacker Tennenbronn überzeugen (obschon sie dort äusserst kurzfristig für die aus tragischen Gründen ausgefallenen Hämatom einspringen mussten…).
Heute gibt es jedoch keine traurigen Umstände zu beklagen. Und Tracks der Marke «Pyramid God» oder «Anubis» sind einfach immer überragende Angelegenheiten! Störend bleibt dagegen der Aspekt, den ich bereits bei ihrer letzten Show auf helvetischem Grund in der Luzern Schüür (siehe Bericht) bemängelt habe. Die ständigen Pausen zwischen den einzelnen Liedern müssten effektiv nicht sein… Des Weiteren würde Kollege Luke wahrscheinlich wieder eine Predigt über die bedrohte Spezies des «Live-Keyboarders» halten, denn die Tastenmelodien kommen bei Septicflesh ausschliesslich ab Tonband. Trotzdem bleiben die Herren für mich neben Rotting Christ eine der mächtigsten Bands aus dem hellenischen Raum.
Raphi: Die Unterbrüche im Auftritt durch die Pausen sind wirklich schade, zerstückeln sie doch einen ansonsten guten Auftritt. Vergleichsmöglichkeiten wie du sie hast, Dutti, fehlen mir zwar, aber Spiros Antoniou führt seine Bandkollegen gekonnt an und gibt sich Mühe, das eher zurückhaltende Publikum aus den Reserven zu locken. Gegen Ende hin gelingt ihm dies immer besser, sodass sich schlussendlich sogar ein kleiner Pit bildet. Bis zum Level von Rotting Christ fehlen zwar noch einige Stufen, aber dennoch sind Septicflesh in dieser Form sehenswert. Damit kommen wir bereits zur letzten Band des Tages. Ich hoffe, du bist noch fit, werter Kollege. Das mit dem „Last Metalinsider standing“ haben wir schon die letzten beiden Jahre abgehakt.
DtS: Hä, gibt es hier einen Wettbewerb?! Den werde ich heute bestimmt nicht gewinnen; zu fest zieht die Schwerkraft meine Augenlider nach unten. Glücklicherweise grooven Septicflesh, was das Zeug hält! Gerade nach dem nicht allzu aufweckenden Watain-Gig hätte ich eine ruhige Nummer nicht mehr verkraftet. Der symphonisch angehauchte Death Metal der Griechen schafft etwas, an dem Carach Angren vor wenigen Stunden noch gescheitert sind: er kommt mit sämtlichen Verzierungen und Verschnörkelungen bei meinen Trommelfellen an und versetzt das Gehör in Ekstase. Schade, habe ich am Rockharz Festival nur einen Song mitgekriegt… So, Dutti und Raphi, jetzt bin ich wieder wach, wie ging das mit dem Aufbleiben und der Müdigkeit?
Setliste – Septicflesh
- Portrait Of A Headless Man
- Pyramid God
- Neuromancer
- The Vampire From Nazareth
- Heirophant
- Martyr
- Desert Throne
- Communion
- Collector
- Anubis
- Dark Art
Malevolent Creation
Dutti: Zugegebenermassen habe ich mir aufgrund heftiger Müdigkeitserscheinungen überlegt, langsam zurück ins Zelt zu flüchten. Doch glücklicherweise erweist sich der vermeintlich final abgeholte Hopfentrunk als echtes Wundermittel. Urplötzlich sind meine Batterien wieder vollständig aufgeladen! Ja, dann steht der letzten Show des heutigen Tages freilich nix mehr im Weg (Anm. Raphi: Ich bin stolz auf dich!).
Die Veteranen aus dem US-Bundessaat Florida scheinen doch noch einen Flug nach Zürich erwischt zu haben und sind jetzt bereit, sich der Rausschmeisser-Rolle anzunehmen. Sowohl für sie als auch das Publikum gilt es, die letzten Kräfte zu bündeln und durchzuhalten. Für den emotionalen Aspekt ist definitiv gesorgt, denn Malevolent Creation widmen ihren Auftritt dem 2018 verstorbenen Sänger Brett Hoffmann. Eine ehrenwerte Hommage! Es wird nochmals mit Schmackes aus vollen Todesblei-Rohren gefeuert. Am Ende dürfen die Amis gar zehn Minuten länger zocken. Aus meiner Perspektive ein guter Abschluss dieser ersten Sequenz der «Hüttikerberg-Rumpelkiste».
Raphi: Da pflichte ich dir bei. Malevolent Creation funktionieren prima als Rausschmeisser und bringen so den heutigen Tag zu einem gelungenen Ende. Dass sie schliesslich ihre ursprünglichen sechzig Minuten Spielzeit kriegen, finde ich einen fairen Zug vom Meh Suff!-Team, den die Fans mit einer für diese Uhrzeit beachtenswerten Anwesenheitsquote würdigen.
DtS: Okay, ich hatte meine Klappe wohl zu weit offen. Auch wenn Malevolent Creation Salve um Salve von der Bühne runterprügeln, übermannt mich die Müdigkeit. Schade, denn die Mucke der Amis lässt keine Wünsche offen! Ich kämpfe, doch irgendwann siegt die Vernunft und ich begebe mich kurz vor dem Showende in Richtung Zelt. Zu bleiben hätte echt nichts mehr gebracht und so werde ich hoffentlich wenigstens morgen fit sein. Und schliesslich ist der Zeltplatz so nahe, dass ich noch den gesamten Auftritt mitbekomme. Wenigstens akustisch.
Setliste – Malevolent Creation
- Premature Burial
- Remnants Of Withered Decay
- Multiple Stab Wounds
- Injected Sufferage
- Eve Of The Apocalypse
- Slaughter Of Innocence
- Coronation Of Our Domain
- Monster
- Dominated Resurgency
- Carnivorous Misgivings
- Alliance Of War
- Infernal Desire
- Living In Fear
- Blood Brothers
Eine unerwartete Reise zurück in die 90er-Jahre
Dutti: Eigentlich wäre jetzt das wohlverdiente Schlafsack-Rendez-vous angesagt. Doof nur, wenn man auf dem Rückweg am berühmt-berüchtigten «90s-Aftershow-Partyzelt» vorbeilatschen muss. Die Kolleginnen Isa und Sarah möchten noch nicht nach Hause. Na gut, dann genehmigen wir uns an der Aussenbar eben nochmals ein Bierchen und beobachten das farbenfrohe Treiben, welches von «gewöhnungsbedürftiger» Musik untermalt wird.
