Schrei!nachten 2023
Wer nach Weihnachten Bock auf Metal hatte, war am 27. Dezember im Z7 genau am richtigen Ort. Die Apokalyptischen Reiter luden im Rahmen ihrer Schrei!nachten-Minitour zum Tanz. Wer Tanzpartner war? Equilibrium und Dominum!
Wenn deutsche Bands auf eine Mini-Tournee mit nur fünf Terminen gehen, bekommt die Schweiz davon meist nichts ab. Nicht so in diesem Fall! Neben den Stopps in München, Köln, Hamburg und Jena war auf den Postern nämlich auch das Wörtchen “Pratteln” zu lesen. Der Konzerttempel in der Nähe des Dreiländerecks würde sogar gut besucht sein, wie sich später herausstellt.
Dominum
Wie üblich muss der erste Act jedoch vor einem noch begrenzten Publikum ran. Im heutigen Fall verstärkt sich dieser Effekt wahrscheinlich ein bisschen dadurch, dass Dominum eine sehr junge Band sind, die noch nicht über besonders viele Fans verfügt. Ausser im Fall von Dutti! Der schwärmt mir nämlich schon auf dem Fussweg zum Z7 von deren Auftritt am Area 53 Festival vor. Soliden Power Metal sollen sie spielen, die Herren, und eine packende Zombie-Show liefern. Ja dann, ich bin gespannt!
In der Tat ist die Zombie-Thematik bei Dominum nicht von der Hand zu weisen, als sie mit dem ersten Song «Immortalis Dominum» die Bühne betreten. Sänger Dr. Dead, mit Frack, Zylinder und Gehstock ausgerüstet, ist noch am wenigsten verkleidet. Tommy (Gitarre), Patient Zero (Bass) und Victor (Drums) sind zwar auch nicht wirklich kostümiert, sollte es wohl den Eindruck erwecken. Auf Lordi- oder Gwar-Niveau befinden wir uns hier schon noch nicht. Aber Tommys konstant heraushängende Zunge und Patient Zeros Hautlappen über der Stirn sind schon etwas eklig.
Wie das Ganze klingt? Nun, der Sound der Nürnberger befindet sich irgendwo zwischen Heavy und Power Metal. Sie machen zugängliche Musik, mit der sie sich – das ist mein erster Eindruck – nicht sonderlich von anderen Bands dieser Genres abheben. Aber da sind noch die Ansagen von Dr. Dead! Diese sind völlig dem Zombie-Thema angepasst. Es passt alles ins Konzept, wenn der Züchter seiner Metalzombies davon spricht, dass Frankenstein Vergangenheit sei oder wenn er den Titeltrack des kommenden Albums «Hey Living People» als Warnung der Untoten an die Welt der Lebenden ankündigt. Was beim Publikum zwar gut ankommt, die Atmosphäre jedoch etwas kaputtmacht, ist das Covern von «You Spin Me Round (Like A Record)». Wurde das etwa reingepackt, weil der Name des originalen Künstlers, Dead Or Alive, entfernt zum Motto passt?
Wie dem auch sei, abgesehen davon kann ich der Show einiges abgewinnen! Dank einfach konstruierten Songs und den vielen Übergängen gestaltet sich der Auftritt sehr kurzweilig. Die Ansagen sind übrigens nicht alle gleich sinnfrei: Vor «We All Taste The Same» hält Dr. Dead zum Beispiel eine längere Ansprache, in der er zu gegenseitiger Toleranz aufruft.
Falls du, lieber Leser, die Band also noch nicht kennst, kann ich dir gerne das Debüt «Hey Living People» empfehlen, das Dominum zwei Tage nach dem Konzert veröffentlichten. Auf diesem befinden sich auch noch weitere Covers wie «Beds Are Burning» und «Bad Guy». Und als weitere Hintergrundinfo: Dr. Dead kennt man unter seinem bürgerlichen Namen Felix Heldt als Produzent, der schon mit verschiedensten europäischen Metalbands zusammengearbeitet hat (u.a. Visions Of Atlantis, Feuerschwanz, Hämatom und Schattenmann). Auch Bassist Patient Zero ist kein Unbekannter, spielt er den Tieftöner als Korbinian Benedict z. B. auch bei Ad Infinitum.
Equilibrium
Während dem Zombie-Spuk und der Umbaupause hat sich das Z7 nicht schlecht gefüllt. Weitherum sind vor allem Shirts von Equilibrium und der Apokalyptischen Reiter zu erkennen. Gerade auch in Gesprächen und während dem Feiern der zwei folgenden Bands drückt durch, dass viele der Anwesenden vor allem wegen einer der beiden Gruppen nach Pratteln gekommen sind. Dann wollen wir mal hoffen, dass alle während beiden Sets Spass haben!
