Metalinside.ch - Therion - Schüür Luzern 2024 - Foto pam
Mi, 6. März 2024

Therion, Satra

Konzerthaus Schüür (Luzern, CH)
/ 23.03.2024

Symphonischer die Glocken nie klingen

… wobei das mit den Glocken natürlich dem traditionellen Liedtext geschuldet ist. Oder der glockenhellen Stimme von Lori Lewis, welche seit dem 20. Januar 2024 (Mexiko City) wieder zur Live-Stamm-Formation der Symphonic-Übergrössen Therion zählt. Als Support-Act sind Satra aus Finnland gebucht. Also eigentlich alles gut hier in Luzern wäre da nicht…

Naja, hinge da nicht ein vom Therion-Mastermind fein säuberlich geschmiedetes Damoklesschwert über dem Auftritt des Wahl-Maltesers samt musizierendem Anhang. „Für einige Orte wird diese Tournee ein Abschiedskonzert sein, für andere könnte es bedeuten, dass wir zumindest für lange Zeit nicht mehr zurückkommen“. So liess es der Maestro höchstpersönlich in einem nicht gerade kurz gefassten Statement über die Zukunft der Truppe verlauten (wir berichteten).

Doch wollen wir an diesem leicht vernieselten Mittwochabend diese düsteren Gedanken für den Moment beiseiteschieben und uns auf das nun dann bald Kommende freuen. Als ich beim Eingang zur Schüür ankomme, zweifle ich jedoch erst einmal an der von mir memorisierten Zeit des Einlasses. Aber doch, da stehen drei Pfortenwächter und blicken mich erwartungsvoll an. Auch drinnen schaut es nicht unbedingt erbauender aus. Rund fünfzehn Minuten vor dem Auftritt von Satra herrscht auf beiden Etagen sowas wie gähnende Leere. Wie Mister Johnsson einen so zurückhaltenden Publikumsauflauf wohl taxieren wird? Doch bleiben noch rund eineinhalb Stunden, bis die Urgesteine des symphonischen Klanggewitters die leuchtenstädtischen Bretter zum Erbeben bringen werden.

Wagen wir – während ich zusammen mit vielleicht etwas mehr als einem Dutzend Unentwegten im obergeschossigen Konzertsaal auf eine wundersame Zuschauervermehrung hoffe – doch kurz einen Blick auf die konzerttechnische Feinkost des heutigen Abends. Natürlich reden wir bei den beiden auftretenden Combos von zwei komplett unterschiedlichen musikalischen Gewichtsklassen: Hier, in der roten Ecke, mit einem Kampfgewicht von magistralen 36 Jahren an Erfahrung, Therion, die einem mystischen Phönix gleich aus der Asche des Death Metals emporgestiegen sind und uns immer wieder aufs Neue zu äusserst abwechslungsreiche Reisen in die Sphären der Musik entführen. Und auf der anderen Seite, quasi frisch geschlüpft und die Flügel ein erstes Mal über den europäischen Kontinent entfaltend, die Newcomer aus dem hohen Norden. Doch hatte Christofer Johnsson ein paar Zeigerumdrehungen zuvor von dieser Band richtiggehend geschwärmt. Blicken wir also gespannt auf das, was nun dann gleich kommen möge …

Satra

Es gibt sicher einfachere Aufgaben, als für die übermächtigen Therion das Aufwärmprogramm für das – leider – noch immer ziemlich überschaubare Publikum zu bestreiten. Was Pilvi (Gesang), Jani (Schlagzeug), Niko (Gitarre) und Petteri (Bass) aber keineswegs davon abhält, zu unterstreichen, wieso gerade sie den Zuschlag als Support-Act erhalten haben. Klar ist das Quartett noch weit davon entfernt, die (Achtung, Spoiler-Alarm) schlicht aberwitzig anmutende Schlagzahl des heutigen Headliners auch nur ansatzweise auf die Spielfläche zu stanzen – alle anders gestalteten Erwartungen würden da am Ziel vorbeischiessen. Doch ist es gerade diese unverbrauchte, leicht scheue, ja unschuldige Attitüde, welche diesem Auftritt eine äusserst sympathische Etikette verleiht (etwas, das sie in gewisser Weise mit einer meiner aktuell absoluten Lieblingsformationen – Blackbriar – gemein haben). Und die Bühne der Schüür hat meiner Meinung nach genau die richtige Grösse für Satra: Nicht zu klein, um sich gegenseitig auf die Zehen zu treten, aber auch nicht zu gross, um sich auf der Spielwiese zu verlieren.

