«Anti-Weihnachtseinstimmung» mit Breakdowns
Wer den Auswirkungen des Festes der Besinnlichkeit und den für blutende Ohren sorgenden Katzenjammer-Kompositionen à la «Last Christmas» oder «All I Want For Christmas Is You» entfliehen wollte, war am Samstagabend in der Lenzburger Met-Bar goldrichtig aufgehoben. Statt Wham! oder Mariah Carey gab’s eine ordentliche Tracht Prügel in Form von Metalcore und Deathcore auf die Lauscher. Dafür verantwortlich waren Written By Witches, Days Of Ruin und Dark Gravity.
Seid ihr ebenfalls keine Freunde der geschmückten Tannenbaum-Feiertage? Ja, in diesem Jahr will aus gewissen Gründen auch bei meiner Wenigkeit keine sonderlich grossartige Feststimmung aufkommen. Den Göttern sei Dank wird man in Sachen Alternativen bei genauer Suche praktisch immer irgendwo fündig. Die Lenzburger Honigwein-Schenke hätte da beispielsweise ein hübsches Programm im Angebot, welches donnernde Breakdowns und wuchtige Riffs verspricht. Das Ganze läuft unter den Slogans «X-mess» und «Fuck X-mas» (also wunderbar passend für mein momentanes Befinden). Nix wie hin!
Da ich keine der drei auftretenden Formationen (Written By Witches, Days Of Ruin und Dark Gravity) kenne, beschenke ich mich gleich selbst mit neuen Horizonterweiterungen. Mal schauen, welches Chaos die Bands nach ihren jeweiligen Auftritten hinterlassen werden. Lasst die musikalischen Bulldozer los! Gebärdende Jungfrauen oder irgendwelche Messias-Säuglinge sucht man in dieser – zu meiner Freude gut gefüllten – Bude am heutigen Abend definitiv vergebens. Wir bleiben viel lieber beim Metalcore und seinen Auswüchsen.
Dark Gravity
Um 20.30 Uhr eröffnen Dark Gravity den Reigen. Die Mitglieder der Equipe stammen aus Lausanne und anderen Teilen der Westschweiz. Einzige Ausnahmeerscheinung stellt Sänger Nicolas dar, der uns in lupenreinem Berndeutsch anspricht. Scheint wohl importiert worden zu sein. Fairerweise ist anzumerken, dass einige Teile des Bärenkantons ja sowieso bilingual unterwegs sind und somit dürfte er bei der Verständigung mit seinen Kumpels wahrscheinlich kaum Probleme haben. Schwierigkeiten bereiten ihm da viel eher seine Energie und Einsatzfreude. Nach den ersten paar Tracks muss bereits sein Shirt dran glauben. Trotzdem keucht er bald ins Mikro, dass er nach der Performance unbedingt unter ein Sauerstoffzelt kriechen muss. Doch bis dahin erwarten wir Zuhörer also noch bisschen Arbeit.
Das Gezeigte sorgt diskussionslos für Spass. Sowohl die Shouts als auch der Klargesang funktionieren. Meines Erachtens stecken da ab und an Parallelen zu Dark Tranquillity drin. Während der zweitletzten Nummer «Choose Violence» macht der Fronter einen Mordssatz hinunter ins Publikum. Eine Aktion, die sogar «Edel-Hüpf-Fanatiker» Reto, der ebenfalls wieder fleissig vor der Bühne herumturnt, kurzzeitig ins Staunen versetzt. Jep, hier wird einem durchaus etwas für seine investierten Moneten geboten. Nach rund 50 Minuten dürfen sich die Herrschaften an ihren wohlverdienten Feierabendgetränken erfreuen.
Days Of Ruin
Seit 2017 treiben die Berner von Days Of Ruin ihr Unwesen auf unserem Erdplaneten. Seither haben sie sich offensichtlich eine nicht zu unterschätzende Popularität erarbeitet, denn die Met-Bar ist nun arg gut gefüllt. Jeder möchte einen brauchbaren Blick auf die Protagonisten erhaschen. Diese sorgen umgehend für Lacher, weil sie mit Weihnachtsmützen und Jason Voorhees-Hockeymasken ins Rampenlicht treten. Die anschliessend ertönende Musik passt effektiv zum gefürchteten Macheten-Killer vom Crystal Lake. Grob, brutal und mit destruktiven Allüren ausgestattet. Aber exakt das wollen die Besucher hören. Die Jungs werden bejubelt und frenetisch abgefeiert. Den von Anfang an erzeugten Dampf im Kessel können sie bis zum Ende ihres Sets erfolgreich beibehalten.