Noch dümmer wird’s erst, als das hochmotivierte Crew-Mitglied Kevin auftaucht. Er möchte mich gefühlt schon seit etlichen Jahren an eine solche Fete schleppen. Okay – steter Tropfen höhlt den Stein. Ich springe über meinen Schatten und lasse mich ins Innere des Zelts und auf das kleine Tanzpodest im hinteren Teil entführen.
Raphi: Ich wünsch dir viel Vergnügen und mach mich bereits auf den Weg zum Camp. In das 90er-Partyzelt kriegen mich keine zehn Kevins, mein Bedarf an solcher Musik wurde bereits ausreichend gedeckt – in den 90ern.
Dutti: Angenehme Träume, werter Kollege. Bei mir wird anschliessend zu Klängen von Scooter, Blümchen oder der «Sailor Moon»-Titelmelodie durchgefeiert. Dabei bin ich von zahlreichen Leuchtstäben, skurril gekleideten Gestalten und Nebelmaschinen-Erzeugnissen umringt. Macht schon Spass. Aber dass es tatsächlich Personen geben soll, die nur wegen dieser Party Meh Suff!-Events besuchen, ist mir trotzdem schleierhaft. Aber nun habe ich mein Soll hoffentlich erfüllt und für die nächsten paar Jahre wieder Ruhe vor dieser «90er-Jahre-Eskalation».
Zurück im Camp werfe ich einen kurzen Blick auf meine Uhr und stelle schockiert fest, dass mir diese stinkfrech 5 Uhr morgens anzeigt. «Holy guacamole!» Jetzt aber schnurstracks ab in die Heia und immerhin noch ein paar Stündchen Schlaf absahnen. Sonst wird der morgige Tag ein Fiasko sondergleichen. Bonne nuit!
Das Fanzit – Freitag
Dutti: Solide Bands, grandioses Wetter, viel Bier und köstliche Momos bescherten uns einen wunderprächtigen Start in das diesjährige Meh Suff! Metal-Festival. Meine Highlights hiessen Heathen Heretic, Vomitory und Grave. Zudem konnte ich das erfolgreiche Überleben der ominösen «90s-Aftershow-Sause» als wichtigen Meilenstein verbuchen.
Raphi: Ich bin froh, dass du überlebt hast. Das wäre ein grosser Verlust für die Metalszene gewesen! Hinsichtlich der Highlights stehen Heathen Heretic ebenfalls auf meinem Zettel. Auch was Vomitory angeht, bin ich ganz bei dir. Die Schweden haben richtig Spass gemacht. Anstelle von Grave nenne ich jedoch Bedrängnis als positive Überraschung; die Thurgauer haben mich einfach mehr abgeholt. Das Festival ist stark gestartet. Schauen wir mal, was der morgige Tag noch so mit sich bringt.
DtS: Juhui, Dutti lebt noch! Zu den Highlights würde ich definitiv noch Septicflesh dazuzählen. Ansonsten möchte ich nur kurz anmerken, dass sämtliche Schwärmereien übers Meh Suff! Festival berechtigt waren. Das ist wirklich ein heimeliger Anlass!
Samstag, 09.09.2023 – Meh Suff! Metal-Festival – Tag 2
Dutti: Irgendwann locken einen die Sonnenstrahlen, welche die eigene Zeltbehausung fortlaufend aufheizen und das umliegende Geplapper gezwungenermassen aus dem Schlafsack. Völlig unabhängig davon, wie viele Stunden man im Traumland verbracht hat. Trotz intensiver Nacht schaffe ich es also, meinen Körper emporzuhieven und auf die in der Nähe herumstehende Sitzgelegenheit zu verfrachten. Die nächste Zeit steht somit gänzlich im Zeichen des gemütlichen, entspannten Faulenzens. Dadurch verpasse ich leider das Parkplatz-Fest von Metalinside Kumpel Raphi. Entschuldige, aber mein Gesäss und mein Campingstuhl vertiefen effektiv gerade ihre «Beziehung» und möchten dabei nicht gestört werden.
Raphi: Kein Problem, nach deinen gestrigen Eskapaden kannst du den Schlaf gebrauchen. Leben und «Lebern» lassen, wie es so schön heisst, aber keine Sorge; Metalmitinsider Domi the Stick vertritt dich würdig am Parkplatz-Fest.
DtS: Genau, einfach ein bisschen zu spät. Nach einer extrem kurzen Nacht vor dem Festival (an dieser Stelle danke den drei Mücken, die mich auf Trab hielten) konnte ich die erste Nacht auf der Campingwiese richtig geniessen. Ich wage sogar zu behaupten, an einem Festival noch nie so gut geschlafen zu haben. Da der Waldrand meinem Zelt sogar bis kurz vor 11 Uhr Schatten spendet, wähne ich mich diesbezüglich gerade in der siebten Hölle. Oder so. Nach Raphis Parkplatz-Fest (Merci dem Organisator!) geht es wieder hoch zum Infield, um pünktlich für Blutspiel bereit zu stehen.
Blutspiel
Dutti: Entgegen allen Widrigkeiten und «Kater-Nachwehen» stehe ich Punkt 13.05 Uhr vor der Bühne und bin bereit für den lautstarken Auftakt in den zweiten Festivaltag. Auf diese Leistung bin ich zugegebenermassen schon ein bisschen stolz. Am geläufigen Sprichwort «Unkraut vergeht nicht» scheint also wahrlich etwas dran zu sein.
Für den ersten Beschallungs-Test des Samstags zeigen sich die in der Region Olten beheimateten Blutspiel verantwortlich. Eine mir gänzlich unbekannte Gruppe. Aber das Logo mit der Sanduhr, welche von zwei Skeletthänden festgehalten wird, übt fraglos eine gewisse Anziehungskraft auf mich aus. Musikalisch bedient der Fünfer die thrashige Ecke (und reichert diese zusätzlich mit Death Metal-Elementen an). Die auf Hochdeutsch vorgetragenen Lyrics gehören – mit Ausnahme von «77 Rosen» – zu Liedgut, welches auf dem im vergangenen Jahr veröffentlichten Debütsilberling «Die Zeit läuft» zu finden sind. Trotz brütender Hitze, undankbarem Opener-Slot und noch überschaubarem Zuschaueraufkommen legen die Akteure einen sauberen Beginn aufs Parkett. Netterweise spritzt Sänger Flä ab und an immer etwas Wasser in die Menge – faire und hilfreiche Aktion. Insgesamt sei aber erwähnt, dass Heathen Heretic gestern die leicht mitreissendere Eröffnungszeremonie abgeliefert haben.
