Ein Sturm zieht auf!
Der emsige Verein Metal Storm Concerts hat eine neue Festivalreihe lanciert, welche am Samstagabend im Luzerner Südpol ihre Premiere feierte. Sieben Bands trugen dazu bei, dass die Erstausgabe freilich als erfolgreiche Sache in die Geschichte eingegangen ist. Unter anderem waren Rotting Christ und Finntroll zu Gast. Meine detaillierten Eindrücke zu «Metal Storm Over Luzern – Chapter I» entnehmt ihr den nachfolgenden Zeilen.
Dutti: Ein neues Indoor-Festival auf helvetischem Grund austesten? Dafür sind wir selbstverständlich immer zu haben. Die Angelegenheit hört auf den spannungserzeugenden Namen «Metal Storm Over Luzern» und findet im Südpol statt. Keine Angst, so miserabel sind meine Geographiekenntnisse keinesfalls, aber es gibt in der «Leuchtenstadt» effektiv einen Laden, der so heisst. Ich hätte zwar auch problemlos mit der Schüür leben können, aber man soll ja bekanntermassen stets offen für neue Dinge sein.
Die Location liegt irgendwo zwischen Luzern und Kriens – also nicht ganz zentral. Trotzdem ist die Bude per Bus locker erreichbar. Die Fahrt dauert keine Viertelstunde und man findet sich plötzlich in einer Industriezone wieder. Passt hervorragend zu metallischer Mucke, oder? Mal schauen, was dieses Kulturzentrum alles zu bieten hat. Mein Fokus liegt nachvollziehbarerweise auf dem Band-Angebot – und diesbezüglich haben sich die Organisatoren freilich nicht lumpen lassen.
Witzigerweise ist das Programm für mich eine Mischung aus Dark Easter Metal Meeting und Ragnarök Festival, denn die meisten der auftretenden Equipen habe ich erst vor Kurzem verteilt an diesen beiden Events live erlebt. Als «Bonus» kommen nun unser Death-Black-Dampfhammer Ghörnt und die konstant überragenden Rotting Christ hinzu. Die persönliche Vorfreude ist dementsprechend gross. Entfesselt den Sturm!
Oh ja, in dieser Lokalität fühlt man sich unfassbar schnell wohl. Das Ding ist riesig und bietet definitiv Potenzial. Hoffentlich verlaufen wir uns nirgends. Metal Storm-Vorstandsmitglied Andrea meint, dass auch der Backstage-Bereich ziemlich umfassend sei. Daran dürften die Künstler sicherlich ihre Freude haben. Die Merch-Stände locken mit üppigem Angebot. Dort stolziert eine düstere, maskierte Kapuzengestalt mit monströsen Nieten durch die Gegend und posiert mit den Besuchern für Fotos. Vielleicht ist das sozusagen der «Metal Storm-Nazgûl». Ein langer Bartresen bietet Platz für Erfrischungen (später soll dann zusätzlich noch eine kleine Bierzapfanlage im Bühnensaal aktiviert werden). Draussen können «wilde Raucher» in freier Wildbahn bestaunt werden. Ein Grillstand und eine Met-Ecke wurden ebenfalls dort platziert. Hier lässt es sich zweifelsohne eine Weile aushalten, aber so langsam dürstet es mich nach einer ausgiebigen Dosis Live-Musik.
Calarook
Dutti: Der Bühnensaal ist eine geräumige Angelegenheit. Klaustrophobie-Sorgen sind somit unbegründet. Die ersten Künstler, welche sich auf der grossen «Spielwiese» austoben dürfen, sind Calarook aus Winterthur. Die Freibeuter aus der Eulachstadt, welche bevorzugt einer unsichtbaren Ananas nachjagen, starten mit einem epischen Intro in ihr Set, welches mich gedanklich schnurstracks auf ein Piratenschiff versetzt und die salzige Meeresbrise spüren lässt. Mit dieser ulkigen Crew hätte man garantiert andauernd Spass. Leider müssen die Jungs heute ohne ihre Geigerin Nori antraben. Nein, sie haben sie nicht über die Planke geschickt und den Haien zum Frass vorgeworfen. Sie sei einfach blöderweise kurzfristig ausgefallen. Soundtechnisch funktioniert die Nummer zwar auch so, aber das Fehlen des Streichinstruments macht sich nach und nach schon bemerkbar. Mit Nori an Bord klingt das Ganze wahrlich nochmals besser. Beim nächsten Gig wird sie gewiss wieder mitmischen können.