Sympathieträger der Gruppe ist eindeutig Frontmann Michael. Ein liebenswerter Kerl, der mit unterhaltsamen Sprüchen durch das Programm führt. Er outet sich unter anderem als «guter Mampfer» (insbesondere an Weihnachten) und man sehe ihm das ja auch an. Aber wer kann es ihm verübeln bei all den Leckereien, die einem an diesen Tagen aufgetischt werden. Diesbezüglich sind sicherlich alle von uns Sünder. Saitenhexer Denis scheint ebenfalls einen Hofnarren zum Frühstück verspeist zu haben, denn er trägt beinahe während des gesamten Gigs eine winterliche Bommelmütze auf dem Haupt (ich möchte gar nicht wissen, welche Temperaturen unter dem Ding herrschen!).
Habe ich schon das Publikum löblich erwähnt? Fantastisch, welch ausgelassene Stimmung die Fans dauernd erzeugen. Zwei Wall Of Death-Kollisionen, wildes Herumgehüpfe, Moshpits – da sind wahrlich fast alle Aktivitäten vertreten. Geschuldet ist dies glasklar dieser «headlinerwürdigen» Show des Quintetts. Musikalisch bewegen wir uns in den Sektoren von Hatebreed, Hellvetica und Lamb Of God. Wenn ich es richtig verstanden habe, spielt Trommler Enrico trotz gereiztem Kreuzband. Was ist denn das bitteschön für ein Teufelskerl !?! Ein Fall für die Kategorie «Genie und Wahnsinn». Zu dieser Feststellung meinerseits passt der Name des finalen Liedes «Mad House» ja perfekt. Hoffentlich lässt die nächste Begegnung mit Days Of Ruin nicht zu lange auf sich warten.
Written By Witches
Die letzten 45 Minuten des heutigen Konzertabends gehören Written By Witches. Bühnendekorationen wie ein Galgenstrick oder ein abgetrennter Fuss (samt Turnschuh) machen deutlich, dass es im Rahmen dieser kommenden Sequenz kaum zimperlich zu- und hergehen wird. Das Material der Jungspunde aus Zürich habe ich mir bereits im Vorfeld reingezogen. Gewisse Erwartungen wurden aufgrund dessen freilich geschürt. Das Gemisch aus Deathcore und Metalcore wirkt effektiv reizvoll.
Bedauerlicherweise vermag die Live-Umsetzung meine Freunde und mich nicht wirklich aus unseren Latschen kippen zu lassen… Ehrlicherweise ist es jedoch auch verflucht gemein, nach diesem sagenhaften Days Of Ruin-Abriss auftreten zu müssen. Da kannst du nur verlieren. Die Publikumsreihen haben sich ohnehin merklich gelichtet. Lediglich ein paar verbliebene Hartgesottene unterstützen den Vierer noch mit letzter Kraft.
Positiv hervorzuheben sind sicherlich die Deathcore-Passagen. Die knallen und passen. Dafür klingen die klargesungenen Abschnitte unangenehm schief. Zudem wird mir persönlich zwischen den Stücken zu viel belangloses und zusammenhangsloses Zeugs gequatscht. Sind die Jünglinge allenfalls schon müde oder haben sie bei den anderen Bands zu heftig gefeiert? Dass irgendwo ein Potenzial in ihnen schlummert, zeigen sie beim Suicide Silence-Cover «No Pity For A Coward». Aber da muss bei künftigen Darbietungen zwingend mehr kommen. Deswegen würde ich den «Hexen» anraten, zum Zeichenbrett zurückzukehren und ein paar Dinge nochmals zu überarbeiten.
Das Fanzit – Written By Witches, Days Of Ruin, Dark Gravity
Würde man einen Medaillenspiegel hervorkramen, ergäben die gezeigten Leistungen folgende Platzierungen. Gold gebührt verdient und mit Abstand den Herrschaften von Days Of Ruin, das silberne Schmuckstück sichern sich Dark Gravity und auf dem bronzenen Treppchen wären dann Written By Witches zu finden.
Ich danke euch wie gewohnt für das Studieren meines Artikels und wünsche euch einen gelungenen Jahresabschluss. Rutscht gut und gesund ins 2024 rüber, denn auch dort wartet wieder jede Menge Lektüre, die sowohl geschrieben als auch gelesen werden möchte. Metalinside.ch wird abermals als euer metallischer Begleiter figurieren. In diesem Sinne: «Show Your Metal!»
Setliste – Dark Gravity
- Genesis Of Behemoth
- New Order
- Hatefulcry
- Fields Of Agony
- Grateful Slave
- Extinction
- Infection
- Leviathan
- Hold On
- Illusion
- Choose Violence
- Oblivion
Setliste – Days Of Ruin
- Lorn
- Wake Up
- Your Own Way
- Form A Unit
- Hope’s Last
- Falling Sky
- Dusk
- Destroyed Desire
- The World Ended
- Fear Of Faith
- Mad House