Heidevolks «Wederkeer»
Nach fünfjähriger Absenz kehrte die niederländische Equipe Heidevolk am Freitagabend ins Z7 zurück. Begleitet wurde sie dabei von Jonne und TVINNA.
Dieses Paket liess Erinnerungen an die legendären «Pagan oder Folk Metal-Nächte» in der altehrwürdigen Konzertfabrik aufkommen. Bedauerlicherweise wohnte dieses Mal jedoch bloss eine äusserst mickrige Publikumsmasse diesem Ereignis bei.
Mein erstes «Pratteln-Abenteuer» anno 2024 steht an! Ab geht’s in die Nordwestschweiz! Grund dafür ist eine Kapelle, die irgendwo zwischen den Bereichen Folk, Pagan und Viking Metal angesiedelt ist und – wie mir gerade auffällt – inzwischen auch bereits seit über zwei Dekaden aktiv ist. Krasse Sache! Aber Heidevolk besitzen fraglos ein spezielles Plätzchen in meinem Herzen. Dieser mehrstimmige, kräftige Männergesang verfügt einfach über eine eingebaute Hühnerhaut-Garantie. Ihre aktuelle Scheibe trägt den Namen «Wederkeer» und kam im Februar des vergangenen Jahres auf den Markt. Nun möchten uns die Herrschaften ihre neusten Kompositionen näherbringen und erhalten dabei Unterstützung von Nytt Land, Jonne und TVINNA. Ein saustarkes Paket, welches Folklore-Liebhaber lauthals jauchzen lässt.
Dummerweise wird die Tour von einem hinterlistigen Erkältungsgespenst heimgesucht. Der gestrige Gig in Berlin musste beispielsweise komplett abgesagt werden, um den Akteuren ein bisschen Erholung und Regeneration zu ermöglichen. Ein schlauer und weiser Schachzug. Lediglich das sibirische Schamanen-Pärchen Nytt Land muss noch etwas länger aussetzen und verzichtet deshalb auf das helvetische Gastspiel. Schade…, denn ich habe mich sehr auf diese Künstler gefreut. Sie sind ja nicht gerade Dauergäste in unseren Breitengraden. Aber die Gesundheit geniesst selbstverständlich Vorrang. Wir dürfen uns nichtsdestotrotz nach wie vor an drei Gruppen erfreuen und weitere Hiobsbotschaften scheinen ebenfalls nicht in Sicht zu sein.
Meine Freunde und ich trudeln exakt um 17.30 Uhr am Ort des Geschehens ein. Jep, die Öffnung der Pforten ist frühzeitig angesetzt. Da hätte mir jetzt also kein Chef mit irgendwelchen Überstunden oder sonstigen Sonderaufträgen ums Eck kommen müssen. Wobei – habe ich Türöffnung gesagt? Viel weiter als bis zum Vorhof der Halle kommen wir nämlich nicht, da drinnen noch der Soundcheck läuft. In solchen Fällen würde eine Aussenbar durchaus Sinn ergeben. Immerhin können sich die hungrigen Kollegen an Würsten und Fritten laben. Etwas später geht’s dann endlich hinein in die gute Stube. Zeit für den standesgemässen (weit über hundert Mal geübten) Ablauf: Merchandise-Inspektion, Genuss der ersten «Hopfen-Smoothies» und geduldiges Warten auf die erste Darbietung des heutigen Abends.
TVINNA
TVINNA sind exklusiv nur heute in Pratteln und morgen in Leipzig mit von der Partie. Durch die Adern dieser Band fliesst sowohl Kreativität von Eluveitie als auch von Faun. Dazu tragen massgeblich die Mitglieder Laura Fella (Gesang), Rafael Salzmann (Gitarre) und Alain Ackermann (Drums) bei. Fusioniert erzeugen sie Folk-Melodien, die mit elektronischen und progressiven Passagen angereichert werden. Auf mich wirkt das Gezeigte wie eine Coke Light (oder wahlweise Coke Zero) Variante von Heilung respektive eine etwas weichgespülte Art davon. Eigentlich würde die Musik zum Eintauchen einladen, aber ich kann mich irgendwie nicht auf diesen Trip einlassen (und das liegt wohl kaum nur am störenden Besucher-Geplapper in der näheren Umgebung). Vielleicht ist eine Halle schlichtweg der falsche Ort für die optimale Wirkung dieses Liedguts. An ein Dark Troll Festival (atemberaubende Burgruine!) oder einen Mittelaltermarkt auf einer Waldlichtung würden TVINNA garantiert hervorragend passen. Davon bin ich felsenfest überzeugt.
