Moshpit-Raben
Am 19. April 2024 gastierten Beyond The Black zusammen mit ihrem Supporting-Act Ankor im Zürcher Komplex 457. Eine vielversprechende Kombination, da beide Bands für mitreissende Live-Shows bekannt sind und insbesondere die Musiker aus unserem nördlichen Nachbarland gerne mit überraschenden Einlagen aufwarten. Für eine spannungsgeladene Atmosphäre war also gesorgt.
Es ist kein Zufall, dass Beyond The Black seit Jahren zu meinen absoluten Lieblingsgruppen gehören. Zum einen geht mir ihr melodischer, eingängiger Symphonic Metal nach wie vor unter die Haut – was nicht zuletzt an der Stimmgewalt der stets gut gelaunten und vor Lebensfreude nur so sprühenden Frontfrau liegen dürfte. Zum anderen legen sie von Tour zu Tour immer noch eine Schippe drauf, sodass ich schon sehr gespannt war, welche (optischen und auch sonstigen) Überraschungen uns heute Abend erwarten würden.
Ankor hingegen bedeuten für mich metallenes Neuland – indes man zur Vorbereitung nicht allzu lange im Netz recherchieren muss, um mit ausreichend Material über die katalanischen Alternative-Metaller versorgt zu sein. Anders als Kollege Dutti vor vier Jahren (zur Review), hat mich der aus dem schönen Barcelona stammende Fünfer schon beim vorbereitenden Probehören ziemlich abgeholt. Umso mehr freue ich mich natürlich auf die Live-Performance der Spanier!
Für Spannung ist somit reichlich gesorgt – zweimal Ü-Ei sozusagen. Als pünktlich um 20 Uhr die Lichter ausgehen, wird zumindest eines schnell klar …
Ankor
Nämlich, dass Ankor die energetische Handbremse definitiv zu Hause gelassen hat. Mein lieber Schwan, der iberische Fünfer legt sich gleich von Beginn weg mächtig ins Zeug. Wobei… Innerlich kurz durchgezählt: Quartett trifft es, zumindest an diesem Abend, wohl eher. Irgendwie scheint Bassist Julio López abhandengekommen zu sein. Man wird den Tieftönmeister doch nicht versehentlich an einer Autobahn-Raststätte vergessen haben? Nee, war nur ein Scherz, der gute Mann ist nämlich stolzer Papa einer Tochter namens Mia geworden und steht aktuell nur bei ganz wenigen Konzerten mit auf der Bühne. Wir gratulieren ganz herzlich!
Dafür geben die beiden verbliebenen Saitenzwirbler Fito Martínez und David Romeu umso mehr Gutzi (dt.: stehen nicht einfach nur teilnahmslos in der Weltgeschichte herum). Vor allem Erstgenannter rotiert nur so über die Bretter, die seine Welt bedeuten, und verzaubert die Anwesenden mit unzähligen Verrenkungen und Grimassen. Das nennt man dann wohl in seiner Kunst aufgehen, eins mit ihr werden.
Ähm, Sandro, die Band besteht aber nicht nur aus Männern… Waren Jessie Williams (Gesang) und Eleni Nota (Schlagzeug) mal kurz nebenan einkaufen oder was? Natürlich nicht (schliesslich schliesst der Letzipark um 20 Uhr). Nein, die beiden Damen gehen showtechnisch mindestens genauso ab wie ihre maskulinen Mitstreiter. Die derzeit orangehaarige Urgewalt hinter dem Mikro ist wie ihr „brother from another mother“ (auf Insta gefunden; gemeint ist Fito) ständig unterwegs und glänzt zudem durch astreine Wechsel zwischen einfühlsamen Klarpassagen und gfürchigen Growls. Sehr beeindruckend – und muss man erst mal hinkriegen!
Und die griechische Klopferin Eleni knüppelt derart lebhaft und unablässig auf die Felle und sonstigen Bestandteile ihres Drumkits ein, als handle es sich um eine ganz persönliche Fehde. Was speziell zu Beginn des Zugabenblocks, den sie mit einem donnernden Solo eröffnet, mächtig Eindruck macht!
