She’s back
Shadow’s Far in der Met-Bar. Ürnersee South-Coast Thrash Metal. Geil, da muss ich hin. Die «andere» Band auf dem Flyer namens Bad Marilyn sagt mir nichts. Zumindest 50% vom Line-up ist definitiv Pflichtprogramm. Von Bad Marilyn lass ich mich überraschen und … das mit den 50% sollte anders kommen als gedacht.
Die Absage
Denn am Konzerttag kommt die Meldung aus dem Kanton Üri: Shadow’s Far müssen aus «gesundheitlichen Gründen» absagen. Ahh, das ist jetzt doof. Zu gern hätte ich die Thrasher wieder mal live gesehen. Das letzte Zusammentreffen ist doch schon wieder eine Weil eher. Wohl Ante-Corona. Nun, wir werden sehen, ob die Met-Bar so kurzfristig einen Ersatz findet. Ansonsten ist es heute voraussichtlich die komplette Neuentdeckung mit Bad Marilyn …
Das Wiedersehen
Doch so ganz eine Neuntdeckung sollte es doch nicht werden. Denn am Gesangsgerät ist eine junge Bekannte: Andrea Böll, die diese Rolle viele Jahre bei Infinitas innehatte. Seit einiger Zeit wartete man eigentlich auf diesen Moment, dass sie ihre sehr breitgefächerte Stimme wieder einer Band schenkt. Das ist doch für alle Beteiligten eine tolle Sache, dass dies jetzt und heute der Fall ist. Der Rest der Band sollte mir jedoch definitiv unbekannt sein.
Bad Marilyn
«Geniale Hooks, unverwechselbare Gitarrenriffs und eine vielseitige Frauenstimme, die von kraftvollen Extremvocals bis hin zu klarem Gesang alles beherrscht: Bad Marilyn ist eine Metalband, die man nicht vergisst.» So wurde die Newcomer-Band – die eigentlich schon länger unter anderem Namen bestand (den hab ich doch jetzt glatt vergessen) – damals auf das Konzert hin angepriesen.
Doch nach was hört sich das jetzt an, was wir heute in der gut gefüllten Met-Bar auf die Lauscher kriegen? Die Band bezeichnet das als «Power Metal with Death and Heavy Impact». Hm, ich weiss nicht, so klassisch als Power-Metal würde ich das jetzt nicht grad bezeichnen. Aber es ist auch eine ganz schöne Mélange aus so einigen Genres. Es ist auf jeden Fall schön sphärisch mit einer guten Prise 80er Synthi-Hardrock. Die eine Ballade hat einen starken Einschlag von Europe (das würde doch unserem Kaufi gefallen …). Nebst dem Hardrock, sind auch Modern und Symphonic Metal Pate gestanden. So oder so wird das Ganze stark von Andreas variantenreicher Stimme getragen, die den Genregulasch entsprechend befeuert. Auch Andri Leonardo am Keyboard ist stimmlich ein Aktivposten und macht auf Chor zusammen mit Andrea.
Nebst Andri ist auch David Craffonara an den vier fetten Saiten aktiv auf der Bühne unterwegs, während Sammy Lasagni an den zarteren Saiten einen Bewegungskreis eines Farin Urlaub aufweist. Also eigentlich keine Bewegung. Man merkt aber schon, dass es, obwohl es das erste offizielle Konzert von Bad Marilyn ist, – es gab noch ein Testkonzert mit eingeladenen Gästen –, alles sehr routinierte Musiker sind und dementsprechend auch so als Band wirkt. Andrea macht trotz längerer Band-/Live-Pause ihre Ansagen ohne irgendwelche Nervosität und in der von ihr bekannten jovialen Art. Sie stachelt auch erfolgreich zu einem Circle Pit an. Nicht nur daran, sondern allgemein scheint Drummer Armin Schöpfer seinen Gefallen zu haben. Er wirkt mit seinem Dauersmile wie der «Smetterling» aus der SRF-Serie «Tschugger». Den kann man ja eigentlich nur mögen.
Das würsch denä niä gäh
Das Publikum lässt sich mitreissen und begeistern. Die Dame schräg vor mir meint zu ihrer Begleitung: «Das würsch denä niä gäh». Nun, ob sie das auf die Band oder das Publikum bezieht, konnte ich mit meinen Notizen nicht mehr nachkonstruieren. Aber eigentlich passt es für beide Pole, die heute zusammenschmelzen, wie es nicht bei jedem Konzert in dieser Grösse der Fall ist.