Bei meinem nächsten Spaziergang in der freien Natur – logischerweise ohne Graserzeugnisse oder ähnliche Substanzen zu paffen – werde ich es gerne einmal mit ein paar Songs der Truppe als dezente Hintergrundbeschallung versuchen (ihr werdet in der Diskographie der Formation nämlich unter anderem auf spannende Kollaborationen mit Eivør oder Fabienne Erni stossen). Lauras Stimmorgan vermag insbesondere in den hohen Tonlagen Hühnerhaut auszulösen. Ab und an schimmern sogar orientalische Abschnitte durch («Two Staves»), was ebenfalls zu gefallen vermag. Dafür überlasse ich die modischen Experimente lieber dem werten Herrn Salzmann. Meinen Badezimmerteppich oder einen meiner Vorhänge würde ich nämlich nicht unbedingt zu Kleidungsstücken umfunktionieren. Allerdings bin ich weder Fashion-Experte noch Trendsetter. Somit solltet ihr diesen Aussagen meinerseits nicht allzu viel Gewicht beimessen.
Jonne
Dreadlocks, Hut und ein breites Grinsen – so tritt der nächste Protagonist, der in metallischen Kreisen freilich kein Unbekannter ist, grundsätzlich immer in Erscheinung. Auf diese Accessoires und Eigenschaften setzt er auch heute im Z7. Die Rede ist von keinem Geringeren als Jonne Järvelä – seines Zeichens Frontmann der finnischen Humppa-Waldmenschen Korpiklaani. Eine Gruppe, die der Verfasser dieser Zeilen wohl noch nie in nüchternem Zustand erlebt hat. Aber das sind wiederum andere Geschichten.
Im Hier und Jetzt ist der ulkige Sänger mit seinem nach ihm benannten Solo-Projekt am Start. Wobei – ganz allein ist er trotzdem nicht. Jonne tritt gemeinsam mit seiner Partnerin Jaana Turunen auf. Huch, da klingelt es doch gleich in meinem Oberstübchen! Bewegt sich das Mädel zufälligerweise in derselben Blutlinie wie eine gewisse Tarja? Oder ist «Turunen» einfach das finnische Pendant zu «Meier» oder «Müller»? Suomi-Experten da draussen dürfen mich ungeniert aufklären. Derweil versuche ich mich wieder hauptsächlich auf die musikalische Leistung des Folk-Duos zu konzentrieren. Okay, einmal abdriften sei noch erlaubt. Jonne und Jaana – das tönt in meinem Schädel irgendwie fast nach Romeo und Julia. Die beiden sind jedenfalls überaus «herzig» zusammen.
Dieser finnische Exkurs holt mich mehr ab als die vorangegangene Performance von TVINNA. Bei dem einen oder anderen Stück könnte man allerdings fraglos darüber nachdenken, eine komplette Equipe einzusetzen, da einige Instrumente ab Tonband zu hören sind. Des Weiteren dürfte die Abmischung von Jaanas Trällerorgan locker ein wenig mehr Lautstärke vertragen. Ansonsten vermag der Gig von «Akusti-klaani» (Copyright by me!) zu gefallen. Jonne führt kumpelhaft durch das Set, winkt mir sogar zu (zumindest will ich das so glauben) und kündigt am Schluss an, dass er Mitte November dieses Jahres in den Konzerttempel zurückkehren wird. In Extremo, Korpiklaani und Rauhbein – diese Affiche verspricht alles andere als trockene Kehlen!