Setliste – Calarook
- Intro
- A Cursed Ship’s Tale
- Cruel And Cold
- Surrender Or Die
- Invisible Pineapples
- A Pineapples’ Revenge
- El Calamar Gigante
- Outro
Suotana
Dutti: Wenn eine Gruppe ihre Performance mit einem laut gebrüllten «Perkele!» eröffnet, kann sie eindeutig nur aus Finnland stammen. Die nordischen Herrschaften bringen heute eine Ladung «Lappland-Kultur» in die Zentralschweiz. Und das machen sie in unglaublich beeindruckender Manier! Ich weiss, dass ich nun abermals mit meiner alten, ausgelutschten Leier daherkomme, aber wir werden hier gerade zum x-ten Mal Zeuge der finnischen Qualität respektive des finnischen Gütesiegels. Die Sauna-Liebhaber hauen effektiv ständig eine bockstarke Truppe nach der anderen raus. Suotana sind diesbezüglich keine Ausnahme. Wer Kalmah, Ensiferum, Children Of Bodom oder Wintersun mag, wird auch mit dem Schaffen dieser Künstler ausgezeichnet zurechtkommen. Basser Rauli Alaruikka (übrigens cooler Bart!) haut sogar ein akzentreiches, aber sympathisches «Hoi Luzern, wie gahts eu?» raus (da trägt der Schweizerdeutsch-Crashkurs von Metal Storm-Lady Steffi glasklar Früchte). Die monströse Schluss-Hymne «River Ounas» ist bombastisch! Das nächste Mal dürfen die Nordmänner gerne als Headliner bei uns vorbeischauen. «Kiitos!»
Setliste – Suotana
- Through The Mammoth Valley
- The Ancient
- Into The Ice
- Embrace
- River Ounas
Ghörnt
Dutti: Jetzt wird’s «hässig». Die Freunde des Gehörnten übernehmen das Kommando! Der anfänglich eher durchzogenen Soundqualität wird glücklicherweise schon bald der Garaus gemacht. Drummer «J» prügelt wie gewohnt mit einer schier unnachahmlichen Kadenz auf seine Schiessbude ein. Er demontiert seine «Küche» regelrecht (lehrreicher Anschauungsunterricht für jeden anwesenden «Stöckli-Schwinger» im Raum). Zusätzlich lassen die kräftigen «Ugh!»-Rufe von Frontmann Thulus die Wände weiter erzittern. Er stolziert äusserst selbstbewusst auf der Bühne umher. Die beiden Scheiben «Nedchrescht» und «Häxekult» sind etwa im selben Mass mit Songs in der Setliste vertreten. Zu meiner Freude wird der Kracher «Alpdämon» ebenfalls erneut berücksichtigt. Dieser Song ist eine echte «Waffe»! Saitenhexer Arawan leistet wie üblich grundsolide Arbeit und Tieftönerhüter «G» wirkt immer besser in das Gefüge integriert. Mit Ghörnt dürfte fraglos auch künftig weiterhin zu rechnen sein.
Setliste – Ghörnt
- Nedchrescht
- Ändzyt
- Ds Tote Land
- Folter
- D’Zeremonie
- Häxesabbath
- Zerschtört
- Alpdämon
- Trist
Cult Of Fire
Dutti: Wir bleiben direkt im schwarzmetallischen Sektor und landen bei Cult Of Fire aus Tschechien. Ihre Herkunft sieht man ihnen zugegebenermassen nicht wirklich an, denn die Bühnendekorationen lassen da eher auf andere Regionen schliessen. Gerade die zwei riesigen, goldfarbenen Kobrastatuen auf beiden Seiten deuten für meine Wenigkeit eher nahöstliche Gefilde an. In der Mitte wurde ein langer Tisch beziehungsweise Altar platziert, auf dem diverse Opfergaben zu finden sind. Das Kostüm des Frontmannes ist ebenfalls beeindruckend – insbesondere seine mit Hörnern und Totenschädeln verzierte Kapuze. Und so werden wir vom flammenden Kult in dessen Ritual hineingezogen.