Luke: Mein früher Abgang gestern ärgert mich, als ich Dutti treffe. Klar, Malevolent Creation wären sicher auch ein Highlight gewesen, aber meinen Metalinside-Kollegen im «90is Zelt» hätte ich fast noch lieber gesehen! Schade, da muss ich wohl nächstes Jahr auch campen um wirklich gar nichts zu verpassen…. Durch das frühe nach Hause kommen schaffe ich dafür locker die erste Band des heutigen Tages.
Irgendwer von der Band oder aus dem Kollegenkreis von Blutspiel hat mir vor Jahren am Open Air Gränichen eine Demo-CD in die Hand gedrückt, welche ich dann natürlich zuhause auch angehört habe. So richtig einordnen konnte ich das Ganze damals nicht, und so geht es mir ehrlich gesagt auch heute. Elemente von Thrash und Death, aber auch ein gewisser Anteil von Neue Deutsche Härte. Und nein, das sage ich nicht nur aufgrund der Sprache der Texte, sondern auch sonst. Wie schon bei der Demo CD gefallen mir gewisse Parts ganz gut, andere wiederum gar nicht. Definitiv nicht uninteressant und vor allem ziemlich eigenständig – die Band ist keine Kopie von Gruppe XY. Trotzdem dann auch nicht sooo geil, dass ich zum Hardcore-Fan mutieren würde. Zwiespältige Angelegenheit, aber alles andere als schlecht.
Raphi: Das zeigt sich auch am Publikumsaufmarsch: Blutspiel ziehen ein Stück weniger Leute an als gestern Heathen Heretic. Mich reissen die Songs ehrlich gesagt auch nicht unbedingt vom Hocker. Für meinen Geschmack sind da zu viel Groove und zu wenig Schnörkel drin. Die Band empfiehlt sich dafür mit einem unkomplizierten und nahbaren Auftreten.
DtS: Bamm, Metalinside ist ab dem ersten Ton vollzählig! Den musikalischen Mix und entsprechend den gesamten Auftakt von Blutspiel empfinde ich als angenehm frisch. Den von Raphi erwähnten Groove werte ich sehr positiv. Und doch muss ich meinen Mitstreitern recht geben. Heathen Heretic spielten gestern in einer anderen Liga!
Setliste – Blutspiel
- X
- Blutvergiessen für den Herrn
- Sklaven
- Sein bester Freund
- Blutspiel
- Eugenika
- Mengele
- Meinung
- Mainstream Media
- 77 Rosen
Amputate
Dutti: Die ursprünglich in Portugal domizilierten und neu in der Schweiz angesiedelten Amputate sorgen im Anschluss für zahlreiche zerstörte Nackenmuskeln. Für mich bisher DIE Entdeckung des kompletten Programms – so viel sei schon jetzt gesagt. Wenn unter anderem Einflüsse von Disparaged oder Omophagia (siehe die Engagements der einzelnen Mitglieder) ins Spiel gebracht werden, ist ohnehin nur verdammt selten mit Gefangenen zu rechnen. Hier werden einem knüppelharte «Todes-Kracher» um die Lauscher geballert!
Abgesehen von Gründungsmitglied Nuno Santos hat sich die Formation eigentlich erst kürzlich neu formiert. Ungeachtet dessen wirkt die Darbietung ziemlich eingespielt. Front-Grunzer Tom Kuzmic könnte optisch und in Sachen Mimik glatt als böse Variante von Marko Hietala durchgehen. Zum Glück schieben sich just bei diesem Gig ein paar Wolken vor die Sonne und gewähren den an unseren Körpern gefühlt literweise herabrinnenden Schweissperlen eine temporäre Verschnaufpause. Aus diesem Grund kann man sich mit noch mehr Einsatz auf das emsige Kopfnicken konzentrieren. Dass ich nach der Show unbedingt zum Merchandise-Stand flitzen muss, ist ebenfalls bereits in Stein gemeisselt.
Luke: Auch für mich sind Amputate ganz klar einer der Gewinner des Tages. Aber was soll auch schon gross schiefgehen mit dieser Besetzung. Wie Dutti schon richtig erwähnt hat sind Disparaged und Omophagia sowieso nicht die schlechtesten Referenzen. Aber was Drummer Tobias Tellenbach, welcher auch bei Kraanium und Oral Fistfuck hinter der Schiessbude sitzt, hier abliefert, ist definitiv nicht von dieser Welt! Einer der geilsten Death Metal Schlagzeuger – nicht nur des Landes, sondern des Kontinents. Einziger Wermutstropfen ist bei den ersten Songs das Mikrofon von Tom, welches zwischen leise und nicht hörbar (zweiter Track) abgemischt ist. Zum Glück bessert das mit der Zeit.
Ansonsten wissen aber auch die Stücke zu überzeugen, die internationale Truppe mit starkem Schweiz-Bezug liefert hier einen richtigen Abriss ab. Und ich ärgere mich masslos, dass ich den Merch-Stand zu spät besucht habe. Im Gegensatz zu meinem Besuch vor der Show gibt es nun nämlich keine Patches mehr… Pech gehabt, aber immerhin bleibt die Erinnerung an einen Bomben-Auftritt.
Raphi: Ich kann nur zustimmend nicken oder besser gesagt zustimmend headbangen. Amputate machen alles richtig und überraschen mit präzisem Spiel sowie druckvollem Sound. Eine echte Überraschung, die die Stimmung auf dem Festivalgelände nach oben klettern lässt. Gerne wieder.
DtS: Wow, musikalisch ganz klar das bisherige Highlight über beide Tage! Mehr habe ich nicht anzufügen.
Setliste – Amputate
- Intro
- Plague Upon Plague
- Asphyxiation
- Feeding On Thee
- Cavernous Temple Of The Absurd
- Agonizing In Terror
- Conquering Thy Flesh
- Troops Of Doom
- Dawn Of Annihilation
Malphas
Dutti: Düsterer, aggressiver Lärm in der Nachmittagssonne – exakt dies darf man von Malphas erwarten. Dem Aufritt wird dank einem im Vorfeld auf Facebook veröffentlichen Beitrag eine besondere Bedeutung zuteil, denn wir werden heute die bockstarke Session-Sängerin A.Tlemati ein allerletztes Mal am Mikron im Einsatz erleben. Jammerschade… sie hat meiner Meinung nach ausgezeichnet zu dieser Band gepasst. Es wird ohne Zweifel unfassbar schwierig werden einen geeigneten Nachfolger für den «weiblichen Mortuus» zu finden. Aber lassen wir die Zukunftspläne vorerst beiseite und geniessen die sicherlich packende «Finalissima».
