Bei Distant Past auf Studiovisite
Mit «Solaris» hat die Schweizer Heavy Metal-Band Distant Past ein neues Album in den Startlöchern. Um über die Hintergründe des Entstehungsprozesses und die Geschichte rund um das Album zu sprechen, lädt das Mastermind hinter der Band Adriano Troiano Metalinside in sein Home-Studio ein.
Nieselregen tropft vom Himmel. Es ist kühl. Die Strassen sind leer – niemand verspürt bei diesem Wetter Lust auf ausgedehnte Spaziergänge. Trotz allem ist die friedliche ländliche Idylle des Berner Dorfes unverkennbar, in dem Adriano Troiano im Keller seines Wohnhauses ein gemütliches Studio eingerichtet hat.
Seit 2002 produziert er hier unter dem Namen „Distant Past“ leidenschaftlich Heavy Metal. Was ausschliesslich als Studio-Projekt, mit nur für einzelne Sessions involvierten Musikern, begann, hat sich vor rund fünf Jahren zu einer Band entwickelt.
Wie beinahe üblich gab es zwischen den ersten Alben Wechsel im Line-up. Nun wirkt die Band in ihren Strukturen gefestigt und steht kurz davor, mit «Solaris» nach «The Final Stage» das zweite Album in der aktuellen Besetzung fertigzustellen.
Postapokalyptische Inspirationsquellen
Solaris ist benannt nach dem gleichnamigen Literaturklassiker des polnischen Autors Stanislaw Lem. Das Werk macht sich das Science-Fiction-Genre zunutzen, um zwischen den Zeilen über komplexere Zusammenhänge, psychologische Verstrickungen und neue, teils mystische, Denkanstösse zu sinnieren. Genauso auch die Idee hinter dem Album: «Es ist ein Album, das man einfach laufen lassen kann, aber auch eines, um genau hinzuhören und Dinge zu entdecken» erklärt Adriano. Solaris ist nicht das erste Projekt, in dem er innerhalb der Science-Fiction Inspiration gefunden hat. Besonders die Kategorie der Postapokalyptischen Erzählungen hat es ihm angetan. Während der letzten Pandemie hat er begonnen, ebensolche Filme zu sammeln. Neben dem Fernseher steht eine Gitarre. Auf dieser wird oft parallel zu den Endzeitszenarien ‘rumgeklimpert. Einiges davon entwickelt sich später zu Songs, anderes muss erst ruhen gelassen werden, bis zu einem späteren Zeitpunkt eventuell weiter daran gearbeitet wird.
An Ideen fehlt es wahrlich nicht, davon zeugt ein Regal in Adrianos Studio vollgepackt mit prall gefüllten Ordnern voller Liedern oder solchen die es werden könnten – genug für mehrere neue Alben.
Die Reise nach Solaris
Nachdem die Plattenfirma das neue Album erhalten habe, dauere es gut und gern vier Monate, bis es der Öffentlichkeit zugänglich sein wird. Üblicherweise kommen dann, nach einem Release, Gedanken an die Oberfläche über Dinge, die man nachträglich doch vielleicht anders gemacht hätte. Es brauche oft ein paar Hör-Durchgänge, bis man sich mit dem finalen Stand seines Werkes abgefunden habe, so Adriano.
An einem Album arbeite man circa zwei Jahre, erklärt er. Dabei werden viele Ideen verworfen und viele neue kommen hinzu. Dadurch, dass die Plattenfirma keine Deadline vorgibt, hat man die Zeit, sich in Details zu vertiefen. Die Gefahr, sich in solchen Details zu verlieren und Dinge nur noch zu verschlimmbessern, bestehe dennoch nicht, da man gleichzeitig an mehreren Songs arbeite und so genügend Abstand zu den einzelnen Tracks gewinnen kann.
Auf Solaris habe man Gitarren, Bass und Gesang im hauseigenen Studio eingespielt, dies hat für die Band zusätzliche Flexibilität geschaffen. Das Schlagzeug hat man dieses Mal im legendären Little Creek Studio aufgenommen, mit hörbarem Ergebnis. Diese Schlagzeug-Aufnahmen nutzte man anschliessend als Teppich, um darauf die restlichen Instrumente und den Gesang aufzubauen.
Ebenfalls im Little Creek Studio wurde das Album abgemischt, mit tatkräftiger Unterstützung von dessen Besitzer und Produzenten V.O. Pulver.
«V.O. Pulver ist der beste Metal-Producer in der Schweiz» schwärmt Adriano. Pulver hätte sofort verstanden, welche Visionen der Band vorschweben und gewusst, wo er welche Regler zu drehen hätte. Als Adriano noch in der Band Emerald spielte, entschied die damalige Plattenfirma einst, ein Album in einem Studio abzumischen, dessen produzierte Stilrichtungen breit gefächert waren, anscheinend aber nicht breit genug, um Heavy Metal zu verstehen. So gestaltete sich dazumal die Studioarbeit als mühselig und unbefriedigend. Es sei daher nicht unerheblich, mit einem Producer zusammenzuarbeiten, der wisse, was Metal ist.
Das Visuelle zum Audio
Das Surreale, Mystische, Apokalyptische soll sich nebst der Musik auch innerhalb des visuellen Erscheinungsbildes der Platte finden. Erst stand die Idee im Raum, das Albumcover mittels KI erstellen zu lassen. Vor kurzem zog die Band Pestilence ihr bereits über Social Media vorveröffentlichtes KI-Cover zu «Levels Of Perception» zurück, da seitens der Hörerschaft harsche Kritik zum von künstlicher Intelligenz erschaffenen Cover laut wurde. Auch Distant Past wandten sich schlussendlich an den Künstler, der bereits die Alben «Rise of the Fallen» und «Utopian Void» erschaffen hat. Sie verwarfen die Idee jedoch nicht vollständig: Für das Musikvideo zu «Warriors Of The Wasteland» liess man mittels KI ein surreales Bewegtbild von sich stets verändernden Postpokalyptischen Landschaften, produzieren, vor das die sich mittels Greenscreen-Technik projizierte, um ihre Instrumente zu «spielen».
Wie das Album an und für sich, sind ebenfalls Cover und Booklet geprägt vom Buch Solaris und den Verfilmungen, speziell jener von 1972. Was dabei genau visualisiert wird, soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Es liegt am geschätzten Leser, dies, sobald er das Album in den Händen hält, herauszufinden.
Warten, bis das Raumschiff landet
Das Projekt sei nun beinahe abgeschlossen. Einige Entscheidungen könne man nur bedingt beeinflussen und lägen vor allem beim Label. Für den Wunsch «Warrior Of The Wasteland» als erste Singleauskopplung zu verwenden, fehle noch das Okay der Plattenfirma, das gedrehte Video dazu habe sie auch noch nicht abgesegnet.
Mit diesem kommenden Album veröffentliche man zum ersten Mal unter Art Gates Records. Von der Zusammenarbeit sei bisher sehr erbaulich, das Label fordere viel Professionalität, lasse der Band aber auch viele Freiheiten, so Adriano.
Man freue sich das Album zu veröffentlichen und hoffe, damit, unabhängig ob auf YouTube, CD, Spotify oder mittels eines Live-Auftrittes, möglichst viele Leute zu begeistern.
Und ferner, erzählt Adriano Troiano, habe er bereits das nächste Album im Kopf.
Line Up – Distant Past
- Ben Sollberger – guitars
- Lorenz Laederach – guitars
- Remo Herrmann – drums
- Jvo „Jay Jay“ Julmy – vocals
- Adriano Troiano – bass, conceptualisation