Morgenröte am Niederrhein
Elvellon zählen nicht unbedingt zu den bekanntesten Acts im weiten Feld des Symphonic Metal. Das könnte sich mit der Veröffentlichung ihres zweiten Studiowerks „Ascending in Synergy“ durchaus ändern. Hype oder Morgenröte? Wir haben vorab reingehört.
Und das ziemlich ausgiebig. Denn – und da greife ich der vertieften Analyse gerne vor – das Quintett vom Niederrhein hat alles, um mit den ganz Grossen des Genres mithalten zu können – wenn nicht sogar mehr! Gegründet 2010, stehen bisher zwei Online-Singles sowie der 2018 erschienene Debüt-Longplayer «Until Dawn» (zur Review von Kollege Domi The Stick) zu Buche. Und nun, sechs Jahre später, schickt sich Opus Nummer zwei an, dem Bekanntheitsgrad der Deutschen einen weiteren, vielleicht entscheidenden Schub zu verleihen. Den Grund für die nicht gerade kurze Schaffenspause sowie weitere Infos zur Band erfahrt ihr in unserem Interview mit Nele und Jan.
Nightwish – and beyond !!!
Nun sind sogenannte Female Fronted Equipen im symphonischen Genre ungefähr so rar gesät wie schwarze T-Shirts an Metal-Konzerten und allzu oft machen aufstrebende Formationen gerne Anleihen bei bereits etablierten Grössen der Szene. Und ja, nimmt man die beiden bereits vorab veröffentlichten Singles «A Vagabond’s Heart» und «My Forever Endeavour» als Massstab, so könnte man durchaus den Eindruck gewinnen, einen weiteren Nightwish-Clone auf dem Plattenteller rotieren zu haben. Allerdings einen aussergewöhnlich guten, wohlgemerkt. Denn tatsächlich klingen gerade diese beiden Lieder wie eine wohltuende Mischung aus der Tarja Turunen-Ära («Sleeping Sun», «Wishmaster»), gemischt mit dem wärmeren Timbre einer Floor Jansen. Und dies auf eine angenehme, nicht einfach beim Sound der Finnen abkupfernde Art und Weise. Songwriting auf hohem Niveau, sozusagen. Und nicht zuletzt ist diese Parallele auch der grandiosen Stimme von Nele Messerschmidt geschuldet.
Indes greift dieser Vergleich bei Weitem viel zu kurz, wie man beim Durchhören der ganzen Scheibe schnell feststellen wird. Tun sich beim Opener «Unbound» insbesondere die für das Genre nicht gerade untypischen orchestralen Arrangements hervor, so besticht «A Legacy Divine», das zunächst leicht verspielt daherkommt, sich dann aber zu einem wahren Melodie-Monster empor schraubt, durch unfassbar schöne Gesangslinien. Oder weiss «The Aftermath of Life» mit energiegeladenen Tonfolgen ebenso dramatische wie eingängige Klanglandschaften zu erschaffen. «Ocean of Treason», bei dem die Strophe ausnahmsweise nicht ganz mit dem Refrain mithalten kann, markiert den härtesten Track der Langrille. Ein sehr cooler Titel mit einem interessanten Mittelteil, bei dem mich Neles Stimme mit diesem nach oben gezogenen Tremolo zudem irgendwie an Zora Cock von Blackbriar erinnert (3:44).
The Aeon Tree
Und natürlich darf auch eine Ballade in dem zehn Nummern umfassenden Werk nicht fehlen. Respektive deren zwei. Wobei erstere, «Last Of Our Kind», sich zwar tragend und gefühlvoll in die Gehörgänge schmeichelt, aber letztlich doch nicht zwingend als überragend zu bezeichnen ist. Dazu fehlt mir dieser Wow-Effekt, dieses Alleinstellungsmerkmal, das den Finger unweigerlich auf die Repeat-Taste schnellen lässt. Etwas, das dann «The Aeon Tree» quasi alles im Überfluss in sich trägt. F**k, was für eine Hymne. Und erst noch knapp zehn Minuten lang, sodass sich das Eintauchen auch wirklich lohnt! Eine verträumte, epische Nummer, die nach dem ruhigen, erzählerischen Intermezzo auf so wundersame Weise wieder an Fahrt aufnimmt und zur ummantelnden Melodie zurückfindet. Ein Ohrwurm, der allein schon den Kauf rechtfertigt!
Sowie «Into the Vortex», das im Grunde genommen auf einer eingängigen, klimpernden Melodielinie basiert und sich im weiteren Verlauf zu einem veritablen Knaller empor schraubt – spannend! Und mit «Epiphany of Mine» bescheren uns Elvellon einen würdigen Abschluss einer überaus bemerkenswerten Scheibe.
Nimmt man – nebst dem formidablen und sehr abwechslungsreichen Songwriting – die glasklare, druckvolle und dynamische Produktion als weiteres Gütesiegel hinzu, so darf man mit Fug und Recht behaupten, dass Napalm Records hier einen nahezu perfekt geschliffenen Diamanten an Bord geholt haben. Elvellon schöpfen auf „Ascending in Synergy“ in der Tat das von Domi in seiner Rezension erwähnte Potential voll aus. Ein Album mit Suchtgefahr – und ohne Lückenbüsser oder Ausfälle! Auch das sei hier erwähnt!
Das Fanzit Elvellon – Ascending in Synergy
Eine aussergewöhnliche Stimme, cooles, auf den Punkt gebrachtes (und auch treibendes) Songwriting, knackige Arrangements und viel Dynamik im Mix… Ja, Elvellon haben mich mit ihrem neuen Werk definitiv abgeholt! „Ascending in Synergy“ bietet knapp eine Stunde perfektes Ohrfutter für Symphonic Metal – Liebhaber und ist somit fast schon ein Pflichtkauf für Fans dieses Genres. Absolut verdiente 9.5 Horns!
Anspieltipps: My Forever Endeavour, Into the Vortex, A Legacy Divine, The Aeon Tree
Trackliste Elvellon – Ascending in Synergy
- Unbound
- A Vagabond’s Heart
- My Forever Endeavour
- Ocean of Treason
- The Aftermath of Life
- Last of our Kind
- Into the Vortex
- A Legacy Divine
- The Aeon Tree
- Epiphany of Mine
Line Up – Elvellon
- Nele Messerschmidt – vocals
- Gilbert Gelsdorf – guitars
- Martin Klüners – drums
- Pascal Pannen – keyboards
- Jan Runkel – bass