Der nahende Abschied scheint in der Frontdame nochmals ungeahnte Kräfte zu wecken. Sie zeigt eine phänomenale Power und fegt wie ein Sturm über das Areal hinweg! Ob das Corona-Bier, welches sie zu sich nimmt, seinen Teil dazu beiträgt, überlassen wir an dieser Stelle eurer eigenen Interpretation. Zu hören gibt’s primär Material von der aktuellen Platte «Flesh, Blood & Cosmic Storms» (die sowieso herausragendes Diskographie-Erzeugnis darstellt). Nach dem monströsen Schlussstück entstehen sowohl für die knipsende Zunft als auch uns Beobachter fantastische Bilder, da sämtliche Protagonisten A.Tlemati umarmen und ihre Dernière damit endgültig besiegeln (da taucht in so manchem sonst normalerweise grimmigen, kalten Black Metal-Gesicht ein Lächeln auf).
Luke: Ich bin ja bekanntlich kein wirklicher Black Metal Kenner oder gar Gourmet, aber was Malphas hier abliefern, finde ich definitiv nicht schlecht. Da ich mit der Band im Gegensatz zu Dutti nicht vertraut bin – und zudem anfangs auch nicht voll konzentriert bei der Sache – dauert es zwei Songs, bis mir klar wird, dass hier gesanglich eine Frau am Werk ist. Sie macht Ihren Job aber nach meiner bescheidenen Laien-Meinung sehr gut.
Musikalisch erinnert mich das stellenweise etwas an Necrophobic, was auch eine Erklärung dafür sein könnte, wieso mir der Sound besser gefällt als bei anderen Black Metal Bands. Ich renne jetzt nicht mit einem «Usain Bolt-Sprint» an den Merch-Stand, aber trotzdem kann ich der Gruppe einen gelungenen Auftritt attestieren.
Raphi: Luke, obwohl ich bisher nur am Rande mit Malphas in Kontakt kam, lege ich noch eine Schippe drauf und attestiere Sängerin A.Tlemati nicht nur eine sehr gute, sondern gar eine fantastische Leistung. Dass die begnadete Frontfrau die Band im Anschluss an dieses Konzert verlassen wird, ist ein herber Verlust. Unter ihrer Führung liefern Malphas nämlich die vereinnahmende Darbietung ab, die ich gestern Abend von Watain erwartet hätte. Damit dies gelingt, braucht es selbstverständlich vollen Einsatz aller Bandmitglieder, doch möchte ich diesbezüglich Schlagzeuger J. besonders hervorheben, der nicht nur mit Kreativität hinter der Schiessbude glänzt, sondern auch ein beeindruckend kraftvolles Spiel zur Schau stellt. Ich bin begeistert und schätze mich glücklich, Malphas in dieser Form erlebt haben zu dürfen.
DtS: Wieso habe ich zuvor noch nie von dieser Band gehört? Die Westschweizer liefern einen Auftritt, der mir ab der ersten Sekunde die Kinnlade gen Boden befördert. Ich verstehe Luke absolut: Selbst wer mit Black Metal nicht viel anfangen kann, dürfte ab dem hier Gezeigten mehr als beeindruckt sein!
In der folgenden Pause entdecke ich neben einem Bierstand ein Mini-Plakat für das “Flesh & Blood Fest”, welches kommenden April in Bern stattfinden soll. Total sechs Bands, darunter auch Heathen Heretic, Bedrängnis und Malphas. Spontan bestelle ich mir – trotz des wahnsinnig langsamen Internetempfangs – eines der einhundert limitierten Tickets. Ohne zu wissen, dass dies gerade eben der letzte Auftritt der absolut verblüffenden Frontfrau war… Als mir später jemand davon erzählt, macht auch plötzlich die emotionale «Umarm- und Tränli-Sequenz» nach der Show Sinn. Dann bin ich ja mal gespannt, ob die nächste Person am Mikro genauso abliefern wird…
Setliste – Malphas
- Beyond
- Evil
- Last Breath
- In The Name Of War
- Ycheil
- Armageddon
- Astral Melancholy
- Exile
- Of Flesh & Blood & Cosmic Storms…
Brutal Sphincter
Dutti: Worauf lassen Songs mit den Bezeichnungen «Autistic Meltdown», «Anders Breivik Utoya Party» oder «Make Goregrind Great Again» schliessen? Richtig, die nun auftretende Kapelle sollte man keinesfalls zu ernst nehmen. Das ist glasklar Futter für die «Schweinchen-Abteilung». Aufgrund dessen weiss der routinierte Fan exakt, was er hier zu erwarten hat. Belustigend ist darüber hinaus das um 90 Grad verkehrt montierte Banner im Hintergrund (Anmerkung Luke: hing das dieses Mal nicht 180 Grad verdreht? Ich meinte irgendwie, das war noch eine Umdrehung mehr als am Party.San…) (Anm. Dutti: Hmm, da könntest du recht haben. Geometrie war zugegebenermassen schon damals in der Schule nie meine grosse Stärke…). Möge der hemmungslose Brutal Death Metal- respektive Goregrind-Reigen beginnen!
Verantwortlich für dieses Slam-Massaker sind Brutal Sphincter aus Belgien. Die nächsten 45 Minuten gehören vollends irgendwelchen Gebrüll- und Quiek-Orgien! Für diese Geräuschkulisse sind hauptsächlich die beiden Mikrofonhüter Major Diarrhea und GG Stalin (ja, die Pseudonyme sprechen Bände) zuständig. Sie kriegen sogar die Umsetzung eines «Women only»-Circle Pits auf die Reihe. Dieser wird passenderweise mit dem Track «The Art Of Squirting» gewürdigt. Echte «Romantiker» und «Charmeure», diese Jungs, oder? Jetzt müssen sie sich bloss noch einigen, ob die Ansagen in französischer oder englischer Sprache vorgetragen werden sollen. Oh, und plötzlich fliegt auch wieder der bereits am ersten Tag gesichtete Plüschhai durch die Lüfte (trägt der mittlerweile wirklich Corpsepaint und eine kleine Kutte?!).
