Metalinside.ch - Ice Rock Festival 2024 - Geoff Tate - Foto Kaufi
Do–Sa, 4.–6. Januar 2024

Ice Rock Festival 2024 – Geoff Tate, Voodoo Circle, The 69 Eyes u.v.m.

Hornbach (Wasen im Emmental, CH)
/ 23.01.2024
Metalinside.ch - Ice Rock Festival 2024 - Geoff Tate - Foto Kaufi

Geschichtsträchtiges Jubiläum

2024 ist das Jahr, in dem das Ice Rock Festival Geschichte schreibt – und zwar seine ganz eigene.

Andy: Seit 20 Jahren nun schon locken Fridu Gerber und sein Team die Freunde von Bands, die für gewöhnlich ihre Musik aus Instrumenten wie einem Schlagzeug, Tieftöner, einer Gitarre und einem menschlichen Kehlkopf entlocken, in den Wasen nahe Sumiswald. Auch für mich hiess es daher, die Jubiläumsglocken läuten zu lassen, denn ich pilgerte nun auch schon zum zehnten Mal in – oder unter? – diesen schon beinahe idyllisch gelegenen Traktorunterstand, den man mittlerweile auch in den Stand eines metallischen Kulturguts erheben könnte.

Vorschau

Tatsächlich könnte man als Besucher, den es vermutlich Jahr für Jahr nur wegen des Ice Rocks dorthin verschlägt, denken, dass dieser Schuppen nur wegen diesem einen Verwendungszweck erbaut worden ist. Dem ist natürlich nicht so – und lohnenswert dürfte ein Ausflug in diese schöne Gegend auch sonst und zu einem anderen Zeitpunkt sein. Denn hält man einen Moment inne und fokussiert seinen Geist auf etwas anderes als den nahegelegenen – und stellenweise rettenden! – Bierzapfhahn, aus dem auch köstlichstes Feldschlösschen sprudelt (Kollege Kaufi wird mir hier jetzt gleich sowas von widersprechen), nimmt man auch einen fröhlich vor sich hin plätschernden Bach, wunderschön geformte Hügel, die das Landschaftsbild mit ihren Rundungen georomantisch prägen, freundliche Eingeborene und einfach einen etwas urchigeren Duft wahr. Und, sollte man die Gegend Monate später besuchen, bestimmt auch noch den Klang einer Gitarre, der als Echo zwischen der Hornbachegg, der Fritzeflue und dem Schattsitewald weiterlebt. (Anm. Kaufi: Ich verstehe nicht, warum man Feldwass….ääh: Schlösschen trinken soll, wenn gleichzeitig äusserst feines Burgdorfer Bier ausgeschenkt wird..? Wieder eines dieser seltsamen Rätsel dieser Menschheit!).

Doch kommen wir zur Sache, noch bevor ich hier vollends der Hügelromantik verfalle und dem Bundesamt für Landestopografie einen Liebesbrief schreibe. Denn für die Jubiläumsausgabe des Festivals reise ich schliesslich nicht nur als stiller Geniesser und Akustikkonsument an, sondern habe auch schreiberische Pflichten für das selbstverständlich beste eidgenössische Online-Magazin für Fans der härteren Klänge zu erfüllen. Eine nicht ganz leichte Aufgabe, denn anders als ursprünglich erhofft, gibt es zur Jubiläumsausgabe kein Best-of-Line Up von Bands, womit man auch gleich sämtliche Hoffnungen begraben konnte, nochmals Überkracher am Laufmeter wie Morgana Lefay oder Sorcerer zu sehen, bei denen sich ein Bericht schon fast wie von selbst geschrieben hätte. (Anm. Kaufi: Oder Brainstrom. Oder Dream Evil. Oder Damian Wilson resp. Threshold)

Stattdessen geht man – und das ist natürlich alles andere als schlecht – wie gewohnt vor und will Bands eine Bühne bieten, die im Wasen allenfalls noch nicht die Ehre hatten oder einfach „klein genug“ sind. Was uns direkt zur Running Order des Donnerstags führt, in die ich mich vorab etwas eingearbeitet habe und genau auch deswegen in diesem Jahr mit etwas gemischten Gefühlen anreise. Weder Motel Transilvanya, noch Secret Rule, The 69 Eyes und Chaoseum entsprechem meinem Beuteschema – und ganz allgemein dünkt es mich, stellt sich in diesem Jahr ein noch nicht völlig durchzogener, aber dennoch angebrochener Wandel in der stilistischen Ausrichtung des Ice Rocks ein, der jedoch glücklicherweise mit Judge Minos und Geoff Tate mit seiner «Operation: Mindcrime»-Zelebrierung ein paar absolute Lichtblicke für mich bereithält.

Nicht, dass es nicht auch schon in der Vergangenheit immer wieder den einen oder anderen «Ausreisser» (und das ist rein auf meinen Geschmack bezogen) gab, das ist auch völlig in Ordnung und gehört zu einem mehrtägigen Festival schlicht dazu. Das Ice Rock soll und muss ja auch nicht zu einem weiteren Underground-Festival oder einem schweizerischen Keep It True mutieren. Dennoch bekam ich den Eindruck, dass es in diesem Jahr stilistisch ausgeprägter in eine andere Richtung ging.

Ice Rock Festival – Donnerstag, 4. Januar 2024 – Tag 1

Nun denn: Nach dem trotzdem etwas nervösen Durchschreiten des Eingangsbereichs, der Ticketkontrolle, der Entgegennahme des Gönner-Goodies (danke nochmals an dieser Stelle) und dem «Warmwerden» dank der immer länger werdenden Begrüssungsrunde (nach zehn Jahren kennt man durchaus die eine oder andere Nase), heisst es nach der traditionellen Ansprache schon bald BÜHNE FREI FÜR

Motel Transylvania

…deren Bewertung mir als glühender Anhänger der eher traditionelleren Metal-Sorte etwas schwerfällt, weshalb sie für Liebhaber der technoisierten Gothic-Industrial-Stilrichtung auch positiv auszulegen ist. Und so sind die Industrial-Einflüsse der Rammstein’schen Gangart unüberhörbar und grundsätzlich schon mal nicht schlecht. Das ganze wird aber ziemlich stark durch Elektronik hochgepusht, was mit sich zieht, dass die eigentlich auf der Bühne präsenten Instrumente, vom Schlagzeug einmal abgesehen, ziemlich untergehen. Was man aber schon beinahe hören kann, war das Drücken der Knöpfchen, die zum einen oder anderen Beat-Drop führen – nicht unbedingt das, was ich mir unter Metal vorstelle.

Ganz objektiv betrachtet geht es «beattechnisch» also ganz schön vorwärts, weswegen ich mir sehr gut vorstellen kann, dass Motel Transylvania an einem Gothic-Event wie ein gut geöltes Zäpfchen abgehen. Als aufmerksamem Zuschauer und -hörer fallen mir letztlich zwei Echos im Publikum auf: Die Gesichter der anwesenden Traditionsstahlschar (das Wort stellt wohl fast schon einen tödlichen Zungenbrecher für einen englischsprechenden Menschen dar) sind in etwa so langgezogen wie meines, dem jugendlichen Nachwuchs aber läuten auf fast schon alarmierende Weise die Partyglocken. Das Krähen des Zapfhahns wird ein erstes Mal lauter. Nichts ändern tut das aber der guten Laune der Band, die zum ersten Mal helvetischen Boden berühren. Und das ist natürlich gut so.

