Im Z7 ist es zur Abwechslung mal familiär…
Es regnet draussen, also ein wunderbarer Zustand um im Z7 mit Leprous ein weiteres Highlight erleben zu dürfen. Gespannt war ich schon im Vorfeld darauf, wieviel Publikum der Headliner und die Support-Bands am heutigen Abend anlocken würden. Es sind nicht so viele, wie ich erwartet habe. Schade für die Bands, obwohl die Halle doch so zur Hälfte gefüllt ist. Somit ergibt sich eine familiäre Atmosphäre, welche in der Nachbetrachtung des Abends doch sehr gut zur gespielten und dargebotenen Musik passt.
Die Wege zur Bar sind damit positiverweise auch kurz und am Merch-Stand gibt es nicht grosse Warteschlangen, was andererseits für die Hemmschwelle zum Geldausgeben kritisch ist…Also noch kurz einen «Klöpfer» zwischen die Beisser geschoben und danach gehts verfrüht mit Fight the Fight los. Mit verfrüht meine ich, früher als auf der Website des Z7 angesagt. Zum Glück bin ich bereits da und erlebe somit auch den ersten Act des Abends vollumfänglich (die Spielzeiten wurden kurzfristig noch vorverlegt – Kenntnis bekam ich davon aber erst vor Ort).
Fight the Fight: Musikalisch TOP, stimmlich eher Flop…
Die Norweger überzeugen mich musikalisch von Anfang an. Der Sound ist druckvoll abgemischt und die Gitarrenfraktion sägt, was das Zeug hält. Die Songs wirken kompakt, musikalisch fehlerfrei und die Combo macht einen sehr eingespielten Eindruck. Soweit eigentlich eine grossartige Darbietung, welche meine Sinne erreicht, wäre da nicht die stimmlich eher schwache Begleitung. Die Mischung zwischen Growl und Clean-Gesang mag ja sehr abwechslungsreich und schon fast in Opeth-Manier daherkommen (Anleihen an die eben genannte Band sind wirklich auszumachen und nicht zu überhören), aber sobald der Frontmann auf Clean-Gesang umschaltet, kann ich wahrnehmen, dass die Trefferquote der Töne nicht bei 100 % liegt und somit auch die ganze Komposition darunter leidet.
Die Ansagen, welche zwischen den Songs die Brücke bauen, sind dafür sehr humorvoll. So wird zum Beispiel zynisch darauf eingegangen, dass ja niemand die Songs wirklich kennt, da man noch derart unbekannt sei. Ganz falsch ist diese Aussage auch gar nicht. Bei der anschliessenden Publikumsbefragung gehen nicht so viele Hände nach oben, am Bekanntheitsgrad kann also (mindestens in der Schweiz) noch gearbeitet werden.
Cellar Darling: Anna Murphy immer wieder eindrucksvoll…
Kurze Pause und dann präsentieren sich Cellar Darling den Zuschauern im Z7. Eindrucksvoll und sphärisch was hier den Fans geboten wird. Anna Murphy ist einmal mehr Weltklasse. Sei es die göttliche, feine Stimme oder die Vielfalt an Instrumenten, welche sie spielt (Drehleier, Querflöte, Klavier, Synthi…). Vielleicht aber auch die authentische und ehrliche Sympathie, die einem entgegengebracht wird; wie zum Beispiel die Ansage, dass die Band vergessen hat, Merchandise zu bestellen. Und später im Set nimmt sich Anna mit bewusster Klarstellung am Mikrofon Zeit, damit sie sich fokussieren und konzentrieren kann, sodass ein neuer Song, welcher heute die Premiere vor Publikum feiert, in der gewünschten Qualität daherkommt. Schlichtweg fantastisch. Vor diesem neuen Song arbeitete sich die Band einmal quer durch das Album von 2019 (The Spell). Eine unbeschreibliche Reise mit vielen Gefühlen, welche durch die Musik transportiert werden. Ein Sounderlebnis der Sonderklasse.
Ruhige Töne, gepaart mit wilden Momenten, keltische Anleihen mit Metal-Riffs und progressiven Elementen. Die Freude und Spiellust von Cellar Darling ist spürbar und auch die Dankbarkeit auf der Bühne zu stehen, wird unmissverständlich und gradlinig übermittelt. Ein wahrlich imposantes Erlebnis. Danke für die Hühnerhaut und die kurzweilige Vorstellung. Gerne wieder.
Leprous
Um 21.00 Uhr gehen die Lichter erneut aus im Z7 und es ist nun Zeit für den Headliner dieses Abends. Die Stimmung im Publikum hebt sich sofort an, während der Show-Zeit steigert sich diese ständig und ich habe es noch nicht so oft erlebt, dass ein halb gefülltes Z7 solche Stimmung produziert. Es ist eine Gefühlsreise sondergleichen, welche Einar Solberg lostritt. Bereits im Vorbericht zu diesem Konzert habe ich seine fantastische Stimme betont und es ist einfach ein Fakt: Dieser Mann hat ein solch feines und weitreichendes Organ, dass man bereits nach den ersten Tönen in der Schwebe ist und davonzufliegen droht. Die Bühnenzeit geht rasant vorbei und die Spielzeit, welche immerhin 1 ¾ Stunden beträgt, fliegt einfach dahin.
Leprous wirken während ihres Sets äusserst konzentriert und fokussiert. Die Song-Wahl (siehe auch Setlist) ist aus meiner Sicht gelungen. Vor allem auch, das Set mit dem Epos «The Sky is Red» zu beenden (über 10 Minuten Spielzeit), ist ein geschickter Schachzug. Der Sound ist heute Abend gut abgemischt und wirkt druckvoll und klar zugleich. Ich hoffe sehr, dass diese Band noch mehr Zuspruch finden wird in den nächsten Jahren. Im progressiven Sektor des Metals sicher eine der Bands, die mehr Publikum verdient.
Das Fanzit – Leprous,Cellar Darling, Fight the Fight
Obwohl die Startformation Fight the Fight nicht wirklich ganz in den Kontext der beiden anderen Bands passte und auch von der Leistung her doch abfiel, empfand ich den Abend insgesamt als äusserst gelungen. Cellar Darling waren eine Klasse für sich, ebenso Leprous. Die Faszination dieser Melodiebögen des Headliners haben heute Abend jedes Individuum im Z7 erfasst. Es war trotz viel «Metal» ein ruhiger und nachdenklicher Abend. Ein Abend mit Feingefühl und Stimme. Ein Abend, welcher Nachdruck verleiht. Ein wunderbarer Abend, um wieder einmal festzustellen, dass Musik – in welcher Form auch immer – Gefühle transportiert und wir glücklich sein dürfen, dass es nach den letzten Jahren immer noch Bands gibt, die weiter komponieren und auf Tour gehen.
Setlist Leprous
- Have You Ever?
- The Price
- Illuminate
- Bonneville
- On Hold
- Alleviate
- From the Flame
- Castaway Angels
- The Flood
- Out of Here
- Slave
- Below
- Nighttime Disguise
- The Sky Is Red*
*Zugabe