Songmässig hat mich die Gruppe um die burgdamenhafte Frontfrau ohnehin bereits im Vorfeld mächtig abgeholt. Ihr am 23. Februar 2024 erschienenes Debütalbum „Sand Of Time“ floss in den vergangenen Tagen immer mal wieder sehr gerne durch meine Ohrmuscheln – zunächst einfach als Vorbereitung auf ein Konzert in meiner Heimatstadt, dann aber zunehmend auch, weil mich diese nicht allzu aufdringliche, mit teils orientalisch anmutenden Klangmustern durchzogene, die Sinne umschmeichelnde Musik zu vereinnahmen begann. Zudem erinnert mich Pilvis Stimmorgan hin und wieder an Anette Olzon (ehemals Nightwish), was ihr bei mir natürlich so einige Extrapunkte beschert. Und ja, live kann das Mädel ihre Mähne ganz schön wild durch die Luft fliegen lassen, wie sie beim vorletzten Track „Scarecrow“ eindrucksvoll unter Beweis stellt.

Man könnte Therion vorwerfen, dass sie einer noch recht unerfahrenen Formation, wie Satra es nun mal sind, einen nicht unerheblichen Slot im ohnehin hart umkämpften Tourgefüge eingeräumt haben. Auf der anderen Seite legt das finnische Quartett hier in Luzern einen absolut ansprechenden Auftritt hin – auch wenn mich ihre Songs vorderhand nen Tick mehr ab Tonträger zu packen vermögen. Aber gerade bei den letzten beiden Titeln „Scarecrow“ und „Golden City“ vermag der Funke dann doch noch auf das (langsam anwachsende!) Publikum überzuspringen, so dass man bandintern sicher ein durchwegs positives Fazit ziehen darf!

Therion

Als nach einer rund vierzigminütigen Umbaupause (Satra mussten schliesslich ihr Bühnenequipment eigenhändig von Dannen tragen) das Saallicht ein zweites (und gleichzeitig letztes) Mal erlischt, steigt die Spannung unter den – ja, wieder etwas mehr… aber – hey Leute, da stehen Therion auf der Bühne – THERION !!! Wie kann da die Schüür, sehr (!) wohlwollend geschätzt, nur zur Hälfte gefüllt sein? Ich beschliesse, das alles nicht verstehen zu müssen …  Wo war ich? Ach was, geben wir den Satz vollends verloren und beginnen nochmals von vorn … Also …

Als nach der eben erwähnten und nicht unbedingt superkurzen Umbaupause die Lichter ausgehen, ist die Spannung geradezu greifbar. Was ja auch nicht gross verwundert, schliesslich und endlich hat es sagenhafte sechs Jahre (!) gedauert (zum letzten Konzertbericht), bis die Symphonic-Götter rund um Mastermind Chris Johnsson wieder Schweizer Bühnenluft inhalieren. Eine (zu) lange Zeit! Und wie das Septett bei „The Blood of Kingu“ von Beginn weg gleich so richtig, richtig Gas gibt, hat schon etwas wahrlich Erhebendes an sich!