Secret Rule

Im Gegensatz zum Opener sind die ebenfalls aus Italien stammenden Symphonic-Metaller von Secret Rule, die sich um Frontfrau Angela Di Vincenzo, welche sich und ihr Stimmorgan durchaus in Szene zu setzen weiss, scharen, auch tatsächlich in den heiligen und allumfassenden Metal Archive-Einträgen zu finden. Das alleine tut der Seele schon mal gut. Und grundsätzlich klingt das, was da zum Besten geboten wird, auch nicht schlecht und reicht an diesem Donnerstag locker (!) für den Tagessieg. Weder die Band davor noch die Bands danach, und zu denen kommen wir ja erst noch, können Secret Rule das Wasser reichen. Egal ob bezüglich Bühnenpräsenz, Live-Performance oder musikalischer Aufmachung, wobei natürlich gerade der letzte Punkt mal wieder höchst subjektiv zu verstehen ist. Aber geht es im Metal letztlich nicht immer irgendwie um die subjektive Wahrnehmung? Trotzdem: Wirklich abholen können mich die Songs der Band dann doch nicht. Dem Songmaterial fehlt irgendwie das eine oder andere Eigenständigkeitsmerkmal. Es fehlen die Hooks, technische Spitzfindigkeiten, die mir die Möglichkeit geben würden, mich auch zwei Tage später noch an einen der Songs zu erinnern. Es bleibt nichts hängen. Liegt’s an meinem kompletten Desinteresse für den «Within Temptation-Artstyle»? Auch hier ist das wahrnehmbare Echo so unterschiedlich wie verständlich: Die einen feiern Secret Rule ziemlich steil ab, finden Bezeichnungen wie «huere geil», anderen fehlt der Juckreiz. Secret Rule wird und darf das nicht stören – sie werden ihren Weg gehen.

The 69 Eyes

…oder die 69 Augen des einschlafenden Tigers. In einem Martial Arts-Film vermutlich eine Technik, die dem Gegner Hören und Sehen vergehen lässt. Hier trifft das leider nicht zu. Sagen wir’s mal so: Einem trockenen Militärguetzli dabei zuzusehen, wie es in einer Wüste in seine Bestandteile zerfällt, würde mehr in mir erregen, als das monotone Goth-Rock-Geleiere der 69 Eyes. Bevor jetzt aber jeder Fan des Dark/Gothic-Rock-Trupps aus Finnland zu einem wütenden Godzilla mutiert, der mich gerne mit meiner eigenen Tastatur erschlagen würde: Die Band steht jetzt durchaus schon ein Weilchen auf der Bühne und weiss grundsätzlich was sie tut.

Mir ist auch bewusst, dass monotone Melodienbögen (kann man monotone Melodienbögen überhaupt als solche bezeichnen?) und über nicht ganz 90 Minuten beinah an Ort und Stelle verharrende Musiker (ok ok, der Drummer kann nix dafür!!) genau die Elemente sind, die einem gefallen können. Hier bin offensichtlich einfach ich das Problem (Kaufi steh mir bei…). (Kaufi: Kann ich leider nicht, ich bin noch nicht da…)  Ein Tages-Headliner mit einem innerhalb seiner Szene grossen Namen, der aber in meinen Augen an einem WGT besser aufgehoben ist und dort auch wohlwollendere Kritiken einfahren würde. Selbstverständlich sind aber wohl nicht wenige Leute auch gezielt für die The 69 Eyes in den Wasen gereist, feiern kräftig mit, haben offensichtlich ihren Spass – und somit wird das Ziel ja irgendwie erreicht.

Chaoseum

Das Kapitel «Donnerstag» schliesst die erst 2018 in Lausanne gegründete und bereits auf US-Tour gewesene, ich muss an dieser Stelle kurz tief Luft holen… Nu-Metal & Metalcore-Band namens Chaoseum. Man ahnt es schon: Not my cup of tea. Es ist ja schon lustig, was ein Koch so alles mit meinem Lieblingsessen anstellen kann, wenn er die Zutaten anders dosiert und zubereitet. Ein gar nicht mal so übler Beschrieb.

Der Name der Band ist hier durchaus Programm und irgendwie auch genau die Hürde, die meine Ohren an diesem Konzert nicht nehmen können: Chaos, zu viel Chaos – verpackt in Stilrichtungen, die ohnehin schon vollgepumpt sind mit musikalischen Überkreuzungen. Nennt mich altmodisch, aber ich habe wirklich Mühe, mich diesem Genre zu öffnen. Um einen weiteren Vergleich zu ziehen: Ich fühle mich hier lustigerweise wie der aus dem Spider-Man-Universum stammende Antiheld Venom, der Gefallen an so einigem findet, aber auf Schallwellen, wie zum Beispiel von einen kräftigen Glockenschlag stammend, in höchstem Masse allergisch reagiert.

Bei Chaoseum regt sich dahingehend einiges in mir – allerdings eher in Richtung Widerstand wandernd als in Wohlgefallen auflösend. Schade eigentlich, denn am Energielevel und technischen Sachverstand mangelt es der Band nicht, wenngleich auch der gesangliche Wechsel zwischen Gutturalem und Prinzessin Lillifee etwas Angewöhnung abverlangt. Fast gleichzeitig mit dem Ice-Rock-Auftritt endet übrigens nicht nur das Donnerstagskapitel des Festivals, sondern auch Loics Zeit bei der Band. Seinen Ausstieg gab das Gründungsmitglied einer Band, die in nur fünf Jahren vier Studio- und ein Live-Album veröffentlicht hat, einen Tag vor dem Festival-Auftritt bekannt. Man darf gespannt sein, in welche Richtung ihn sein Talent an der Gitarre treiben wird.

Das Fanzit – Ice Rock Festival – Tag 1

Das war er also, der erste Tag. Ein Abend voller musikalischer Hürden, einem Wiedersehen mit vielen bekannten Gesichtern, Gelächter, Zähneknirrscherei & Durstlöscherei… und einer Geheimnistuerei rund um etwas, was uns am kommenden Samstag in absolutes Staunen versetzen soll. Viel wurde nicht gesagt, aber es schien so, als hätte eine der Samstags-Bands mit einem Problem zu kämpfen. Es soll aber etwas geboten werden, was man so in der Schweiz noch nie gesehen habe. Marco Forster, der Ice-Rock-Riddler, gab sich wieder einmal alle Mühe und regte dazu an, Gerüchte zu streuen und sich Gedanken dazu zu machen.

Und das hat selbstverständlich auch wunderbar funktioniert. Die Frage nach diesem ominösen Super-Coup wird sich wie ein roter Faden durch dieses Jubiläums-Ice-Rock ziehen und stellenweise völlig unrealistische Höhen erreichen, die in völlig abstrusen «Erwartungshaltungen» münden, wie etwa dem Wunsch nach einer exklusiven Vorab-Live-Performance von Bruce Dickinsons’ neuem Solo-Album «The Mandrake Projekt». Man kann sich ja denken, wer solch surrealen Utopien erlegen ist und selbstverständlich genau das nicht bekommen hat. Ob der für diesen Text hier verantwortliche Schreiberling mit leider nur zwei Augen (ok, der war gerade  ziemlich schlecht) und Ohren, die für diesen Abend wahrlich nicht bereit waren, am Ende durch des Rätsels Lösung doch noch Erleuchtung gefunden hat oder sich in Tränen der Enttäuschung wälzen musste, erfährt man im hintersten des Berichts.

Ice Rock Festival – Freitag, 5. Januar 2024 – Tag 2

Chickenhouse

Kaufi: Guten Abend, Gemeinde. Meine Wenigkeit hat es nach (gewollten!) Umwegen (Zug fahren ist super…) auch ins Emmental geschafft. Nach dem Besuch bei der Kambly in Trubschachen wären wir eigentlich auch schon von all der Probiererei vollgefressen – aber ein Chilli muss trotzdem sofort sein! Und ein Burgdorfer Bierchen natürlich. Und dann spielt auch schon die Musik…

Andy: «HÄNSU????!! HESCH DE HÜEHNERSTALL WEDER OFFEGLA???» Anders lässt sich ja kaum erklären, weshalb da vier Hühn….jä Momänt emol… das sind jo Gockle! Und nicht irgendwelche Gockel: Nein, es ist die Band von Festival-Matador Fridu Gerber selbst, der sich am Freitag zusammen mit seinen Kollegen Jim, Andy und Burns die Ehre gibt, den Abend freucht (draussen) und fröhlich (drinnen) zu eröffnen. Und das funktioniert mit der charismatisch-witzigen Art der Truppe und dem bluesigen Rock-Sound natürlich ziemlich hervorragend.