Die meisten dürften es mitbekommen haben: Nachdem sich Equilibrium 2022 von ihrem Fronter Robse trennten, fanden die Bayern dieses Jahr in Fabian Getto einen Nachfolger. Bis zum Rockharz Festival blieb sein Name geheim, und erst beim Betreten der Bühne war klar, wer der neue Mann am Mikro sein würde. In diesem zugegeben sehr kurzen Set vermochte mich Fabi noch nicht restlos zu überzeugen. Glücklicherweise ist das heute kein Problem mehr!
Wie im Juli starten Equilibrium auch heute mit «Shelter», das sie damals ebenfalls live vorstellten, in ihr Set. Mit zusätzlichen Trommeln, die von den Nicht-Drummern gespielt werden, wird das Intro begleitet und dann gehts los! Der schnelle, melodiöse und von Samples geprägte Metal kommt heute sehr druckvoll daher. Zudem habe ich den starken Eindruck, Fabi habe gewisse Metalcore-Noten, die er am Rockharz noch in die Vocals reinbrachte, leicht zurückgeschraubt. Somit passen die Songs von vor seiner Ära wieder besser in das übliche Equilibrium-Schema. Wobei, wie soll ein solches überhaupt definiert sein? Nur schon zwischen den «Armageddon»-Songs «Prey», «Rise Again» oder «Heimat» und den nur drei Jahre jüngeren Titeln «Renegades – A Lost Generation» oder «Tornado» liegen ja schon Welten…
Aus einer nochmals anderen Sparte (obwohl auch auf «Armageddon» zu finden) kommt das ebenfalls mit Trommeln eingeläutete «Born To Be Epic» daher. Die Stimmung im Saal kocht während diesem Partyhit förmlich. Und bei aller anfänglichen Skepsis Fabi gegenüber muss ich eingestehen: Sein Style – schwarze Lederhose und übergrosses Strick-Oberteil – und auch sein selbstbewusstes Auftreten haben durchaus etwas Episches! Mit «Cerulean Skies» bekommen wir auch den zweiten mit ihm eingesungenen Song serviert, bevor es mit «Blut Im Auge» weitergeht. Wahrlich ein Equi-Klassiker! Mit «Apokalypse» schliesst der Fünfer ein Set, das sich gewaschen hat.
Ich bin gespannt, wie sich René, Dom, Skar, Hati und Fabi musikalisch weiterentwickeln. Zurück zu den im Pagan Metal angesiedelten Anfängen wird es wohl kaum gehen. Entwickelt das nächste Album den auf «Renegades» eingeschlagenen Weg mit dominantem Power Metal-Gesang und englischsprachigen Texten weiter? Oder bringt Fabi eine Metalcore-Tendenz ins Songwriting? Nun, darauf können wohl nur Equilibrium selbst eine Antwort liefern. Es bleibt spannend…
Setlist – Equilibrium
- Shelter
- Renegades – A Lost Generation
- Rise Again
- Tornado
- Born To Be Epic
- Prey
- Heimat
- Revolution
- Cerulean Skies
- Blut Im Auge
- Apokalypse
Die Apokalyptischen Reiter
In der Pause findet ein weiterer Komplettumbau statt. Die Sidedrops verschwinden, das riesige, über die ganze Fläche verzierte Equilibrium-Backdrop wird durch ein schlichtes, schwarzes mit den Worten “Die Apokalyptischen Reiter” ersetzt, rote Bleche und Stoffe werden aufgebaut.
Auch bei den Reitern gab es dieses Jahr personelle Wechsel. Im Juli schien es sogar kurz so, als stünde die Band vor dem Aus. Sir G. (Schlagzeug) und Ady (Gitarre) hatten ihren Austritt aus der Band bekanntgegeben. Und dies, wo doch schon 2021 Keyboarder Dr. Pest die Band verliess… Mit Titus konnten Fuchs (Vocals) und Volk-Man (Bass) ebenfalls am Rockharz einen neuen Gitarristen präsentieren. Und nach dem Sommer fand sich auch für Sir G., der die Band an den Festivals weiterhin unterstützte, ein Ersatz: Titus Bruder Rohgarr, heute mit schwarzer Schminke um die Augen, trommelt künftig für die Herren der Apokalypse.