Unfassbar, was da an musikalischer wie auch rein physischer Präsenz markiert wird. Wo nehmen sie alle die Energie her, um da oben so unglaublich leidenschaftlich umherzuwuseln und dennoch jeden fucking (sorry die Ausdrucksweise) einzelnen Ton zu treffen? Und erst noch in dieser Klarheit! Ich vermute mal, dass die Bardamen der Schüür heute Abend in weiser Voraussicht Gläser aus Panzerglas einsortiert haben. Da ist Action und Bewegung ohne Ende auszumachen – Kinnlade meets (zum Glück sauber gebohnerten; vielen Dank an die Schüür-Crew) Saalboden! Gestik, Mimik – alles wirkt perfekt aufeinander resp. die musikalisch abgefeuerten Salven abgestimmt. Kaum zu glauben, was da bereits innerhalb der ersten paar Minuten an künstlerischem Feuerwerk abgefackelt wird. So à la (für alle Star Trek TNG – Fans) – Captain Jean-Luc Picard sagt „Energie“ – und die zu Materie gebündelte Urgewalt von Therion assimiliert mal eben den ganzen Saal! Auch ein Hauch von Wahnsinn scheint bei dieser überbordenden Darbietung immer unterschwellig mitzuschwingen (ohne den sowas denn kaum möglich wäre).

Ebenfalls auffällig – und speziell auf Avantasia-Jünger wohl leicht verstörend wirkend: Während der ersten halben Stunde (!) erfolgt keine einzige nennenswerte Ansage vom Bühnenrand her. Da wird einfach Song um Song runtergespielt, wechseln sich absolute Hitgranaten und etwas weniger direkt zugängliche Stücke (zumindest für mich als Kind der „Leviathan“-Phase) munter ab, ohne jedoch je diesen unglaublichen OverDrive-Mode aus der Hand zu geben. Kenner der Materie werden wohl erahnen, dass dies mein erstes Therion-Erlebnis ist, milde lächeln und wohlwollend ein Auge zudrücken. Doch solch eine Hammer-Band erst noch in einer so heimeligen Location wie der Schüür bestaunen zu dürfen, ist dann halt nochmals ne völlig andere Erfahrung! Falls ihr vorne rechts einen leicht grenzdebil vor sich hin lächelnden Typen bemerkt haben solltet – das war dann wohl ich ….

Okay, vielleicht sollte Mastermind Christofer mal über sein auf die Dauer etwas eintönig wirkendes Gitarren-Gependel nachdenken. Und jedes Konzert mit der eigenen Trademark-Hymne „To Mega-Therion“ zu beenden (auch wenn es den gesamten Raum in eine überdimensionierte Hüpfburg verwandelt) zeugt auch nicht gerade von überbordender Varianz – aber das ist alles nur eine Suche nach minimalen Abzügen in der B-Note in einer ansonsten grossartigen Show. Ein Fest der Superlative, das auch für die vereinte Stimmgewalt von Rosalía Sairem, Thomas Vikström und der unvergleichlichen Lori Lewis gilt. Es ist absolut erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit Therion, die Titanen des Symphonic Metal, mit jedem Song ein unvergleichliches Klanguniversum erschaffen, das uns in die tiefsten Abgründe der menschlichen Seele und gleichzeitig in die höchsten Höhen musikalischer Inspiration entführt.

Thomas, dessen aussergewöhnliches Bühnenoutfit mich als Luzerner irgendwie an die Fasnacht erinnert, passt da ebenso gut hinein wie die manchmal verstörende und doch so genial ins künstlerische Gesamtbild passende Mimik einer Lori (sowie natürlich Rosalía, die den beiden in keinster Weise nachsteht) – bei dieser Truppe greift alles so perfekt ineinander, dass schon ein leicht verstelltes Rädchen wohl zu ärgerlichen Stolperern führen würde. Es aber keinen Bruchteil einer Sekunde tut. Kurz: Ein phänomenales Live-Erlebnis!

Das Fanzit – Therion, Satra

Ich könnte es ausnahmsweise mal kurz machen und einfach den Facebook-Post von Kollege Dutti zum heutigen Reigen zitieren: „Läck, war das bombastisch und überragend!“ [plus eine ganze Reihe positiv behafteter Emojis].