Ob man will oder nicht, massiert man tapsig und rhythmisch mit dem einen Fuss den Boden, wippt mit Hilfe der Nackenwirbel den Kopf nach vorne und in der Regel auch wieder zurück und beäugt die anderen Stallbesucher, wie sie fröhlich aus dem trüben Nass des Alltags erwachen und sich im einen oder anderen Beckenschwung üben. Beim Gedanken an solche Bewegungen spiele ich jedoch mit dem Feuer und laufe Gefahr, dass sich meine Bandscheiben einer Gewerkschaft anschliessen und zu streiken beginnen. Also lassen wir das und sagen ganz eifach: «Momol, macht Spass!». Es ist die Art von Blues-Rock, die ich mir sehr gut an einem solchen Event durch die Ohrmuscheln ziehen kann.

Kaufi: In der Tat, ein richtig cooler Auftakt in den Festivaltag. Oder Abend. Zu Ehren von Fridu steht seine Schiessbude zudem ganz vorne am Bühnenrand. Die Fotografen freuts, so sollte man eigentlich auch mal gute Bilder von jener Musikerkategorie machen können, die ansonsten oftmals hinten im Dunkeln gelassen werden. Dass die übrigen Gockel dadurch etwas weniger Bewegungsfreiheit auf der bekanntlich eher kleinen Bühne haben, dürfte sie heute aber kaum stören.

Fotos Chickenhouse (Kaufi)

Andy: Mit

Mädhouse

aus Österreich folgt dann gleich ein zweiter Energiewirbel, der musikalisch wie optisch absolut keinen Hehl daraus macht, welche Stilecke man hier zelebrieren und bedienen möchte: Die Band schreit nach Mötley Crüe & Co. und könnte dem Glam-Metal an diesem Abend ein kleines Denkmal setzen, würde da nicht die verunglückte Soundabmischung im Weg stehen (man hört und munkelt, dass der bandeigene Mischer die Drehregler im Hintergrund bedient?). Der Sound ist so dermassen bassdominiert, dass ich, weil ich tatsächlich mal brünzlen (für die Deutschen: «urinieren») muss, die Basserschütterungen noch beim Wasserlassen spüre, was dem sonst so gleichmässigen Strahl eine Art Vibrationsrelief verleiht – sieht man auch nicht alle Tage. Ein Wunder, dass die tragende Struktur des Toilettenwagens nicht nachgibt und ich unter Schutt und Asche begraben werde. Es ist eine Rückmeldung, die ich im Verlaufe des Ice Rocks immer wieder zu hören bekam (also die Sache mit dem Bass!). Wirklich schade, denn der Geist des Glams lebt in Bands wie der rund um Mikky Stixx und Tommy Lovelace definitiv weiter.

Kaufi: Glam Metal der Marke „Mötley Crüe“? Immer her damit! Aber mit diesem Soundbrei macht das tatsächlich keinen Spass. Auch die Songs selbst packen mich nicht wirklich, sodass ich eigentlich bald mal meinen Platz vor der Bühne räume. Die Vorfreude und die Nervosität auf das, was da in Kürze den Wasen erbeben lässt, steigert sich eh von Minute zu Minute. So gesehen vielleicht auch ein etwas undankbarer Slot für den ersten Schweizer Auftritt der Glamtruppe aus Wien.

Setliste – Mädhouse

  1. Sick of It All
  2. Boom Boob Shaker
  3. Hard Luck
  4. First Time Lover
  5. Rodeo
  6. Atomic Love
  7. Push Push Rip and Tear
  8. Tourette Brunette
  9. Tears Like Rain
  10. Passionkiller
  11. This Is Horrorwood
  12. Say Nothing at All
  13. Money talks, Bullshit walks
  14. Down ‚ n‘ Dirty

Fotos Mädhouse (Kaufi)

Geoff Tate

Andy: 20 Jahre Ice Rock, 35 Jahre «Operation: Mindcrime». Diese zwei Faktoren zusammen führen dazu, dass die Location an diesem Abend verdammt gut gefüllt ist. Und was soll ich sagen: Im Verlaufe des «Operation: Mindcrime 35th Anniversary-Gigs» wird auch ziemlich deutlich, warum das der Fall ist. Es gibt kaum eine Top-100-Liste der besten Metal-Alben dieser Welt, in der «Operation: Mindcrime» von Queensrÿche nicht auftaucht. Und für manche ist die Platte gar die beste Metal-Platte überhaupt (Anm. Kaufi: Aber sowas von!!!) – oder zumindest das beste Konzept-Album. Bei mir persönlich steht die Platte zwar nicht auf Platz 1 (verwandelt sich Kollege Kaufi da gerade in einen dampfenden Kochtopf? 😊 ), allerdings gestehe auch ich ihr natürlich den Status eines Meisterwerks zu. Ich meine… hört euch das Ding doch mal an. Ist das geil oder ist das geil? Natürlich ist das geil – und nichts anderes ist auch dieser denkwürdige Gig am Ice Rock, der sich gerade gnadenlos zu einem der besten je am Ice Rock zelebrierten mausert.

Und wir durften ja schon Zeuge von so einigen Ereignissen werden, die Ice-Rock-Geschichte geschrieben haben: Der Panzer vom Wasen aka Morgana Lefay, die Grossmagier des Epochal-Metals aka Atlantean Kodex, die Prog-Götter von Threshold mit einem aus dem Hot Tub singenden Goldkehlchen namens Damian Wilson, eine nicht gerade an jeder Steckdose spielenden Band und Autoren des «Book of Heavy Metal» aka Dream Evil (deren Website übrigens noch heute das Ice-Rock-Abschlussfoto featured und dann gleich auf die Facebook-Seite weiterleitet, der man die freudige Nachricht entnehmen kann, dass ein neues Album kurz vor der Fertigstellung steht)… ich könnte diese Liste tatsächlich noch etwas weiter ausführen, aber ich denke, ihr habt den Sinn dahinter verstanden. Geoff Tate darf sich mit seiner Mindcrime-Zelebrierung zusammen mit den anderen um die Krone des besten Ice-Rock-Konzertes streiten – und das hoch verdient.

Zusammen mit Tochter Emily, die den «Sister Mary»-Part vertont und mit Papa Geoff im Duett singt, präsentiert sich uns eine bestens gelaunte Band, die mit viel Charisma um den Support des Publikums buhlt und diesen auch lauthals bekommt.. Für viele, die damals, 1988, bei Erscheinen des Albums, etwas älter als wie ich nur vier Jahre waren, ist dieses Konzert auch eine Herzensangelegenheit. Völlig egal, ob sie das Album schon einmal auf einer Tour erlebt oder Queensrÿche schon öfters gesehen haben, als meine Hände Finger haben: Die Freudentränchen sind sichtbar. Geoff weiss wohl ganz genau, was er da anrichtet.

Und sollte man sich nun fragen, wie so eine «Hausnummer» von Geoff Tate ans Ice Rock gefunden hat: Es gibt da offenbar so ein Interview mit einem finnischen Magazin, das sich mit Geoff über seine 35th Anniversary Tour unterhalten hat. Und in diesem gibt er preis, dass er mit diesem Album im Gepäck mit Vorliebe in kleineren Orten – und auch kleineren Veranstaltungen – auftritt. Warum? Weil’s persönlicher ist. Viel kleiner hätte er es auch tatsächlich nicht treffen können – womit es wohl auch nicht mehr viel persönlicher hätte werden können. Und als wäre das noch nicht genug, lässt die Band mit «Queen Of The Reich» am Ende noch einen weiteren Götterkorken knallen, der nur noch einmal unterstreicht, wie gut Geoff nach wie vor bei Stimme ist. Ein Wahnsinn, bei dem man sich manchmal fragt, wie so ein kleines Festival sich eigentlich noch steigern möchte.

