Metalinside.ch – DragonForce – Komplex 457 Zürich 2024 – Sandro
Sa, 16. März 2024

Amaranthe, DragonForce, Infected Rain

Komplex 457 (Zürich, CH)
24.03.2024

AmaDragon!

Nach ihrer erfolgreichen US-Tournee Ende letzten Jahres schienen Amaranthe und DragonForce einer Meinung zu sein: Eine Fortsetzung dieses spektakulären Musikerlebnisses in Europa war ein Muss.

So sollte es Mitte März 2024 im Komplex 457 zu einem Co-Headliner-Gig der ganz besonderen Art kommen. Als Special Guest waren darüber hinaus Infected Rain gebucht. Ein Billing also, das es in sich hatte! Und dementsprechend hatte die Party bereits im Vorfeld für genügend Ekstase in den Fanlagern gesorgt, sodass man schon Tage vor dem Happening auf allen sozialen Kanälen ein fettes „Ausverkauft“ für Zürich lesen konnte. Wie bei nahezu allen Auftritten des schwedisch-englischen Duos, wohlgemerkt. Beeindruckend! Ob die Vorschusslorbeeren gerechtfertigt waren?

Infected Rain

Was für ein fulminanter Auftakt des heutigen Konzertreigens, den die Metalcorer aus dem Binnenstaat Moldawien da auf die Bretter stampfen. Wobei, ich greife vor. Aber allein die Tatsache, dass Schiessbudenbetreiber Eugene Voluta neben Tieftönermaid Alice Lane als so etwas wie der ruhende Pol der Truppe bezeichnet werden kann, spricht Bände. Unglaublich, mit welcher unbändigen Energie das Quartett zu Werke geht.

Kommt verschärfend hinzu, dass die Tattoo-bemalte Frontdame Elena „Lena Scissorhands“ Cataraga wahrlich mit einem brachialen Stimmorgan gesegnet ist, das wohl locker Stahlbeton schneiden könnte. Mein lieber Scholli, was für eine schweisstreibende Angelegenheit – und haarig obendrein, denn was sie – wie Gitarrist Vadim „Vidick“ Ozhog – da an Rasta-Pracht durch die Lüfte peitschen, muss man irgendwie einfach miterlebt haben.

Und auch musikalisch wird alles andere als biedere Schonkost geboten! Mächtige Riffs duellieren sich mit knackigen Drumbeats und dem kruden Timbre dieses zur Frau gewordenen Duracell-Häschens (was keineswegs eine Anspielung auf das Äussere von Fronterin Elena sein soll – bei ihr würde mir als Vergleich eher so etwas wie Säbelzahntigerin einfallen). Dementsprechend bewegt sich auch die Stimmung von Anfang an auf einem erfreulich hohen Niveau!

Wenig überraschend konzentriert man sich in den Reihen der Moldawier auf das im Februar bei Napalm Records erschienene Werk „Time“, das irgendwie zwischen melodiös und doch knüppelhart mäandert und dem bis auf den allerletzten Platz gefüllten Saal (bzw. den Leuten darin) gehörig einheizt.

Natürlich gibt es auch das beliebte „wir knien uns jetzt alle hin, verharren kurz in einer mehr oder weniger bequemen Haltung und springen dann wie eine Sprungfeder in die Luft“. Im Prinzip ganz lustig, aber bei der vorherrschenden Arm- und Beindichte muss man fast froh sein, wenn man sich nicht versehentlich mit dem Metalhead von nebenan verheddert.

Ferner wird das wilde Treiben auf der Bühne aus dem Umfeld des Quartetts fleissig und aus verschiedenen Blickwinkeln gefilmt (sogar über eine sehr, sehr lange Stange, die die Band aber optisch geschickt auszublenden scheint). Man darf gespannt sein, was mit dem so gewonnenen Material noch alles angestellt wird.

Alles in allem liefern Infected Rain einen mehr als überzeugenden Auftritt ab und empfehlen sich nachhaltig für weitere Konzertbesuche. Und da das Publikum nun so schön auf Betriebstemperatur ist, steht der grossen Doppelsause nun wirklich nichts mehr im Wege (ok, bis auf die Umbaupause, aber auch die nehmen wir mit einem Lächeln).

Amaranthe

Ebenfalls mit einer neuen Scheibe am Start sind unsere Love-them-or-hate-them-Metaller von Amaranthe. „The Catalyst“ heisst ihr mittlerweile siebtes Studioalbum und macht im Prinzip da weiter, wo „Manifest“ vor rund dreieinhalb Jahren den letzten Meilenstein gesetzt hat – nur vielleicht noch einen Tick extremer in der Ausprägung. Beste Vorbereitungslektüre also für das, was nun kommt!