Wait … musikalischer Nachschlag? Jep, richtig gelesen. Nicht unbedingt gerade Usus, aber eine prima Sache, damit das bestens unterhaltene Publikum die vier Musizi aus Barcelona gebührend abfeiern kann. Und vielleicht auch ein Durchscheinen dieser besonderen BtB-DNA, die das Miteinander auf den gesamten Tourtross ausweitet (oder um es in den Worten von Chris zu formulieren: Sei kein Arschloch – zum Interview). Die Truppe hat sichtlich gehörig Spass bei ihrem munteren Treiben, was mit zunehmender Dauer immer mehr auf die nun dicht gedrängt stehende Menge abfärbt.
Eine mitreissende Darbietung einer überaus sympathischen Formation, die ich mir ganz fett auf meinem geistigen Spickzettel für den Besuch künftiger Live-Auftritte eingekringelt habe. Eine erste Gelegenheit dazu bietet sich bereits am 3. August 2024 am Open Air Gränichen!
Setlist Ankor
- Holy Wolf
- Fences
- Stereo
- Darkbeat
- Ghosts
- Walking Dead
- Oblivion
- Hill Valley
- Drum Solo*
- Prisoner*
- Venom*
* Zugabe
Beyond The Black
Als nach einer gefühlten Ewigkeit (die Zeit vergeht ja sooo langsam, wenn man hippelig ist) die Lichter im Saal erlöschen und die für Dancing In The Dark so typischen Drumparts erklingen, sind selbstredend alle Blicke auf die noch hinter einem durchscheinenden Vorhang verborgene Bühne gerichtet. Was hier und jetzt jedoch nur die zweitbeste Wahl darstellt. Denn ganz hinten im Komplex 457 steht – auf einem kleinen Podium vor dem Mischpult und mit einer einzelnen Trommel bewaffnet – Jennifer Haben und lässt alsbald alle Köpfe herumschnellen. Nach einigen Takten begibt sich die zierliche Sängerin dann, flankiert von Kapuzen-tragenden Gestalten mit rot erleuchteten Lichtstäben in Händen (die auch als Lichtschwerter durchgehen könnten, schliesslich ist Chris Hermsdörfer ja bekennender Star Wars – Fan), quer durch die eng beieinanderstehende Fangemeinde nach vorne zur Hauptspielfläche. Erinnert irgendwie an die Teilung des Roten Meeres durch Moses. Sehr eindrucksvoll und mit hohem Überraschungspotential!
Kleiner Einschub: Im Nachhinein habe ich lange überlegt, wie man dieses epische Intro noch toppen könnte. Vielleicht wie einst Jon Bon Jovi bei Living On A Prayer an einem Seil über die Köpfe der Zuschauer auf die Aktionsfläche schweben? Na ja, die Rolle des Supergirls würde Miss Haben sicher gut stehen, aber trotzdem… Nee, diese fast schon biblisch anmutende Teilung des Publikums war einfach phänomenal!
Nach diesem genialen Einstieg geht es dann erst einmal auf der mit vier grossen Videoleinwänden bestückten Mainstage weiter. Bei meinem ersten Interview mit Jennifer im August 2020 hatten wir unter anderem darüber gesprochen, dass es beim Virtual Wacken Happening cool gewesen wäre, Elize Ryd (Amaranthe) zum gemeinsamen Duett Wounded Healer bildlich auf die Bühne zu holen. Etwas, was damals aus Zeitgründen leider nicht möglich war, nun aber fürstlich nachgeholt wird (ok, noch formidabler wäre natürlich ein livehaftiger Auftritt der Schwedin gewesen).