Kaufi: Als Marco die ersten Ankündigungen für das Ice Rock, Ausgabe 2024, getätigt hat, bin ich nicht gerade in Euphorie verfallen. Um es mal milde auszudrücken. Es gab eigentlich kaum einen Grund, dieses Jahr ins Emmental zu pilgern. Doch dann hiess es: „Für die nächste Ankündigung wird Kaufi auch in den Wasen kriechen!“. Das war zum Glück nicht nötig, aber Geoff Tate? Im (fast) hintersten Chrachen der Schweiz?? Really? REALLY?? Marco hatte recht: Selbst wenn der Rest des Billings Müll gewesen wäre – DAS hätte ich mir nie entgehen lassen! Und so stehe ich nun mit meiner Kamera am Bühnenrand und werde immer hibbeliger….(Anm. Andy: Ich kann das bezeugen – kein schöner Anblick! Kaufi: Hallo??)

Ich muss noch vorausschicken: „Operation: Mindcrime“ ist das beste Album aller Zeiten. Punkt, Aus, Amen (Anm. Andy: Da lässt er einfach nicht mit sich reden…). Und ich bin seit 1986 ein riesengrosser Queensrÿche Fan. Das Konzert seinerzeit  (1992, wenn ich es recht im Kopf habe) im Volkshaus Zürich, bei dem auch das ganze Werk gespielt wurde, ist noch heute eines der Besten, welches ich in meiner bald 40-jährigen Konzertbesuch-Karriere gesehen habe (Anm. Andy: Hmm, da war ich immerhin acht Jahre alt und habe zusammen mit meinen Schulgspändli und mit Kreide bewaffnet den Umriss eines Blauwals im 1:1-Massstab auf den Asphalt des Pausenhofs gekritzelt – eat THIS!). Seit dem Split von Tate mit seiner alten Band, darf nur noch er dieses Album in voller Länge spielen. Ich hatte da auch mal das Vergnügen am Knockout Festival in Karlsruhe. Aber da schien der Meister recht abgehoben, er kam in Schale auf die Bühne, als ob er gleich als Trauzeuge zu einer Hochzeit müsste. Mit „Metal“ hatte das nicht viel zu tun – auch wenn es musikalisch natürlich überragend war!

So, und nun darf ich also zum dritten Male dieses Überwerk live erleben… Bereits bei „Anarchy-X“ starten erste Eskalationsschübe, als schliesslich der sichtlich gut gelaunte Meister himself zu „Revolution Calling“ auf die Bühne kommt, ist der Jubel riesengross. Der Wasen ist übrigens richtig, und ich meine RICHTIG voll, persönlich habe ich das so kaum je erlebt… Und es folgt eine Stunde absoluter Magie. Die von Andy erwähnten Freudentränchen sieht man bei verdammt vielen Leuten, ich nehme mich da nicht aus. Es ist schlicht unfassbar, was hier abgeht. Ein Hühnerhautmoment jagt den anderen. Mein Nacken, meine Stimme werden überbelastet, aber was solls? Hier wird Ice Rock Geschichte geschrieben! Geht es noch besser? Nein. Nein! Mir gehen hier nun endgültig alle Superlativen aus…(Anm. Andy: Gott sei Dank…)

„The Mission“, „Suite Sister Mary“, „I Don’t Believe In Love“, „Eyes Of A Stranger“ – pure, totale Eskalation. Zwischendurch macht der Meister eine kurze Pause und begrüsst unter frenetischem Applaus das Publikum. „I have a question. Should we continue??“ Ohrenbetäubend, die Antwort der Fans… Nach einer guten Stunde ist das Spektakel vorbei, rundherum nur strahlende Gesichter. Doch das Konzert selbst geht natürlich noch weiter! Man holt Geoff Tate nicht für einen 1-stündigen Auftritt hierher! Und so folgt noch ein kleines Best Of. Beginnend mit dem vielbejubelten „Empire“ und“Jet City Woman“, danach folgt als letzter Song natürlich eine der besten Balladen überhaupt: „Silent Lucidity“. Und ich bin längstens auf dem Weg hinter die Bühne für das Abschlussbild…

1986 habe ich Queensrÿche das erste Mal live gesehen, als Support von Bon Jovi in der Festhalle Luzern. Ihren Trademark Song „Queen Of The Reich“ haben sie Augen- resp. Ohrenzeugen zufolge gespielt, ich mag mich jedoch daran nicht mehr erinnern. Bis zum hässlichen Split 2012 habe ich die Band diverse Male live gesehen. Unfassbar gut (wie z.B. die Show im Volkshaus 1992) und auch unfassbar schlecht (Bang Your Head!!! 2010). Eine Gemeinsamkeit hatten alle diese Shows: „Queen Of The Reich“ stand nie auf der Setliste. Geoff Tate singt diesen Song nicht. Oder nicht mehr.

Und jetzt stehe ich wie gesagt da hinter dem Vorhang. Da schreit der Sänger in bester KISS-Manier: „You Wanted It? You Got It!“  – das unverkennbare Riff von „Queen Of The Reich“ ballert aus den Boxen! WAS GEHT HIER AB?? Mein Kiefer ist am Boden, in meinen Augen Freudentränen – dass ich DAS noch erleben darf! Ich weiss nicht, wie viele Fans da komplett geplättet sind, aber es dürfte die Mehrheit sein… Nochmals: Ich habe keine Superlativen mehr dafür, was hier passiert! Ich bekomme jetzt beim Schreiben wieder Hühnerhaut, alleine die Erinnerung reicht da aus. Danke Marco, danke Fridu, danke Ice Rock, dass ihr diese Show möglich gemacht habt! Das beste Konzert des Jahres 2024 (das wird niemand mehr toppen! Anm. von pam: Da wusstest du halt noch nicht, dass Anthrax zusammen mit Kreator und Testament in die Schweiz kommen …) und eine weitere riesengrosse Sternstunde im Emmental!

Setliste – Geoff Tate

  1. I Remember Now
  2. Anarchy-X
  3. Revolution Calling
  4. Operation: Mindcrime
  5. Speak
  6. Spreading the Disease
  7. The Mission
  8. Suite Sister Mary
  9. The Needle Lies
  10. Electric Requiem
  11. Breaking the Silence
  12. I Don’t Believe in Love
  13. Waiting for 22
  14. My Empty Room
  15. Eyes Of A Stranger
  16. Empire
  17. Jet-City Woman
  18. Silent Lucidity
  19. Queen of the Reich

Fotos Geoff Tate (Kaufi)

Rock Out

Andy: Ein Wagnis für jeden, der nach solch einem Headliner noch auf die Bühne muss. Wobei ich mir sicher bin, dass es für die vier Jungs «us de Umgäbig» gewiss kein Müssen, sondern eher ein Dürfen/Wollen ist, nach der Tate-Granate den verbleibenden Leuten nochmals so richtig einzuheizen. Und das Einheizen war jetzt noch nie eine Schwachstelle der Band, genau so wenig wie ein routiniertes Auftreten. Rock Out werden vielleicht höchstens irgendwann einmal mit dem Risiko kämpfen müssen, dass bei dieser gespielten Art von «rock ‘n’ rolligem Rock», wenn man nicht aufpasst, schnell einmal Eintönigkeit einkehrt. Davon sind Rock Out aber noch weit entfernt. Das jugendliche Feuer lodert im Sitzleder dieser Jungs und die hochenergetische Mucke wird von zwei sehr munteren Gitarren angetrieben, während der Schlagzeuger von hinten für die nötige Motivation sorgt und sich Bass und Gesang den nötigen Kontrast verleihen. Weiter so!

Kaufi: Ich hab an dieser Stelle schon Bands gesehen, die nach überragenden Headliner-Auftritten ziemlich untergingen. Auf Rock Out trifft dies allerdings überhaupt nicht zu – im Gegenteil! Sicher: Die Jungs profitieren enorm vom Heimvorteil. Familien, Freunde sind da, dazu auch noch ein richtig grosser Anteil an andern Fans, welche auch nach Geoff Tate noch nicht genug haben. Perfekte Bedingungen also für eine coole Rock’n’Roll Show zum Abschluss. Brecher der Marke „Hard Rock’n’Roll Tonight“ als Opener oder „Rolling Thunder“ tun ihr übriges, um die Stimmung nochmals zum Kochen zu bringen.