Freunde, das ist kein Konzert, sondern ein Erlebnis! Zeremoniell vergleichbar mit Batushka, aber die Tschechen sind da etwas grober und mächtiger unterwegs. Bewegungsfreudige Menschen bleiben während dieser Darbietung allerdings auf der Strecke. Das Ganze bleibt arg statisch. Gerade bei der Saiten-Abteilung, die durchgehend im Schneidersitz unter den Schlangenstatuen thront, mache ich mir leichte Sorgen, dass deren Durchblutung irgendwann im Eimer sein könnte. Aber sie scheinen die Angelegenheit unbeschadet zu überstehen. Meinem Geruchssinn dürfte es diesbezüglich ein wenig anders ergehen. Keine Ahnung, wie lange mich diese Weihrauch-Wellen fortan verfolgen werden. Ungeachtet dessen würde ich mir jedoch jederzeit wieder eine Cult Of Fire-Show reinziehen.
Domi the Stick (DtS): Eigentlich wollte ich ja erst bei Metsatöll einspringen, aber diese bombastische Show kann ich nicht unkommentiert lassen. Das Bühnenbild, in welches sich die Musiker fliessend integrieren, ist definitiv «mal öppis anders». Der sogar nicht nur nah-, sondern auch mittelöstliche Touch untermalt die Lyrics, welche angeblich hinduistische und buddhistische Themen behandeln, sehr ausdrucksstark. Cult of Fire sind für mich die Überraschung des Tages und bedürfen definitiv mehr meiner Aufmerksamkeit.
Finntroll
Dutti: Ich nehme es vorweg, nun folgt stimmungstechnisch der Höhepunkt des Abends. Finntroll verwandeln den Südpol in ein Tollhaus. Mit dem Doppelpack «Människopesten» und «Solsagan» als Einstieg kann sowieso kaum mehr etwas falsch laufen. Sollte die Setliste in diesem Stil weitergehen, könnten wir am Ende möglicherweise sogar über Kandidaten für die Liste «Konzerthöhepunkte des Jahres 2024» sprechen. Es wird gehüpft und getanzt, als gäbe es keinen morgigen Tag. Bei diesem Eskalationsgrad dürfte es in den Moshpits wahrscheinlich einige Nahtoderlebnisse geben.
Trotz verspätetem Beginn ist die Troll-Party überhaupt nicht zu bremsen. Sänger Vreth verfügt sogar über einen Mikrofonständer, aus dem er gelegentlich Rauchfontänen aufsteigen lassen kann. Spätestens bei «Trollhammaren» brechen dann endgültig alle Dämme. Da steht niemand mehr still. Dieser Auftritt ist in Tat und Wahrheit x-Stufen besser als derjenige am Ragnarök. Dazu trägt einerseits die astreine Soundqualität, aber selbstverständlich die grandiose Stimmung der Protagonisten bei. In dieser Verfassung sind Finntroll glasklar eine Urgewalt!
DtS: An dieser Stelle möchte ich einen kurzen Kommentar zur Soundqualität einschieben. Diese befindet sich heute allgemein auf einem sehr hohen Niveau, was wahrscheinlich den guten Bedingungen in der grossen Halle des Südpols geschuldet ist, welche das Abmischen wohl stark vereinfachen. Dass bei Finntroll alle Tonspuren hörbar sind, habe ich in der Vergangenheit eher selten erlebt, daher: Hut ab!
Setliste – Finntroll
- Människopesten
- Solsagan
- Ylaren
- Nedgång
- Blodsvept
- Att Döda Med En Sten
- Forsen
- Trollhammaren
- Nattfödd
- Ormfolk
- Under Bergets Rot
- Midvinterdraken
Rotting Christ
Dutti: Die durch die Trolle ausgelöste Verspätung hat logischerweise auch Auswirkungen auf Sakis und seine Gefährten. Rotting Christ starten nämlich erst um 22.20 Uhr in ihr Set und dürfen danach für gute 65 Minuten ihr Können demonstrieren. Insgeheim habe ich auf frische Hymnen der Marke «Saoirse» gehofft, aber in diesem Punkt werde ich enttäuscht. Die Griechen setzen auf altbewährte Kost. Da sie dies allerdings erneut auf unfassbare Art und Weise tun, bin ich lediglich für ein paar wenige Sekunden ein Kind von Traurigkeit.