Die gesamte Setlist gleicht ohnehin einem komprimierten Hit-Feuerwerk – nur auf meinen Lieblingssong Winter Is Coming warte ich vergeblich (und dabei hätte der Track doch so perfekt zum draussen vorherrschenden Wetter gepasst). Egal ob Hallelujah (das on stage noch ein paar Scheiben zackiger daherkommt), Is There Anybody Out There?, Lost In Forever oder der unverwüstliche Live-Kracher Shine and Shade, jedes Lied wird lautstark abgefeiert. Sogar in wilden Moshpits, was mich dann doch etwas überrascht. Vorbei sind die Zeiten, in denen Beyond The Black als etwas härterer Aufguss von Saphir belächelt wurden. Gut so! Denn was die Saitenfraktion (Chris, Tobi sowie ein Gast-Bassist) plus Schlagzeuger Kai an diesem Abend an druckvollem und knackigem Spiel abliefern, hat sich wirklich gewaschen!
Und natürlich darf traditionsgemäss ein weiterer Ausflug auf die Minibühne beim Mischpult zur Halbzeit des Sets nicht fehlen. Mit den akustisch aufgehübschten Nummern von Wide Awake, Human / Out of the Ashes sowie dem unfassbar schönen I Remember Dying, das live die ohnehin schon beeindruckende Albumversion locker in den Schatten stellt, beweist die St. Wendlerin einmal mehr, dass sie mit ihrer einfühlsamen, tragenden Stimme wohl mühelos eine ganze Kathedrale auszufüllen vermöchte. Andächtiges Lauschen, Staunen ist angesagt. Hühnerhaut pur! Beim Medley wird Jennifer zudem von Chris an der klassischen Gitarre – und tonal! – begleitet. Wow, der Gesangsunterricht und das gecoachte Einsingen (wir berichteten) tragen in der Tat beeindruckende Früchte! Sehr gerne mehr davon!
Viel zu schnell vergeht die Zeit. Das klangvolle Dessert des Headliners beginnt mit Free Me und einer im wahrsten Sinne des Wortes beflügelten Miss Haben. Das über die Schultern fallende Federkleid steht der zierlich wirkenden Sängerin ausgezeichnet und verleiht der Szenerie einen zusätzlichen visuellen Kontext. Nach Horizons beschliessen Beyond The Black ihre neunzigminütige Performance mit – wie könnte es auch anders sein – der Raben-Hymne schlechthin, In The Shadows.
Es mag ein gewisser Fanboy-Touch mitschwingen – aber was Beyond The Black hier abliefern, ist ein weiterer grosser Schritt in die richtige Richtung, gerade was Bühnenaufbau und Stageacting betrifft. Und ja: Band! Denn was früher vielleicht noch als Miss Haben-Solo-Show durchgehen konnte, ist längst einem verschworenen Miteinander gewichen! Geht da in Zukunft noch mehr? Tja, only time will tell (wobei ich persönlich da keine allzu grossen Zweifel hege…). Schade nur, dass das Konzert des Jahres nun halt bereits wieder hinter uns liegt 😉
Das Fanzit – Beyond The Black, Ankor
Ein supertoller Abend, der noch lange nach dem letzten Ton in mir nachklingt. Ankor legten während ihres dreiviertelstündigen Auftritts ein erstklassiges Aufwärmprogramm hin, auf dem Beyond The Black aufbauten und die wohltemperierte Meute so richtig abzukochen wussten. Und mit dem von zwei Flamingos und zwei Einhörnern flankierten Trinkgeld-Kässeli am BtB-Merchstand hatten sie mich dann endgültig in der Tasche! Jederzeit sehr gerne wieder!
Die Setliste – Beyond The Black
- Dancing in the Dark
- Hallelujah
- Songs of Love and Death
- Not in Our Name
- Wounded Healer
- Reincarnation
- Heart of the Hurricane
- Wide Awake
- Human / Out of the Ashes
- I Remember Dying
- Is There Anybody Out There?
- Beyond the Mirror
- When Angels Fall
- Marching On
- Shine and Shade
- Lost in Forever
- Free Me*
- Horizons*
- In the Shadows*
* Zugabe