Heidevolk
Gegen 21 Uhr steigt der Headliner in den Ring. Irritiert lasse ich meinen Blick durch die Location schweifen. Wo stecken die Leute?! Diese gähnende Leere ist ja ein Armutszeugnis… Wie mir die Z7-Inventarfrau Carole erklärt, müssen die Musiker heute Abend mit kümmerlichen 200 Zuhörern auskommen. Autsch! In einer kleinen Location wäre das sicherlich wunderbar, aber in diesen Mauern lassen sich riesig klaffende Löcher in den Publikumsreihen miserabel verstecken. Da muss man regelrecht aufpassen, dass in den Verschnaufpausen zwischen den einzelnen Liedern nicht plötzlich eine fallende Stecknadel (oder alternativ ein Drumstick von Kevin van den Heiligenberg) die Stille durchbricht. Bezüglich Besucheraufmarsch hatte ich allerdings schon ein mulmiges Gefühl, als ich beim Fussmarsch zur Konzertfabrik gesehen habe, wie der Parkplatz-Wegweiser Richtung Halle zeigt. Das ist selten ein gutes Indiz.
Wie dem auch sei, ändern können wir es jetzt eh nicht mehr. Es gilt, das Beste aus der Situation rauszuholen. Und genau das scheint den Herrschaften von Heidevolk wahrlich zu gelingen. Im Vergleich mit ihren beiden Vorgruppen sind sie mit ihrem Sound deutlich härter und rasanter unterwegs. Der hochgelobte, mehrstimmige Gesang entfaltet abermals seine gesamte Wirkung und lässt die Härchen auf meinen Armen strammstehen. Der erst seit zwei Jahren im Mikrofon-Dienst stehende Daniël Wansink hat sich ausgezeichnet in das bestehende Gefüge integriert und macht einen tollen Job. Generell merkt man allen sechs Jungs überhaupt nicht an, dass Teile von ihnen gestern noch krank waren.
Die Songauswahl funktioniert. Titel wie «Schildenmuur» motivieren mich, gleich selbst an einer Wikingerschlacht teilzunehmen und anschliessend den glorreichen Sieg zu besingen (Mit-Metalinsider Raphi hatte beim letztjährigen Dark Troll Festival offenbar eine etwas andere Meinung zu dieser Nummer). Nichtsdestotrotz werden immer noch die älteren, klassischen Hymnen à la «Saksenland», «Nehalennia» oder «A Wolf In My Heart» am lautesten bejubelt und beklatscht. Ein kleiner Moshpit tobt ebenfalls. Und weiter vorne erspähe ich ein süsses Plüschmammut, welches munter herumhüpft. Das Rüsseltier wartet logischerweise geduldig auf «seinen» Track. Oh ja, «Vulgaris Magistralis» sorgt definitiv für Eskalationsschübe und heizt die Stimmung an. Unsere «Chaoten-Feier-Meute» gibt sowieso alles. Gerstensaft rinnt in Strömen die Kehle herab. Dröhn-Birne und Heiserkeit sind für den morgigen Tag bereits fix eingeplant. Die üblichen Nachwehen eines Heidevolks-Auftritts. Zur Belohnung – und möglicherweise als wichtige Erinnerungsstütze – gibt’s im Anschluss noch ein paar Fotos mit den Herrschaften in der Nähe der Merch-Ecke.
Das Fanzit – Heidevolk, Jonne, TVINNA
Heidevolk und Jonne waren super. Ich wünsche ihnen viel Erfolg und möglichst wenig Schnupfen für die restliche Tour! Rätsel gab mir hingegen die armselige Besucherzahl auf… Eventuell müssten die Niederländer bei ihrem nächsten Gastspiel auf helvetischem Grund einen kleineren Laden mit ihrer Anwesenheit beehren. Optionen wären schliesslich ausreichend vorhanden. Das Erreichen einer anständig gefüllten Konzertfabrik Z7 scheint für sie wohl leider immer noch ein paar Schuhnummern zu gross zu sein.
Setliste – TVINNA
- Inside – The Dark
- 12
- Louga
- The Gore
- Sunna
- Wings Of Ember
- Nénuphar
- Fortress
- Kreiz
- Two Staves