Vor diesem Quartett kann man sich nur verneigen. Sie gehören für mich diskussionslos in dieselbe Kategorie wie Saxon – schlechte Darbietungen sind gänzlich ausgeschlossen! Schreihals Sakis mimt den unermüdlichen Antreiber – und alle gehorchen seinen Worten! Die «Non Serviam»-Rebellion ist lanciert. Ebenfalls eine saustarke Show, aber Finntroll sehe ich dank ihrer Abriss-Fete trotzdem nach wie vor leicht favorisiert. Auf das neue Rotting Christ-Eisen «Pro Xristou» (geplante Veröffentlichung am 24. Mai 2024) freue ich mich aber so oder so.
Metsatöll
Dutti: Aufgrund des verzögerten Zeitplans und unseres Wunsches, nicht zu spät die ÖV-Heimreise antreten zu wollen, müssen wir Metsatöll leider sausen lassen… Wenn sie jedoch nur ansatzweise ihren gelungenen Gig vom Ragnarök Festival wiederholen können, werden die Estländer aber auch problemlos die Schweizer Zuhörerschaft begeistern – davon bin ich überzeugt! Aber hey, Mit-Metalinsider Domi the Stick ist ja glücklicherweise noch anwesend und ohne «Fluchtgedanken» unterwegs. Eventuell kann er ein paar Worte über die «metsatöll’sche» Darbietung verlieren. Liegt das drin, werter Kollege?
DtS: Aber natürlich, Dutti! Du bist übrigens bei Weitem nicht der Einzige, der sich vor dem eigentlichen Veranstaltungsende verabschieden muss. Nach Rotting Christ macht sich ein Grossteil der Festivalbesucher auf den Heimweg und zurück bleibt lediglich ein kleiner feierwütiger respektive mindestens neugieriger Rest. Dieser kommt in den Genuss eines wahrlich packenden Folk Metal-Spektakels. Der zentrale Folk-Kern des Metsatöll-Sounds – die unzähligen von Varulven gespielten Blas-, Zupf- und Streichinstrumente – schmiegt sich dank der tollen Abmischung perfekt in den Metalrahmen ein und sorgt im Publikum für viel Spass. Diesen haben auch die vier Esten: Drummer Tõnis Noevere strahlt hinter seiner Schiessbude nur so; die beiden Bartlis Rabapagan (Gitarre) und KuriRaivo (Bass) nehmen die Begeisterung in der Menge geniessend auf und Multiinstrumentalist Varulven balanciert mit seinen nackten Füssen mehrmals zwischen Bühnenrand und Geländer. So liefert das Quartett vor den verbleibenden Gästen einen rundum gelungenen Abschluss dieses Festivaltags.
Dass das heutige Line-Up teilweise auch schon am Ragnarök Festival zu bewundern war, ist übrigens kein Zufall: Finntroll befinden sich zurzeit nämlich zusammen mit Suotana und Metsatöll auf Europa-Tour. Dieses Package haben wohl nicht nur die Veranstalter in Lichtenfels, sondern eben auch das Metal Storm-Team für ihren Anlass in Kriens gebucht. Gemessen an den heutigen Auftritten (Suotana haben ihren Gig selbst als einer der besten ihrer Geschichte bezeichnet und auch Finntroll und Metsatöll haben sauber geliefert), ist es fast ein wenig schade, dass die Schweiz dieses Trio nicht auch noch an einem separaten Anlass bewundern durfte. Dutti, es ist Zeit fürs Fanzit (Anm. Dutti: Danke für die geschätzte Aushilfe, Domi!).
Das Fanzit – Metal Storm Over Luzern – Chapter I
Dutti: Wir erlebten definitiv ein rundum gelungenes Debüt der neuen Festivalreihe «Metal Storm Over Luzern» in einer coolen Location. Die Shows von Suotana, Cult Of Fire, Finntroll und Rotting Christ hinterliessen besonders bleibende und positive Eindrücke. Man konnte sich an einem ansprechenden Besucheraufmarsch erfreuen und traf ständig auf vertraute Gesichter. Einzig zu Beginn beim Einlass entstanden kurze Wartezeiten, aber ansonsten ging die Organisation reibungslos und flott über die Bühne. Gerne mehr davon!
Und das ist gleich ein schlaues Stichwort, denn «Metal Storm Over Luzern – Chapter II» wird schon in diesem Jahr stattfinden – und zwar am 05. Oktober. Unter anderem dürft ihr euch zurecht auf Equipen wie Zeal & Ardor, Royal Desolation und Bad Marilyn freuen. Grund genug, um ein weiteres Mal in den Südpol zu pilgern, nicht wahr?