Ungeteilte Reifeprüfung
Die Hamburger von Helloween revolutionieren in der zweiten Hälfte der 1980er mit ihren beiden Keeper-Alben den europäischen Power Metal und prägen diesen stilbildend. Das wiederum hat zur Folge, dass Power-Metal-Bands europäischer Prägung heutzutage vom Schiff aus oft unoriginell und austauschbar klingen. Es erfordert Mut zur Originalität und Individualität, um nicht in der Gleichförmigkeit und Anonymität unterzugehen. Oder man hat die unbestreitbare Klasse, um in diesem erbauenden und beliebten Genre zu bestehen.
Signum Regis aus dem slowakischen Senec bringen das alles seit 2007 mit sich – mit einem mehr als respektablen Backkatalog von sechs Langrillen, zwei EPs und einem Livealbum.
Der Start mit dem gleichnamigen Debutalbum (2008) beginnt verhalten. Das liegt wohl daran, dass Signum Regis während dieser Zeit als Zweitprojekt von Vindex entspringt. Beide Bands sind Kinder von Bassist und Komponist Ronnie König. Während Ronnie bei Vindex (gegr. 2000) seine Vorliebe für teutonischen Stahl à la Accept oder Grave Digger auslebt, fliessen bei Signum Regis deutlich neoklassische und progressive Klänge mit hinein. Und da es ein zu grosser Spagat scheint, die Stile beider Bands zu vereinen, konzentriert man sich fortan auf Signum Regis.
Musikalische Entwicklung
Emil Westerdahl (Inhaber von Inner Wound Recordings und Ulterium Records) nimmt die vielversprechende Band unter seine Fittiche. Mit dem zweiten Werk «The Eyes Of Power» (2010) wird der eingeschlagene Weg des Debuts mit grossen Schritten fortgesetzt. Die noch etwas unausgegorenen Momente des Vorgängers sucht man hier vergebens. Vielmehr betont man eine unverkennbare Originalität: Signum Regis zelebrieren anspruchsvollen und technischen Power Metal mit gekonnt und dezent eingesetzter Klassik. Allerdings weichen diese Attribute auf dem Konzeptalbum Exodus (2013) einem zugänglicheren und typisch europäischen Power Metal mit vielen Gastsängern (u.a. Thomas ‹Angus McSix› Winkler).
Einer von ihnen, Mayo Petranin, steigt schliesslich fest mit an Bord. Mit seiner versierten Stimme prägt er die nächsten Outputs der Band bedeutend mit. Signum Regis reifen folglich mit der EP «Through The Storm» (2015) und der Langrille «Chapter IV: The Reckoning» (2015) musikalisch noch einmal gehörig weiter. Damit machen sie sich Freunde weit über die einheimische Grenze hinaus. So landet «Chapter IV» auf Powermetal.de im Soundcheck 11/2015 einfach mal auf dem Spitzenplatz …
Der Dämpfer folgt allerdings kurz nach dem ebenfalls gefeierten Jubiläumsalbum «Decennium Primum» (2017): Sänger Mayo Petranin und Signum Regis beschliessen in freundschaftlichem Einvernehmen nach den gebuchten Auftritten getrennte Wege zu gehen. In dessen grosse Fussstapfen tritt ein weitgehend unbekannter Mann aus Brasilien: Jota Fortinho. Als bekennender Helloween-Verehrer zählt er Michael Kiske und Andi Deris zu seinen grossen Einflüssen. Und so wird mit dem sechsten Longplayer «The Seal Of A New World» (2019) die nächste musikalische Stufe erreicht, inklusive typischem Signum-Regis-Siegel.
Das siebte Album
Nachdem alles bisherige Material praktisch in Eigenregie entstanden ist, möchte man nun mit Album Nummer sieben mutig loslassen und eng mit einem erfahrenen Produzenten zusammenarbeiten. Jacob Hansen, der sich u.a. für die Produktion von Grössen wie Volbeat, U.D.O. oder Arch Enemy auszeichnet, ist da der ideale Mann. Immerhin hat er bereits beim Mastering des einen und anderen Signum-Regis-Werks Hand angelegt. Und Hansens Handschrift lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes hören: «Undivided» ist klar, knackig und wuchtig produziert – ein absoluter Volltreffer! Und das Songmaterial per se?