Die belgischen Brutalo-Waffeln ziehen ihr Set beharrlich durch. Dann wird obendrein Meh Suff!-Geschichte geschrieben, denn es entsteht ein gigantischer Circle Pit, der sich um den Mischturm herum und bis zu den Food-Ständen erstreckt (Kollege Raphi erblicke ich übrigens mitten im Geschehen) (Anm. Raphi: Ich liess mich im wahrsten Sinne des Wortes von einer Kollegin mitreissen…). Das sind zwar noch keine Heaven Shall Burn-Dimensionen, aber für ein Festival dieser Grössenordnung muss man vor dieser Aktion freilich den Hut ziehen. Den Schlusspunkt setzt das Quintett mit einem Cover des Torsofuck-Klassikers «Raped By Elephants» (der wohl hässlichsten Nummer, die mir je untergekommen ist).
Luke: Mit Brutal Sphincter hatte ich erst gerade am Party.San das Vergnügen (siehe Review). Und die meisten der von Dutti erwähnten Show-Elemente sind da schon zum Einsatz gekommen. Der All Girl-Circle Pit hat hier aber fast etwas mehr Zulauf als in Schlotheim. Sehr schön auch zu beobachten, wie Kollege Raphi immer mal wieder unbelehrbare Männer aus dem Kreisel rausnimmt. Viele Mädels, die man sonst nicht wirklich in Action sieht, trauen sich hier mitzumachen. Durchaus verständlich, gibt es doch immer wieder Typen, die in «normalen» Pits absichtlich auf Konfrontationskurs mit dem weiblichen Geschlecht gehen.
Auch der grosse Pit um das Front Of House hat seinen Charme und ermöglicht mir nach einer halben Umdrehung einen schnellen Besuch auf den (nicht ideal, da direkt beim Eingang platzierten) Klos. Ansonsten ist wie gesagt vieles gleich oder zumindest ähnlich wie vor ein paar Wochen in Thüringen. Spassiger und vor allem kurzweiliger Auftritt, auch wenn das beim ersten Mal miterleben noch etwas unterhaltsamer ist.
Raphi: Für mich ist es tatsächlich das erste Mal, dass ich mit Brutal Sphincter in Berührung komme und unterhaltsam trifft es genau. Wobei das aufgrund des Genres und der seit gestern herumschwirrenden Klobürsten nicht unerwartet kommt. Etwas gar leicht machen es sich die Belgier allerdings bei der Sprachfrage. Nachdem bei der Frage nach Ansagen in Deutsch, Englisch oder Französisch die Sprache der Westschweiz klar den meisten Zuspruch bekommen hat, bedienen sich Brutal Sphincter dann trotzdem des Englischen. Seis drum, der Spass leidet darunter nicht, was auch das restliche Publikum so zu sehen scheint.
DtS: Auch für mich ist es Episode 1 meiner persönlichen Brutal Sphincter-Geschichte… Eigentlich haben meine Kollegen vieles bereits erwähnt. Ganz unterhaltsam sind auch das knappe Dutzend Metalheads, das mitten im Pit beginnt, Liegestütze zu machen. Der äusserst kurzweilige Gig packt auch mich richtig, so dass ich zum Ende während «Raped By Elephants» (endlich mal live, wenn auch nur als Cover!) plötzlich mit einer schwarzen Klobürste in der Hand im Circle Pit wiederfinde. Mit Amputate, Malphas und Brutal Sphincter haben wir gerade drei Bands erlebt, welche sich den Titel «bester Auftritt» gegenseitig streitig machen.
Setliste – Brutal Sphincter
- Sphinctroduction
- Hijab Is Feminism
- Marc Dutroux National Hero
- Autistic Meltdown
- Anders Breivik Utoya Party
- Infibulation Championship
- The Art Of Squirting
- Tony Hawk Pro Choice 2022
- Analhu Akbar
- Sphinct-Earth Society
- Make Goregrind Great Again
- Prohibit Anime
- Unvaxxed Lives Matter
- Goregrind Number One (Lazy Town-Cover)
- Raped By Elephants (Torsofuck-Cover)
Legion Of The Damned
Dutti: Nach der «Sauerei» der vorangegangenen Equipe übernimmt die Legion der Verdammten das Kommando. Bei Maurice Swinkels und seinen Gefährten kann sich jeder Veranstalter entspannt zurücklehnen. Die Niederländer sind nämlich mit so etwas wie einer eingebauten Abriss-Garantie ausgestattet. Ihre Performances sind stets ein Brett. Davon konnten wir uns bereits Mitte Juli dieses Jahres am Area 53-Festival in Leoben (Österreich) überzeugen. Und heute knüpfen die Herren nahtlos an diese Geschichte an. Die groovigen Salven sorgen für eine Headbanger-Ekstase! Dabei wird das frische Eisen «The Poison Chalice» fleissig beworben, aber auch Klassiker à la «Son Of The Jackal» bleiben nicht auf der Strecke.
Luke: Ja, Legion Of The Damned gehen Live eigentlich immer. Und war ich bisher abseits der Bühnen kein allzu grosser Fan der Niederländer, hat mich das neue Album auch auf Tonträger endlich einmal abgeholt. Die Show heute weiss ebenfalls zu überzeugen, mit zwei kleinen Abzügen in der B-Note: erstens ist das Mikrofon praktisch während der ganze Spielzeit etwas leise abgemischt. Und zweitens kann die Stimmung im Publikum nicht ganz mit dem Gezeigten auf der Bühne mithalten. Ob alle Kräfte schon bei Brutal Sphincter aufgebraucht wurden? Ich weiss es nicht. Abgesehen davon aber ein sehr guter Auftritt.
Raphi: Da kann ich nicht mehr viel hinzufügen. Das Konzert von Legion of the Damned ist eines der kurzweiligsten bisher hier auf dem Hüttikerberg und das, obwohl die Musik gar nicht so herausragend abwechslungsreich ist, wie dies bei anderen Bands der Fall wäre. Vielmehr sind es für mich die treffenden Riffs, welche die Spielzeit wie im Flug vergehen lassen, sodass bereits wieder die nächste Band an der Reihe ist.