Könnte – tu ich aber nicht 🙂 Energiegeladen, höchst emotional und nahe an der musikalischen Perfektion sind drei (von vielen) Prädikaten, die mir spontan zum Auftritt von Therion in der Luzerner Schüür einfallen. Das Ganze war, rein von der Intensität her, die über die ganze Show aufrechterhalten wurde, wohl etwas vom Aberwitzigsten, das ich bis anhin live erleben durfte! Schade nur, dass die Location bestenfalls (bzw. mit viel gutem Willen umschrieben) mässig gefüllt war. Denn wer dem Spektakel fernblieb und auf ein nächstes Mal hofft, könnte – wenn es dumm läuft – in die Röhre gucken.

Satra als Vorgruppe dürfen auf einen ebenfalls erfreulichen Abend zurückblicken – und als Opener wichtige Anhaltspunkte für ihre weitere erfolgreiche Entwicklung gesammelt haben! Ich bin gespannt, wohin die Reise der Finnen noch gehen wird! Auch hier würde ich mich auf ein Wiedersehen freuen!

pam: Nun, normalerweise müsste ich als einer der grössten Therion-Fans der fast allerersten Stunde – zumindest ab ihrem Wandel zu mehr Symphonic – einige Superlativen nachballern. Aber Sandro hat da schon alles rausgehauen, was im Zeughaus lagerte. Besser hätte man die Munition aber auch nicht einsetzen können. Ich ziehe da nicht nur und einmal mehr den für mich imaginären Steampunk-Hut von Thomas vor der Leistung von Therion, sondern auch vor Sandro und dem da oben Geschriebenen. Therion und insbesondere auch deren Live-Auftritte in Worte zu fassen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit. Oder habt ihr einen Giganten schon mal beim Seiltanz erlebt?

Was ich somit sagen will, da gibt es nichts hinzuzufügen, ausser Meister Chris an seine Worte zu erinnern, dass es mehr Schweiz auf der Welt geben sollte. Sein Schwärmen von der Soundanlage im Z7 während einem Auftritte genau dort und wie alles perfekt organisiert sei in unserem Lande, hab ich auch viele Jahre später noch im Ohr. Auch wenn jetzt heute die Schüür eher enttäuschend gefüllt war, so lohnt sich ein Abstecher ins Z7 doch hoffentlich auch in Zukunft für die Symphonic-Götter. Den Götter gehören schliesslich in einen Göttertempel. So hoff ich doch sehr auf ein baldiges Wiedersehen – nicht nur an internationalen Festivals – sondern in der Schweiz. Falls nicht, dann mach ich meinen Traum vielleicht eines Tages doch noch war: Einen Symphonic-Metal-Abend gleich um die Ecke im KKL mit Therion, Tarja und Haggard …

Setlist Satra

  1. From The Night
  2. Sand Of Time
  3. Travellers
  4. Stars
  5. Secret Place
  6. Shadow Engine
  7. Scarecrow
  8. Golden City

Setlist Therion

  1. The Blood of Kingu
  2. Ruler of Tamag
  3. Birth of venus
  4. Tuonela
  5. Twilight of the Gods
  6. Mon amour, mon ami (Marie Laforêt cover)
  7. La Maritza (Sylvie Vartan cover)
  8. Leviathan
  9. Asgård
  10. Morning Star/Black Diamonds
  11. Ginnungagap
  12. Litany of the Fallen
  13. The Siren of the Woods
  14. Aeon of Maat
  15. Lemuria
  16. Sitra Ahra
  17. Quetzalcoatl
  18. Eye of Algol
  19. Son of the Staves
  20. The Rise of Sodom And Gomorrah*
  21. To Mega Therion*

*Zugabe

Fotos – Therion, Satra (pam)


Wie fandet ihr das Konzert?

/ 23.03.2024
Weitere Beiträge von

Satra, Therion