Die Legende des «Disney-Wikingers»
«Social Media»-Sensation Peyton Parrish gastierte am Mittwochabend im Komplex 457. Er nahm das Publikum mit auf eine Reise durch die Welten von Walt Disney, den Wikingern und eigenen Kompositionen.
Im Vorfeld versuchte Dr. Dead mit seinem Dominum-Projekt uns alle in metallische Untote zu verwandeln. Ob er damit wohl Erfolg hatte?
Veranstalter Mainland Music tut es schon wieder! Nachdem im November des vergangenen Jahres Halocene im Komplex Klub zu Gast waren, lotsen sie dieses Mal erneut eine Entdeckung aus den sozialen Medien nach Zürich-Altstetten. Die Location bleibt zwar dieselbe, aber wir wandern vom kleinen Keller in den grossen Konzertsaal im Obergeschoss. Dieser wird in Bälde von Peyton Parrish (oder «Disney-Wikinger – wie ich ihn liebevoll nenne) eingenommen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der US-amerikanische Sänger insbesondere mit von Nordmännern und dem «Mickey Mouse»-Unternehmen inspiriertem Liedgut auf TikTok und Co. zu beachtenswerter Popularität gekommen ist. Sein Cover des aus dem Videospiel «Assassin’s Creed Valhalla» stammenden «My Mother Told Me»-Tracks schaffte es sogar in die Fernsehserie «Vikings». Ich bin freilich gespannt, was für eine Art Auftritt uns heute Abend erwartet
Aber ehe der Headliner loslegt, dürfen Dr. Dead und seine selbst gezüchteten «Metal-Zombies» umherschlurfen. Dominum waren für meine Freunde und mich DAS Highlight an der letztjährigen Ausgabe des Area 53-Festivals in Österreich (und dies notabene an ihrem ersten Open Air-Gig überhaupt!). Ich würde ihnen wünschen, dass sie auch in der Schweiz viele neue Fans für ihre Sache gewinnen können (einen kleinen Vorgeschmack erhielt die helvetische Zunft ja kurz vor Ende 2023 als Dominum die «Apo-Reiter» im Z7 unterstützt haben). Bevor wir uns vollends auf die Musik einlassen, möchte ich zudem noch einen interessanten Fakt erläutern, den ich von Besucher Mac ‘N’ Roll (seines Zeichens Roadie von Crystal Ball und Hüter der Hall Of Fame-Events-Technik) erfahren habe. Dr. Dead sei offenbar «im normalen Leben» der Mischer von dArtagnan. Da lernt man wieder was! Das dürfte dann auch gewisse Verbindungen erklären.
Dominum
Die Hütte ist sehr gut gefüllt. Keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass parallel noch die Architects in der Dübendorfer Hall aufmarschieren. Aber wir wollen hier ja jetzt keine spektakulären Bauten entwerfen, sondern ein paar Hirnfressern und ihrem verrückten Schöpfer beim Musizieren lauschen. Ring frei für Dominum!
Versuchen wir zuerst einmal den Sound der Nürnberger irgendwie zu charakterisieren. Meines Erachtens bewegen sie sich zwischen Power Metal (Avantasia, Powerwolf) und melodiösem Hardrock (Kissin’ Dynamite). Das gewinnt fürwahr keinen Innovationspreis, geht dafür jedoch unfassbar toll ins Gehör. Man kann sogar von einer hypnotisierenden Wirkung der Tracks sprechen. So verwandelt sich beinahe der gesamte Saal in eine folgsame Zombie-Horde, die gebannt den Ansprachen des Doktors lauscht. Der geizt überhaupt nicht mit humorvollen Sprüchen. Er benötigt beispielsweise unsere volle Unterstützung bei «solchen Metal-Sachen» wie Fingerschnippen.
Die Hingabe, mit welcher das Quartett das Thema der wandelnden Leichen inszeniert, ist absolut lobenswert. Und das liegt nicht ausschliesslich an den Kostümen der einzelnen Protagonisten. Die Details sind in den jeweiligen Nummern zu finden, welche sich effektiv praktisch allesamt mit dem Zombie-Universum befassen. Diese Kreaturen sind bekanntermassen «Half Alive» und für sie schmecken wir lebendigen Fleischlieferanten ohnehin alle gleich («We All Taste The Same»). Geschichten wie «Danger Danger» oder «Frankenstein» sind waschechte Ohrwurm-Parasiten. Diesen Dingern kannst du nicht entkommen – keine Chance! Mit dem heute frisch veröffentlichten «Rock You Like A Hurricane» folgt ausserdem noch eine Hommage an die Scorpions. Für meine Kollegin Sarah und mich steht fest, dass wir uns später nach der Darbietung des Headliners definitiv noch zur Merch-Ecke schleichen, um hoffentlich ein gemeinsames Erinnerungsfoto mit Dominum zu ergattern.