Ihr Set starten die Reiter etwas weniger bombastisch als zuvor noch Equilibrium. Mit «Friede Sei Mit Dir» begrüssen die Thüringer das Schweizer Publikum und strahlen jede Menge Freude und Bodenständigkeit aus. Das erste Stimmungshighlight folgt jedoch schon bald: «Es Wird Schlimmer» beziehungsweise vor allem die Zeile “dann wetzen wir die Messer” wird lauthals mitgeschrien. Und schon beim Zwischenteil von «Revolution» setzt die Band auf Bühnenequipment: Auf einer Hebebühne und mit Fackel bewaffnet lässt sich Fuchs in die Höhe fahren, um auf dem Runterweg das markante “Go!” ins Mikro fahren zu lassen. Das Publikum nimmt den Sänger beim Wort und der bisher zögerliche Pit nimmt erstaunliche Masse an.
Spassig geht es weiter durch einen gelungenen Auftritt. Ob das kurzweilige, hauptsächlich auf Geschwindigkeit ausgelegte Drumsolo, das humoristische «Die Sonne Scheint» oder die orchestrierten Publikumsaktivitäten bei «Auf Und Nieder» (in die Knie gehen) und «Du Kleiner Wicht» (enormer, von Fuchs eingeforderter Pit): Die Apokalyptischen Reiter lassen heute nichts anbrennen. Mit «Volle Kraft» und «Wilde Kinder» schaffen es dann endlich auch noch zwei Songs des aktuellen Albums (Albumreview) ins Set. Wir begeben uns längst auf das Ende zu, als für «Seemann» noch einmal weitere Bühnendeko (ein riesiges Steuer und Neonspritzer-Outfits) hervorgeholt werden. Bei «Nach Der Ebbe» wird dann noch eine Zuschauerin in einem Gummiboot über die Menge geschickt. An einem der folgenden Konzerte soll sich dafür sogar – will man Videos auf Instagram glauben – Equilibrium-Schlagzeuger Hati dafür gemeldet haben. Mit einem hochkarätigen Abschluss, der unter anderem die neue Single «Adler Fliegen» und die Hymne «Reitermania» beinhält, beenden Apo Reiter ein unterhaltsames Set, das viele Besucher und auch das Z7 als wunderbaren Jahresabschluss abstempeln dürften.
Ich persönlich bin während und auch direkt nach dem Auftritt lediglich von der Setlist etwas enttäuscht. Objektiv betrachtet war diese zwar gar nicht so schlecht, doch vermisste ich darauf Titel des neuesten Albums oder auch Songs der härteren Gangart. Ein «Euer Gott Ist Der Tod» hätte sogar beides erfüllt. Dieser Track wäre zudem fast schon erwartbar gewesen, zumal die Reiter am Merchstand ein eigens dafür designtes Shirt verkaufen. Doch Setlists sind immer Geschmacksache und gerade bei Bands wie den Apokalyptischen Reitern, welche verschiedenste Musikrichtungen bedienen, können kaum alle Geschmäcker befriedigt werden. Und abgesehen von diesem Punkt kann man am Konzert wirklich nichts bemängeln!
Setlist – Die Apokalyptischen Reiter
- Friede Sei Mit Dir
- Der Adler
- Es Wird Schlimmer
- Herz In Flammen
- Revolution
- Riders On The Storm
- Drum Solo
- Die Sonne Scheint
- Auf Und Nieder
- Du Kleiner Wicht
- Volle Kraft
- Wir Reiten
- Erhelle Meine Seele
- Wilde Kinder
- Seemann
- Nach Der Ebbe
- We Will Never Die
- Adler Fliegen
- Reitermania
- Die Boten
Das Fanzit – Schrei!nachten 2023
Es war nicht die erste Weihnachtstour der Apokalyptischen Reiter (Schrei!nachten gab es schon 2018 mit Deserted Fear und Cypecore, und auch auf den Eisheiligen Nächten von Subway To Sally haben die Reiter sich schon mehrfach rumgetrieben), und wird hoffentlich auch nicht die letzte sein! Einen gepflegten Abriss in der Altjahreswoche, wie es der heutige einer war, dürfen Fuchs und Co. gerne auch in den kommenden Jahren veranstalten.
Dieser Dienstagabend war schliesslich ein voller Erfolg. Zwar schien es, als wären die meisten Besucher nur wegen einer der beiden Hauptbands angereist. Doch hatten wir die Möglichkeit, Dominum kennenzulernen, und den sehr starken Auftritten von Equilibrium und Apo Reiter sowie der brodelnden Stimmung vor der Bühne nach zu urteilen, hat sich während allen Sets kaum jemand gelangweilt. Spass vom Anfang bis zum Ende!