Mit ‹Daniel’s Prophecy› legt man schon mal mit breiter Brust los und spielt alles aus, was Signum Regis in all den Jahren ausgemacht hat. Erstaunlich, mit welcher wohltuenden Dynamik der Song aus den Boxen brettert und sich mit seinem eingängigen Refrain sofort ins Gehör bohrt. ‹Ministry Of Truth› setzt dem an Härte sogar noch eins obendrauf und überzeugt mit gewohnt technischer Präzision auf höchstem Niveau. Darauf folgt ‹Salt Of The Earth›, der zu den bisher kommerziellsten Songs der Bandgeschichte zählen dürfte und wohl zu einem umgehenden Live-Hit werden wird.
‹Interpreter Of Dreams› hat sodann wieder mehr Biss und legt vor allem im Mittelteil zu, hängenbleibender Refrain inklusive. An dieser Stelle sei vermerkt, wie auffallend minuziös an den Hooklines gearbeitet wurde, um in jedem Song treffsichere Refrains zu landen. Das überspannt dann im stryperischen ‹Servants Of The Fallen One› etwas den Bogen, aber das bleibt unter dem Strich auch wieder Geschmacksache. Auf der anderen Seite hauen ‹Pilgrim Road› (leicht proggy) oder ‹Sea Of Galilee› (speedy) voll auf die Zwölf.
Mit ‹Prepare For War› und dem Titelsong steuert das Album deutlich gebändigter, aber niemals banal, dem Ende zu. Es bleibt der Abschlusstrack ‹Shield My Soul›, der sich überraschend als siebenminütiges Epos entfaltet. Nach einem stimmigen Intro, das eine unüberhörbare Anlehnung an Maidens ‹For The Greater Good Of God› ist, greifen die Slowaken tief in ihre Schatzkiste: Galoppierende Rhythmen paaren sich mit ruhigeren melodischen Parts, während sich zweistimmige Gitarren und ratternde Riffs um die Wette jagen und obendrauf Jota sich die Seele aus dem Leib singt. Ein grossartig komponiertes und instrumental ebenso brillant umgesetztes Glanzstück, das sich umgehend in die besten Songs (wenn nicht gar zum Besten überhaupt!) der Bandgeschichte einreiht.
Das Fanzit Signum Regis – Undivided
Beim neusten Streich von Signum Regis hat man nichts dem Zufall überlassen, sondern ist gezielt auf Tuchfühlung mit dem Puls der Zeit gegangen. So ist «Undivided» produktionstechnisch das eindeutig beste Album der Bandgeschichte geworden und glänzt mit einer kalkuliert eingängigen Songauswahl. Jedes Stück ist am richtigen Platz und hat Hitpotenzial. Allerdings bleiben als Kompromiss die bandtypisch progressiven und neoklassischen Anteile etwas auf der Strecke. Doch wie seinerzeit Helloween mit den Keeper-Alben neues Terrain betreten und ihre hauseigene Soundvision erweitert haben, so erreichen Signum Regis mit «Undivided» ein Reifelevel, das ihnen durchaus zum Durchbruch innerhalb der Power-Metal-Szene verhelfen könnte. Verdient hätten sie’s und zu wünschen wäre es ihnen allemal!
Trackliste Signum Regis – Undivided
1. Daniel’s Prophecy
2. Ministry Of Truth
3. Salt Of The Earth
4. Interpreter Of Dreams
5. Pilgrim Road
6. Servants Of The Fallen One
7. Sea Of Galilee
8. Prepare For War
9. Undivided
10. Shield My Soul
Line-Up Signum Regis
- Jota Fortinho – Lead and backing vocals
- Filip Koluš – Guitars
- Ronnie König – Bass
- Ján Tupý – Keyboards, backing vocals
- Jaro Jančula – Drums
Guests
- Jimi Cimbala – Guitar solo on ‹Servants Of The Fallen One› and ‹Shield My Soul›
- Daniel J. Fries – Guitar solo on ‹Pilgrim Road›, ‹Sea Of Galilee› and ‹Undivided›
- David Åkesson – Additional backing vocals on ‹Daniel’s Prophecy›, ‹Interpreter Of Dreams› and ‹Shield My Soul›