Wie gewohnt wechseln sich bei den Schweden (mit dänischem Schlagzeuger – wobei wir Morten seit seiner Heirat mit Melissa Bonny ja schon fast als „einen von uns“ betrachten) die drei Stimmen von Elize, Nils und GG… Korrektur, natürlich Mikael, perfekt im Soundgefüge ab – ein (ich nenne es mal grossspurig) Alleinstellungsmerkmal, das zu den ganz grossen Stärken dieser Truppe zählt. Und im Vergleich zu teilweise früheren Auftritten sitzen die einzelnen Einsätze wie generell die Gesangsleistung heute Abend wirklich ausgezeichnet. Wobei… naja, wir befinden uns ja im Komplex 457, quasi der Hochburg der soundtechnischen Achterbahnfahrten. Und leider haben die Mixer heute Abend einen ihrer nicht unbedingt besten Tage erwischt. Etwas, das bei dem doch recht wilden All-In-Ansatz des Amaranthe’schen Klangerlebnisses rasant zu einem undurchschaubaren musikalischen Potpourri führen kann – respektive auch tut. Nicht, dass es nicht auch lichte Momente geben würde: Denn gerade bei „Strong“ hat man am Mischpult das Ganze für einmal so gut im Griff, dass die wahre Stimmgewalt der drei (Mikael zählen wir hier auch in temporärer und dem Lied geschuldeten Abwesenheit einfach mal dazu, denn seine Performance stand Elize und Nils generell in nichts nach) für einmal so richtig glänzen konnte. Hühnerhaut pur, wenn’s denn eben mal stimmt. Aber meistens ist’s soundtechnisch gesehen leider zappenduster.

Doch richten wir den grellen Scheinwerferstrahl noch für einen Moment auf „the new face“, Mikael Sehlin, der nach dem Ausstieg des selbst ernannten Growling Gods 666 (bürgerlich: Henrik Englund Wilhelmson; oder kurz GG6) in die nicht ganz so kleinen Fussstapfen seines Vorgängers getreten ist. Im Vergleich dazu wirkt der ebenfalls aus Stockholm stammende Growler nicht ganz so, nun ja, extrovertiert, sondern fügt sich eher nahtlos in das Live-Gefüge des Sextetts ein. Song- bzw. Band- dienlich würde ich sein Auftreten auf ein Wort herunterbrechen. Auch die Körpersprache ist irgendwie eine andere. Und er macht seine Sache wirklich verdammt gut, metzelt beim Growl-Titel par excellence „Boom!“ mit seinen kehligen Stakkatos ganze Zombiehorden im Alleingang nieder! Nice (naja, nicht aus Sicht der Untoten, ich weiss).

Nicht minder erwähnenswert sind auch die Leistungen der beiden nicht immer ganz so doll im medialen Vordergrund stehenden Morten (Schlagzeug) und Johan (Bass). Etwas, das auch einmal explizit erwähnt werden sollte (siehe auch unser Interview mit Olof), schliesslich hat man bei Amaranthe in der Regel das trällernde Trio sowie Mastermind Olof auf dem Radar. Wobei ja gerade der Herr des Tieftöners eine ziemliche strube visuelle Kehrtwende hingelegt hat. So wie er da mit Weste und Krawatte auf der Bühne steht, hat er zumindest äusserlich nicht mehr viel mit seinem früheren Ich gemein.

Die Edelballade „Amaranthine“ war für mich in der Vergangenheit zumindest live immer eine Art Wechselbad der Gefühle. Was Miss Ryd hier an stimmlicher Varianz bereits schon alles ausprobiert hat, geht wohl auf keine Kuhhaut – und klang leider auch manchmal wie wiedergekäut (man möge mir diese nicht ganz so nette Einschätzung verzeihen). Und ich kann sie ja verstehen, denn schliesslich und endlich geht einem irgendwann auch das allerschönste Lied einfach nur noch auf den Zeiger. Aber was Elize heute am Anfang mit dem Titel macht, haut mich schlichtweg aus den Socken. Es klingt, als würde sie beim Superbowl tief in sich gekehrt die National Anthem herunterbeten. Ganz grosses Kino!