Fronter Florian punktet mit unterhaltsamen Ansagen, allerdings dürften sie zwischendurch auch mal etwas kürzer sein. Sensationell ist jedoch der Dank an Mr. Ice Rock Fridu – der sitzt in diesem Moment hinten fast neben mir und stillt seinen Hunger. Und er schüttelt nur leicht den Kopf darüber, was Flo da erzählt – irgendwie scheint ihm das fast peinlich zu sein. Nein – muss es nicht, Fridu! Du hast diese Ansprache verdient!

Zurück zur Musik. Mit „Stand Together“ sind die vier Jungspunde sogar im TV aufgetreten. Und damit reissen sie hier natürlich die Bude komplett ein. Auch eine Hommage an die Dead Riders, den „lokalen“ Motorrad-Club darf nicht fehlen. Riesengrossen Respekt an diese Leistung! Nach dem Wahnsinn von Geoff Tate das Publikum und die Stimmung so zu halten, trotz der vorgerückten Uhr – das packt wirklich nicht jeder!

Setliste – Rock Out

  1. Hard Rock’n’Roll Tonight
  2. Rolling Thunder
  3. Bloodmengang
  4. Let You Go
  5. Drum Solo
  6. Stand Together
  7. Whiskey keeps the Doctor away
  8. 7 Minutes in Paradise
  9. I Wanna Live
  10. Dead Riders*
  11. Dynamite*

*Zugaben

Fotos Rock Out (Kaufi)

Das Fanzit – Ice Rock Festival – Tag 2

Andy: Die müden Knochen wollten zwar ins Bett, noch bevor der Rock-Out-Auftritt zu Ende war – und schliesslich musste auch noch ein etwas mehr als einstündiger Weg angetreten werden -, jedoch lässt sich mit Sicherheit sagen, dass der zweite Tag schon deutlich mehr Fleisch am Knochen hatte und nach der experimentellen Phase des Vortags für ein gewisses Mass an Seelenbalsam gesorgt hat.

An dieser Stelle darf man auch ruhigen Gewissens mal wieder ein Kompliment an die gesamte und sehr eingespielt wirkende Organisation loswerden. Freundlichkeit und Familiäres werden am Ice Rock gross geschrieben und sind immer wieder so etwas wie die Visitenkarte des Festivals. Das fängt bei den Parklotsen an, die draussen bei Wind und Wetter nicht immer den einfachsten Job haben und hört beim zuvorkommenden und in Windeseile agierenden Barpersonal gewiss nicht auf. Wenn der Zapfhahn streikt, das Bierfass oder die Gasflasche leer ist, überbrückt man die Wartezeit mit ein paar flotten Sprüchen.

Und auch die Küche hat mal wieder eine hervorragende Leistung abgeliefert. Das Jubiläums-Sandwich, das zwischen zwei fetten Brotscheiben mit Speck und feinem Schmelzkäse den Gaumen genussvoll kitzelte, ist zwar nicht unbedingt dann zu empfehlen, wenn man mehr als ein paar Bier zu trinken vorhat, stellte aber dennoch eine Köstlichkeit für sich dar. Kann man das bitte fix in den Menüplan aufnehmen? Merci. Ein grosses Lob geht auch an den Eingangsbereich, der nicht nur für flottes Weiterkommen sorgte und Wartezeiten auf ein absolutes Minimum reduzierte, sondern auch immer ein erstes charmantes Lächeln parat hatte.

Kaufi: Ein Fanzit zum Tag 2 ist schnell gezogen. Das Konzert des Jahres 2024 ist durch (oder hab ich das schonmal gesagt?), das „Rahmenprogramm“ vermochte mehrheitlich ebenfalls zu überzeugen. Und jetzt ab ins Hotel, noch einen Schlummi und dann kann Tag 3 kommen..

Gerüchte

Kaufi: Ah, aber Andy – Du hast was gesagt, dass am Samstag irgendwas „noch nie dagewesenes“ passieren soll? Und jetzt schmörzelisch mit Infos dazu? 😉 Auch ich hab Gerüchte gehört, dass es mit dem Samstags-Headliner Probleme geben soll. Man hört von „krank“, „Ersatzmusiker“ – und die Ice Rocker schüren das alles noch. „70% sicher“, dann „85% sicher“, „es wird sensationell“, „wir sind an etwas dran“… All das hört man im Publikum wie auch als Ansagen von der Bühne runter. Ziemlich klar scheint es, dass ein Sänger gebraucht wird. Und da werden dann Namen und Wünsche rumgereicht. Von Bruce Dickinson über Michi Kiske bis zu Tobi Sammet… Marco lässt sich jedoch nicht in die Karten blicken. Nur der (logische) Name „Damian Wilson“ verneint er glasklar. Es bleibt spannend…

Ice Rock Festival – Samstag, 6. Januar 2024 – Tag 3

Kaufi: Heute beginnt das Programm bereits am Nachmittag, also heisst es antraben schon bald nach dem Mittagessen. Kaum auf dem Gelände, gehen die Spekulationen über den Headliner weiter. Mit etwas Nachdenken über allfällige Sänger und bizzli guugeln, könnte man einen weiteren Namen in den Hut werfen… Mittlerweile sind die Veranstalter auch bei „über 90%“ Wahrscheinlichkeit, dass es klappt, angekommen. Es bleibt immer noch spannend. So, und jetzt darf Andy loslegen mit den Bands! (Anm. Andy: Leute ich sag euch jetzt mal was… der Typ, also Kaufi, lässt die ganze Zeit sein Kameräli auf dem Bäuchlein herumtanzen und poliert seinen Foto-Pass, während wer die ganze Schreibarbeit trotz beachtlichem Bierkonsum abliefern darf? Genau, der lange Lulatsch mit Schuhgrösse 48).

Voltage Arc

Andy: Ok, auf diesen Auftritt bin ich gespannt. Erstens, weil ich den Bandnamen zwar namentlich kenne, aber bis zum heutigen Samstagnachmittag keinen Ton gehört habe und zweitens, weil die von einigen aus dem näheren und auch ferneren Bekanntenumfeld ziemlich in den Himmel gelobt werden. Zweiteres birgt immer ein gewisses Mass an Risiko, da dies die eigene Erwartungshaltung merklich beeinflusst und am Ende für Enttäuschung sorgen kann.

Aber erst mal der Reihe nach und zu einem ganz wichtigen Punkt – der Live-Performance. Und die, hui, ist einfach WOW. Gerade auch für einen Newcomer. Auf der Bühne gibt es für die Band beinah keine Grenzen. Hier lässt man bewusst die Rampensau aus sich raus, die sich bei den Elementen der wilderen Sorte des Hardrocks bedient. Nackte Oberkörper (die Damen dürften daran Gefallen finden), ein Sänger, der die Bartheke zum verlängerten Bühnenarm verwandelt, ein Gitarrist, der ein Getränk, dessen Sorte ich nicht gänzlich ausmachen kann (ich hoffe, es ist Bier und kein Pfefferminztee…), mit Gitarre und/oder Mund aufzufangen versucht, …da geht schon ganz schön die Post ab.

Obwohl es jetzt ja nicht so ist, dass der Auftritt zwischendurch Auflockerungen braucht – sie kommen dennoch: Und so werden zwei Voltage-Arc-Schweizerfahnen geschwungen, während Frontmann und Multitalent Toni Hörner zu Ehren des regional ansässigen Schwyzerörgelibauers eine Handörgeli-Performance zum Besten gibt. Das weckt einerseits wohlige Heimatgefühle und andererseits ist es auch einfach ziemlich geil. Aber: Irgendwie fehlt mir hier das gewisse Etwas. Es ist jetzt nicht so, dass die Mucke keinen Spass machen würde, aber bei einer Band mit «Voltage» im Namen, würde ich gerne etwas mehr unter Strom stehen. Hier stimmt für mich das Spannungsverhältnis zwischen Performance und Mucke nicht komplett überein. Bitte beim künftigen Material etwas mehr Biss, mehr Speed!