Setliste – Legion Of The Damned
- Intro
- Legion Of The Damned
- Slaughtering The Pigs
- Beheading Of The Godhead
- Son Of The Jackal
- Palace Of Sin
- Contamination
- Diabolist
- Progressive Destructor
- Doom Priest
- The Poison Chalice
Melechesh
Dutti: Zeit für den orientalischen Touch! Ashmedi und seine Melechesh-Kumpels besitzen sozusagen ein «Meh Suff!-Dauer-Abo», sind aber nichtsdestotrotz immer wieder gern gesehene Gäste auf helvetischem Grund. Der Meister zeigt uns sogar im Verlauf des Gigs, dass man eine Saitenkönigin bei Bedarf auch problemlos mit einem Drum-Stick bedienen kann. Spezielle Technik, aber man lernt bekanntermassen nie aus. Während der Frontmann und Trommler ihre Antlitze offenlegen, bevorzugen Basser und Klampfer die Anonymität und setzen auf Vermummung. Begleitet von Kompositionen wie «Ladders To Summeria» oder «Multiple Truths» breitet sich langsam, aber sicher der Nachthimmel über dem Areal aus. Das bringt den erhitzten Häuptern der Fans die wohltuende Abkühlung (Sonnencrème scheint nämlich für ein paar Leute offensichtlich ein Fremdwort zu sein).
Luke: Mich haben Melechesh live immer begeistert, im Speziellen aber auch bei der zweiten Show der Band in diesem Jahr auf dem Schiff (siehe Review ). Wie ich über Social Media mitbekommen habe, hatte Ashmedi in letzter Zeit einige Schicksalsschläge wegzustecken – neben Problemen mit dem neuen Album, ist seine Freundin auch noch an einer seltenen Art Krebs erkrankt, welche ihr Hirn angreift. Alles andere als rosige Zeiten also für den sympathischen Fronter. Bis auf eine längere Ansage, wo er die Situation erklärt und um Unterstützung bittet, lässt er sich das aber nicht anmerken.
Im Gegenteil, er liefert wieder einen sackstarken Auftritt. Neben seinen unbestrittenen stimmlichen Fähigkeiten hat er auch die Gitarre mehr als nur im Griff, was unter anderem die von Dutti erwähnten Show-Einlagen eindrucksvoll beweisen. Vor allem aber haben Melechesh schlicht und einfach sehr gutes Song-Material in der Hinterhand. Gerade beim letzten Track «Rebirth Of The Nemesis» wird mir wieder einmal bewusst, wie geil und vor allem ungewöhnlich die Rhythmen der ursprünglich israelischen Band sind.
Raphi: Eure Begeisterung kann ich nachvollziehen, ging es mir doch letztes Jahr am Meh Suff! Winter-Festival ebenso. Trotz einer guten Leistung der Band kann sie aus meiner Sicht nicht ganz an die damalige Darbietung anknüpfen. Woran das liegt, kann ich nicht wirklich greifen. Vermutlich war ich da noch etwas mehr geflasht, weil es mein erstes Konzert der Truppe war. Doch damit hier kein falscher Eindruck entsteht, möchte ich darauf hinweisen, dass wir hier von einem Unterschied in den oberen Rängen sprechen. Deshalb hier nochmals kurz und knapp: Melechesh liefern heute ab, lassen überhaupt nichts anbrennen und sind mir nach wie vor eine Empfehlung wert, was ihre Livequalitäten angeht.
Setliste – Melechesh
- The Arrival Ritual
- Ghouls Of Nineveh
- Ladders To Summeria
- Grand Gathas Of Baal Sin
- Multiple Truths
- Defeating The Giants
- Triangular Tattvic Fire
- Rebirth Of The Nemesis
Sólstafir
Dutti: Gerade in den letzten Jahren wurde vermehrt Kritik laut, dass die Line-Ups der beiden Meh Suff!-Festivals etwas eintönig und berechenbar geworden sind. Dem kann ich höchstens teilweise zustimmen, denn die Organisatoren sind bemüht, ab und an Farbtupfer und Exoten ins Programm einzuschleusen. Das ist auch bei der diesjährigen Ausgabe passiert und deshalb entern jetzt Sólstafir aus Island die Bühne. Und wie so häufig erinnert mich der hünenhafte Fronter Aðalbjörn Tryggvason aus der Ferne betrachtet irgendwie ein bisschen an unseren Domi the Stick. Oder bin ich mit dieser Feststellung komplett auf dem Holzweg unterwegs? (Anm. Raphi: Was so ein Bart alles ausmacht 😉) (Anm. DtS: Witzig; das höre ich nicht zum ersten Mal… 😮).
In rekordverdächtigem Tempo lullen uns die Inselbewohner mit ihren langen Post-Metal-Ergüssen ein. In diese Klangwerke kann man optimal eintauchen und den eigenen Schalthebel in den «Genuss-Modus» versetzen. Seelenbalsam unterm Sternenhimmel! Aðalbjörn gibt sich ausserdem äusserst publikumsnah und balanciert von zahlreichen Händen gestützt am Absperrgitter entlang (glücklicherweise ohne hinunterzufallen). Seinen Kumpel Svavar Austmann am Bass stellt er uns danach als den «sexiest man» von Island vor. Die Pippi Langstrumpf-Frisur des Tieftöner-Kerls ist in diesem Zusammenhang garantiert ein essenzieller Faktor. Mit dem über zehn Minuten dauernden «Goddess Of The Ages» endet schliesslich unser Nachtflug und wir müssen uns leider erneut mit dem Boden der Tatsachen auseinandersetzen. Doch die Trauer ist nicht von Dauer, denn wie Sólstafir bekanntgeben, werden sie gegen Ende Oktober abermals in Zürich aufschlagen und gemeinsam mit Amorphis und Lost Society den Komplex 457-Club beehren.
Luke: Auch Sólstafir sind eigentlich gar nicht eine Band für mich, aber wenn wir schon mal hier sind, gebe ich den Isländern natürlich eine Chance. Es hat unterdessen merklich abgekühlt – auch meteorologisch, nicht nur wegen der Musik. Und trotzdem habe ich plötzlich Schweissausbrüche. Den ganzen Tag wars heiss und ich habe mich einigermassen gut gefühlt, jetzt scheinen aber irgendwelche Fieberschübe überhandzunehmen. So werfe ich das Handtuch noch vor dem Ende von Sólstafir. Schade, hatte ich mich doch so auf Hypocrisy und vor allem Fleshgod Apocalypse gefreut. Aber manchmal muss man auf seinen Körper hören, und der sagt laut und deutlich: ab ins Bett! Kollegen, bitte übernehmen.