Das ziemlich auf Elektro getrimmte „Re-Vision“ kommt (zu meinem Erstaunen) bei der wild feiernden Menge ebenso gut an wie das übergrosse „Strong“ (siehe auch oben), bei dem Nils den gesanglichen Part von Noora Louhimo (Battle Beast) übernimmt und ihr dabei in keinster Weise nachsteht. Welche weiteren Highlights gilt es sonst noch speziell hervorzuheben? Sicherlich „Fearless“, das, wie damals von mir prophezeit, „Maximize“ endgültig als Opener abgelöst hat (zur Album Review). Dann das abwechslungsreiche „Damnation Flame“, bei dem wohl auch ein klein wenig Elizes Liebe zu Musicals durchschimmert (zum Interview) sowie „The Nexus“, das als Hüpfnummer par excellence kaum mehr aus dem Set wegzudenken ist. Auffällig auch, dass Amaranthe in ihrer Setlist nicht auf einen kompakten Balladenblock setzen, sondern immer wieder schnellere Nummern dazwischenschieben, sodass der eigene Herzschlag nie in Richtung entspanntem Ruhepuls abzusinken droht.

Bei den Zugaben lassen Amaranthe ohnehin nichts mehr anbrennen: Arch Angel wird genauso frenetisch gefeiert wie dieser Song (ok, klingt geschrieben nicht ganz so cool wie gedacht. Dann eben „That Song„). Und weil zum Abschluss mit „Drop Dead Cynical“ das euphorisierende Pendant zu Delains „We Are The Others“ ausgepackt wird, strahlen Publikum und Band zum Schluss wie Honigkuchenpferde um die Wette. Das von Elizes Händen geformte Herz bedarf da keiner weiteren Erklärung! Erstklassig!

DragonForce

Heute ist einer dieser Tage (gemäss Olof von Amaranthe: fünf), an denen DragonForce als letzte Band auflaufen und somit den Abend beschliessen. Da der Adrenalinspiegel nach den ersten beiden Formationen bei vielen wohl schon einen Wert erreicht hat, der jeden Arzt der Ohnmacht nahe bringen würde, ist die Stimmung von der ersten Sekunde an gigantisch. Und auch wenn die Extrem-Power-Metaller auf dem Papier mit „nur“ zehn Songs ein kürzeres Set hinlegen, handelt es sich selbstverständlich um eine waschechte Doppel-Headliner-Kiste. Die Tracks der Londoner sind nun mal länger als die ihrer schwedischen Freunde, sodass beide Truppen auf rund 75 Minuten Spielzeit kommen.

Wie bereits während der Umbaupause ersichtlich, gestaltet sich die Bühnendeko im Vergleich zu ihrem letzten Auftritt auf Schweizer Boden (The Hall anno 2022; zur Review) – ich nenn’s mal: ähnlich. Flankiert wird die Spielfläche von zwei überdimensionalen Arcade-Automaten, die gleichzeitig auch als nach oben erweiterte Auslauffläche für die beiden Gitarristen dienen (Höhenangst sollte man nicht haben, zumal die rückwärtig angebrachten Stufen recht steil erscheinen). In Dübendorf hatten diese Konstruktionen, die mich arg an meine Kindheit erinnern, noch einen gewissen Retro-Charme, auf der nicht ganz so breiten Bühne des Komplexes wirkt das Ganze jedoch etwas sperrig. Man stelle sich vor, DragonForce hätten links und rechts je zwei dieser Dinger aufgestellt. Dazwischen wäre noch ein kleiner Spalt geblieben, und die ganze Band hätte sich wohl oben auf den Arcade-Geräten ausgetobt – Nackenstarre beim Publikum am nächsten Tag inklusive.

Wie nicht anders zu erwarten, zeigt sich das Quintett äusserst spielfreudig und motiviert – und wickelt damit so ziemlich jeden in Warp-Geschwindigkeit um den Finger – Widerstand zwecklos. Als zu „Power Of The Triforce“ (von der neuen Scheibe „Warp Speed Warriors“; ja, auch die Briten haben einen neuen Silberling im Gepäck, den es live zu promoten gilt) ein übergrosses Plüschhuhn über den Köpfen resp. Händen der Zuschauer seine Kreise zieht (und es sogar bis hinauf auf den Balkon schafft!), gibt es eh kein Halten mehr. Wie dann auch später bei den beiden vorgetragenen Cover-Versionen. Cover-Versionen? Jep, DragonForce sind sich nämlich nicht zu schade, mal eben die Titanic zu heben und damit Celine Dions Überhit „My Heart Will Go On“ auf ein neues Taktlevel zu hieven (bei der angestimmten Schlagzahl hätte Leonardo DiCaprio dann locker Wasserski fahren können). Zudem werden etwas zurückversetzt auf der Bühne links und rechts noch zwei aufblasbare Drachen in Position gebracht (nun wird’s wirklich etwas eng da oben). Und auch der Taylor Swift – Track „Wildest Dreams“ wird in ein drachenstarkes Gewand gestülpt. Frontmann Marc Hudson: „Wir dachten, es wäre cool, bei einem Song von Taylor Swift mal einen Circle- oder Moshpit zu sehen“. Sein Wunsch ist der feiernden Menge Befehl. Und selbst Crowdsurfer sind im Komplex 457 schnell auszumachen – Metal-Herz, was willst du mehr?