Peyton Parrish
Der werte Peyton Parrish geht kurz nach 21 Uhr gemeinsam mit drei Kumpels (mit den Funktionen Gitarre, Bass und Drums) an den Start. Allerdings kann ich deren Identitäten nirgends eruieren. Sie halten es diesbezüglich ähnliche wie der Sänger selbst. Über ihn lässt sich im Netz nämlich auch kaum etwas herausfinden. In der heutigen Zeit allenfalls vielleicht nicht die dümmste Idee, wenn man seine Privatsphäre – so gut wie möglich – vor den neugierigen Augen der Öffentlichkeit verbergen möchte. Anders sieht es hingegen beim musikalischen Schaffen und der Live-Performance aus. Und exakt diese beiden Aspekte sind für unsere Berichte sowieso wichtiger. Aufgrund dessen werde ich mich nun gerne darauf fokussieren.
Optisch sieht der Maestro ehrlich gesagt nicht mehr sonderlich «wikingermässig» aus. Der Bart wirkt ziemlich gestutzt und so würde der gute Mann tendenziell eher als Traumschwiegersohn für so manche anwesende Mutter im Raum durchgehen. Die ersten paar Songs lösen bei mir keine Euphorie aus. Erst mit dem Cover der The Cranberries-Überhymne «Zombie» (nein, das ist jetzt bloss purer Zufall und hat nix mit Dominum zu tun) hat er mich im Sack. Die Mädels um mich herum kreischen eh fast ununterbrochen (die Verwendung von Oropax erweist sich in diesen Augenblicken ohne Zweifel als Segen).
Peyton erweckt einen motivierten Eindruck und versprüht ansteckende Energieschübe. Zudem agieren er und seine Mitstreiter unglaublich abgebrüht (als ob sie schon eine gefühlte Ewigkeit in diesem Business tätig wären). Der zweite Abschnitt der Show lässt dann die Herzen der Disney-Jünger höherschlagen (selbst das gigantische Backdrop wird samt Schriftzug des Künstlers entsprechend angepasst). Bedauerlicherweise sitze ich bei diesen Filmen (und den damit verbundenen Soundtracks) nicht mehr allzu sicher im Sattel. Zu meiner Verteidigung ist anzumerken, dass teilweise auch äusserst unbekanntes Material zum Handkuss kommt. Ich erkenne irgendetwas von «Mulan», Hercules» und «Pirates Of The Caribbean». Bei anderen Stücken schaue ich hingegen in die Röhre…
Dafür ist der dritte und finale Show-Part wiederum genau mein Ding. Jetzt werden die axtschwingenden Nordmänner besungen. Die Metalheads im buntgemischten Publikum scheinen wahrlich dieser Sequenz entgegengefiebert zu haben. Der Titel «Draugr», welcher Peyton lediglich zusammen mit seinem Trommler vorführt, ist ein echter Hühnerhaut-Garant! Der Ekstase-Level steigert sich konstant und erlebt schliesslich seinen Höhepunkt im Zugaben-Block, der sowohl aus «Valhalla Calling» als auch «My Mother Told Me» besteht. Emotionaler und besser hätte Mister Parrish das Baby kaum ins Ziel schaukeln können. Dafür erntet er verdientermassen tonnenweise Applaus.
Das Fanzit – Peyton Parrish, Dominum
Was sagt das Résumé des heutigen Abends? Dominum agierten fraglos überzeugend. Man darf gespannt sein, wohin die Reise für Dr. Dead und seine gezüchteten Untoten noch führen wird. Von der dargebotenen Peyton Parrish-Trilogie hat mir insbesondere das «Viking»-Kapitel gefallen. Wohingegen die Spielzeit des Headliners mit 70 Minuten leider ein bisschen knapp ausgefallen ist. Des Weiteren vermochte die Soundqualität, welche in diesem Laden des Öfteren kritisiert wird, nicht durchgehend zu glänzen (aber mit diesem Problem hatten beide Gruppen zu kämpfen).
Setliste – Domnium
- Imortalis Dominum
- Danger Danger
- Better Shoot Yourself
- Half Alive
- Frankenstein
- Hey Living People
- Rock You Like A Hurricane (Scorpions-Cover)
- We All Taste The Same
- Patient Zero*
*Zugabe