Raphi: Gute Heimreise und gute Besserung, Luke (Anm. Dutti: Auch von meiner Seite her!). Ich geniesse gemeinsam mit Dutti weiterhin den Auftritt von Sólstafir. Die Isländer servieren uns gewohnt hohe Qualität. Dabei wirken sie müder als zuletzt, was vielleicht auch mit der hohen Konzertdichte ihrerseits zu tun hat. Der Auftritt leidet zum Glück nicht darunter, sodass die Isländer die emotionale Komponente ihrer Show uneingeschränkt ausdrücken können. Wer sich darauf einlässt, erhält eine Stunde Musik, um darin zu versinken und zu träumen.
DtS: Ich lausche den atmosphärischen Klängen meines Doubles und seiner Jungs von ganz weit vorne. Wenn sie auch eher weniger ins Beuteschema des durchschnittlichen Meh Suff!-Besuchers passen, bin ich grosser Fan von Sólstafirs Live-Performance. Im Gegensatz zu Raphi nehme ich keine grosse Müdigkeit oder so wahr. Stattdessen empfinde ich den Auftritt als gewohnt qualitativ hochwertig, wie ich sie zuletzt auch am Wacken Open Air und in vergangenen Jahren an anderen Festivals erleben durfte. Insofern habe ich nichts zu bemängeln und freue mich schon jetzt auf den nächsten Gig!
Setliste – Sólstafir
- Lágnætti
- Rökkur
- Þín Orð
- Fjara
- Otta
- Goddess Of The Ages
Hypocrisy
Dutti: Den Headliner-Part des zweiten Festivaltages übernehmen anschliessend der nimmermüde Tausendsassa Peter Tägtgren und seine Hypocrisy-Equipe. Im ständigen Spagat zwischen Death und Melodic Death Metal prügeln sich die Altmeister durch ihre Setliste. Die gelungene Songauswahl deckt gleich einige Scheiben der umfassenden Diskographie der Schweden ab. Das Gelände ist rappelvoll und alle jubeln den Herren frenetisch zu. Die Alien-Thematik ist also auch 2023 nach wie vor in Mode. Gelegentlich lässt die Beleuchtung die Schiessbude von Henrik Axelsson eh wie ein UFO wirken. Ich warte eigentlich nur darauf, dass Scully und Mulder aus der populären TV-Serie «Akte X» auftauchen und diesem ausserirdischen Phänomen auf den Grund gehen.
«Peti» und seine Mistreiter hauen hier eine Headliner-Performance der ersten Güteklasse raus. Grosses Kino! Die Oldschool-Nackenbrecher entfalten ihre Wirkung und die Stimme des Schreihalses vom Dienst ist unglaublich imponierend abgemischt. Ich würde sogar behaupten, dass man die tiefen Growls bis zum hintersten Zelt des Campingplatzes hören kann. Es wird uns generell nahegelegt, die Show in vollen Zügen zu geniessen, weil Hypocrisy Gerüchten zufolge anschliessend eine längere Pause einlegen werden. Schade, aber andererseits ermöglicht das Mister Tägtgren unter anderem vermehrt Gastspiele mit seinem Zweitprojekt Pain (ein solches findet beispielsweise am 23.10.2023 im Solothurner Kofmehl statt).
Raphi: Die tiefen Frequenzen wird man sicher bis zum Zeltplatz hören können, denn sie überdecken ja beinahe alle Finessen, welche die Musik noch zu bieten hätte. In den vorderen Reihen ist das praktisch unhörbar, doch auch neben dem Mischpult legt sich der penetrante Beat im Klangbild über alles andere. Ob mit oder ohne Ohrstöpsel, von einem klanglichen Genuss sind wir hier meilenweit entfernt. Im Gegensatz zu Dutti und den zahlreich erschienenen Fans lässt mich zudem der Auftritt relativ kalt. Die Songs kommen mir zu unspektakulär daher, während es die Darbietung der Band nicht schafft, dies mit packender Energie oder einem richtig erinnerungswürdigen Aspekt zu kompensieren.
DtS: Völlig einig mit dir, Raphi! Auch am bereits bei Vomitory erwähnten Stonehenge Festival schlüpften Hypocrisy in die Rolle des Headliners und machten alles richtig. Entsprechend freute ich mich auch auf heute, doch im Vergleich ist das hier und jetzt Gezeigte irgendwie gar nichts! Schade. Und doch interessant, wie Meinungen bei ein- und demselben Auftritt auseinandergehen können (siehe Duttis Wertungen «Headliner-Performance der ersten Gütenklasse» und «grosses Kino»). Komm, Raphi, wir übergeben das Wort lieber wieder an den begeisterten Dutti.
Setliste – Hypocrisy
- Fractured Millennium
- Adjusting The Sun
- Eraser
- Impotent God
- Chemical Whore
- Don’t Judge Me
- Children Of The Gray
- Fire In The Sky
- War-Path
- The Final Chapter
- Roswell 47
Fleshgod Apocalypse
Dutti: Es gibt wahrlich dankbarere Aufgaben, als nach einer solch fulminanten Headliner-Machtdemonstration auftreten zu müssen. Wenn man allerdings Fleshgod Apocalypse heisst, sind Furcht oder Ängste unbegründet. Die Edeltechniker mit einem Faible für Klassik können, sofern die Abmischung passt, ebenfalls für Begeisterungsstürme sorgen. Zum Glück sind die Mischer hundertprozentig auf der Höhe. Soweit ich das beurteilen kann, klingt alles ziemlich lupenrein. Trotz spürbar ermüdetem Publikum (Mitmach-Aktivitäten und Zugabe-Rufe halten sich in Grenzen) ziehen die Musiker aus «bella Italia» ihr Set professionell durch.
Raphi: Erwähnte Mitmach-Aktivitäten waren vielleicht einfach etwas zu simpel aufgezogen. Wenn zwanzig Minuten vor Schluss bereits die Aussage fällt, dass man jetzt noch einen letzten Song spiele, darf man sich nicht wundern, wenn das Publikum nur mit einem müden Lächeln reagiert. Schliesslich wurden die Spielzeiten im Voraus kommuniziert, womit auch dem hintersten und letzten klar sein dürfte, dass jetzt noch nicht gleich Schluss ist. Fleshgod Apocalypse lassen sich davon jedoch nicht beirren. Im Gegenteil: die Band gibt sich alle Mühe, um neben diesem kurzen Absacker im Konzertfluss auch das gesundheitlich bedingte Fehlen von Mitglied Francesco Paoli zu kompensieren. Unterstützt von der im Gegensatz zum vorangegangenen Konzert klar differenzierten Abmischung schaffen es die Italiener damit, ihren Auftritt in trockene Tücher und zu einem hervorragenden Abschluss zu bringen.