Setliste – Voltage Arc

  1. Tonight
  2. Rockin‘ Man
  3. Break Free
  4. Sin City
  5. Upside Down
  6. Waiting To Get Wild
  7. If You Slow Down
  8. Hardrock Hot Spot
  9. Apple Dream
  10. For Rock And Roll
  11. Never Forget To Drink

Fotos Voltage Arc (Kaufi)

Strange Omen

Andy: Nun stehen da im Anschluss tatsächlich ein paar Kuttenträger auf der Bühne. Aus Österreich. Und mit «Omen» im Namen. Kann also gar nicht schlecht werden, oder?

Natürlich nicht: Der charismatische Trupp aus dem tirolerischen Wörgl, das im Jahre 1615 gerade mal 699 Einwohner zählte (einen Dank an die 33 Spielverderber!), steht zwar in dieser Formation erst seit 2019 auf der Bühne, durfte aber bereits Urgesteine des Heavy Metals wie U.D.O. supporten und ist darüber hinaus noch so etwas wie ein kleines Familienunternehmen. Denn: Auf der Bühne steht mit Christian Margreiter ein Gitarrist, der offenbar schon als vierjähriger Bub den Traum hatte, mal zusammen mit Papa Klaus auf der Bühne zu stehen – ein Traum, den er sich mit Strange Omen verwirklicht hat. Nachzulesen in einer Ausgabe der Kronen-Zeitung, die wohl auch mal froh war, über etwas anderes als die Alpendingos, DJ Schranzi aus dem Zillertal und die Saubartln zu berichten.

Wie dem aber auch sei: Strange Omen glänzen mit einem professionellen Auftritt, würziger Stimme und durch das provozierte Headbanging schlängelt sich tatsächlich mal wieder der markige Geruch eines Männershampoos in meine Nasenöffnungen. Nicht, dass mir Strange Omen jetzt als olfaktorisches Highlight in Erinnerung bleiben werden – das werden sie nämlich aufgrund ihrer anderen Qualitäten. Stämmiger Heavy Metal, der die Glocken der Wörgler Stadtkirche wohl schon mehr als einmal zum Erklingen brachte – geil! Und ja, das darf man als geneigter Anhänger dieser Klänge durchaus als Anspieltipp verstehen.

Setliste – Strange Omen

  1. Chrome City
  2. Dirty Lungs
  3. Marasma
  4. Thunder Of The South
  5. Nightmare
  6. Frozen Diamonds
  7. Strange Omen
  8. Shadows In The Nighttime
  9. IV 131
  10. Ice Vortex
  11. Shores Of Nebulah

Fotos Strange Omen (Kaufi)

Judge Minos

Andy: Hart is hart und wach is wach, aber immer wach is a hart.

Und wenn Judge Minos die Musi spielen…. Aiaiai, was Recherchen über eine Tiroler Band so alles mit einem anstellen können. Jedenfalls: Alter Schwede, was habe ich mich auf diesen Auftritt gefreut. Das von Strange Omen dargebotene Zündholz wird nun von Judge Minos entfacht, die aus ihrer musikalischen Inspirationsquellen wie etwa Iced Earth überhaupt keinen Hehl machen und daheim wohl den einen oder anderen Manowar-Schrein anbeten. Hier gibt’s mächtig was auf die Ohren und ich stehe mit leichter Entzückung vor der Bühne und geniesse die harten Riffs, die epischen Melodienbögen, den Gesang eines Kriegers, der sich genauso gut mit Schwert und Schild…ach was sag ich Schild… mit einem Zweihänder ins Schlachtgetümmel hätte werfen können. Ein kurzer Kontrollblick genügt, um mit etwas Erleichterung festzustellen, dass der Hosenstall tatsächlich geschlossen ist. Nicht auszudenken, wenn…

Trotz Soundproblemen zu Beginn mausert sich dieser Auftritt für mich zu einem ganz besonderen Ice-Rock-Schmankerl – auch, aber nicht nur, weil die Band ganz genau weiss, welche musikalischen Häkchen sie bei meiner «Ist es noch Metal oder kann das weg»-Checkliste setzen muss. Zu meiner Überraschung kann man auch Shred-Monster Valentin Mössinger von Comaniac an der Klampfe ausmachen, was, wie mir Sänger Hichi Selmi später erklären würde, damit zu tun hat, dass er den im Ausland befindlichen Band-eigenen «Don Diego» kurzerhand ersetzen musste. Die Chemie jedenfalls passt.

Da mir als fleissiger Hörer der «The Keeper of Imbalance»-EP durchaus auffällt, dass nebst der Manowar-Huldigung «Hail and Kill» auch noch ein paar neue Songs gespielt werden, die es mehr als nur in sich haben, muss mir Sänger Hichi im Anschluss natürlich auch noch gleich die Frage beantworten, wann denn nun endlich mit dem Debüt-Album zu rechnen sei. Nun – im Herbst 2024 soll es soweit sein. Bis dahin müssen wir uns die Wartezeit mit Brechern wie «Believe or Die», «Nuclear Winter» oder «Final Flash» verkürzen.

Jungs – toll gemacht! Für mich zählt ihr definitiv zu den Hoffnungsträgern des helvetischen Nachwuchs-Metals.

Maverick

Andy: Hier stimmt grundsätzlich ebenfalls alles – vorausgesetzt, das Herz gehört dem melodiösen Hardrock, der zumindest bei diesem Auftritt hauptsächlich im Mid-Tempo-Bereich angesiedelt ist, mit ein paar Ausreissern nach oben plus einem emotionalem Gotthard-Cover. Deren verstorbener Sänger Steve Lee gilt für Maverick-Frontmann Dave Balfour als gesangliche Ikone – entsprechend verausgabt sich sein Goldkehlchen auch. Aber eigentlich gibt es an seiner gesanglichen Leistung generell wenig auszusetzen. Nicht anders als analog zu argumentieren gilt es auch bei der restlichen Band, die, mit dem Publikum agierend, auf hohem Niveau spielt und ihren Spass am Auftritt nicht vorgaukeln muss.

Glücklicherweise macht Dave aus der Herleitung des Bandnamens keinen Hehl und schmeisst, ich hoffe, mich hier richtig zu erinnern, die obligate Top-Gun-Referenz von der Bühne. Von meiner Warte aus gesprochen hätte das Songmaterial durchaus noch etwas mehr der Adrenalin-Pumpgun aus der Hollywoodmassschneiderei entsprechen dürfen. Wäre es nicht die Top-Gun-Referenz gewesen, hätten mich die Recherchen zur Band, die übrigens aus der selben irischen Stadt (Belfast) wie die superben Schwermetaller von Stormzone, die das Ice Rock übrigens auch schon beehrt haben, zu kommen scheinen, auf die Internetseite einer ebenfalls in Belfast ansässigen Schwulenbar namens «The Maverick» geführt, deren Logo ein pinker Schnauzer ist und deren Flyer dann doch eher weniger an eine Hardrock-Gruppe erinnern. Deren Motto «Hey Babe, take a walk on the wild side” stünde allerdings auch der Band gut zu Gesicht. Der langen, wirren, Rede kurzer Sinn: Toller Auftritt, super Band, Songmaterial für mich etwas wenig Fleisch am Knochen, für viele aber eine kleine Herzensangelegenheit und: Sie gehören sicherlich zu den Publikumslieblingen an diesem Abend.