Als ich mich so Mitte Konzert mal nach vorne rechts von der Bühne begebe, bin ich die Erweiterung der Groupie-Front, die ausschliesslich aus doch schon etwas angegrauten Herren besteht (da zähle ich den Metalinside-Hoffotografen Friedemann jetzt mal nicht dazu, der erledigt schliesslich wie gewohnt «nur» seinen hervorragenden Job). Diese Herren sind eher eine etwas mühsame Wand für unseren Friedemann. Denn sie sind praktisch alle am Dauerfilmen und halten ihm ihre Smartphones vor die Linse. Ich kann nicht ganz eruieren, ob sie wegen der Band oder vor allem wegen Andrea da vorne stehen. An den Aufnahmewinkeln zu beurteilen wohl tendenziell vor allem wegen Andrea. Die bleibt bei denen im Dauerfokus.
Eine knappe Reihe dahinter stehen zwei Bilderbuch-Harley-Typen mit fetten Bärten und verschränkten Armen. Sie wippen beide ihren Kopf synchron miteinander und der Musik – als würden sie das Ganze so abnicken. Sind das die persönlichen Bodyguards von Andrea, die schauen, dass es die Herren davor mit der Filmerei nicht zu fest übertreiben? Nun, falls ja, dann haben sie einen schlechten Job gemacht, denn das tun die definitiv. Irgendwie eine etwas schräge Geschichte. Erinnert mich ein bisschen an Babymetal vor ein paar Jahren im X-tra in Zürich.
Zwei Zugaben sind zwei zu wenig
Nun, ich gönne Andrea und der Band die Aufmerksamkeit, solange die nicht ins Negative kippt und in Stalkereien ausartet, ist ja alles schön und gut. Immerhin gibt es so keinen typischen «Ja-nicht-Auffallen-zwischen-Publikum- und-Bühne» Abstand.
Und die Stimmung ist nach wie vor gut, so dass sich auch der Gitarrist von links der Bühne nach rechts zu seinen beiden Kollegen gesellt und sich zu Posen anregen lässt. Da geht wohl einer innerlich grad ab und aus sich heraus. So fest, dass es im prompt eine Saite an seiner Lady butzt. Andrea fordert uns somit auf, wir sollen doch was trinken, bis die Holde wieder sechssaitig ist und wir zwei Zugaben erhalten.
Das machen alle schön brav und so werden aus zwei angekündigten Zugaben deren vier. Da ich anfangs wegen einem wichtigen Gespräch über unseren limitierten Metalinside-Met (mehr Infos) mit dem Met-Bar-Capo nicht ganz alle Songs mitbekommen hatte, kann ich jetzt nicht beurteilen, ob es sich bei der einen oder anderen Zugabe nicht um eine Wiederholung handelt. Meine Vermutung geht dahin, weil die Songs den aktiven Zuschauern schon geläufig zu sein scheinen und die Stimmung nochmals steigern.
Einen Tag später sendet mir Andrea die angepasste Setliste per WhatsApp und die bestätigt meine Vermutung. Drei der vier Zugaben wurden schon früher einmal im Set gespielt. Bei einer jungen Band, die noch nicht über einen riesigen Backkatalog verfügt und im Prinzip heute Abend zwei Slots füllen darf, ist das ja auch absolut legitim. Dem Publikum gefällt es auf jeden Fall. Und so sind doch alle glücklich.
Das Fanzit – Bad Marilyn
Ich gebs zu: Im ersten Moment hat es mich schon ein bisschen angegurkt, dass Shadow’s Fall abgesagt hatten. Ich musste mich entsprechend motivieren, doch noch, direkt nach einem gespielten Eishockey-Match in Luzern, nach Lenzburg zu fahren. Aber es hat sich schliesslich absolut gelohnt. Bad Marilyn haben die entstandene Lücke und die zwei Slots mit ihrem Genre-Potpourri gut ausgefüllt. In Zukunft muss man sich wohl noch etwas mehr auf eine klarere Linie fokussieren, einen eigenen Stil etablieren. Wird mit einer Sängern wie Andrea nicht ganz einfach, die mit ihrer Stimme halt auch viele Richtungen abdeckt. Doch mit der Routine, die die Band heute Abend live an den Tag gelegt hat, traue ich das diesen erfahrenen Musikern auch absolut zu, sich als feste Grösse in der Schweizer Metal-Musik-Landschaft zu etablieren.
Setliste Bad Marilyn
- I die inside
- Eye of the Snake
- Eternal Pain
- Legend of Salvation
- When She’s Gone
- Children of Tomorrow
- Perfect Moment
- Queen of Thunder
- Stay Awake
- Broken Days
- Retribution
- We will Rise
- Revolution*
- Perfect Moment*
- When She’s Gone*
- Children of Tomorrow*
*Zugabe