DtS: Fleshgod Apocalypse sind musikalisch eine Nummer für sich, wenn ich diese Behauptung so in den Raum stellen darf. Zuweilen wirken mir gewisse Passagen schlicht zu überladen. Oder auch zu schnell, und zwischendurch frage ich mich, ob einige Kompositionen mit 10 bpm weniger auf dem Tacho nicht besser wirken würden. Nichtsdestotrotz liefern die Italiener eine kurzweilige Show. Gepaart mit der detailreichen Abmischung ein wahrer Hörgenuss!
Dutti: Für meine Freunde und mich ist das Gezeigte ebenfalls als starker Abschluss einzustufen, denn wir werden die danach antretenden Túmulo sausen lassen und in unser Hauptquartier zurückkehren. Und nein, es ist auch auf keinen Fall mit einer weiteren «90er-Odyssey» meinerseits zu rechnen – adé merci!
Setliste – Fleshgod Apocalypse
- Fury
- Healing Through War
- Sugar
- Minotaur (The Wrath Of Poseidon)
- No
- The Violation
- Prologue (Intro)
- Epilogue
- The Fool
- The Egoism
- The Forsaking
Túmulo
Raphi: Jetzt hat doch gestern die Formkurve so schön nach oben gezeigt und nun lässt du mich schon allein? Dann halte ich mal wieder die Stellung und führe mir den Auftritt von Túmulo zu Gemüte (Anm. Dutti: Es sei dir gedankt, werte Kollege. Immerhin waren es bei mir dieses Mal 19 von 20 Bands. Ich werde also besser 😉). Die noch junge Zürcher Band ist, was Veröffentlichungen angeht, bisher erst mit einem Demotape in Erscheinung getreten. Das wird mit ein Grund sein, wieso es viele Besucherinnen und Besucher Dutti gleichtun und das Festivalgelände ganz verlassen oder sich zumindest anderen Bereichen als demjenigen vor der Bühne zuwenden. Der um die jetzige Uhrzeit noch dargebotene Mix aus Black und Speed Metal würde durchaus das eine oder andere Argument bieten, dies nicht zu tun und erfüllt seine Aufgabe als Absacker ganz ordentlich.
Túmulo können ihre Stärken vor allem dann ausspielen, wenn sie in ihren Songs den Black Metal etwas in den Hintergrund gleiten und die Einflüsse aus dem Speed Metal Überhand gewinnen lassen, was während des gespielten Sets auch immer wieder geschieht. Natürlich ist da noch Luft nach oben vorhanden, aber das wäre es ja noch, wenn das Trio bereits mit ihrem Demo Tape alles Pulver verschossen hätte. Was den Auftritt an sich angeht, schaffen es die Zürcher nicht ganz, die Freiluftbühne vollständig mit Präsenz auszufüllen, doch bei einer Band, die es erst seit einem Jahr gibt, erwarte ich das auch nicht.
DtS: Zusammenfassend und bestätigend: Túmulo geben Gas und der Name (übersetzt «Hügelgrab») verrät, in welche Richtung die Musik gehen wird. Das düstere Geballere mag zwar Hochs und Tiefs aufweisen, doch markieren Túmulo einen würdigen Abschluss im wirklich starken Bühnenprogramm.
Im Gegensatz zum Vortag sehe ich mir die Darbietung bis zum Ende an. Danach bleibt Raphi und mir auf dem gemeinsamen Weg zum Camping- resp. Parkplatz Zeit für ein Schwätzchen. Auf dem Campingplatz lasse ich den Abend gemütlich ausklingen, bis es gegen 6 Uhr bereits wieder hell wird. Zum Glück erlaubt mir der Schatten, länger als nur ein Stündchen zu schlafen.
Das Fanzit – Meh Suff! Metal-Festival – Samstag
Dutti: Damit ging auch der zweite Tag erfolgreich zu Ende. Amputate, Malphas, Sólstafir und Hypocrisy hinterliessen bei mir die besten Eindrücke. Zudem war das Wetter erneut ein Träumchen. Die Wartezeiten beim Bierstand sorgten dagegen nicht durchgehend für Freude… Des Weiteren werde ich in den nächsten Wochen bei der Nahrungsaufnahme vorübergehend auf Momos verzichten (allerdings nur, bis sich die auf dem Hüttikerberg konsumierte «Überdosis» wieder eingependelt hat).
Raphi: Ja, schön wars hier auf dem Hüttikerberg und das einmal mehr. Musikalisch haben meiner Meinung nach Malphas alle anderen in den Schatten gestellt mit ihrem energiegeladenen Auftritt, wobei sich natürlich auch Amputate eine besondere Erwähnung verdient haben. Bezüglich der Organisation kann ich abgesehen von den erwähnten sehr langen Wartezeiten an den Getränkeständen wieder einmal ein Lob aussprechen für ein top aufgegleistes Festival, das mit Charme und Professionalität gleichermassen punkten kann. Das Meh Suff!-Team hat sein Festival wirklich im Griff.
DtS: Mein erstes Meh Suff! darf ich voll und ganz als Erfolg verbuchen. Ich kann das Geschwärme um das Festival jetzt nachvollziehen: ein gemütlicher, gut organisierter Zwei-Täger im kleinen Rahmen und doch mit hochkarätigem Line-Up. Das war bestimmt nicht mein letzter Besuch!
Dutti: Ihr habt im nächsten Jahr Bock auf weitere Events dieses Veranstalters? Dann kann ich euch zum Abschluss das Meh Suff! Winter-Festival (welches am 05.01. und 06.01.2024 im Zürcher Dynamo stattfinden wird) oder die abermalige Zusammenkunft auf dem Hüttikerberg (die auf den 06.09. und 07.09.2024 angesetzt wurde) wärmstens ans Herz legen (Anm. DtS: Oder andere unterjährige Events wie die Plattentaufe von Rage Of Light oder das Züri Gmätzlets!).