Na ja, vielleicht Elize bei „Doomsday Party“. Klar, diesen Track würden wohl die wenigsten Fans als Blaupause für einen Song der Londoner Truppe verorten – und doch schwingen eine Menge 80er Vibes mit, die letztlich irgendwie (zumindest für mich) ins Gesamtbild passen. Nicht, dass ich die Stimme der Amaranthe-Frontfrau beim heutigen Auftritt der Drachen gross vermisst hätte. Strophe, Refrain, alles klingt perfekt und wie aus einem Guss. Bis auf eben diesen einen emotionalen Meltdown direkt nach dem obligatorischen Gitarrensolo, den eben nur jemand wie Miss Ama so hinkriegt. Vielleicht kommen die Zuschauer ja beim finalen Auftritt in London zum wohltönenden Handkuss – was mir dann halt als „nur zum Tourabschluss“-Gedönse ziemlich gegen den Strich geht. Aber das ist ein anderes Thema. Interessanterweise gibt es keinen Zugabeblock – was vielleicht an der eingangs erwähnten, eher seltenen Reihenfolge der Auftritte liegen könnte.

Was mich an diesem Abend aber wirklich umhaut: Mein Handy (Pixel 8) ist so eingestellt, dass es Songs sehr treffsicher erkennt und sowohl Lied wie Interpret automatisch anzeigt. Funktioniert bei Titeln ab Radio oder PC durchwegs sehr gut. Dass es aber bei einem Auftritt von DragonForce auch deren live rausgehauenes „Fury Of The Storm“ identifiziert, überrascht mich dann doch. War wohl einer dieser lichten Momente im ansonsten eher krächzenden Klanggetümmel…

Fanzit eines Neo-DragonForce-Fans: Sehr geile Show, sehr viel Action, sehr viel von allem, was glücklich macht. Sehr gerne mal wieder!!

Das Fanzit – Amaranthe, DragonForce, Infected Rain

Dem frenetischen Jubel, den in die Luft gereckten Fäusten und den vielen glücklichen Gesichtern nach zu urteilen, war es in der Tat höchste Eisenbahn, diese energiegeladene Doppel-Nummer auch auf Europa loszulassen. Beide Headliner lieferten auf sehr hohem Niveau ab, wurden aber leider manchmal durch eine nicht über alle Zweifel erhabene Soundqualität in ihrer Entfaltung gehemmt. Auch die als Opener fungierenden Infected Rain machten ihre Sache ausgezeichnet. Wer bei dieser Eskalations-Triplette die Füsse (und den Nacken) ruhig halten konnte, sollte sich vorsorglich auf akute „Scheintotitis“ untersuchen lassen 😉

Und für alle, die diese aussergewöhnliche Sause verpasst haben – oder es noch einmal so richtig krachen lassen möchten: Sowohl DragonForce als auch Amaranthe werden dieses Jahr bei Rock The Lakes zu Gast sein *freu*!

Setlist Infected Rain

  1. A Second Or A Thousand Years
  2. The Realm Of Chaos+
  3. Pandemonium
  4. Vivarium
  5. Fighter+
  6. Dying Light
  7. Never To Return
  8. Because I Let You
  9. Sweet, Sweet Lies

Setlist Amaranthe

  1. Fearless
  2. Viral
  3. Digital World
  4. Damnation Flame
  5. Maximize
  6. Strong
  7. PvP
  8. Crystalline
  9. The Catalyst
  10. Interference
  11. Re-Vision
  12. Boom!1
  13. Amaranthine
  14. The Nexus
  15. Archangel*
  16. That Song*
  17. Drop Dead Cynical*

* Zugabe

Setlist DragonForce

  1. Revolution Deathsquad
  2. Cry Thunder
  3. Power of the Triforce
  4. Soldiers of the Wasteland
  5. The Last Dragonborn
  6. Fury of the Storm
  7. Doomsday Party
  8. My Heart Will Go On (Céline Dion cover)
  9. Wildest Dreams (Taylor Swift cover)
  10. Through the Fire and Flames

Fotos – Amaranthe, DragonForce, Infected Rain


Wie fandet ihr das Konzert?

24.03.2024
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