Kaufi: Jesses, hat jemand diesen Bandwurm-Satz grad verstanden? 🙂 Maverick sind das zweite Mal zu Gast hier. Ich erinnere mich, dass ich ihnen beim Debüt zu wenig Beachtung schenkte – und dass die Jungs beim Auftritt von Dream Evil im Publikum ganz vorne mächtig Party machten. Es ist enorm cool, die Jungs wieder zu treffen, das sind auch abseits der Bühne saunette Kerle. On Stage sorgen sie derweil für ordentlich Wind, allerdings scheint ihnen (warum auch immer) die Zeit wegzulaufen. Bassist Richie erklärt mir später, dass sie zwei Songs kippen mussten.

Die Setliste beinhaltet derweil die eine oder andere Überraschung („Electric“), vor „Whiskey Lover“ werden den Musikern entsprechende Shots gereicht . „Switchblade Sister“ ist mein persönliches Highlight. Als Bonus zeigen sich die Iren dann  auch wieder als grosse Fans von Steve Lee  und auch wenn ich bekanntlich kein grosser Anhänger von Coverversionen bin – „Anytime, Anywhere“ ist überragend und sehr emotional. Jetzt wird es dann auch mal noch Zeit für ein neues Album, die Herren… Aber das soll ja in der Mache sein. Gut so!

Setliste – Maverick

  1. Cold Star Dancer
  2. The One
  3. Electric
  4. The Last One
  5. Anytime Anywhere
  6. Kiss of Fire
  7. Angels 6
  8. Never
  9. Got It Bad
  10. Whiskey Lover
  11. Switchblade Sister
  12. We All Die Young
  13. In Our Blood

Fotos Maverick (Kaufi)

Der Überraschungsgast

Andy: So. An dieser Stelle besinnen wir uns auf die Passage dieses Textes zurück, in der es um den ominösen Coup des Ice-Rock-Komitees ging. Denn irgendwas war ja mit dem Samstag-Headliner – Voodoo Circle. Irgendwas sollte passieren. Möglicherweise gefrieren die sieben Höllen. Oder die Ice Rocker lassen Kleopatras Eunuchen postmortal Eier wachsen. Man liess uns zappeln, man liess uns rätselraten – und streute immer wieder kleine, wenn auch nichtssagende, Schnipsel. Mal war die Lage zu 96% gesichert, mal waren die Tücher so gut wie im Trockenen.

Es ist zum Davonlaufen. Manch einer fragt sich, durchaus berechtigt, ob es nicht fairer wäre, mit offenen Karten zu spielen, da vielleicht der eine oder andere Anwesende seine Karten hauptsächlich wegen Voodoo Circle gekauft hat. Andere, zu denen auch ich gehöre, lassen sich aber auf die Geheimniskrämerei ein und warten einfach mal gebannt auf die Auflösung. Denn: Wenn dir eine Person mit relativ hohen musikalischen Ansprüchen verklickert, dass das, was kommt, wirklich noch nicht da gewesen ist, dann hat der Knochen immerhin ein bisschen Fleisch am Knochen.

Kaufi: Ah, jetzt erinnerst Du doch noch an diese Geschichte? 😉 Ja, die Gerüchteküche brodelt zwar immer noch, aber mittlerweile (wir reden so vom späteren Nachmittag / frühen Abend) wird eine dunkelhaarige Person gesichtet, die als Sänger auch schon auf dieser Bühne gestanden hat. Auch ohne grossartige Ansagen weiss bald der ganze Wasen, wen wir willkommen heissen im Emmental…

Andy: Und, durchaus: Der nun kommende Gig wird, mit sichtlicher Erleichterung auf Seite der Organisatoren, mit etwas Pomp angesagt. Denn dass er überhaupt stattfinden kann, verdankt man stahlharten Nerven, einem grösseren organisatorischen Effort der Ice-Rock-Crew und von Voodoo-Circle-Gründer und Gitarrist Alex Beyrodt himself – und ob man es glaubt oder nicht: Auch der Deutschen Bahn. Nein nein, ihr habt euch nicht verhört: Denn dieser Hallodri-Verein, der es gerade noch so schafft, ein nationales Bahnnetz zu unterhalten (Anm. Kaufi: WAS schaffen die?? Seit wann??) und betreiben und öfters Opfer des Spotts geworden ist als Rocco Siffredi «Tore schiessen» durfte (ihr versteht schon…), hat es tatsächlich hinbekommen, Ronnie Romero an seinem tourfreien Tag in Basel abzusetzen, so dass er mit hoffentlich verlässlicheren Verkehrsmitteln ins Emmental verfrachtet werden konnte (Anm. Kaufi: Ha, dann ist er mit der SBB / BLS gefahren! Sehr schön!).

Der Gig findet also statt – nur in in welcher Form? Da Sänger David Readman tatsächlich kurz vor dem Konzert an Covid erkrankt ist, Mr. Beyrodt das einen Tag vor Konzertbeginn vernahm, die Veranstaltung allerdings keinesfalls absagen wollte, liess er kurzerhand die Telefondrähte (oder nennt man das heute Mobilfunkverbindungen?) glühen und organisierte sich sozusagen über Nacht eine neue Band, die weder die Zeit hatte, um miteinander zu proben, geschweige denn, jemals zusammen auf der Bühne stand.

Diese Band besteht letztlich aus:

  • Alex Beyordt an der Gitarre
  • Ronnie Romero am Mikrofon
  • Rudi Spiller am Bass
  • Markus Kullmann am Schlagzeug
  • Hannes Luy am Keyboard (wobei ich nun hoffe, nicht gleich gesteinigt zu werden, weil ich eine Hammond-Orgel als Keyboard bezeichne)

…und wird mit mehr als nur grossem Wohlwollen auf der Bühne begrüsst. Willkommen zu

Voodoo Circle aka Alex Beyrodt’s Jam Band

Andy: Dieses Wohlwollen nimmt Beyrodt denn auch als persönlichen Auftrag und liefert zusammen mit einem Trupp, der beileibe nicht so wirkt, als hätte er noch nie zusammen gespielt und der wohl den Spass des Lebens auf der Bühne hat, einen gut zweistündigen (!) Auftritt, der zwar kein Voodoo-Circle-Material abliefert, dafür zwei der ganz Grossen im Rock-Olymp huldigt: Deep Purple und Rainbow.

Kann man hier von Glück im Unglück sprechen, dass mit Mr. Romero auch noch gleich die aktuelle Stimme der wiedervereinigten Rainbow auf der Bühne steht? Ich denke man kann. Ich meine, man muss es sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen: Hier stehen fünf absolut begnadete Musiker, die einen etwas bekannter, die anderen etwas weniger, aber alle auf ebenbürtigem und konstant hohen Niveau (!), auf der Bühne, die 50 Jahre Rock-Geschichte lebendig machen und die auch zum Anfassen war.

Gnadenlose Klassiker wie „Highway Star“, „Stormbringer“, „When A Blind Man Cries“, „Stargazer“ (!!), „Catch The Rainbow“, „Burn“ oder das zuletzt nach einigen fast schon erbettelten Zugaben (wo sich auch Meister Fridu nicht sicher ist, ob er noch drei, vier oder gleich zehn gewähren soll) gespielte „Child In Time“ lassen das Publikum in Ekstase aufgehen. Der Jubeltaumel erfasst immer auch wieder Beyrodt, der sich nach Worten ringend ans Herz fasst und ganz offensichtlich mehr als nur glücklich über den Umstand ist, dass er auf dieser vergleichbar kleinen Bühne so herzlich ermuntert wird, mit seiner «Jam Session» weiterzumachen. Streng genommen ist es ja auch genau das: Eine Jam Session. Aber was für eine!

Natürlich werden die Songs nicht zu 100% korrekt und auf den Ton genau wiedergegeben. Natürlich werden sie – teils stark – in die Länge gezogen und mit Soloeinlagen verzuckert. Natürlich wird mal kurz eine Passage wiederholt, weil Romero mit seinem Hirn kurz ins eigene Tour-Set abgedriftet ist. Aber genau das macht den Zauber dieses Auftrittes aus. Gerade dieses charismatische sich-gegenseitig-angrinsen und einfach mit Spass und ganz viel Herzblut eine Göttergabe nach der anderen zu zelebrieren, lassen mich und viele andere mit offenen Mündern zurück. Zwei Stunden lang. Nur kurz denke ich an die Nachfolgeband VA Rocks, die im Backstage-Bereich wohl schon längst in den Startlöchern steht, sich aber wohl selbst in Glückseligkeit suhlt und sich denkt «Ok… einen dürfen die Herren noch!». Vielleicht kann da Kollege Kaufi seinen Augenzeugenbericht darlegen (immerhin hältst du dich ja vergnügt und geschützt im Backstage-Bereich auf – JA, ICH SEHE DICH!!!). (Anm. Kaufi: Ich Dich auch!). (Anm. Andy: Verdammt!).

Und nochmals: Die Musiker, die hier auf der Bühne stehen, kann man gar nicht anders als «begnadet» bezeichnen. Rudis gefühlvolles Gezupfe am Bass, Alex’ vollendete Beherrschung der Zupfgeige (jaja, ‘ne Gitarre nannte man tatsächlich mal so), Romeros sensationeller Gesang, Kullmanns Torpedofeuer an den Drums und Luys stilvoller Umgang mit der Orgel – Weltklasse! Was für die einen (wenigen) eine Coverband ist, ist für die anderen eine überbrückungstechnische Meisterleistung, die wohl so mancher Autobatterie einen zweiten Frühling verschaffen würde. Musikalisch, technisch – nicht zuletzt aber auch emotional ist das einer der besten Auftritte, die je auf der Ice-Rock-Bühne ausgetragen wurden. Und das sollte euch, den Herren von The 69 Eyes, zu denken geben.

Kaufi: Welch weise Worte hat hier Kollege Andy niedergeschrieben! Gerne ergänze ich noch ein paar kleine Dinge…

Schaut Euch mal untenstehende Setliste an… Unglaublich. Auf der Printversion stehen übrigens 13 Titel, „Woman From Tokyo“ und „Smoke On The Water“ (!!) wurden schlussendlich gekillt. Wieviel Improvisation von den fünf Musikern an den Tag gelegt wird, zeigt sich auch daran, dass Romero nach „Stargazer“ den gedruckten Fötzel vom Boden aufhebt und weglegt. Ab da gibt es keine richtige Reihenfolge mehr…

Die Art und Weise, wie dieser Auftritt schlussendlich zustande kam, dürfte wohl absolut einmalig in der Geschichte des Ice Rock bleiben. Irgendwie ist es auch zu hoffen, denn der Ausfall von Readman (und offenbar auch Mat Sinner, der sei ebenfalls krank, munkelt man) dürfte den Organisatoren manch (zusätzliches) graues Haar beschert haben. Aber Leute: ES HAT SICH GELOHNT! Denn hier ist ebenfalls pure Weltklasse am Werk. Wenn ich sage, dass Geoff Tate das beste Konzert des Jahres 2024 abgeliefert hat – dann ist dieses hier das legendärste! Aus rein musikalischer Sicht kann man allenfalls bemängeln, dass die Songs teilweise wirklich ZU sehr in die Länge gezogen werden, aber da verlieren sie sich irgendwo im Jam, man hat ab und zu das Gefühl, dass sie jetzt den „Ausgang“ des Songs wieder finden müssen. Andererseits sind es dann genau diese Momente, welche den ganzen Auftritt nochmals spezieller machen.

Als jemand, der es bislang wirklich geschafft hat, Deep Purple nie live zu sehen (Schande über mich), ist diese Show natürlich der Hammer. Auch wenn es schlussendlich eine „Coverband“ ist. Aber „Child In Time“ live zu hören – ui, damit hätte ich NIE gerechnet! Zumal die eigentliche Zeit ja auch längstens überschritten ist… Oder vorher: „Stargazer“! Die ultimative Übernummer von Rainbow. Das sind die nächsten Poulet-Momente bei einem – ich wiederhole mich – wohl einzigartigen, einmaligen, legendären Konzert!

Setliste – Alex Beyrodt’s Jam Band

  1. Highway Star
  2. Black Night
  3. Stormbringer
  4. Hush
  5. When A Blind Man Cries
  6. Stargazer
  7. Catch The Rainbow
  8. Burn
  9. Mistreated
  10. Long Live Rock’n’Roll
  11. Child In Time

Fotos – Alex Beyrodt’s Jam Band

VA Rocks

Andy: Und nun… nun folgt eine kleine Entschuldigung. Wieso, warum, weshalb? Die letzte Band habe ich dann tatsächlich sausen lassen. Augenzeugenberichten zufolge waren ich und mein Kumpel wohl auch nicht die einzigen, die nach diesem Göttergig, vielleicht etwas zu Unrecht, den Platz geräumt und den Weg nach Hause angetreten sind. Denn offenbar lieferten die Schwedinnen von VA Rocks, um einen Kumpel zu zitieren, ein «absolut geiles Kick-Ass-Rausschmeisser»-Konzert und boten den noch Verbliebenen «eine Lehrstunde in erdigem Rock ‘n’ Roll». Ich will ihm das mal so glauben.

Kaufi: Dieser Entschuldigung schliesse ich mich an, ich bin nach dieser Machtdemonstration ziemlich kaputt und mache mich auf dem Weg ins Hotel. Nicht ganz fair den Schwedinnen gegenüber, die da Backstage warten mussten und versuchten sich warm zu halten. Sorry… Aber schön zu hören, dass sie den Anwesenden noch einheizen konnten!

Andy: Und während VA Rocks diese Lehrstunde darboten, besinne ich mich während der Heimfahrt zurück auf ein letztlich doch wieder sensationelles Ice-Rock-Festival, das mir zwar während der Jubiläumsausgabe immer mal wieder einen musikalischen Dämpfer verpasste, letztlich aber auch wieder Gelegenheit dazu bot, dabei zu sein, wenn im Wasen mal wieder Rockgeschichte geschrieben wird. Und hey – was für eine Leistung! 20 mal ein solches Festival auf die Beine zu stellen, sich Jahr für Jahr die Mühe zu geben, um Sponsoren zu kämpfen, die Verpflegung zu organisieren, die vielen fleissigen Helfer bei Stange zu halten und sich mit anspruchsvollen Bandmanagern herzumzuschlagen – das verdient wirklich grossen Applaus.

Bravissimo

Andy: Gutes Stichwort: Grossen Applaus heimst am letzten Tag auch Marco Forster ein, der das Festival 13 Jahre lang begleitet und die eine oder andere Band ans Ice Rock geholt hat, die man so schnell wohl nicht wieder in der Schweiz sieht. Man denke hier nur an Morgana Lefay – oder den einmaligen (!) Threshold-Auftritt. Ohnehin hast du, lieber Marco, auf ewig (… sagen wir FAST auf ewig) einen gut dafür, dass du mir die mächtigen ATLANTEAN KODEX ans Ice Rock geholt hast. Viele wussten wohl kurz vor deren Aufritt nicht so recht, was für eine Epikwelle sie da gleich erfassen würde. Deine Verabschiedung (siehe nachfolgende Fotos) auf der Bühne liess nicht jedes Auge im Trockenen – Tränen kullerten vor und auf der Bühne. Wer auch immer in deine Fussstapfen tritt, wird es nicht nur aufgrund deiner Schuhgrösse (ich darf das sagen, weil wir da im selben Boot sitzen 😊) nicht unbedingt einfach haben, diese auszufüllen – aber ich wünsche ihm oder ihr alles, was es braucht, um das doch zu schaffen. Danke Marco – für alles.

Kaufi: Auch diesen Worten kann ich mich nur anschliessen! Danke, Grosser – für Geoff Tate, für Brainstorm, für Morgana Lefay, für Dream Evil, und für ganz viele andere Bands, die den Wasen rocken durften. Danke, dass Du Andy, mir und Dutzenden, nein: Hunderten Gelichgesinnter so viele schöne, lustige und auch emotionale Momente möglich gemacht hast!

Fotos Impressionen Ice Rock Festival 2024 (Kaufi)


Wie fandet ihr das Festival?

/ 23.01.2024
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